Informationelle Selbstbestimmung der Ex-Minsterin – und die Kontrollrechte des Untersuchungsausschusses

Die parlamentarischen Kontrollrechte eines Untersuchungsausschusses haben nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Sigmaringen regelmäßig gegenüber dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung das größere Gewicht.

Informationelle Selbstbestimmung der Ex-Minsterin – und die Kontrollrechte des Untersuchungsausschusses

Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich ist. Unstreitig handelt es sich bei den streitgegenständlichen Dateien um personenbezogene Daten. Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 LDSG sind dies Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). Die Daten im elektronischen Postfach der Ex-Ministerin (hier: der bis Mai 2011 amtierenden baden-württembergischen Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Verkehr) betreffen solche Einzelangaben jedenfalls über deren sachliche Verhältnisse. Denn es geht um ihre Kommunikation mit Dritten über Sachverhalte, die sich auf sie und ihre ausgeübte Funktion als Ministerin beziehen. Es handelt sich daher um personenbezogene Daten. Speichernde Stelle im Sinne des § 3 Abs. 3 LDSG ist das Umweltministerium.

Die in Rede stehenden Dateien sind im vorliegenden Fall für dieses Ministerium jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, welcher hier maßgeblich ist, nicht mehr im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG zur Aufgabenerfüllung erforderlich. Denn die Datensicherung erfolgte allein wegen der nach dem Regierungswechsel im Frühjahr 2011 zu erwartenden IT-Veränderungen infolge der Verschiebung einzelner Ressortbereiche des bisherigen Ministeriums. Diese Umorganisation einschließlich der Verlässlichkeitsprüfungen der neuen IT-Strukturen ist inzwischen abgeschlossen. Damit ist der Zweck der Datensicherung entfallen.

Grundsätzlich ist danach zugunsten der Ex-Ministerin der ein Löschungsanspruch entstanden. Zweck dieses Anspruchs nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG ist, die aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung folgende Zweckbindung der erhobenen Daten durchzusetzen.

Hinzu kommt das in § 15 Abs. 4 LDSG verankerte absolute Zweckentfremdungsverbot. Danach dürfen personenbezogene Daten, die ausschließlich zum Zweck der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert wurden, nur für diesen Zweck und hiermit im Zusammenhang stehende Maßnahmen gegenüber Bediensteten genutzt werden. Es besteht damit eine strenge Zweckbindung der für Zwecke der Datenschutzkontrolle und/oder Datensicherung gespeicherten Daten. Damit soll grundsätzlich verhindert werden, dass Datenbestände, die zum Zwecke des Datenschutzes und der Datensicherheit angelegt wurden, als allgemeine Informationsgrundlage verwendet werden1.

Diese Feststellungen sind jedoch – im Gegensatz zur Konstellation, die das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 30.07.20142 zum Gegenstand hatte – für den vorliegenden Fall wegen der Überlagerung durch die parlamentarischen Kontrollrechte nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergeben wird. Ebenso wenig ist eine Beweiserhebung notwendig zur Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Datensicherung zur Verhinderung etwaiger Datenverluste im Zuge der Umressortierungen infolge der Landtagswahl 2011 aus technischer Sicht erforderlich war. Denn der Zeitpunkt des mit der erfolgten Datensicherung erreichten Zwecks ist nicht entscheidungserheblich. Wie darzustellen sein wird, ist nach Auffassung des Gerichts für die rechtmäßige Ablehnung des Löschungsantrags nicht der Zeitpunkt der Zweckerreichung der Datenspeicherung von Bedeutung, sondern in zeitlicher Hinsicht der bloße Umstand, dass gegenwärtig vor dem Hintergrund der Anforderung der Sicherungskopien durch den Untersuchungsausschuss aufgrund seines Beweisbeschlusses Nr. 24 a das Datenmaterial noch vorhanden ist.

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Der im Grundsatz bestehende Löschungsanspruch wird hier durch vorrangige Rechtsvorschriften überlagert. Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 LDSG gehen besondere Rechtsvorschriften des Bundes oder des Landes den Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes vor, soweit sie auf personenbezogene Daten anzuwenden sind. Das Landesdatenschutzgesetz erhält damit die Funktion eines Auffanggesetzes. Rechtsgrundlagen mit bereichsspezifischen Regelungen gelten unabhängig davon3. Das in § 2 Abs. 5 Satz 1 LDSG genannte tatbestandliche Erfordernis, dass besondere Rechtsvorschriften auf personenbezogene Daten zur Anwendung kommen müssen, um die Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes zu verdrängen, soll gewährleisten, dass nicht jede Rechtsnorm außerhalb des Datenschutzrechts einen Zugriff auf personenbezogene Daten ermöglichen soll. Einen derartigen Zugriff soll nur eine spezielle Datenschutzvorschrift erlauben können. Normen, die Datenverarbeitungsvorgänge lediglich voraussetzen, reichen nicht aus. Anerkannt ist, dass diesen Anforderungen des § 2 Abs. 5 LDSG an besondere Rechtsvorschriften die §§ 160, 161, 163 StPO über die Beweiserhebung in Ermittlungsverfahren entsprechen. Diese sind die allgemeinen Rechtsgrundlagen für Datenerhebungen durch Strafverfolgungsbehörden. Insbesondere ist § 161 Abs. 1 StPO eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die allgemeine Erhebung personenbezogener Daten im Ermittlungsverfahren4. Die strafprozessualen Beweiserhebungsnormen sind deshalb besondere Vorschriften im Sinne des § 2 Abs. 5 LDSG, die sich auch über die Zwecksetzung des § 15 Abs. 4 LDSG hinwegsetzen können (hierzu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.07.2014 – 1 S 1352/13 68 m.w.N.). Die genannten strafprozessualen Vorschriften, darunter vor allem § 161 Abs. 1 StPO, ermöglichen wegen der übergeordneten Interessenlage an der Aufklärung von Straftaten die nicht durch das Landesdatenschutzgesetz beschränkte freie Gestaltung der Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörde (vgl. dazu ebenso § 1 Abs. 3 BDSG).

Entgegen der Auffassung der Ex-Ministerin stellen auch Vorschriften des Untersuchungsausschussgesetzes, insbesondere § 13 Abs. 1 UAG, die hier zur Anwendung kommen, „besondere Rechtsvorschriften“ im Sinne des § 2 Abs. 5 LDSG dar, welche die Regelungen des Landesdatenschutzgesetzes überlagern.

Für einen Untersuchungsausschuss des Bundestages sind nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG auf Beweiserhebungen die Vorschriften über den Strafprozess sinngemäß anzuwenden. In Art. 35 LV findet sich für Untersuchungsausschüsse des Landtags eine derartige direkte Verweisung zwar nicht. Nach Art. 35 Abs. 4 Satz 1 LV wird das Nähere über die Einsetzung, die Befugnisse und das Verfahren der Untersuchungsausschüsse durch Gesetz geregelt. In § 13 Abs. 6 UAG findet sich für die Beweisaufnahme die Verweisung auf die Vorschriften über den Strafprozess, die entsprechend gelten, soweit sich aus dem Untersuchungsausschussgesetz nichts anderes ergibt. Die Verweisung erstreckt sich auf alle Bestimmungen, die die strafprozessuale Sachverhaltsaufklärung regeln. Sie erfasst sowohl befugnisbegründende als auch befugnisbegrenzende Regelungen5.

Über § 13 Abs. 6 UAG werden damit strafprozessuale Befugnisse hinsichtlich der Beweiserhebung in entsprechender Weise auf den Untersuchungsausschuss übertragen. Besondere, von strafprozessualen Regelungen abweichende Vorschriften über die Beweiserhebung enthält das Untersuchungsausschussgesetz nicht. Ob § 14 UAG, der u.a. die Pflicht zur Aktenvorlage und Auskunftserteilung der Landesbehörden regelt, in diesem Zusammenhang eine Sonderregelung darstellt, wie die Ex-Ministerin meint, kann dahingestellt bleiben. Denn auf diesen Aspekt kommt es, wie an späterer Stelle dargestellt wird, nicht entscheidungserheblich an. Die Übertragung der strafprozessualen Befugnisse ohne die Loslösung von den Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes gemäß § 2 Abs. 5 LDSG würde dazu führen, dass das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses, soweit dieses Zugriff gerade auch auf von der Exekutive nicht freiwillig bereit gestelltes Datenmaterial über die Regierungstätigkeit verschaffen soll, leer liefe. Die parlamentarische Kontrolle bliebe unwirksam6.

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Darüber hinaus ergibt sich der Vorrang als „besondere Rechtsvorschriften“ im Sinne von § 2 Abs. 5 LDSG auch aus der Teleologie der in Rede stehenden Regelungen für den Untersuchungsausschuss. Das Kontrollrecht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses einschließlich des Beweiserhebungsrechts (Art. 35 Abs. 2 bis 4 LV) und der grundrechtliche Datenschutz stehen sich auf der Ebene des Verfassungsrechts gegenüber und müssen im konkreten Fall einander so zugeordnet werden, dass beide so weit wie möglich ihre Wirkungen entfalten7. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem in Art. 44 GG (für den Bundestag) und Art. 35 LV (für den Landtag) geregelten Untersuchungsrecht um eines der ältesten und wichtigsten Rechte der Parlamente handelt. Das parlamentarische Untersuchungsverfahren dient der Aufklärung eines Sachverhalts zu politischen Zwecken und zur Wahrnehmung der Kontrollfunktion des Parlaments8. Wegen der umfassenden politischen Aufklärungsfunktion eines Untersuchungsausschusses kommt hinzu, dass sogar Regeln und Abwägungen, die etwa für die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter oder rechtswidrig aufbewahrter Informationen in Strafverfahren und anderen gerichtlichen Verfahren maßgebend sind, auf die Verwertung solcher Informationen durch einen Untersuchungsausschuss nicht ohne weiteres übertragen werden können. Insbesondere kann der Gesichtspunkt präventiver Vermeidung künftiger Rechtsverstöße gerade gegen ein Verwertungsverbot sprechen, soweit es um die Zugänglichkeit von Informationen für einen Untersuchungsausschuss geht. Dies gilt vor allem – wie auch im hier vorliegenden Fall – im Rahmen von Missstandsenquêten. Dem parlamentarischen Informationsinteresse kommt besonderes Gewicht zu, soweit es um die Aufklärung behaupteter Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände im Verantwortungsbereich der Regierung geht9. Das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses ist weit zu fassen. Zur Beweiserhebung gemäß Art. 35 Abs. 2 Satz 1 LV und § 13 Abs. 1 UAG zählt nicht nur die Beweisaufnahme im engeren Sinne (entsprechend § 244 Abs. 1 StPO), sondern der gesamte Vorgang der Beweisverschaffung, Beweissicherung und Beweisauswertung. Erfasst ist daher neben der Ladung und Vernehmung von Zeugen nicht nur die Einsichtnahme in Dokumente und deren Auswertung, sondern auch bereits deren Anforderung zur Vorlage10. Die dem Untersuchungsausschuss zugedachte Ermittlungs- und Aufklärungsfunktion kann dieser nur umfassend wahrnehmen, wenn sich sein Beweiserhebungsrecht einschließlich des Rechts auf Vorlage und Auswertung von Beweismitteln, welche wie hier personenbezogene Daten auf Sicherungskopien enthalten, gegenüber den die Datenverarbeitung begrenzenden Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes durchsetzt.

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Die umfassenden Rechte des Untersuchungsausschusses sind jedoch an verschiedene Voraussetzungen geknüpft, welche im vorliegenden Fall erfüllt sind.

Das Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses wird zunächst begrenzt durch den im Einsetzungsbeschluss zu bestimmenden Untersuchungsauftrag. Dieser muss sich im Rahmen der parlamentarischen Kontrollkompetenz halten und hinreichend deutlich bestimmt sein. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsrechts, aus dem Rechtsstaats- und dem Gewaltenteilungsprinzip sowie aus der Stellung des Untersuchungsausschusses als Hilfsorgan des Landtags. Der Landtag hat als Herr des Untersuchungsverfahrens dessen Rahmen selbst abzustecken und darf diese Aufgabe nicht auf den Ausschuss delegieren. Diese Abgrenzung dient auch dem Schutz des Untersuchungsbetroffenen, denen gegenüber das Untersuchungsrecht sogar Eingriffs- und Zwangsbefugnisse verleiht. Die Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes hat auch Bedeutung für die Reichweite der von Behörden und Gerichten zu leistenden Amtshilfe.

Die förmlichen Beweisbeschlüsse Nr. 3 und Nr. 24 a halten sich im Rahmen des Einsetzungsbeschlusses des Landtags vom 18.12.2013 (vgl. § 2 Abs. 2 UAG). Insbesondere der Beweisbeschluss, mit dem die Beiziehung der den E-Mail-Verkehr der Ex-Ministerin enthaltenden Sicherungskopien vom Umweltministerium beschlossen wurde, ist vor dem Hintergrund des Untersuchungsauftrags keineswegs aus der Luft gegriffen. Die Beweismittel und die Beweistatsachen sind in einer für die Vollziehbarkeit des Beschlusses hinreichend bestimmten Weise angegeben worden. Auch ist das Beweisziel erkennbar. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass das parlamentarische Untersuchungsverfahren Besonderheiten gegenüber dem Strafverfahren, das anderen Zielen dient, unterliegt. Während im Strafverfahren die Verwirklichung eines bestimmten festumrissenen Tatbestandes im Hinblick auf die individuelle Schuld einer Person geprüft wird, geht es im Untersuchungsausschuss um die Aufklärung eines Sachverhalts zu politischen Zwecken, vor allem um die Wahrnehmung der Kontrollfunktion des Parlaments. Es bedarf mit Rücksicht auf den Schutz der Grundrechte der von der Untersuchung betroffenen Person aus Gründen der Verhältnismäßigkeit greifbarer, hinreichend tatsachengestützter Anhaltspunkte, dass die Beweiserhebung der Erfüllung des Untersuchungsauftrags dienen kann. Unzulässig wäre es, lediglich einen „Schuss ins Dunkle“ abzugeben, um den Gesamtbereich der Regierungspolitik oder gar den privaten Bereich eines Betroffenen auszuforschen. Die einzelne Beweiserhebung eines Untersuchungsausschusses muss aber nicht auf bestimmte Tatsachen bezogen sein, sondern kann darauf abzielen, zunächst „Licht ins Dunkel“ eines Untersuchungskomplexes zu bringen, um auf diese Weise die Aufklärung von politischen Verantwortlichkeiten zu ermöglichen. Im Untersuchungsausschussverfahren ist eine Beweisbehauptung im strafprozessualen Sinne daher nicht Voraussetzung einer Beweiserhebung. Die Grenze zulässiger Ausforschung ist erst dort erreicht, wo Beweisanträge ohne jegliche tatsächliche Grundlage „völlig ins Blaue hinein“ gestellt werden11.

Aus der umfangreichen Begründung zum Beweisbeschluss Nr. 24 a wird deutlich, dass hinreichend tatsachengestützte Anhaltspunkte für die Beiziehung der Sicherungskopien durch den Untersuchungsausschuss vorliegen. Die Grenzen der reinen Ausforschung im Sinne eines „Schusses ins Dunkle“ sind nicht erreicht. Das betrifft wegen des Vorlaufs und der Nachwirkungen hinsichtlich des Untersuchungskomplexes auch den Zeitraum vom 01.08.2010 bis 31.01.2011, aus dem der E-Mail-Verkehr der Ex-Ministerin beigezogen wird. Die Ex-Ministerin hat nach der Begründung zu diesem Beweisbeschluss wenige Tage vor dem Termin vom 30.09.2010 für den Polizeieinsatz im Sch. an einem Strategiegespräch in kleiner Runde mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und dem ehemaligen Polizeipräsidenten teilgenommen, ebenso bei einem Gespräch im Staatsministerium am Vortag des Polizeieinsatzes. Ferner war sie Teilnehmerin an der Pressekonferenz am 30.09.2010 im Landtag sowie an einer Besprechung am Abend desselben Tages. Zudem ist eine E-Mail der Ex-Ministerin an den ehemaligen Ministerpräsidenten vom 21.09.2010 aufgetaucht, in der von einer Vereinbarung die Rede ist, die Bäume ab dem 01.10.2010 zu fällen, um zu verhindern, dass Parkschützer lange Zeit für etwaige Baumbesetzungen haben. Es sei Ziel, dass bis zur Regierungserklärung des damaligen Ministerpräsidenten mit den Bäumen alles erledigt sei. Wie die Begründung nachvollziehbar ausführt, scheine nach dieser E-Mail die damalige Regierungserklärung einen größeren Einfluss auf den Termin des Polizeieinsatzes gehabt zu haben als bislang bekannt. Es könnten daher politische Rahmenbedingungen polizeiliche Erwägungen überstrahlt haben. Diese Begründung ist plausibel. Die angestrebte Beweiserhebung ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden.

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Beweismittel sind die beim Umweltministerium noch vorhandenen Sicherungskopien, die von diesem dem Untersuchungsausschuss vorgelegt werden sollen.

Die Sicherungskopien stellen keine Akten im Sinne von § 14 Abs. 1 UAG dar. Der Aktenbegriff des Untersuchungsausschussgesetzes ist mit dem in den §§ 147, 199 StPO identisch. Dazu gehören alle schriftlich erstellten Unterlagen, die in einem (Ermittlungs-) Verfahren angefallen sind, sowie auch Ton- und Bildaufnahmen ebenso wie Computerdateien. Beweisstücke wie PCs oder Festplatten stellen hingegen keine Aktenbestandteile dar. Dementsprechend sind die vorhandenen Magnetbänder, auf denen völlig unabhängig von einer thematischen Zuordnung zu bestimmten Vorgängen oder Verfahren die Daten von etwa 600 Accounts gesammelt sind, als Beweisstücke zu qualifizieren. Dies hat zur Folge, dass im vorliegenden Fall § 14 UAG nicht zur Anwendung kommen kann. Dies beinhaltet zugleich aber auch keine Beschränkung der Beweiserhebung dahingehend, dass der Untersuchungsausschuss von den Landesbehörden nur die Vorlage von Akten verlangen könnte und die Vorlage anderer Beweismittel auf der Grundlage von § 13 UAG ausgeschlossen wäre.

Die Beweiserhebung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 1 LV und § 13 Abs. 1 UAG umfasst entsprechend des dargestellten weiten rechtlichen Rahmens dieses Begriffes die Vorlage der Sicherungskopien an den Untersuchungsausschuss zur Auswertung durch ihn. Denn die Beweiserhebung beinhaltet neben der Anforderung des Beweismittels auch dessen Einsichtnahme und Auswertung. Die auf den Sicherungskopien enthaltenen Daten sind nicht durch das Umweltministerium sichtbar zu machen.

Nach den bisherigen Ausführungen zeigt sich, dass die rechtlichen Voraussetzungen einer Beweiserhebung durch Heranziehung der Magnetbänder mit den Sicherungskopien als Beweisstücke vorliegen. Es bestehen hinreichende Anhaltspunkte, dass die auf den Sicherungskopien vorhandenen Daten für die Erfüllung des Untersuchungsauftrags relevant sein können. Die Anforderung des Datenmaterials durch den Untersuchungsausschuss beim Umweltministerium erscheint daher rechtmäßig.

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Andere mögliche Begrenzungen des Rechts des Untersuchungsausschusses sind im vorliegenden Fall nicht durchgreifend.

Anzusprechen sind hier zunächst mögliche Begrenzungen aufgrund des Gewaltenteilungsgrundsatzes. Das Gewaltenteilungsprinzip zielt auf Machtverteilung und die daraus sich ergebende Mäßigung der Staatsherrschaft. In der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist die Teilung der Gewalten nicht als absolute Trennung realisiert und geboten. Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden. Die Verantwortung der Regierung gegenüber dem Parlament und dem Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dabei sind Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen. So kommt den Erörterungen im Kabinett besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind demgegenüber einer parlamentarischen Kontrolle in einem geringeren Maße entzogen. Besonders hohes Gewicht kommt aber dem parlamentarischen Informationsinteresse zu, soweit es sich – wie ausgeführt – um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung handelt12. Einer Beurteilung, ob und inwiefern im vorliegenden Fall der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung tangiert wird, bedarf es hier jedoch nicht. Denn diese Thematik betrifft nicht eigene Rechte der Ex-Ministerin, sondern solche der Exekutive. Eine Verletzung von Rechten der Ex-Ministerin wegen diesen Gesichtspunkts ist daher hier nicht zu befürchten.

Schließlich haben parlamentarische Untersuchungsausschüsse gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten. Dabei stößt das Beweiserhebungsrecht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses auf das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung in seiner einfachgesetzlichen Ausgestaltung durch die Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes. Betroffen ist hier insbesondere der auf den Sicherungskopien auch enthaltene private E-Mail Verkehr der Ex-Ministerin. Die Wahrung der Rechte der Ex-Ministerin hat jedoch nicht das Umweltministerium, sondern der die Beweisstücke empfangende Untersuchungsausschuss sicherzustellen. Zu diesem Komplex hat das OLG Stuttgart in seinem Beschluss vom 15.11.2012 – 4a VAs 3/12 – ( 15)) folgende Erwägungen angestellt, denen sich das Verwaltungsgericht auch hinsichtlich des Datenmaterials auf den Magnetbändern anschließt:

„Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts13 hat der Untersuchungsausschuss die Grundrechte Dritter, etwa das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, zu beachten, das nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden darf. Auch dazu sind ihm die vollständigen Akten vorzulegen, damit er sich ein Bild vom Umfang ihrer Entscheidungserheblichkeit machen kann. Hieraus ergibt sich, dass die erforderliche Verhältnismäßigkeitsprüfung in Fällen der Betroffenheit des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung bei der Gewährung von Akteneinsicht gegenüber parlamentarischen Untersuchungsausschüssen nicht im Kompetenzbereich der die Akteneinsicht gewährenden Stelle liegt. Es ist nicht deren Aufgabe diese Beschränkungen zu prüfen und gegebenenfalls die Einsicht zu versagen. Vielmehr obliegt es dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in eigener Verantwortung den Schutz solcher Rechtspositionen durch Geheimhaltungsmaßnahmen oder – in letzter Konsequenz – durch Rückgabe entsprechender Aktenbestandteile nach Vorprüfung zu gewährleisten.“

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Die Sicherstellung der Rechte der Ex-Ministerin kann, sofern konsensual keine andere Lösung zustande kommt, etwa erfolgen bereits durch Begrenzung des sichtbar gemachten und dem Ausschuss vorgelegten Materials entsprechend dem Verfahrensvorschlag in der Begründung zum Beweisbeschluss Nr. 24 a, durch den Ausschluss der Öffentlichkeit (Artikel 35 Abs. 2 Satz 3 LV, § 32 Geschäftsordnung des Landtags) sowie durch eine die Rechte der Ex-Ministerin wahrende Abfassung des Schlussberichts und einer Prüfung, ob die Verfügung einer Geheimhaltungsstufe in Betracht kommt.

Zusammenfassend gesehen bleibt damit der Hauptantrag ohne Erfolg, da dem von der Ex-Ministerin geltend gemachten Löschungsanspruch im vorliegenden Fall die Pflicht des Umweltministeriums gegenübersteht, das Datenmaterial dem Untersuchungsausschuss, der dieses rechtmäßig angefordert hat, zur Verfügung zu stellen. Im Ergebnis kommt hier den parlamentarischen Kontrollrechten gegenüber dem Recht der Ex-Ministerin auf informationelle Selbstbestimmung das größere Gewicht zu.

Entsprechend den obigen Ausführungen bleibt auch der Hilfsantrag mit dem Ziel, das Umweltministerium zu verurteilen, es zu unterlassen, das Datenmaterial an den Untersuchungsausschuss herauszugeben, erfolglos.

Verwaltungsgericht Sigmaringen, Urteil vom 20. Mai 2015 – 5 K 5439/14

  1. vgl. die näheren Ausführungen hierzu im Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 30.07.2014 – 1 S 1352/13 dort insbesondere RdNrn. 47, 61 bis 66[]
  2. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.07.2014 – 1 S 1352/13[]
  3. vgl. zur entsprechenden Vorschrift des § 1 Abs. 3 BDSG: Gola/Schomerus, BDSG, 10. Auflage, § 1 RdNr. 24[]
  4. vgl. BVerfG, Verwaltungsgerichtbeschluss vom 17.02.2009 – 2 BvR 1372/07 und 1742/07 26[]
  5. vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.06.2009 – 2 BvE 3/07 108[]
  6. vgl. im Zusammenhang mit dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung: BVerfG, Beschluss vom 17.06.2009 – 2 BvE 3/07 124 sowie Beschluss vom 30.03.2004 – 2 BvK 1/01 51[]
  7. vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.06.2009 – 2 BvE 3/07 133 im Hinblick auf Art. 44 GG[]
  8. OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.11.2012 – 4a VAs 3/12 12[]
  9. vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.06.2009 – 2 BvE 3/07 136 und 145, dort auch im Hinblick auf die Berührung des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung[]
  10. BVerfG, Beschluss vom 17.06.2009 – 2 BvE 3/07 109[]
  11. BVerfG, Beschluss vom 17.06.2009 – 2 BvE 3/07 111 m.w.N. sowie StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.08.1991 – GR 1/91 – VBlBW 1991, 414, 421[]
  12. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 17.06.2009 – 2 BvE 3/07. 120 bis 127 m.w.N.[]
  13. BVerfGE 124, 78 [117, 125][]