Eine Gefahr im Sinne von § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann auch dann vorliegen, wenn der Ausländer zwar nicht selbst ideologisch radikalisiert ist, er sich jedoch von Dritten in dem Wissen um deren ideologische Ziele für entsprechende Gewalthandlungen instrumentalisieren lässt oder er sich im In- oder Ausland in den Dienst einer terroristischen Vereinigung stellt und diese in dem Wissen um deren ideologische Radikalisierung bereitwillig durch die Begehung schwerer Straftaten unterstützt, ohne in der Folge erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand zu nehmen1.

Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung der Ordnungsverfügung, über die das Bundesverwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO zu entscheiden hat, ist in Fällen, in denen der Ausländer weder abgeschoben wurde noch freiwillig ausgereist ist, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts2.
Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Danach kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Diese Regelung ist formell und materiell verfassungsgemäß3.
Die Abschiebungsanordnung ist gegenüber der Ausweisung nach den §§ 53 ff. AufenthG eine selbstständige ausländerrechtliche Maßnahme der Gefahrenabwehr, die auf die Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und/oder einer terroristischen Gefahr zielt. Der mit ihr einhergehenden Feststellung, dass einer Abschiebung weder zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1, 2, 3, 5 und 7 AufenthG noch inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse in rechtlicher Hinsicht entgegenstehen, kommt keine eigenständige Regelungswirkung bei. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Feststellung ist Teil der gerichtlichen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung.
Im hier entschiedenen Fall bestanden für das Bundesverwaltungsgericht keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung:
Bedenken bestehen zunächst nicht hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung.
Die Bundesverwaltungsgerichtsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport des Antragsgegners ist gemäß § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG i. V. m. § 2 Abs. 4 Satz 1 des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in B. in der Fassung vom 11.10.20064, zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 09.02.20235, i. V. m. Nr. 37 Abs. 1 des dieser Norm anliegenden Zuständigkeitskatalogs Ordnungsaufgaben als oberste Landesbehörde für den Erlass der Abschiebungsanordnung und nach § 11 Abs. 5c AufenthG auch für den Erlass und die erstmalige Befristung eines mit einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots sachlich zuständig.
Der formellen Rechtmäßigkeit steht nicht entgegen, dass der Antragsteller vor Erlass der Verfügung nicht angehört wurde.
§ 58a AufenthG schreibt eine Anhörung weder ausdrücklich vor, noch verbietet er eine solche, sodass gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung6 § 28 VwVfG Bd anzuwenden ist. Nach § 28 Abs. 1 VwVfG Bd ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Von diesem Erfordernis durfte hier nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG Bd abgesehen werden, sodass es keiner Klärung bedarf, ob eine Anhörung nach § 28 Abs. 3 VwVfG Bd zu unterbleiben hatte.
Nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG Bd kann von der Anhörung im Ermessenswege abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Hier war eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig. § 58a AufenthG zielt auf die Bewältigung beachtlicher Gefahren für hochrangige Rechtsgüter. Bei der mit einer Anhörung verbundenen „Vorwarnung“ des Ausländers bestand hier zumindest für die verbleibende Dauer der Inhaftierung des Antragstellers zwar nicht die Gefahr, dass sich dieser der Abschiebung durch Untertauchen entzieht oder sonst den mit der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung verfolgten Zweck vereitelt (vgl. auch § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AufenthG; ferner BVerwG, Urteil vom 27.03.2018 – 1 A 5.17 22 und Beschluss vom 13.07.2017 – 1 VR 3.17, Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 17). Eine sofortige Entscheidung war indes deshalb im öffentlichen Interesse notwendig, weil von dem Antragsteller eine terroristische Gefahr ausgeht, die sich jederzeit aktualisieren kann7. Sowohl die wiederholt unter Beweis gestellte Fähigkeit des Antragstellers, auch in der Jugendstrafanstalt in den Besitz von Mobilfunkgeräten zu gelangen, und der ihm hierdurch ermöglichte Kontakt insbesondere zu dem seinem Umfeld zuzurechnenden kriminellen Spektrum, als auch die Fähigkeit, Gewalttaten zu planen und zu koordinieren, als auch insbesondere seine Persönlichkeitsstruktur durften das Bundesverwaltungsgerichtsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport des Antragsgegners Anlass geben, von einer Anhörung abzusehen. Die Persönlichkeitsstruktur des Antragstellers ist ausweislich seiner eigenen Einschätzung, der zufolge er schnell nervös werde und „ausraste“ und nicht in der Lage sei, nachzudenken und sich zu stoppen, sondern handeln müsse, wenn ihn jemand angreife, aber auch ausweislich der fachlichen Einschätzungen nicht nur der Sicherheitsbehörden durch unkontrollierten, destruktiven Handlungsdruck, hohe Impulsivität, die nur unzureichend ausgeprägte Fähigkeit, negative Affekte unter Kontrolle zu bringen, und eine niedrige Schwelle zu aggressivem und auch gewalttätigem Verhalten geprägt.
Diese Einschätzung zu treffen, ist als Teil der auf der Grundlage einer umfassenden Beurteilung des Ausländers, seines Verhaltens, seiner Lebensverhältnisse und aller weiteren Umstände des Einzelfalles zu treffenden Gefahrenprognose ureigene Aufgabe der Ausländerbehörde und des Verwaltungsgerichts8. Diese bewegen sich hierbei regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die ihnen vertraut und allgemein zugänglich sind. Der Hinzuziehung eines Sachverständigen bedarf es nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände – etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen – nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann9. Das Tatsachengericht entscheidet über die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme insgesamt im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Beteiligten haben das Recht, auf Tatsache und Reichweite der gerichtlichen Sachverhaltsermittlung durch Beweisanträge einzuwirken; die Ablehnung von Beweisanträgen verletzt grundsätzlich das rechtliche Gehör nur, wenn und soweit sie im Prozessrecht keine Stütze findet. Schöpft das Gericht seine besondere Sachkunde auch aus vorhandenen Gutachten, so muss der Verweis hierauf dem Einwand der Beteiligten standhalten, dass in diesen Erkenntnisquellen keine, ungenügende oder widersprüchliche Aussagen zur Bewertung der aufgeworfenen Tatsachenfragen enthalten seien. Ist dies der Fall, so steht die Einholung eines (weiteren) Gutachtens bzw. einer (weiteren) Auskunft auch dann im Ermessen des Gerichts (§ 98 VwGO i. V. m. § 412 Abs. 1 ZPO), wenn die Erkenntnisquellen, aus denen das Gericht seine eigene Sachkunde schöpft, nicht in dem jeweiligen Verfahren eingeholt worden sind10. Gemessen daran ist im vorliegenden Verfahren weder der Anregung, das Gespräch mit einem den Antragsteller betreuenden Polizeipsychologen zu suchen, noch dem Antrag, ein Sachverständigengutachten einzuholen und eine persönliche Anhörung des Antragstellers vorzunehmen, zu entsprechen. Das im Strafverfahren durch das Kammergericht eingeholte forensisch-jugendpsychiatrisch-psychologische Gutachten vom 13.03.2019 schließt eine relevante psychiatrische Störung des Antragstellers ausdrücklich aus. Eine solche wird ihm auch in jüngeren Stellungnahmen nicht attestiert, obgleich er sich in den zurückliegenden Jahren ob seines aggressiven Verhaltens in ständiger psychologischer Betreuung befand. Auch diese Stellungnahmen gehen weiterhin von einem durchgängig hohen Anspannungsniveau und von einem impulsiven Verhalten in Frustrationssituationen aus. Dieses paart sich mit einer stetigen Bereitschaft zur Ausübung psychischer und physischer Gewalt unter Einsatz auch von Waffen11 und unter Manipulation anderer Personen zur Erreichung seiner Ziele. Besondere, atypische Umstände, die hier eine Anhörung ohne Gefährdung des Zwecks der Abschiebungsanordnung oder zumindest eine eingehendere Begründung der Ermessensentscheidung für den Verzicht auf eine Anhörung erfordert hätten, liegen nicht vor.
Wäre davon auszugehen, dass die Abschiebungsanordnung eine dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger12 unterfallende Rückkehrentscheidung darstellt, so trägt das Absehen von einer Anhörung auch den sich hieraus dann ergebenden unionsrechtlichen Vorgaben Rechnung.
Die Richtlinie 2008/115/EG enthält selbst nicht ausdrücklich ein Anhörungsgebot vor Erlass einer Rückkehrentscheidung. Dieses gilt aber als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts13. Das Recht auf Anhörung garantiert jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen. Die Regel, wonach der Adressat einer beschwerenden Entscheidung in die Lage versetzt werden muss, seinen Standpunkt vorzutragen, bevor die Entscheidung getroffen wird, soll der zuständigen Behörde erlauben, alle maßgeblichen Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Insbesondere muss die zuständige nationale Behörde, wenn sie eine Rückkehrentscheidung erlassen will, nach Art. 5 RL 2008/115/EG zum einen den Grundsatz der Nichtzurückweisung einhalten und in gebührender Weise unter anderem die familiären Bindungen und den Gesundheitszustand des betreffenden Drittstaatsangehörigen berücksichtigen und ihn zum anderen hierzu anhören14.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind Grundrechte wie das Recht auf Beachtung der Verteidigungsrechte aber nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen, die mit der fraglichen Maßnahme verfolgt werden, und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet15. Dabei ist auch das Ziel der Richtlinie, nämlich die wirksame Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in ihr Herkunftsland, zu berücksichtigen16. Sind – wie hier – weder die Bedingungen, unter denen die Wahrung der Verteidigungsrechte von Drittstaatsangehörigen zu gewährleisten ist, noch die Folgen der Missachtung dieser Rechte unionsrechtlich festgelegt, richten sich diese Bedingungen und Folgen nach nationalem Recht, sofern die in diesem Sinne getroffenen Maßnahmen denen entsprechen, die für den Einzelnen in vergleichbaren unter das nationale Recht fallenden Situationen gelten (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz)17.
Gemessen daran wird den Erfordernissen der Äquivalenz und Effektivität in Bezug auf einen Ausländer, dessen Persönlichkeit durch einen unkontrollierten, destruktiven Handlungsdruck und hohe Impulsivität geprägt ist und der es wie der Antragsteller versteht, ob seiner hohen kriminellen Energie auch aus einer Haftsituation heraus engen Kontakt zu einem gewaltbereiten kriminellen Umfeld zu unterhalten, durch die Ermöglichung der nachträglichen Wahrnehmung der Verteidigungsrechte im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens entsprochen.
Die Abschiebungsanordnung steht bei der hier gebotenen umfassenden Prüfung18 materiell-rechtlich im Einklang mit § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG.
Von dem Antragsteller geht auf der Grundlage einer auf Tatsachen gestützten Prognose eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und eine terroristische Gefahr aus.
Der Begriff der „Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ ist – wie die wortgleiche Formulierung in § 54 Abs. 1 Nr. 2 und § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG – nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinen Polizeirechts. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein19. In diesem Sinne richten sich auch Gewaltanschläge gegen Unbeteiligte zum Zwecke der Verbreitung allgemeiner Unsicherheit gegen die innere Sicherheit des Staates20. Das Erfordernis einer „besonderen“ Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland bezieht sich allein auf das Gewicht und die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie auf das Gewicht der befürchteten Tathandlungen des Betroffenen, nicht auf die zeitliche Eintrittswahrscheinlichkeit. In diesem Sinne muss die besondere Gefahr für die innere Sicherheit aufgrund der gleichen Eingriffsvoraussetzungen eine mit der terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension erreichen. Da es um die Verhinderung derartiger Straftaten geht, ist es nicht erforderlich, dass mit deren Vorbereitung oder Ausführung in einer Weise begonnen wurde, die einen Straftatbestand erfüllt und etwa bereits zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen geführt hat21.
Wesentliche Kriterien für die Bestimmung einer „terroristischen Gefahr“ können insbesondere aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 09.12.199922, aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Union im Beschluss des Rates Nr.2002/475/JI vom 13.06.200223, dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates Nr.2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27.12.200124 und Art. 3 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.03.2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates25 gewonnen werden26. Eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln liegt jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden27. Entsprechendes gilt bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr kann nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter Netzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder „Szeneeinbindungen“, die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und geeignet sind, die Bereitschaft im Einzelfall zu wecken oder zu fördern28.
Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. Die vom Ausländer ausgehende Bedrohung muss aber nicht bereits die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten, bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu erwarten ist. Eine Abschiebungsanordnung ist schon dann möglich, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein beachtliches Risiko dafür besteht, dass sich eine terroristische Gefahr und/oder eine besondere Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in der Person des Ausländers jederzeit aktualisieren kann, sofern nicht eingeschritten wird29. In Fällen, in denen sich eine Person in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert, den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung dieser radikal-islamischen Auffassung für gerechtfertigt und die Teilnahme am sogenannten Dschihad als verpflichtend ansieht, kann von einer hinreichend konkreten Gefahr auszugehen sein, dass diese Person terroristische Straftaten begeht30. Für eine entsprechende „Gefahrenprognose“ bedarf es – wie bei jeder Prognose – zunächst einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage. Angesichts der besonderen Gefahrenlage, der § 58a AufenthG durch die tatbestandliche Verselbstständigung begegnen soll, genügt es, dass sich aus den festgestellten Tatsachen ein beachtliches Risiko dafür ergibt, dass sich die von einem Ausländer ausgehende Bedrohungssituation jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen kann31. Dieses beachtliche Eintrittsrisiko kann sich auch aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukommt, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen ist, in Deutschland einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen hat und die näheren Tatumstände nach Ort, Zeitpunkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststehen. Eine hinreichende Bedrohungssituation kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr und/oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen. Ein beachtliches Risiko, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann, kann sich – abhängig von den Umständen des Einzelfalles – in der Gesamtschau schon daraus ergeben, dass ein im Grundsatz gewaltbereiter und auf Identitätssuche befindlicher Ausländer sich in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus in seinen verschiedenen Ausprägungen bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert, über enge Kontakte zu gleichgesinnten, möglicherweise bereits anschlagsbereiten Personen verfügt und sich mit diesen in „religiösen“ Fragen regelmäßig austauscht32. Erst recht kann ein solches beachtliches Eintrittsrisiko anzunehmen sein, wenn die Radikalisierung eines solchen Ausländers ein Stadium erreicht, in dem sich dieser nach reiflicher Abwägung verpflichtet fühlt, seine Religion mit dem Mittel des gewaltsamen Kampfes zu verteidigen. Der obersten Landesbehörde steht bei der für eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erforderlichen Gefahrenprognose keine Einschätzungsprärogative zu33.
§ 58a AufenthG erlaubt Maßnahmen nur zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr, die im vorbeschriebenen Umfang durch eine (vorrangig) ideologisch radikalisierte, insbesondere politisch oder religiös geprägte Gewaltanwendung oder -androhung gekennzeichnet ist. Fehlt es an einer ideologisch radikalen Prägung, ist einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch einen Ausländer auch bei drohenden Straftaten von erheblicher Bedeutung mit den Mitteln des Ausweisungsrechts (§§ 53 ff. AufenthG) oder nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht zu begegnen; hinzu tritt der Rechtsgüterschutz durch eine konsequente Verfolgung begangener Straftaten34. Die ideologische Prägung der drohenden Gewaltanwendung muss dabei nicht notwendigerweise in der eigenen Überzeugung des Ausländers begründet liegen. Eine Gefahr im Sinne des § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann mit Blick auf die geschützten Rechtsgüter vielmehr auch dann vorliegen, wenn der Ausländer zwar nicht selbst – gar vollständig oder nachhaltig – ideologisch radikalisiert ist, er sich jedoch von Dritten in dem Wissen um deren ideologische Ziele für entsprechende Gewalthandlungen instrumentalisieren lässt oder er sich im In- oder Ausland in den Dienst einer terroristischen Vereinigung stellt und diese in dem Wissen um deren ideologische Radikalisierung bereitwillig durch die Begehung schwerer Straftaten unterstützt, ohne in der Folge erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand zu nehmen.
In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass von dem Antragsteller aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ein beachtliches Risiko im Sinne des § 58a AufenthG ausgeht, auch wenn den Sicherheitsbehörden kein konkreter Plan zur Ausführung einer terroristischen Gewalttat bekannt geworden ist. Es besteht ein zeitlich und sachlich beachtliches Risiko, dass der Antragsteller, der sich bereits im Irak – vornehmlich, aber nicht ausschließlich aus opportunistischen Gründen – zur Begehung von Verbrechen hat verleiten lassen, weitere Taten folgen lässt, einschließlich der Begehung oder aktiven Mitwirkung an einem – ohne großen Vorbereitungsaufwand möglichen – Terroranschlag mit unbeteiligten Toten. Diese von dem Antragsteller ausgehende Bedrohungssituation kann sich nach der bereits erfolgten Verbüßung der Strafe, zu der er bislang nicht rechtskräftig verurteilt worden ist, und nach einer Entlassung aus der nur im Hinblick auf die Abschiebungsanordnung angeordneten Abschiebungshaft auch ob seiner Persönlichkeitsstruktur jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dieser gleichzustellenden besonderen Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen. Dies ergibt sich in der Gesamtschau der insbesondere strafgerichtlich festgestellten und von dem Bundesverwaltungsgericht gewürdigten Tatsachen.
Bei ihrer jeweils eigenständig und unter umfassenden Würdigung sämtlicher Tatsachen vorzunehmenden Gefahrenbeurteilung sind die oberste Landesbehörde und das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen des § 58a AufenthG ob der unterschiedlichen Zielsetzungen von Straf- und Gefahrenabwehrrecht nicht an etwaige strafgerichtliche Feststellungen und Beurteilungen gebunden35; diesen kommt indes regelmäßig ein erhebliches tatsächliches Gewicht und im Rahmen der eigenständig zu treffenden Gefahrenprognose eine erhebliche indizielle Bedeutung zu36. Die oberste Landesbehörde und das Bundesverwaltungsgericht dürfen die strafgerichtlichen Feststellungen ihrer Entscheidung zugrunde legen, wenn sich eine weitere Aufklärung nicht aufdrängt, was namentlich dann der Fall ist, wenn nichts dafür ersichtlich ist, dass sie den Vorfall ausnahmsweise besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären vermögen oder erkennbar ist, dass die strafgerichtliche Verurteilung auf einem Irrtum oder – bei Entscheidung eines ausländischen Strafgerichts – auf abweichenden Maßstäben beruht37. Dies gilt auch dann, wenn die strafgerichtliche Entscheidung mit einem Rechtsmittel angegriffen wird und noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Auch und gerade in einem solchen Fall dürfen die oberste Landesbehörde und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren das Bundesverwaltungsgericht die Feststellung und Würdigung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen nicht ungeprüft übernehmen, sondern müssen sie sich die gebotene Überzeugungsgewissheit bilden, dass die Angriffe gegen die Entscheidung nicht geeignet sind, die strafgerichtliche Tatsachenfeststellung und -würdigung ernstlich in Frage zu stellen38.
Das Kammergericht hat den Antragsteller der Entwürdigung und Erniedrigung einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 VStGB) in Tateinheit mit Beihilfe zu einer Tötung einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB, § 27 Abs. 1 StGB) und Beihilfe zum Mord aus niedrigen Beweggründen (§ 211 Abs. 2, § 27 Abs. 1 StGB) für schuldig befunden. Es hat es als erwiesen angesehen, dass der Antragsteller an der öffentlichkeitswirksam inszenierten und filmisch mitgeschnittenen Hinrichtung von Oberst A. bereitwillig und in exponierter Funktion mitgewirkt hat. Als Einziger sei er aus der Menge der Umstehenden hervorgetreten, habe sich gegenüber dem Oberst aufgestellt, diesen beschimpft, beleidigt und bespuckt. Die Einlassung des Antragstellers, er sei im Oktober 2014 in Mossul in der Villa seines Großvaters von dem IS festgenommen worden, der auf der Suche nach seinem Vater gewesen sei, am ersten Tag der Festnahme habe man seinen Kopf komplett kahl geschoren, nach etwa 25 Tagen, während derer er verhört, geschlagen und bedroht worden sei, habe man ihn zu der Hinrichtungsstätte gefahren und ihn, statt ihn hinzurichten, als Gegenleistung für eine Freilassung angehalten, den Oberst zu beschimpfen und zu bespucken, wobei ihm jedes Wort vorgegeben worden sei, hat das Kammergericht als Schutzbehauptung gewürdigt.
Diese Tatsachen- und Beweiswürdigung teilt das Bundesverwaltungsgericht nach Auswertung der beigezogenen Strafakten. Die mit der Revisionsbegründung im Verfahren vorgetragenen Angriffe gegen das Urteil des Kammergerichts vermögen dessen tatrichterliche Feststellungen in ihrem Kernbereich zur Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu erschüttern. Das Bundesverwaltungsgericht folgt insoweit dem Kammergericht insbesondere in dessen Einschätzung, dass sich die Widersprüche in dem Vorbringen des Antragstellers einerseits und seines Vaters andererseits hinsichtlich der Dauer der angeblichen Ingewahrsamnahme des Antragstellers durch den IS nicht auflösen ließen. Während der Vater des Antragstellers im Rahmen seiner Anhörung gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 30.03.2016 wie auch in seiner Beschuldigtenvernehmung am 14.09.2017 ausgeführt hatte, der Antragsteller habe sich vom 10. bis zum 23. oder 24.10.2014 bzw. 15 oder 16 Tage in der Gewalt des IS befunden, hat der Antragsteller im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung am 14.09.2017 angegeben, sich „ca. 25 Tage“ in der Gewalt des IS befunden zu haben. In dem forensisch-jugendpsychiatrisch-psychologischen Gutachten wird er sowohl mit der Angabe „25 Tage“ als auch mit der Angabe „23-24 Tage“ wiedergegeben. Selbst wenn die angebliche Ingewahrsamnahme bereits seinerzeit geraume Zeit zurücklag und der Vater des Antragstellers bekundet hatte, sich „mit Daten […] nicht so sicher“ zu sein, ist die Divergenz hinsichtlich der Dauer der Ingewahrsamnahme auch mit Blick auf den Umstand, dass diese der dem Antragsteller zur Last gelegten Tat unmittelbar vorausging und mit ihr auch in einem untrennbaren sachlichen Zusammenhang stand, nicht erklärbar. Dessen ungeachtet wird die Wahrheit des diesbezüglichen Vorbringens und damit zugleich der Behauptung, der Antragsteller sei zu der Mitwirkung an der Hinrichtung von Oberst A. gezwungen worden, dadurch widerlegt, dass der Antragsteller, der angab, nach seiner Festnahme kahl geschoren worden zu sein, in der die Exekution wiedergebenden filmischen Darstellung mit dichtem und vollem Haar gezeigt wird. Hinzu kommt, dass weder sein „Auftritt“ noch seine Mimik unmittelbar nach Beendigung desselben auch nur ansatzweise erkennen lassen, dass der im Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Tathandlung 15 Jahre und acht Monate alte Antragsteller nach einer mehrwöchigen Ingewahrsamnahme zur Mitwirkung an der Hinrichtung gezwungen worden wäre. Wie auch das Kammergericht festgestellt hat, vermittelt der Antragsteller vielmehr den Eindruck eines energisch, selbstbewusst souverän, reaktionsschnell auftretenden und gestikulierenden Jugendlichen. Auch sein Gesichtsausdruck unmittelbar nach Beendigung seines Auftritts spiegelt gerade nicht Verängstigung, Unsicherheit oder Anspannung, sondern die ihm auch von dem Kammergericht zugeschriebene Zufriedenheit mit seinem Auftritt wider. Die Würdigung des Kammergerichts steht im Einklang mit der Forensischen Untersuchung des Exekutionsvideos durch das Landeskriminalamt B., nach der sich keine Anhaltspunkte dafür finden ließen, dass der Jugendliche durch eine oder mehrere dritte Personen fremdgesteuert worden sei, vielmehr festzustellen sei, dass die Beschimpfungen impulsiv und ungeplant vorgetragen wirkten und sich nicht als Vortragen eines einstudierten Textes darstellten.
Das Kammergericht hat den Antragsteller überdies der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB für schuldig befunden. Seinen Feststellungen zum Tatgeschehen zufolge schloss sich der Antragsteller spätestens einige Zeit vor dem 23./24.10.2014 dem IS an. Bereits zuvor habe er die für den IS typische sogenannte „Afghanen-Kleidung“ getragen, zu mehreren Gelegenheiten öffentlich den Polizei- und Sicherheitschef des IS in Mossul begleitet und sich als sogenannter „junger Löwe“ der Jugendorganisation des IS angeschlossen. Zudem habe er sich zeitweise in einem Ausbildungslager der Vereinigung aufgehalten. Die diesbezüglichen kammergerichtlichen Feststellungen belegen trotz ihrer in Bezug auf Art, Inhalt und Dauer des Engagements des Antragstellers bestehenden Lückenhaftigkeit, dass dieser bereit war, die Ziele des IS nicht nur zu unterstützen, sondern sich aktiv für den IS zu engagieren, für diese terroristische Miliz Aufgaben zu erfüllen und sich der Befehlsgewalt der Organisation zu unterwerfen.
Dass sich der Antragsteller dem IS verbunden fühlte, legen auch die von dem Kammergericht nach eingehender Beweiswürdigung als glaubhaft beurteilten Aussagen mehrerer Zeugen nahe, ausweislich derer der Antragsteller die Aussprüche „Wir sind IS“, „Sie bleiben und verbreiten sich“ und „Wir töten und wir schlagen“ getätigt, Kritiker der Vereinigung als „minderwertig“, Schiiten als „Abtrünnige“ und Deutsche als „Schweine“ tituliert, sich der Mitwirkung an der Hinrichtung berühmt („Natürlich bin ich stolz darauf“), die auf dem Video erkennbaren Maskierten als „Helden“ und das Hinrichtungsopfer als „Abtrünnigen“ bezeichnet, das Video „unzählige Male“ mit sichtlichem Stolz vorgespielt, stolz ein Photo, auf dem er in einem IS-Trainingslager in schwarzer IS-typischer Kleidung und mit einem Stirnband gemeinsam mit IS-Kämpfern und einer IS-Flagge zu sehen gewesen sei, gezeigt und sich damit gebrüstet habe, in Mossul den „Treueeid“ auf den IS-Führer AI-Baghdadi geleistet zu haben. Das Bemühen der Revisionsbegründung, die Glaubwürdigkeit der Zeugen und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen und damit wesentliche Teile der Beweiswürdigung des Kammergerichts zu erschüttern, leidet maßgeblich an der vorstehend dargelegten Unglaubhaftigkeit der Einlassung des Antragstellers zu seiner Mitwirkung an der Hinrichtung von Oberst A.
Lichtbilder, auf denen der Antragsteller mit dem sogenannten Tauhid-Finger, der vor allem von Anhängern des politischen Islam und gerade auch denen des IS genutzt wird, abgebildet wird, unterstreichen die vorstehende Tatsachenwürdigung.
Dieser Tatsachenwürdigung widerstreitet auch nicht, dass Erkenntnisse, dass der Antragsteller und sein Vater die Ideologie des IS teilten, nicht vorliegen. Angesichts des Umstands, dass die sunnitische Familie ihre vormals privilegierte Stellung nach dem Sturz des Regimes Saddam Husseins und der Baath-Partei unter der schiitischen Vorherrschaft eingebüßt hat, drängt es sich auf, dass die Sympathie für den IS aus dessen Kampf gegen „Ungläubige“, aber auch und insbesondere aus dessen Kampf gegen die Schiiten im Irak resultiert. Die Verbrechen, derer sie das Kammergericht für schuldig befunden hat, sind damit nicht frei von einer ideologischen, insbesondere politischen und religiösen Prägung. Sie haben sich in ihrer Heimat in den Dienst einer terroristischen Vereinigung gestellt und diese in dem Wissen um deren ideologische Radikalisierung bereitwillig durch die Begehung von und/oder Teilnahme an schwersten Straftaten unterstützt. Dass sie hierbei zudem aus opportunistischen Gründen gehandelt haben, steht der Gefahrenbeurteilung nicht entgegen.
Ein erkennbares und glaubhaftes Abstandnehmen von der Unterstützung des IS ist auch im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht erkennbar, sodass von einem Fortbestehen der terroristischen Gefahr ausgegangen werden muss.
Ein entsprechendes Abstandnehmen setzt die Feststellung von Erklärungen und Verhaltensweisen voraus, die eine Veränderung der bisherigen inneren Einstellung als wahrscheinlich erscheinen lassen und mit denen der Betreffende glaubhaft zum Ausdruck bringt, dass er sich von zurückliegenden Aktivitäten erkennbar aus innerer Überzeugung distanziert. Sowohl ein Abstandnehmen als auch ein Distanzieren setzen voraus, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert hat und aufgrund dessen künftig von ihm eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eine terroristische Gefahr nicht mehr ausgeht. Das Erfordernis der Veränderung der inneren Einstellung bedingt es in jedem Fall, dass der Ausländer sein früheres Verhalten offenlegen und einräumen muss oder zumindest nicht bestreiten darf39.
Das Vorbringen des Antragstellers, es sei ihm nicht möglich, sich von dem IS zu distanzieren, da er sich zu keinem Zeitpunkt als dem IS zugehörig erklärt habe, lässt nicht erkennen, dass sich seine Einstellung gegenüber der Terrororganisation verändert und er Einsicht in die Unrichtigkeit seines zurückliegenden Verhaltens gewonnen hätte. Der im Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs. 3 GG) und den Grundrechten (Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG) verankerte Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten (“ nemo tenetur se ipsum accusare „) schützt den Antragsteller nicht vor einer das wesentliche Ergebnis der strafrechtlichen Ermittlungen berücksichtigenden Gefahrenprognose. Ein gleichsam doppeltes Recht, einerseits im Strafverfahren zu schweigen und andererseits im gefahrenabwehrrechtlichen Verwaltungsverfahren von einer negativen Prognoseentscheidung verschont zu bleiben, liefe dem § 58a AufenthG zugrunde liegenden Ziel einer präventiven Gefahrenabwehr zuwider. Lässt sich der Betroffene zu einem gefahrbegründenden Sachverhalt im Strafverfahren nicht ein, so hat das Verwaltungsgericht dies nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO frei zu würdigen. Gelangt es zu der Überzeugungsgewissheit, dass das bisherige erhebliche Fehlverhalten weiterhin in Abrede gestellt wird, so ist ein glaubhaftes Abstandnehmen von der Tat regelmäßig nicht erkennbar. Dieser Umstand ist im Rahmen der Gefahrenprognose zulasten des Ausländers, so auch des Antragstellers, zu berücksichtigen40.
In Ermangelung diesbezüglicher kammergerichtlicher Feststellungen stützt das Bundesverwaltungsgericht seine Gefahrenprognose nicht auf die Aussage des Zeugen L., der Vater des Antragstellers habe geäußert, „Nicht, dass ihr denkt, dass der Kampf im Irak verloren wäre. Wir haben uns zurückgezogen und haben jetzt neue Ziele! Es werden Anschläge in Europa kommen. Ich habe hier ein Ziel zu erreichen.“.
Dass der Antragsteller vor der Anwendung brutaler Gewalt nicht zurückschreckt, hat er wiederholt unter Beweis gestellt. Dabei hat er sich verschiedener Waffen und gefährlicher Werkzeuge bedient. Er betrachtet Gewalt als legitimes Mittel zur Erreichung seiner Ziele oder Durchsetzung seines Willens41. Diese Einstellung wurde ihm durch seinen Vater vermittelt, dem nachgesagt wird, er sei in seiner Heimat bei Freunden und Bekannten dafür bekannt gewesen, besonders brutal gegen ihm unliebsame Personen vorzugehen, und er habe den Antragsteller zur Ausübung von Gewalt angespornt und ihm für das von diesem an den Tag gelegte Maß an Brutalität Anerkennung gezollt. Die den Akten zu entnehmenden Versuche, Zeugen durch Anwendung von Gewalt, Drohungen und Beleidigungen dazu zu bewegen, ihre den Antragsteller und seinen Vater belastenden Aussagen im Ermittlungsverfahren zurückzunehmen42, wie auch die Feststellung des Kammergerichts, der Antragsteller und sein Vater seien willens und ersichtlich in der Lage, selbst aus der Haft heraus Einfluss auf Zeugen auszuüben und solche Zeugen, die bereits sie belastende Aussagen gemacht hätten, unter Druck zu setzen, um eine Änderung dieser Angaben zu erreichen, lassen besorgen, dass es auch dem Antragsteller jederzeit möglich wäre, sich der Unterstützung Dritter zur Realisierung seiner Zwecke zu versichern. Der Antragsteller vermittelt den Eindruck einer brutalen und angsteinflößenden Person mit einer sehr niedrigen Gewaltschwelle, die ihr Umfeld unterdrückt, drangsaliert und schikaniert. Die Auswertung der Gefangenenpersonalakte vermittelt von dem Antragsteller das Bild eines respektlosen, ungehorsamen, machtversessenen, herrschsüchtigen und zugleich manipulativ agierenden jungen Mannes, der bestrebt ist, sich durch Verbreitung von Angst und Schrecken Respekt zu verschaffen.
Die von dem Antragsteller ausgehende Gefahr wird des Weiteren durch die Tatsache unterstrichen, dass dieser gute Kontakte zu Personen unterhält, die nach Einschätzung des Landeskriminalamts B. „feste Größen der organisierten Kriminalität“ sind und sich in den Strukturen der Clan-Kriminalität bewegen. Deren Nähe hat der Antragsteller in der Haft wiederholt gesucht. Dass Erkenntnisse fehlten, dass diese Personen Bezüge zu politisch motivierter Kriminalität hätten, steht der Annahme nicht entgegen, dass es dem Antragsteller ungeachtet der mehrjährigen Untersuchungshaft jederzeit möglich ist, seine Kontakte in das kriminelle Milieu zur Realisierung seiner Ziele zu nutzen.
Die in Bezug auf die Persönlichkeitsstruktur und den psychischen Zustand des Antragstellers erstellten fachlichen Stellungnahmen beschreiben diesen als kognitiv gut strukturierten und mit hoher funktionaler Intelligenz ausgestatteten jungen Mann, der leicht kränkbar sei, nicht nur in Frustrationssituationen zu impulsivem Verhalten neige und durch eine noch nicht gefestigte, narzisstische Persönlichkeit geprägt sei. Er könne sich nur schwer integrieren, beanspruche einen hervorgehobenen Status und erwarte, dass ihm eine Sonderbehandlung zuteilwerde. Negative Affekte entlüden sich ob seiner nicht ausgeprägten Impulskontrolle oftmals unter anderem in physischer Gewalt. Er sei sehr extrovertiert, emotional erregbar und impulsiv. Der Antragsteller selbst bekundete, er reagiere sehr schnell, werde sehr schnell nervös und raste schnell aus, könne nicht nachdenken und sich nicht stoppen, sondern müsse handeln, wenn ihn jemand angreife. Seine Affinität zur Ausübung von Gewalt wird nicht nur durch zahlreiche Vorkommnisse in der Untersuchungshaft, sondern auch durch das Mitsichführen und den Einsatz eines Teleskopschlagstocks, von Schlagringen und Pfefferspray dokumentiert. Sätze wie „Ich drohe nicht nur, ich mache auch“ und „Ich habe nichts zu verlieren“ bestätigen das vorstehend gezeichnete Bild. Besondere Bedeutung für die Gefahrenprognose kommt auch der Erkenntnis zu, dass der Antragsteller den psychischen Schmerz, nicht mehr zu einer „Elite“ zu gehören, nicht zulasse. Hierin werden Verletzungen deutlich, die unmittelbar an das opportunistisch geprägte und mit einem starken Streben nach Status und Macht gepaarte Motiv anknüpfen, das seinen Vater und – ihm nachfolgend – ihn im Irak dazu bewogen hat, sich dem IS anzuschließen. Dass er sich auch im Bundesgebiet und damit in einem völlig veränderten sozio-kulturellen Umfeld nicht nur in keiner Weise von seinem Engagement für den IS distanziert, sondern sich vielmehr gegenüber anderen wiederholt der von ihm begangenen Straftaten berühmt und sich positiv über den IS geäußert hat, lässt ihn auch, weil er keine Bereitschaft erkennen lässt, die Werteordnung der Bundesrepublik Deutschland anzuerkennen, als eine Person erscheinen, die grundsätzlich nicht nur bereit, sondern auch willens wäre, etwaige noch nicht erreichte Ziele ihres Vaters an dessen Stelle zu realisieren, und die ob ihrer Fähigkeit, auch delinquente Handlungen zu planen, zu einer solchen Realisierung ohne Weiteres auch in der Lage wäre.
Die tragfähigen sozialen und familiären Bindungen, über die der Antragsteller zu seinen Eltern und seinen Brüdern verfügt, und der Zusammenhalt der im Bundesgebiet lebenden Mitglieder der Kernfamilie wirken sich nicht stabilisierend, sondern gefahrerhöhend aus.
Bereits in seiner Heimat orientierte sich der Antragsteller an seinem Vater, den er als Vorbild ansieht. Trotz des Umstands, dass dieser, wenngleich nicht rechtskräftig, zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, ist davon auszugehen, dass er weiterhin negativen Einfluss auf den Antragsteller ausüben wird. Bereits im Rahmen der Mitwirkung an der Hinrichtung von Oberst A. agierte der Antragsteller ausweislich der das Bundesverwaltungsgericht überzeugenden kammergerichtlichen Feststellungen in enger Abstimmung mit seinem Vater. Im Bundesgebiet hat sich der Antragsteller nach den Feststellungen des Kammergerichts wie auch des Landgerichts B. an dem Betäubungsmittelhandel seines Vaters beteiligt. Ein Zeuge bekundete, der Vater des Antragstellers habe einen sehr großen Einfluss auf diesen, der Antragsteller würde alles für seinen Vater machen. Es ist real zu besorgen, dass der Antragsteller aufgrund des engen Verhältnisses zu seinem Vater dessen Anweisungen auch künftig Folge leisten würde. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller selbst bekundet, in seiner Familie spielten „Tradition, Kultur und Ehre eine essenzielle Rolle“, diesbezüglich habe ihn sein Vater „besonders geprägt“.
Unterstützung erfährt der Antragsteller ausweislich des Inhalts der Akten auch durch seine Mutter, die wiederholt Anstrengungen unternommen hat, das gegen ihren Ehemann und den Antragsteller geführte Strafverfahren in deren Sinne zu beeinflussen43 und der vorgeworfen wurde, dem Antragsteller zumindest in einem Fall in der Haft ein Mobiltelefon zugeführt zu haben.
Die engen familiären Beziehungen lassen zudem erwarten, dass sich der Antragsteller künftig auch der Unterstützung seiner beiden im Jahr 2007 geborenen Brüder gewiss sein kann, die den beigezogenen Erkenntnissen zufolge ebenfalls bereits häufig in von Gewalt geprägte Konflikte verwickelt waren, in ihrem schulischen Umfeld Unruhe und Angst verbreiten und in ihrem Bruder ein männliches Vorbild sehen.
In der Gesamtwürdigung der ausgewerteten Erkenntnisse geht von der Person des Antragstellers eine beachtliche Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und eine ebenso beachtliche terroristische Gefahr aus, einschließlich der aktiven Mitwirkung an einem – ohne großen Vorbereitungsaufwand möglichen – Terroranschlag mit unbeteiligten Toten. Gerade die Impulsivität seines Verhaltens und die unbedingte Bereitschaft, Gewalt zur Realisierung seiner Ziele einzusetzen, lassen eine solche Mitwirkung, mag sie auch aus opportunistischen Motiven erfolgen, realistisch erscheinen.
Aus den bereits dargelegten Gründen ist das Bundesverwaltungsgericht nicht gehalten, zu der Frage, „ob bei umfassender Würdigung der Persönlichkeit des [Antragstellers], seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren und geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen im Sinne des § 58a AufenthG gefährlichen Personen oder Gruppierungen von ihm eine terroristische Gefahr bzw. eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht“, Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und durch persönliche Anhörung des Antragstellers zu erheben. Er ist vielmehr grundsätzlich, so auch hier, zu einer eigenständigen Gefahreneinschätzung berufen8, die er im Vorstehenden vorgenommen hat.
Das Bundesverwaltungsgericht kann zu dieser bewertenden Gesamtschau gelangen, ohne auf das vom Bundeskriminalamt entwickelte Risikobewertungsinstrument RADAR-iTE (Regelbasierte Analyse potentiell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos – islamistischer Terrorismus) oder vergleichbare Instrumente zur Risiko- bzw. Gefährlichkeitseinschätzung44 zurückgreifen zu müssen. Derartige Instrumente können bei Beachtung ihrer methodischen Anwendungsvoraussetzungen und unter Berücksichtigung der Grenzen ihrer Aussagekraft für eine erste Risikoeinschätzung nützlich und hilfreich sein und etwa die sicherheitsbehördliche Entscheidung über das Ob und den Umfang zu treffender Maßnahmen unterstützen; es handelt sich aber nicht um Instrumente, deren Einsatz notwendige Voraussetzung der gebotenen gerichtlichen Gesamtschau ist. Auch bei RADAR-iTE handelt es sich lediglich um ein Instrument zur strukturierten Erhebung der für eine Gefährdungsprognose relevanten Tatsachen, das der Priorisierung der polizeilichen Arbeit dient, eine eigenständige Gefahrenbewertung durch die Polizeibehörden aber nicht ersetzt45. Ungeachtet dessen bestätigt die hier am 5.09.2017 durchgeführte Risikoanalyse die Gefahrenprognose des Bundesverwaltungsgerichts. Denn auch nach Einschätzung des Bundeskriminalamts liegt die Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat durch den Antragsteller in Deutschland im Bereich des Wahrscheinlichen (Stufe 5 von 8 auf dem BKA-Wahrscheinlichkeitsraster).
Die Abschiebungsanordnung steht – bei unterstellter Anwendbarkeit der Richtlinie 2008/115/EG – zudem im Einklang mit dem Unionsrecht46. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise musste dem Antragsteller nach Unionsrecht wegen der von ihm ausgehenden Gefahr der Begehung einer terroristischen Gewalttat nicht eingeräumt werden (Art. 7 Abs. 4 RL 2008/115/EG)47.
In dem der gerichtlichen Überprüfung durch § 114 Satz 1 VwGO gesetzten Rahmen begegnet die Ermessensausübung der obersten Landesbehörde keinen Bedenken. Sie steht insbesondere im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG vor, so hat die oberste Landesbehörde zu prüfen, ob sie eine Abschiebungsanordnung erlässt oder ggf. anderweitige Maßnahmen durch die Ausländerbehörde – etwa der Erlass einer sofort vollziehbaren Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung – oder Maßnahmen auf der Grundlage des Strafrechts oder des allgemeinen Polizeirechts ausreichen (Entschließungsermessen).
Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehört zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und kann auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen48. Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass die oberste Landesbehörde dem öffentlichen Interesse an der Abwehr der von dem Antragsteller ausgehenden terroristischen Gefahr ein höheres Gewicht beimisst als dessen Interesse am Verbleib in Deutschland.
Hier hat die oberste Landesbehörde ihr Entschließungsermessen fehlerfrei dahingehend ausgeübt, dass andere im Aufenthaltsgesetz vorgesehene Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung oder sonstige gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten nicht ausreichen, um der besonderen vom Antragsteller ausgehenden Gefahr wirksam zu begegnen. Dies ist unter den hier gegebenen Umständen angesichts der als beachtlich wahrscheinlich anzunehmenden Bereitschaft des Antragstellers zur Begehung oder Mitwirkung an einem mit einfachsten Mitteln jederzeit realisierbaren Terroranschlag in Deutschland und der allenfalls begrenzten Wirksamkeit auch aufwändigerer Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen49 sowie des Umstands, dass trotz der gegen den Antragsteller bereits verfügten Ausweisung aufenthaltsbeendende Maßnahmen wegen des Fortbestehens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG bislang nicht ergriffen werden durften, nicht zu beanstanden.
Bei ihrer Entscheidung hat die oberste Landesbehörde die persönlichen Umstände des Antragstellers angemessen berücksichtigt. Dass sie sich unter Würdigung dieser Belange für eine Aufenthaltsbeendigung entschieden hat, ist angesichts der von dem Antragsteller ausgehenden besonderen Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK nicht unverhältnismäßig. Aus den sich hieraus ergebenden verfassungs- und menschenrechtlichen Vorgaben folgt kein uneingeschränkter Anspruch eines Ausländers auf Aufenthalt im Bundesgebiet. Stehen seinem (weiteren) Aufenthalt – wie hier – öffentliche Belange entgegen, bedarf es einer Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls und die familiären Belange in angemessener Weise und mit dem ihnen zukommenden Gewicht zu berücksichtigen sind50.
Die oberste Landesbehörde hat insbesondere die engen familiären Bindungen des Antragstellers zu seinen Eltern und seinen Brüdern gewürdigt und hierbei in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass nicht erkennbar ist, dass der volljährige Antragsteller auf den Beistand durch seine Familie oder diese auf seine Unterstützung angewiesen wäre. Zwischen ihm und seinen Eltern und seinen Brüdern besteht allein eine Begegnungsgemeinschaft. Die familiären Beziehungen zu seiner Mutter und seinen Brüdern können auch nach einer Abschiebung des Antragstellers mit Telefonaten und modernen Kommunikationsmitteln aufrechterhalten werden. Eine Aufrechterhaltung der Beziehung zu seinem Vater ist, solange sich dieser in Haft befindet, durch die Führung von Telefonaten möglich. Überdies ist die oberste Landesbehörde ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass der Antragsteller weder sich in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet in einer der Verfestigung zugänglichen Art und Weise integriert hat noch in seiner Heimat, in der er mehr als 15 Jahre seines noch jungen Lebens gelebt hat, entwurzelt wäre.
Dem Antragsteller ist eine Eingliederung in die Lebensverhältnisse in der Republik Irak möglich und zumutbar. Als alleinstehendem, jungem und gesundem Mann ist es ihm zuzumuten, sich in die Lebensverhältnisse in dem Land seiner Staatsangehörigkeit, dessen Sprache er spricht und in dem er aufgewachsen ist und seine schulische Prägung erfahren hat, einzufinden und seinen Lebensunterhalt aus der Ausübung von Erwerbstätigkeiten, notfalls auch durch Gelegenheitsarbeiten, zu bestreiten. Das Fortbestehen familiärer Bindungen in den Irak wird ihm das Wiedereinfinden in die dortigen Gesellschaftsverhältnisse erleichtern. Dies gilt umso mehr, als er einer dort ansässigen vermögenden Familie entstammt und sich der Unterstützung von Verwandten väterlicher- als auch mütterlicherseits gewiss sein darf. Seinen Angaben zufolge leben in Mossul noch drei Onkel und drei Tanten väterlicherseits. Die Familie seines Vaters, eine Akademikerfamilie, sei wohlhabend. Sie und auch die im Irak lebenden Verwandten mütterlicherseits seien bereit, ihm zu helfen, wenn er in Schwierigkeiten sei. Soziale oder berufliche Bindungen an das Bundesgebiet, die dem entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann von einer gelungenen sozialen und wirtschaftlichen Integration des Antragstellers in die hiesigen Verhältnisse nicht ausgegangen werden.
Der Recht- und Verhältnismäßigkeit der Abschiebungsanordnung steht auch nicht entgegen, dass sie nach deutscher Rechtslage im Falle einer Abschiebung mit einem grundsätzlich unbefristeten Fernhalten vom Bundesgebiet verbunden werden soll (§ 11 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5b AufenthG) und die oberste Landesbehörde von einer möglichen Ausnahme abgesehen hat. Selbst eine fehlerhafte behördliche Entscheidung zur Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots würde nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führen, da auch unionsrechtlich ein Einreiseverbot zwar im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung angeordnet wird (vgl. Art. 11 Abs. 1a RL 2008/115/EG: „gehen […] einher“), aber gleichwohl eine eigenständige Entscheidung darstellt, die gesondert anfechtbar ist (vgl. Art. 13 Abs. 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 RL 2008/115/EG). Ausgehend davon lassen sich der Richtlinie 2018/115/EG – deren Anwendbarkeit hypothetisch unterstellt – Anhaltspunkte für einen „Rechtswidrigkeitszusammenhang“ zwischen dem Einreiseverbot und seiner Befristung einerseits und der Rückkehrentscheidung andererseits nicht entnehmen51.
Ein Auswahlermessen kommt nur bei mehreren möglichen Zielstaaten in Betracht52. Die Anordnung der Abschiebung des Antragstellers in die Republik Irak stellt sich daher als ermessensfehlerfrei dar.
Dem Vollzug der Abschiebungsanordnung stehen auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote entgegen. Das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG hindert den Erlass einer Abschiebungsanordnung nicht, es führt aber dazu, dass der Betroffene nicht in diesen Staat abgeschoben werden darf (§ 58a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 59 Abs. 2 und 3 AufenthG in entsprechender Anwendung). Aus diesem Grund hat die zuständige Behörde beim Erlass einer Abschiebungsanordnung in eigener Verantwortung zu prüfen, ob der beabsichtigten Abschiebung ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG entgegensteht; an die hierzu getroffenen Feststellungen aus anderen Verfahren ist sie hierbei nicht gebunden (§ 58a Abs. 3 Satz 3 AufenthG).
Der Antragsteller vermag sich nicht mit Erfolg auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG zu berufen. Danach darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge53 nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. § 60 Abs. 1 AufenthG findet gemäß § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 1 AufenthG keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Das Gleiche gilt nach § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 AsylG erfüllt. Ein Ausländer ist gemäß § 60 Abs. 8 Satz 2 i. V. m. § 3 Abs. 2 AsylG nicht Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Var. 2 AsylG, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ein Kriegsverbrechen begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen. Ob Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG vorliegen, bestimmt sich in erster Linie nach den im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17.07.1998 ausgeformten Tatbeständen dieser Delikte54.
Der Antragsteller erfüllt die Voraussetzungen dieser Normen. Er ist im Sinne des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 1 AufenthG aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen. Zudem ist im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Var. 2 AsylG aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt, dass er sich durch die Beeinträchtigung der persönlichen Würde in Form einer entwürdigenden und erniedrigenden Behandlung eines Kriegsverbrechens nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. b xxi des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs und im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Var. 2 i. V. m. Satz 2 AsylG durch die Beihilfe zur Tötung eines anderen Gefangenen eines Kriegsverbrechens nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a i des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs schuldig gemacht hat. Wegen der diesbezüglichen Feststellungen wird auf die vorstehenden Ausführungen zu a)) bb)) verwiesen.
Der Antragsteller kann sich im vorliegenden Verfahren auch nicht mit Erfolg auf das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 5 AufenthG berufen.
Nach § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG, der an Art. 15 Buchst. a und b RL 2011/95/EU anknüpft, gilt als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe sowie Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG verschafft dem absoluten Charakter des Abschiebungsschutzes aus Art. 3 EMRK in solchen Fällen Geltung, in denen der Ausländer von der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus trotz Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AsylG wegen des Vorliegens von Ausschlussgründen nach § 4 Abs. 2 AsylG ausgeschlossen ist55.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 04.11.1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten56 ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Demgemäß darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, wenn ihm in dem Zielland der Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe droht. Der sachliche Regelungsbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG entspricht weitgehend dem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG. Er geht über dieses jedenfalls, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, nicht hinaus57.
Im Lichte der Artt. 1 der Protokolle Nr. 6 und 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe, denen zufolge die Todesstrafe abgeschafft ist und niemand zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet werden darf, verbietet Art. 2 EMRK die Auslieferung oder Ausweisung einer Person in einen anderen Staat, wenn ernsthafte Gründe für die Gefahr bewiesen sind, dass gegen sie die Todesstrafe nicht nur verhängt, sondern auch vollstreckt wird58. In diesem Sinne ist auch Art.19 Abs. 2 GRC auszulegen.
Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Eine Verletzung von Art. 3 EMRK setzt die tatsächliche Gefahr der Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe voraus. Erforderlich ist das Bestehen einer ausreichenden realen Gefahr, die nicht nur auf bloßen Spekulationen beruht, denen eine hinreichende Tatsachengrundlage fehlt. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung muss aufgrund aller Umstände des Falles ernsthaft bestehen und darf nicht hypothetisch sein. Der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr entspricht dem der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Art. 3 EMRK-widrige Behandlung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Ein gewisser Grad an Mutmaßung ist dem präventiven Schutzzweck des Art. 3 EMRK immanent, sodass ein eindeutiger, über alle Zweifel erhabener Beweis dafür, dass der Betroffene im Falle seiner Rückkehr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre, nicht verlangt werden kann59. Selbst wenn eine solche Gefahr im Einzelfall droht, kann diese unter bestimmten Voraussetzungen durch eine diplomatische Zusicherung ausgeschlossen werden60.
Im Anwendungsbereich der Artt. 2 und 3 EMRK gebietet es Art.19 Abs. 4 GG, den betroffenen Rechten auch tatsächliche Wirksamkeit zu verschaffen. Das Maß dessen, was wirkungsvoller Rechtsschutz ist, bestimmt sich entscheidend auch nach dem sachlichen Gehalt des als verletzt behaupteten Rechts im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung haben dem hohen Wert dieser Rechte Rechnung zu tragen und die Europäische Menschenrechtskonvention zu berücksichtigen. In Fällen, in denen es um die Beurteilung der Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK in einem Drittstaat geht, kommt der verfahrensrechtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verfassungsrechtliches Gewicht zu61.
Gemessen daran besteht nicht die reale Gefahr, dass gegen den Antragsteller im Falle seiner Abschiebung in die Republik Irak im Sinne von § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG und von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK die Todesstrafe verhängt und vollstreckt oder er der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen wird.
Das Bundesverwaltungsgericht folgt, soweit es die reale Gefahr der Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe betrifft, den Gründen der in Bezug auf den Antragsteller ergangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin62.
Die Todesstrafe ist im irakischen Strafrecht vorgesehen. Sie wird unter anderem insbesondere bei Mord und terroristischen Aktivitäten, vor allem gegen mutmaßliche „IS“-Kämpfer, sowohl verhängt als auch vollstreckt. Die einschlägigen Straftatbestände sind unklar formuliert. Der Begriff der terroristischen Handlung wird weit und vage gefasst63. Gemäß Art. 4 Satz 1 des im Jahr 2005 erlassenen Antiterrorgesetzes Nr. 13 (im Folgenden: ATG 2005) wird, wer als Haupttäter oder Teilnehmer eine der in den Artt. 2 und 3 dieses Gesetzes genannten terroristischen Handlungen begeht, zum Tode verurteilt. Nach Art. 4 Satz 2 ATG 2005 wird mit der gleichen Strafe wie der Haupttäter belegt, wer Terroristen zur Begehung der in diesem Gesetz genannten Straftaten anstiftet, diese plant, finanziert oder unterstützt. Art. 2 ATG 2005 benennt eine Mehrzahl terroristischer Handlungen, darunter 1. Gewalttätigkeiten, die darauf abzielen, das Leben von Menschen zu gefährden, ungeachtet ihrer Motive und Zwecke, die der Ausführung einer terroristischen Handlung zugrunde liegen, und 3. die Organisation und Leitung einer bewaffneten terroristischen Vereinigung, die Terrorismus praktiziert und plant, oder die Beteiligung an einer solchen Vereinigung oder die Teilnahme an einer von dieser praktizierten oder geplanten terroristischen Handlung. Art. 3 ATG 2005 regelt Straftaten gegen die Staatssicherheit.
Die Todesstrafe ist indes für zur Tatzeit Minderjährige nicht vorgesehen. Gemäß Art. 66 Satz 1 des im Juli 1969 beschlossenen irakischen Strafgesetzbuchs Nr. 111 in der Fassung vom 14.03.2010 (im Folgenden: StGB Irak 2010) gilt als Jugendlicher jede Person, die im Alter zwischen sieben und 18 Jahren eine Straftat begeht. Ist der Jugendliche zur Zeit der Begehung der Straftat noch nicht 15 Jahre alt, so gilt er nach Art. 66 Satz 2 StGB Irak 2010 als Kind; ist er zwischen 15 und 18 Jahren alt, so gilt er nach dieser Norm als Jugendlicher. Gemäß Art. 73 Abs. 1 StGB Irak 2010 wird ein Jugendlicher, der ein Verbrechen begeht, in einer Schule für jugendliche Straftäter für eine Dauer von mindestens zwei Jahren und höchstens 15 Jahren untergebracht, wenn das Verbrechen mit Todesstrafe oder lebenslänglicher Freiheitsstrafe bedroht ist. Nach Art. 74 Abs. 1 StGB Irak 2010 soll das Alter eines Jugendlichen zum Zeitpunkt der Begehung einer Straftat die Grundlage für die Feststellung seiner Verantwortlichkeit sein. Begeht ein Jugendlicher eine Straftat und hat er zum Zeitpunkt der Verurteilung das 18. Lebensjahr vollendet, so erhält er gemäß Art. 74 Abs. 3 Satz 1 StGB Irak 2010 die für diese Straftat vorgesehene Strafe, als wäre er ein Jugendlicher, wobei das Gericht den Aufenthalt in einer Erziehungsanstalt durch eine Unterbringung in einer Schule für junge Straftäter ersetzen kann. Nach Art. 74 Abs. 3 Satz 2 StGB Irak 2010 kann die Unterbringung in einer Schule für junge Straftäter auch durch eine entsprechende Gefängnisstrafe ersetzt werden, wenn die begangene Straftat ein Verbrechen ist, oder durch einen Gewahrsam, wenn es sich um ein Vergehen handelt, für einen Zeitraum, der dem entspricht, der für das Begehen dieser Straftat verhängt werden kann64.
Dass das irakische Strafrecht die Verhängung der Todesstrafe gegenüber Minderjährigen nicht vorsieht, bestätigt auch die mit Verbalnote der Botschaft der Republik Irak in B. vom 21.10.2019 erteilte diplomatische Zusicherung. Danach „verbietet das irakische Gesetz die Verhängung der Todesstrafe gegenüber Straftätern, die bei Ausübung der Straftat noch minderjährig waren (irakisches Strafgesetzbuch Art. 79), welcher besagt, dass derjenige nicht zu einer Todesstrafe verurteilt wird, wenn er bei Ausübung der Straftat unter 18 Jahre alt war und das 20. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte und die Todesstrafe durch eine lebenslange Freiheitsstrafe ersetzt wird“. Dabei dürfte es sich allerdings um einen Übersetzungsfehler handeln, da die Vorschrift ausweislich der englischen Fassung des irakischen Strafgesetzbuchs ausdrücklich nur Heranwachsende betrifft, die bei Begehung der Tat zwischen 18 und 20 Jahre alt waren. Ist für diese aber die Todesstrafe ausgeschlossen, so gilt dies erst recht für bei Tatbegehung minderjährige Straftäter, ohne dass diesen indes die in der Vorschrift angesprochene lebenslange Freiheitsstrafe droht.
Diese Rechtslage findet ihre Entsprechung in der Auskunftslage, der zufolge Erkenntnisse, dass die Todesstrafe in der Republik Irak in jüngerer Zeit gegen zur Tatzeit Minderjährige verhängt oder gar verhängt und vollzogen worden ist, nicht vorliegen65.
Gemessen daran muss der Antragsteller, obwohl diesem gegenüber ausweislich der auf ein Rechtshilfeersuchen deutscher Behörden ergangenen Verbalnote des Außenministeriums der Republik Irak vom 09.04.2019 seitens des Untersuchungsgerichts Q. wegen einer Straftat nach „Artikel 4/Terrorismus“, mithin Art. 4 ATG 2005, im Kontext der Ermordung von Oberst A. ein nationaler und ein internationaler Haftbefehl ergangen ist, nicht besorgen, dass die Todesstrafe gegen ihn auch nur verhängt wird, weil der irakische Staat ihn, wie auch aus der Mitteilung des Iraqi National Intelligence Service vom 25.09.2019 hervorgeht, als zum Zeitpunkt der Begehung der ihm vorgeworfenen Tat 15 Jahre alt und damit minderjährig ansieht.
Der Antragsteller vermag sich hinsichtlich einer ihm im Falle seiner Abschiebung im Irak etwaig drohenden erneuten Bestrafung wegen der Beteiligung an der Hinrichtung von Oberst A. und wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung auch nicht mit Erfolg auf ein Verbot der Doppelbestrafung zu berufen.
Ob den seitens des Auswärtigen Amtes eingeholten diplomatischen Zusicherungen der Botschaft der Republik Irak in B. zu entnehmen ist, dass ein erneutes Strafverfahren gegen den Antragsteller wegen einer Beteiligung an der Hinrichtung von Oberst A. und wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ausgeschlossen ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.
Mit Verbalnote vom 21.10.2019 hatte die Botschaft der Republik Irak in B. auf Art.19 Abs. 5 der am 15.10.2005 angenommenen irakischen Verfassung (im Folgenden: Verf) sowie auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 StGB Irak 2010 verwiesen. Gemäß Art.19 Abs. 5 Satz 2 Verf darf der Angeklagte nach einem Freispruch wegen desselben Verbrechens nicht ein zweites Mal strafrechtlich verfolgt werden, es sei denn, dass neue Beweise vorgelegt werden66. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 StGB Irak 2010 kann gegen eine Person, die außerhalb des Irak eine Straftat begeht, nur mit Genehmigung des Justizministers ein Gerichtsverfahren eingeleitet werden. Die betreffende Person kann gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 StGB Irak 2010 nicht vor Gericht gestellt werden, wenn sie bereits von einem ausländischen Gericht rechtskräftig freigesprochen oder verurteilt wurde und die in diesem Verfahren gegen sie verhängte Strafe vollständig verbüßt wurde oder wenn das betreffende Verfahren oder die betreffende Strafe nach geltendem Recht für nichtig erklärt oder aufgehoben wurde und die rechtskräftige Verurteilung, die Aufhebung des Verfahrens oder die Aufhebung der Strafe in die Zuständigkeit des Landes fällt, in dem das Urteil ergangen ist. Auf die Bitte des Auswärtigen Amtes zuzusichern, dass der Antragsteller im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung in Deutschland nicht erneut in derselben Angelegenheit strafrechtlich verfolgt würde, teilte die Botschaft der Republik Irak in B. mit Verbalnote vom 08.06.2020 mit, die irakische Verfassung und das irakische Strafgesetz Nr. 111 des Jahres 1969 gäben die Zusicherungen, die in der Verbalnote des Auswärtigen Amtes erwähnt worden seien, in Art.19 Abs. 5 Verf und Art. 14 StGB Irak 2010. Demnach werde „hier zugesichert, dass Herrn R. kein erneuter Prozess die die Straftat drohen würde, gemäß des Respektierung und Einhaltung der irakischen Verfassung und der in Punkt 4 erwähnten Erläuterung des Strafgesetzes“. Mit Verbalnote vom 01.06.2021 bekräftigte die Botschaft der Republik Irak in B., dass, sollte der Antragsteller von der deutschen Justiz verurteilt werden, es nicht mehr möglich sein werde, dass der Antragsteller „erneut in einem weiteren Prozess über dieselbe Angelegenheit angeklagte“ werde. Ausweislich einer von dem Auswärtigen Amt beauftragten Übersetzung der Verbalnote „garantiert“ die Botschaft der Republik Irak in B., „dass in Einhaltung von“ Art.19 Abs. 5 Verf und Art. 14 StGB Irak 2010 „Herr R. kein weiteres Mal wegen derselben Beschuldigung vor Gericht gestellt werden wird“.
Selbst für den Fall, dass der Antragsteller nach einer Abschiebung im Irak wegen derselben Handlungen erneut strafrechtlich verurteilt würde, wäre die ihn nach den Erkenntnissen zu (a) (bb) erwartende Strafandrohung für sich genommen nicht geeignet, ein Abschiebungsverbot zu begründen.
Eine Geltung des Grundsatzes “ ne bis in idem “ ergibt sich für den vorliegenden Fall nicht aus Art. 103 Abs. 3 GG. Das verfassungsrechtliche Verbot der Doppelbestrafung steht einer durch die Abschiebung ermöglichten neuerlichen Verfolgung derselben oder im Wesentlichen gleichen den Ausländer betreffenden und nach Ort und Zeit zusammengehörenden Tatsachen durch einen anderen Staat nicht entgegen. Eine solche Mitwirkung verstößt als solche auch nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip oder sonstige verfassungsrechtliche Gewährleistungen67. Art. 4 Nr. 1 des von der Bundesrepublik Deutschland nicht ratifizierten Protokolls Nr. 7 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 22.11.1984, dem zufolge niemand wegen einer Straftat, wegen derer er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut verfolgt oder bestraft werden darf, steht wie Art. 103 Abs. 3 GG nur einer neuerlichen Strafverfolgung durch denselben Staat entgegen. Ebenso verhält es sich in Bezug auf Art. 14 Abs. 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, dem zufolge niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen derer er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des jeweiligen Landes rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, erneut verfolgt oder bestraft werden darf. Die Republik Irak ist nicht Vertragsstaat des Schengener Durchführungsübereinkommens, dessen Art. 54 es einer Vertragspartei untersagt, eine Person, die durch eine andere Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, wegen derselben Tat zu verfolgen, vorausgesetzt, dass im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann. Ebenso wenig ist die Republik Irak an Art. 50 GRC gebunden, der es einem Mitgliedstaat untersagt, eine Person wegen einer Straftat, derentwegen diese bereits in der Union nach dem Gesetz rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren erneut zu verfolgen oder zu bestrafen. Überdies ist auch eine dem Grundsatz “ ne bis in idem “ entsprechende allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 Satz 1 GG nicht feststellbar, da Staaten die Ausgestaltung und Ausübung ihrer Strafgewalt als wesentliches souveränes Recht betrachten68. Eine Doppelbestrafung stellt auch im Übrigen grundsätzlich keine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK dar.
Allerdings ist es der Bundesrepublik Deutschland im Lichte von Art. 3 EMRK, aber auch des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verwehrt, einen Ausländer abzuschieben, wenn die Strafe, die gegen ihn in dem Zielland der Abschiebung verhängt würde, unerträglich hart, mithin unter jedem denkbaren Gesichtspunkt unangemessen erschiene, mit Blick auf eine Nichtanrechnung oder Nichtberücksichtigung der in einem Drittstaat wegen derselben Tat erlittenen Strafe diese äußerste Grenze überschritte oder grausam, unmenschlich oder erniedrigend wäre. Abweichendes gilt hingegen dann, wenn die zu vollstreckende Strafe lediglich als in hohem Maße hart anzusehen ist und bei einer strengen Beurteilung anhand deutschen Verfassungsrechts bereits nicht mehr als angemessen erachtet werden könnte. Das Grundgesetz geht von der Eingliederung des von ihm verfassten Staates in die Völkerrechtsordnung der Staatengemeinschaft aus69. Es gebietet damit zugleich, fremde Rechtsordnungen und -anschauungen grundsätzlich zu achten70.
Eine dem Antragsteller für den Fall der Nichteinhaltung der vorstehenden diplomatischen Zusicherung nach dem unter (a) dargestellten Strafrahmen des Art. 73 Abs. 1 i. V. m. Art. 74 Abs. 1 StGB Irak 2010 drohende neuerliche Strafe von zwei bis 15 Jahren stellte sich zwar bei unterstellter Ausschöpfung der Obergrenze als für den Antragsteller in hohem Maße hart dar; sie erwiese sich jedoch trotz des bereits im Bundesgebiet erfolgten Freiheitsentzuges wegen der Schwere der in Rede stehenden Straftaten noch nicht als unerträglich hart und unter jedem denkbaren Gesichtspunkt unangemessen71.
Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller auf das Vorliegen eines Abschiebungsverbots wegen ihn im Falle seiner Abschiebung in die Republik Irak erwartender Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung.
Gemäß Art. 37 Abs. 1 Buchst. c Satz 1 Verf sind im Irak alle Formen von psychischer und physischer Folter und unmenschlicher Behandlung verboten. Nach Art. 37 Abs. 1 Buchst. c Satz 2 Verf darf ein unter Zwang, Drohung oder Folter abgelegtes Geständnis nicht verwertet werden. Art. 333 StGB Irak 2010 bestimmt zudem, dass jeder Beamte oder Bedienstete des öffentlichen Dienstes, der einen Angeklagten, Zeugen oder Informanten foltert oder die Folterung eines solchen anordnet, um ihn zu einem Geständnis über die Begehung einer Straftat oder zu einer Aussage oder zu einer Information über eine solche Straftat zu zwingen oder um ihm eine Information vorzuenthalten oder eine bestimmte Meinung über die Straftat zu äußern, mit Freiheitsentzug oder mit Strafhaft bestraft wird. Dabei gilt als Folter auch die Anwendung von Gewalt oder Drohungen. Gemäß Art. 127 der irakischen Strafprozessordnung in der Fassung des Gesetzes Nr. 23 aus 1971, zuletzt geändert am 14.03.2010 (im Folgenden: StPO 2010) ist die Anwendung jeglicher illegaler Methoden zur Beeinflussung des Beschuldigten und zur Erlangung eines Geständnisses nicht zulässig, wobei Misshandlungen, Drohungen, Verletzungen, Verlockungen, Versprechungen, psychologische Beeinflussung oder die Verwendung von Drogen oder Rauschmitteln als illegale Methoden gelten72. Die Republik Irak hat sowohl das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe unterzeichnet als auch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die Arabische Charta der Menschenrechte, verabschiedet vom Rat der Liga der arabischen Staaten am 15.09.1994, überarbeitet am 15.01.2004, ratifiziert.
Dennoch wird Folter weiterhin und systematisch von staatlichen Akteuren, insbesondere von Polizei- und Sicherheitskräften und in Haftanstalten, gerade auch zur Erzwingung von Geständnissen, eingesetzt. Derartige erzwungene Geständnisse fungierten in strafgerichtlichen Verfahren häufig als Beweisquellen73. Die Republik Irak ist sich der Problematik bewusst. Das Justizministerium hat einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Folter vorgelegt74.
Mit Verbalnote vom 21.10.2019 hat die Botschaft der Republik Irak in B. dem Auswärtigen Amt versichert, dass sich die zuständigen irakischen Justizbehörden an geltende internationale Gesetze und Übereinkommen wie z. B. den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte hielten, „was demgemäß bedeutet, dass keinerlei Folterung für den Angeklagten zu erwarten ist“. Mit Verbalnote vom 08.06.2020 hat die Botschaft ergänzend ausgeführt, die irakische Verfassung und das irakische Strafprozessrecht sichere das Recht auf einen Rechtsbeistand zu. Gemäß Art.19 Abs. 4 Verf werde zugesichert, dass „das Verteidigungsrecht heilig ist und für alle Prozessverläufe zugesichert wird“. Nach Art.19 Abs. 11 Verf bestelle das Gericht auf Kosten des Staates einen Rechtsanwalt für einen eines Verbrechens oder Vergehens Angeklagten, der keinen Verteidiger hat. Nach Art. 123 Buchst. B Abs. 2 StPO 2010 habe der Beschuldigte das Recht, sich von einem Anwalt vertreten zu lassen; wenn er nicht in der Lage sei, sich einen Anwalt zu leisten, werde das Gericht dem Angeklagten kostenlos einen Anwalt zur Verfügung stellen. Falls der Antragsteller inhaftiert würde, „stünde nichts dagegen, z. B. dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) bei Inhaftierung ein Besuchsrecht im konkreten Fall einzuräumen“. Mit dieser Verbalnote hat die Botschaft der Republik Irak in B. dem Auswärtigen Amt zudem neuerlich versichert, dass „der irakische Staatsbürger R. keinesfalls einer Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ausgesetzt würde und er gemäß den irakischen Gesetzen behandelt würde“, und in diesem Zusammenhang auf Art. 37 Verf, Art. 333 StGB Irak 2010 und Art. 127 StPO 2010 verwiesen. Mit Verbalnote vom 01.06.2021 hat die Botschaft der Republik Irak – wie bereits in den beiden vorausgehenden Verbalnoten – ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die bezeichneten verfassungsrechtlichen und sonstigen gesetzlichen Vorschriften den deutschen Behörden zur hinreichenden Vergewisserung dienen mögen, dass der Antragsteller nach seiner Überstellung an die zuständigen irakischen Behörden „eine humane und väterliche Behandlung“ erfahren werde.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Recht der Auslieferung sind vom ersuchenden Staat im Auslieferungsverkehr gegebene völkerrechtlich verbindliche Zusicherungen grundsätzlich geeignet, etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen, sofern nicht im Einzelfall zu erwarten ist, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird. Diese Rechtsprechung ist auf die besondere Konstellation des § 58a AufenthG zu übertragen. Auch hier ist es grundsätzlich zulässig, durch geeignete Zusicherungen die Befürchtung auszuräumen, dem betroffenen Ausländer drohe im Abschiebezielstaat möglicherweise eine gegen Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung. Von der gänzlichen Ungeeignetheit der Zusicherung des anderen Staates muss dabei nur in Ausnahmefällen ausgegangen werden75. Die Anforderungen an die Verlässlichkeit einer diplomatischen Zusicherung werden maßgeblich durch die Bedingungen im Abschiebezielland und den konkreten Inhalt der Zusicherung bestimmt. Ob eine solche Zusicherung den jeweils bestehenden Bedenken Rechnung trägt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles festzustellen. Das Fachgericht hat anhand dieser Maßstäbe zu prüfen, ob die Zusicherung die Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 3 EMRK wirksam ausschließt und insbesondere den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Anforderungen entspricht76. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist im Rahmen der Prüfung der Qualität und der Verlässlichkeit der durch das Zielland der Abschiebung erteilten diplomatischen Zusicherungen unter anderem zu berücksichtigen, 1. ob der Inhalt der Zusicherungen dem Gericht offengelegt wird, 2. ob die Zusicherungen spezifisch oder allgemein und vage sind, 3. wer die Zusicherungen gegeben hat und ob diese Person den Empfangsstaat binden kann, 4. wenn die Zusicherungen von der Zentralregierung des Aufnahmestaats abgegeben wurden, ob von den lokalen Behörden erwartet werden kann, dass sie sich daran halten, 5. ob die Zusicherungen eine Behandlung betreffen, die im Aufnahmestaat rechtmäßig oder rechtswidrig ist, 6. ob sie von einem Vertragsstaat erteilt sind, 7. die Dauer und Stärke der bilateralen Beziehungen zwischen dem abschiebenden und dem aufnehmenden Staat, einschließlich des Verhaltens des Aufnahmestaats bei der Einhaltung ähnlicher Zusicherungen, 8. ob die Einhaltung der Zusicherungen objektiv durch diplomatische oder andere Überwachungsmechanismen überprüft werden kann, einschließlich der Gewährung eines ungehinderten Zugangs zu den Anwälten des Antragstellers, 9. ob es im Aufnahmestaat ein wirksames System zum Schutz vor Folter gibt, einschließlich der Frage, ob er bereit ist, mit internationalen Überwachungsmechanismen (einschließlich internationaler Menschenrechts-NGOs) zusammenzuarbeiten, und ob er bereit ist, Foltervorwürfe zu untersuchen und die Verantwortlichen zu bestrafen, 10. ob der Antragsteller zuvor im Aufnahmestaat misshandelt worden ist, und 11. ob die Zuverlässigkeit der Zusicherungen von den inländischen Gerichten des abschiebenden Staats geprüft worden ist77.
An diesen Kriterien gemessen rechtfertigen die mit Verbalnoten vom 21.10.2019, 8.06.2020 und 1.06.2021 von der Botschaft der Republik Irak erteilten diplomatischen Zusicherungen die Feststellung, dass dem Antragsteller nach einer Abschiebung im Irak im Falle einer Festnahme oder Inhaftierung keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Der Inhalt der Zusicherungen ist seitens des Auswärtigen Amtes offengelegt worden. Die Zusicherungen sind jeweils in Bezug auf die Person des Antragstellers erteilt worden. Ausdrücklich wird zugesichert, dass der Antragsteller keinesfalls einer Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ausgesetzt und er gemäß den irakischen Gesetzen behandelt würde, die im Einzelnen bezeichnet oder zitiert werden. Verbalnoten werden, auch wenn sie – wie vorliegend – von einer Auslandsvertretung, hier der Botschaft der Republik Irak in B., verfasst werden, im Namen des gesamten Staates übermittelt. Es kann grundsätzlich und auch hier davon ausgegangen werden, dass ihr Inhalt intern mit den zuständigen Ministerien oder anderen Behörden abgestimmt ist78. Der Fall des Antragstellers ist der erste, in dem die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Zusicherungen der Republik Irak dieser Art angefragt und erhalten hat. Erfahrungswerte zur Verlässlichkeit dieser Zusicherungen können daher nicht vorliegen. Der Umstand, dass das Auswärtige Amt auf der Grundlage der Gespräche mit der Botschaft der Republik Irak in B. davon ausgeht, dass mit dem Fall des Antragstellers und den an die Bundesrepublik Deutschland übermittelten Zusicherungen der Protokollchef des Außenministeriums, der Leiter der Europaabteilung des Außenministeriums, der Vizeaußenminister, der für die Untersuchungshaft zuständige Oberste Justizrat und der für den Haftvollzug zuständige Justizminister befasst gewesen sind78, rechtfertigt die Erwartung, dass sich die Republik Irak auch wegen der besonderen Bedeutung, der diesen ersten Zusicherungen seitens der Bundesrepublik Deutschland für die Zusammenarbeit beider Staaten im Bereich der inneren Sicherheit und in justiziellen Angelegenheiten beigemessen wird, an die unter hochrangiger Beteiligung verschiedener Ressorts und des Obersten Justizrats erteilten Zusicherungen strikt halten wird. Dies gilt umso mehr, als die Botschaft der Republik Irak in jeder der drei Verbalnoten ausdrücklich um das Vertrauen des Auswärtigen Amtes und der deutschen Justizbehörden darauf wirbt, dass sich der Antragsteller nach Ankunft in der Republik Irak einer „menschlichen und fürsorglichen Behandlung durch die zuständigen irakischen Behörden sicher sein kann“. Würde ein solches Vertrauen in die Einhaltung dieser erstmals gegenüber der Bundesrepublik Deutschland erteilten Zusicherungen enttäuscht, so hätte dies unweigerlich nicht nur eine nachhaltige Störung der Beziehungen beider Staaten, sondern auch der justiziellen Zusammenarbeit mit anderen Staaten zur Folge, an der die Republik Irak kein Interesse haben kann. Die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Irak verbinden freundschaftliche Beziehungen. In den Jahren seit 2014 hat Deutschland die Republik Irak mit über 3, 4 Mrd. € im Rahmen von Entwicklungszusammenarbeit, Stabilisierung und humanitärer Hilfe unterstützt. Deutschland gehört damit neben den USA und Japan zu den drei größten Gebern im Land. Das deutsche militärische Engagement im Rahmen der Anti-IS-Koalition und der NATO-Mission Irak ergänzt das deutsche und internationale zivile Stabilisierungsengagement. Deutschland engagiert sich im Irak auch und insbesondere mit Blick auf die Folgen des Klimawandels. Die Republik Irak steht auf der Liste der Länder, die weltweit am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Die irakische Regierung setzt sich für eine Intensivierung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen ein. Auch im Kultur- und Bildungsbereich besteht eine enge Zusammenarbeit. Jährlich kommen mehrere hundert irakische Studierende und Wissenschaftler über den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) nach Deutschland. Zudem werden Kooperationen zwischen deutschen und irakischen Hochschulen, darunter 14 Hochschulpartnerschaften, gefördert79. Die Einhaltung der Zusicherungen gibt der Republik Irak zudem Gelegenheit, zu dokumentieren, dass menschenrechtliche Gewährleistungen, zu deren Einhaltung sie sich völkervertraglich verpflichtet hat und die insbesondere ausdrücklich in ihrer Verfassung verankert sind, beachtet werden. Die Republik Irak hat zudem in Aussicht gestellt, „z. B.“ dem IKRK im Falle einer Inhaftierung des Antragstellers ein Besuchsrecht einzuräumen. Dass Mitarbeiter des Roten Kreuzes/Roten Halbmonds Inhaftierte im Irak besuchen, wird durch die Auskunftslage bestätigt80. Anderweitige und insbesondere diplomatische Überwachungsmechanismen sind durch die beispielhafte Anführung des IKRK nicht ausgeschlossen. Es ist Aufgabe der Bundesrepublik Deutschland, sich mit der Republik Irak auf ein entsprechendes Monitoring zu verständigen.
Von dem Inhalt der diplomatischen Zusicherungen ist auch die Gewährleistung eines ungehinderten Zugangs des Antragstellers zu Verfahrensbevollmächtigten erfasst. Die betreffende Zusicherung hat nicht nur einen gänzlich allgemein gehaltenen Inhalt, sondern ist mit spezifischen Garantien verbunden, die eine Überprüfung der (eventuellen) Haftbedingungen des Betroffenen im Falle von dessen Inhaftierung und den ungehinderten Zugang zu seinen Prozessbevollmächtigten erlaubt81. Mit Verbalnote vom 08.06.2020 stellt die Botschaft der Republik Irak in B. in Bezug auf den Antragsteller klar, die irakische Verfassung und das irakische Strafprozessrecht sichere das Recht auf einen Rechtsbeistand zu, das durch Art.19 Abs. 4 Verf garantierte „Recht auf Verteidigung“ sei unantastbar und werde in allen Phasen der Untersuchung und des Prozesses gewährleistet. Die Erstreckung der Gewährleistung auf alle Phasen der Untersuchung erfasst auch solche Phasen, in denen sich der Antragsteller in Untersuchungsgewahrsam oder -haft befände. Dass Häftlinge nach den Erfahrungen des Auswärtigen Amtes ihren Rechtsbeistand bei Gericht, jedoch nicht während des Ermittlungsverfahrens im Gefängnis sprechen dürfen82, wird der Bundesrepublik Deutschland Veranlassung geben müssen, gegenüber der Republik Irak auf die zugesicherte Einhaltung der umfassenden Gewährleistung des „heiligen Rechts auf Verteidigung“ auch in allen Phasen der Ermittlungen hinzuwirken. Die vorstehend herausgearbeitete besondere Bedeutung der ersten diplomatischen Zusicherung rechtfertigt es, auf deren Einhaltung im Einzelfall zu vertrauen, obwohl es in der Republik Irak bislang kein wirksames System zum Schutz vor Folter gibt und die Zusammenarbeit mit internationalen Überwachungsmechanismen (einschließlich der Einbeziehung im Bereich der Menschenrechte tätigen internationalen Nichtregierungsorganisationen) und die Bereitschaft, Foltervorwürfe zu untersuchen und die Verantwortlichen zu bestrafen, stark defizitär ist. Der Antragsteller ist in der Republik Irak bislang nicht misshandelt worden. Die Tatsache, dass er einer dem Machtapparat des früheren Präsidenten Saddam Hussein eng verbundenen arabisch-sunnitischen Familie angehört, verleiht seinem Einzelfall eine auch in der diplomatischen Wahrnehmung besondere Bedeutung, derer sich die Republik Irak bewusst ist. Dass die Botschaft der Republik Irak einer Teilnahme des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers an einem Termin zu dessen Anhörung im Rahmen des Verfahrens zur Ausstellung eines Passersatzpapiers nicht zugestimmt hat, widerstreitet der vorstehenden Würdigung nicht, da dieses Verfahren nicht Gegenstand der erteilten Zusicherungen war. Nach alledem teilt das Bundesverwaltungsgericht die diesbezüglich abweichende Beurteilung der Zuverlässigkeit der Zusicherungen der Botschaft der Republik Irak durch das Verwaltungsgericht B.83 nicht. Insbesondere geht er davon aus, dass die Republik Irak willens und in der Lage ist sicherzustellen, dass der Antragsteller im Falle seiner Festnahme weder der Folter noch einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Polizei- und Sicherheitskräfte ausgesetzt sein wird, und auch durchzusetzen, dass Sicherheitskräfte, die anders als Milizen84 in den Haftanstalten tätig sind, diese Vorgaben einhalten.
Die den Antragsteller im Falle einer Festnahme, Inhaftierung und/oder Verurteilung in der Republik Irak erwartenden Haftbedingungen rechtfertigen ebenfalls nicht die Feststellung eines Abschiebungsverbots.
Dabei wird nicht verkannt, dass die Haftbedingungen in der Republik Irak internationalen Standards nicht entsprechen. Die Anzahl der Insassen ist in den zurückliegenden Jahren auch wegen der Bekämpfung des IS deutlich angestiegen. Durch die hiermit einhergehende Überbelegung hat sich die Unterbringungssituation in einigen Haftanstalten, darunter auch in Jugendstrafanstalten, verschlechtert. Die Bedingungen in einem Teil der Gefängnisse wurden und werden als hart und gelegentlich lebensbedrohlich geschildert, da es an Lebensmitteln mangele, die Zellen stark überbelegt seien, Gefangene körperlich misshandelt würden, die sanitären Bedingungen und die medizinische Versorgung unzureichend seien und die Gefahr übertragbarer Krankheiten bestehe. Die irakische Regierung wirkte diesen Zuständen während der COVID19-Pandemie durch die Eröffnung neuer Haftanstalten und die Begnadigung und Freilassung von Häftlingen entgegen. Während die effektive Wahrnehmung des Mandats der United Nations Assistance Mission for Iraq (UNAMI), irakische Haftanstalten zu besuchen, durch komplexe bürokratische Hürden erschwert wird, hat das IKRK regelmäßigen und flächendeckenden Zugang zu den Einrichtungen; die dem Justizvollzugsdienst unterstellten Gefängnisse gestatten regelmäßige Besuche durch unabhängige nichtstaatliche Beobachter85.
In welcher Haftanstalt der Antragsteller für den Fall einer Festnahme nach seiner Abschiebung in die Republik Irak inhaftiert würde, ist offen. Personen, die aus dem Zentralirak stammen und unter Terrorismusverdacht stehen, werden grundsätzlich in dem zentralen Counter Terrorism Service-Gefängnis in Bagdad untergebracht, während des Terrorismus verdächtige Personen aus der Region Kurdistan-Irak regelmäßig im Asasyish-Gefängnis in Erbil inhaftiert würden, sofern die ihnen vorgeworfene Tat in der betreffenden Region begangen worden sei80. In Bezug auf den Antragsteller käme auch eine Unterbringung in der P.-Haftanstalt in F. im Stadtgebiet von Mossul in Betracht, in der hauptsächlich männliche Untersuchungshäftlinge mit Anklagen im terroristischen Bereich untergebracht sind. Die betreffenden Haftanstalten unterstehen der Strafvollzugsabteilung des irakischen Justizministeriums. In den P.-Haftanstalten ist das Justizministerium in Koordination mit Sicherheitsunternehmen für den Schutz des inneren Bereichs der Einrichtungen und das Innenministerium für den Schutz des äußeren Bereichs der Haftanstalten verantwortlich. Milizen spielen insoweit keine Rolle86. In Bezug auf junge Erwachsene, die eine Straftat als Jugendliche begehen und zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung das 18. Lebensjahr vollendet haben, kann das Gericht den Aufenthalt in einer Erziehungsanstalt durch eine Unterbringung in einer Schule für Straftäter ersetzen.
Einer näheren Klärung des Ortes einer Unterbringung und der Menschenwürdigkeit der dort anzutreffenden Bedingungen bedarf es nicht, da die Botschaft der Republik Irak in B. auf die Bitte des Auswärtigen Amtes zuzusichern, dass im Fall einer den Antragsteller betreffenden in staatlichen Haftanstalten zu vollziehenden freiheitsentziehenden Maßnahme sämtliche Verfahrensgarantien und Anforderungen an die Behandlung von Inhaftierten nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte beachtet werden und dass die mit Verbalnote vom 21.10.2019 zugesicherten rechtsstaatlichen Garantien konkret und namentlich für den Antragsteller gelten, mit Verbalnote vom 08.06.2020 mitgeteilt hat, die Republik Irak habe den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte am 23.03.1976 mitbeschlossen, sie sei daher zur Einhaltung des Pakts gegenüber jeglichen Beschuldigten und unter anderem zur Einhaltung der Zusicherung gegenüber dem Antragsteller verpflichtet. Zudem hat sie mit den Verbalnoten vom 21.10.2019, 8.06.2020 und 1.06.2021 auch insoweit um das Vertrauen des Auswärtigen Amtes und der deutschen Justizbehörden darauf geworben, dass sich die irakischen Staatsbürger und auch der Antragsteller einer menschlichen, humanen, „väterlichen“ und fürsorglichen Behandlung durch die zuständigen irakischen Behörden sicher sein könnten. Das Bundesverwaltungsgericht vertraut aus den bereits unter (c) ausgeführten Erwägungen auch insoweit auf die Einhaltung dieser diplomatischen Zusicherungen der Republik Irak.
Dem Antragsteller droht im Falle seiner Rückkehr auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch nichtstaatliche Akteure, namentlich durch Angehörige von Oberst A., selbst wenn diese angekündigt haben, an ihm Selbstjustiz zu verüben.
Zwar stehen sogenannte Ehrverbrechen auch im Irak unter Strafe, dennoch bleiben Ehrenmorde ein Risiko, zumal das irakische Strafrecht für Gewalttaten aus „ehrenhaften Motiven“ immer noch eine milde, reduzierte Strafzumessung vorsieht, ihre Ahndung durch die im Irak weit verbreitete Korruption bei staatlichen Behörden erschwert wird und der irakische Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger vor Repressionen nichtstaatlicher Akteure zu schützen87.
Ehrenmorde stellen indes auch im Irak erkennbar keinen Regelfall dar88. Im Einzelfall des Antragstellers ist zu berücksichtigen, dass dieser seine gegen ihn wegen Beihilfe zum Mord verhängte Freiheitsstrafe verbüßt hat. Dass seine Familie in den zurückliegenden Jahren Bedrohungen erfahren hat, ist nicht erkennbar. Den Schilderungen des Antragstellers ist vielmehr zu entnehmen, dass seine im Irak lebenden Verwandten unbehelligt geblieben sind. Hinzu kommt, dass der Antragsteller einer wohlhabenden und einflussreichen Familie entstammt und er sich im Falle seiner Abschiebung auch eigenem Vorbringen zufolge nicht nur auf ein familiäres Netzwerk zu stützen vermöchte, sondern von diesem auch die erforderliche, auch finanzielle Unterstützung erfahren würde, die es ihm ermöglichte, seinen Wohnsitz in der Anonymität einer Großstadt, sei es im Zentralirak, sei es in der Region Kurdistan zu nehmen und sich dort mit dem Rückhalt seiner Familie eine neue bescheidene Existenz aufzubauen. Mit Blick darauf ist nicht erkennbar, dass sich seine Situation in einer Weise als kritisch darstellte, die eine Verweisung auf die Inanspruchnahme internen Schutzes ausschlösse.
Gemäß § 60 Abs. 6 AufenthG stehen weder die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können, noch, soweit sich aus § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung der Abschiebung des Ausländers, so auch hier des Antragstellers, entgegen.
Die vorstehend erörterten Umstände begründen aus den nämlichen Erwägungen auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Dass für den Antragsteller nach einer Abschiebung in der Republik Irak jenseits dieser Umstände eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Insbesondere ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung davon auszugehen, dass der Antragsteller weiterhin nicht unter einer relevanten psychiatrischen Störung leidet. Selbst wenn er in der Republik Irak weiterhin der ambulanten psychotherapeutischen Betreuung oder einer Versorgung mit Medikamenten bedürfte, wofür gegenwärtig keine Anhaltspunkte bestehen, ist weder erkennbar noch vorgetragen, dass ihm eine solche Versorgung auch unter Berücksichtigung der angespannten medizinischen Versorgungslage89 nicht zuteilwürde90. In diesem Zusammenhang gilt es zu berücksichtigen, dass es Zweck der Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht ist, eine bestehende Krankheit optimal zu behandeln und dem Ausländer am medizinischen Fortschritt und Standard der medizinischen Versorgung in Deutschland teilhaben zu lassen, dass sich dieser daher grundsätzlich und vorbehaltlich der Sicherung der existenziellen Bedürfnisse auf den Standard der Gesundheitsversorgung seines Herkunftslandes verweisen lassen muss, selbst wenn der betreffende Standard nicht dem Niveau in Deutschland entspricht, und dass es Aufgabe des jeweiligen Herkunftslandes ist, dafür zu sorgen, dass seine Staatsangehörigen die für sie notwendige und im Heimatstaat mögliche medizinische Versorgung auch dann erhalten, wenn sie nur über ein geringes oder gar kein Einkommen verfügen91.
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Abschiebung des Antragstellers gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Nachdem im September 2020 eine psychische Dekompensation besorgt92, ihm im November 2021 eine akute Suizidalität attestiert und zeitgleich eine Anpassungsstörung diagnostiziert wurde93, finden sich entsprechende Hinweise in jüngeren Stellungnahmen nicht mehr. Zum Teil wird der Aspekt der Suizidalität überhaupt nicht mehr aufgegriffen. Zum Teil wird ausgeführt, Hinweise auf das Vorliegen einer schweren psychischen Erkrankung fänden sich nicht. Der Antragsteller selbst hat – wie bereits in der Vergangenheit – bekundet, „auf gar keinen Fall“ freiwillig in den Irak zurückkehren zu wollen und große Angst vor einer Abschiebung zu haben, und sowohl gegenüber der Gewahrsamsleitung der AHEG BE als auch gegenüber dem Amtsgericht T. bekräftigt, sich das Leben zu nehmen, falls er in den Irak zurückkehren müsse. Entsprechende Bekundungen allein weisen indes gegenwärtig weder auf eine psychische Erkrankung noch auf eine Reiseunfähigkeit des Antragstellers, weshalb es im vorliegenden Verfahren weitergehender Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht bedarf. Das Vorliegen einer psychischen Erkrankung ist verneint worden und weder durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft gemacht worden noch anderweitig erkennbar.
Sollte die vor einer Abschiebung von Amts wegen vorzunehmende Untersuchung die Reisefähigkeit des Antragstellers bestätigen, wird der Antragsgegner mit Blick auf die Ankündigung des Antragstellers gehalten sein, der Gefahr eines Suizids sowohl im Vorfeld als auch im Rahmen der Durchführung der Abschiebung durch geeignete Maßnahmen effektiv zu begegnen, welche, sofern erforderlich, auch eine Übergabe an medizinisch hinreichend qualifiziertes Personal im Zielstaat der Abschiebung einschließen. Die mit der Abschiebung betraute Behörde ist im Lichte von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet, sämtliche im Einzelfall gebotene Maßnahmen zu ergreifen, um durch eine hinreichende Ausgestaltung der tatsächlichen Durchführung in jedem Stadium der Abschiebung erhebliche Gefahren für Leib und Leben des Betroffenen abzuwenden94. Dass der Gesundheitszustand des Antragstellers es nicht zulässt, diesen Anforderungen zu entsprechen und etwaige suizidale Handlungen durch entsprechende Vorkehrungen wirksam auszuschließen, und daher von einer Reiseunfähigkeit des Antragstellers auszugehen wäre, ist den vorliegenden psychologischen Stellungnahmen nicht zu entnehmen. Daher bedarf es auch keiner abschließenden Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zu der durch den Antragsgegner im Vorfeld der Abschiebung gegebenenfalls sicherzustellenden Übergabe des Antragstellers an eine psychiatrische Fachkraft95.
Eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens unabhängige Interessenabwägung ergibt auch in Bezug auf das in Ziffer 2 der Verfügung angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot, dass das öffentliche Interesse an dessen Vollzug das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung derzeit überwiegt.
Im vorliegenden Eilverfahren bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, zum einen ob die oberste Landesbehörde berechtigt war, von der Anhörung des Antragstellers auch in Bezug auf das Einreise- und Aufenthaltsverbot abzusehen, zum anderen ob der Erlass eines im Einklang mit § 11 Abs. 5b AufenthG unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots an der Richtlinie 2008/115/EG zu messen ist96 und bejahendenfalls ob im Lichte dessen, dass die Bundesrepublik Deutschland, soweit Art. 11 Abs. 2 Satz 2 RL 2008/115/EG eine Festsetzung der Dauer des Einreiseverbots auch für den Fall vorsieht, dass der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt, im Einklang mit Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2008/115/EG beschlossen hat, diese Richtlinie nicht auf Drittstaatsangehörige anzuwenden, die nach einzelstaatlichem Recht infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind97, eine Rückkehrpflicht „infolge einer strafrechtlichen Sanktion“ auch für den Fall anzunehmen ist, dass die strafgerichtliche Verurteilung des Ausländers noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist.
Ist die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots wegen der Komplexität dieser Rechtsfragen offen, so hat eine von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängige Interessenabwägung zu erfolgen98. Dabei überwiegt hier auch unabhängig von der gesetzgeberischen Entscheidung in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG derzeit das öffentliche Vollzugsinteresse das Bleibeinteresse des Antragstellers. Denn zum einen ist eine Aussetzung der Vollziehung jedenfalls nicht zwingend geboten, wenn absehbar ist, dass der Verwaltungsakt im Ergebnis Bestand haben wird, weil der formelle Fehler geheilt werden wird. Holt die oberste Landesbehörde die Anhörung des Antragstellers zu dem Erlass des Einreise- und Aufenthaltsverbots während des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens nach, so wäre eine etwaige Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 28 Abs. 1 VwVfG Bd gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG Bd geheilt99. Zum anderen ist auf der Grundlage der Ausführungen zu 2.1 davon auszugehen, dass ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen war und sich dessen Geltungsdauer jedenfalls auf den Zeitpunkt des Ergehens einer Entscheidung in dem von dem Antragsteller betriebenen Klageverfahren erstreckt, weshalb die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht in Betracht kommt.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. Mai 2023 – 1 VR 1.23
- Fortentwicklung von BVerwG, Urteil vom 14.01.2020 – 1 A 3.19, Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 18 Rn. 34[↩]
- BVerwG, Urteil vom 22.08.2017 – 1 A 3.17, BVerwGE 159, 296 Rn. 14[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 22.08.2017 – 1 A 3.17 – InfAuslR 2018, 11 Rn. 16; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24.07.2017 – 2 BvR 1487/17, NVwZ 2017, 1526 Rn.20 ff.; und vom 26.07.2017 – 2 BvR 1606/17, NVwZ 2017, 1530 Rn. 18[↩]
- GVBl. S. 930[↩]
- GVBl. S. 38[↩]
- VwVfG BE[↩]
- BVerwG, Urteil vom 27.03.2018 – 1 A 5.17 22 und Beschluss vom 13.07.2017 – 1 VR 3.17, Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 17[↩]
- BVerwG, Urteil vom 27.03.2018 – 1 A 4.17 80[↩][↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.12.2019 – 1 B 74.19 5 m. w. N.[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 09.12.2019 – 1 B 74.19 6 m. w. N.[↩]
- vgl. nur KG, Urteil vom 04.06.2021 – (1) 3 StE 3/18-4 (3/18) [↩]
- ABl. L 348 S. 98[↩]
- vgl. näher EuGH, Urteil vom 05.11.2014 – C-166/13 [ECLI:EU:C:2014:23:36], Mukarubega, Rn. 40 bis 45[↩]
- vgl. EuGH, Urteile vom 08.05.2018 – C-82/16 [ECLI:EU:C:2018:308], K. A. u. a., Rn. 101 bis 103; und vom 17.12.2020 – C-808/18 [ECLI:EU:C:2020:1029], Rn. 250[↩]
- EuGH, Urteil vom 11.12.2014 – C-249/13 [ECLI:EU:C:2014:2431], Boudjlida, Rn. 43[↩]
- EuGH, Urteil vom 11.12.2014 – C-249/13, Rn. 45[↩]
- EuGH, Urteil vom 11.12.2014 – C-249/13, Rn. 41 ff.[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 21.03.2017 – 1 VR 1.17, NVwZ 2017, 1057 Rn. 13[↩]
- BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 – 1 C 26.03, BVerwGE 123, 114 <120 f.>[↩]
- BVerwG, Urteil vom 22.08.2017 – 1 A 3.17, BVerwGE 159, 296 Rn. 21[↩]
- BVerwG, Urteil vom 22.08.2017 – 1 A 3.17, BVerwGE 159, 296 Rn. 23[↩]
- BGBl.2003 II S.1923[↩]
- ABl. L 164 S. 3[↩]
- ABl. L 344 S. 93[↩]
- ABl. L 88 S. 6[↩]
- vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 – 1 C 26.03, BVerwGE 123, 114 <129 f.>[↩]
- BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 – 1 C 13.10, BVerwGE 141, 100 Rn.19 m. w. N.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 22.08.2017 – 1 A 3.17, BVerwGE 159, 296 Rn. 22; siehe auch BVerwG, Urteil vom 06.02.2019 – 1 A 3.18, BVerwGE 164, 317 Rn. 31[↩]
- BVerwG, Urteil vom 22.08.2017 – 1 A 3.17, BVerwGE 159, 296 Rn. 25[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 19.09.2017 – 1 VR 8.17 18[↩]
- BVerwG, Urteil vom 22.08.2017 – 1 A 3.17, BVerwGE 159, 296 Rn. 27[↩]
- BVerwG, Urteil vom 22.08.2017 – 1 A 3.17, BVerwGE 159, 296 Rn. 28[↩]
- BVerwG, Urteil vom 22.08.2017 – 1 A 3.17, BVerwGE 159, 296 Rn. 29[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 25.06.2019 – 1 VR 1.19, NVwZ-RR 2019, 971 Rn. 17[↩]
- vgl. zum Ausweisungsrecht BVerfG, Kammerbeschluss vom 06.12.2021 – 2 BvR 860/21 19; BVerwG, Urteile vom 02.09.2009 – 1 C 2.09, Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 54 Rn. 18; und vom 13.12.2012 – 1 C 20.11, Buchholz 402.242 § 55 AufenthG Nr. 15 Rn. 23[↩]
- BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.10.2016 – 2 BvR 1943/16, NVwZ 2017, 229 Rn. 21[↩]
- vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16.09.1986 – 1 B 143.86, Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 112 S. 114 f.; und vom 08.05.1989 – 1 B 77.89 – InfAuslR 1989, 269 f.[↩]
- vgl. zum Ausweisungsrecht auch BVerwG, Urteil vom 01.12.1987 – 1 C 29.85, BVerwGE 78, 285 <289> OVG Hamburg, Urteil vom 15.06.2015 – 1 Bf 163/14 44[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 27.07.2017 – 1 C 28.16, BVerwGE 159, 270 Rn. 30 und Beschluss vom 25.04.2018 – 1 B 11.18 12, jeweils m. w. N.[↩]
- VG München, Beschluss vom 11.01.2021 – M 31 S 20.33463 19 f.; VG Berlin, Urteil vom 25.08.2022 – VG 13 K 41.19 – UA S.19; VG Bremen, Urteil vom 16.12.2022 – 2 K 198/20 25[↩]
- vgl. auch VG Berlin, Urteil vom 25.08.2022 – VG 13 K 41.19 – UA S. 21 f.[↩]
- BGH, Beschluss vom 20.04.2022 – StB 15/22[↩]
- vgl. nur BGH, Beschluss vom 20.04.2022 – StB 15/22; Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.01.2018 – 4 BGs 1/18; KG, Beschluss vom 19.02.2019 – (1) 3 StE 3/18-4 (3/18); KG, a.a.O.[↩]
- s. dazu Rettenberger, Die Einschätzung der Gefährlichkeit bei extremistischer Gewalt und Terrorismus, Kriminalistik 2016, 532[↩]
- zuletzt BVerwG, Urteil vom 21.08.2018 – 1 A 16.17 75[↩]
- vgl. auch BVerwG, Urteil vom 21.08.2018 – 1 A 16.17 79[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.05.2018 – 1 VR 3.18 40[↩]
- BVerfG, Urteil vom 20.04.2016 – 1 BvR 966/09 u. a., BVerfGE 141, 220 Rn. 96, 132 und Beschluss vom 18.07.1973 – 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73, BVerfGE 35, 382 <402 f.>[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.05.2018 – 1 VR 3.18 44[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.09.2013 – 10 B 14.13, Buchholz 402.242 § 30 AufenthG Nr. 7 Rn. 4 f. m. w. N. aus der Rechtsprechung des BVerfG und des EGMR[↩]
- BVerwG, Urteil vom 06.02.2019 – 1 A 3.18, BVerwGE 164, 317 Rn. 83[↩]
- BVerwG, Urteil vom 22.08.2017 – 1 A 3.17 – InfAuslR 2018, 11 Rn. 39[↩]
- BGBl.1953 II S. 559[↩]
- BVerwG, Urteil vom 24.11.2009 – 10 C 24.08, BVerwGE 135, 252 Rn. 31[↩]
- vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.09.2017 – 1 VR 8.17 49[↩]
- BGBl.1952 II S. 685[↩]
- BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 – 10 C 15.12, BVerwGE 146, 12 Rn. 36[↩]
- EGMR, Urteile vom 19.11.2009 – Nr. 41015/04, Kaboulov/Ukraine, Rn. 99 ff.; vom 02.03.2010 – Nr. 61498/08, Al-Saadoon and Mufdhi/U. K., Rn. 115 ff., 123, 137 und 144; und vom 24.07.2014 – Nr. 28761/11, Al-Nashiri/Polen, NVwZ 2015, 955 Rn. 576 ff.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 21.04.2022 – 1 C 10.21, BVerwGE 175, 227 Rn. 13 f. m. w. N.[↩]
- vgl. EGMR, Urteil vom 17.01.2012 – Nr. 8139/09, Othmann/Vereinigtes Königreich, NVwZ 2013, 487 Rn. 189[↩]
- BVerfG, Kammerbeschluss vom 04.05.2018 – 2 BvR 632/18, NVwZ 2018, 1390 Rn. 37 f.[↩]
- VG Berlin, Entscheidungen vom 08.07.2020 – VG 25 L 120.20 A; und vom 13.12.2021 – VG 25 K 507.19 A[↩]
- Auswärtiges Amt, Bericht vom 28.10.2022 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak , S.20 f.; ECPM, Iraq’s compliance with the ICCPR, 31.01.2022, I. 6.; EUAA, Irak – Gezielte Gewalt gegen Individuen, Januar 2022, S. 14 f.[↩]
- vgl. auch Al-Sarraf, Memorandum vom 13.09.2018 zu einer Anfrage der Deutschen Botschaft Irak in Bezug auf das Strafrecht und Minderjährige, Antworten zu II 1., 4. und 5.; UNAMI, Human Rights in the Administration of Justice in Iraq: Trials under the anti-terrorism laws and implications for justice, accountability and social cohesion in the aftermath of ISIL, Januar 2020, S. 4 und Annex II.3[↩]
- Auswärtiges Amt, Auskunft vom 11.06.2020 – 508-516.80/54146, S. 2; vgl. auch VG Berlin, Beschluss vom 08.07.2020 – VG 25 L 120/20 A – BA S. 8[↩]
- vgl. hierzu indes auch Auswärtiges Amt, Auskunft vom 18.04.2012 – 508-92-516.80/46583 – S. 2, ausweislich derer wegen der Geltung des Grundsatzes “ ne bis in idem “ nur innerhalb derselben Gerichtsbarkeit nicht ausgeschlossen werden könne, dass ein irakischer Staatsangehöriger, der im Ausland eine Strafe verbüßt habe, nicht für dieselbe Tat im Irak noch einmal belangt werde[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 31.03.1987 – 2 BvM 2/86, BVerfGE 75, 1 <16>[↩]
- vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15.12.2011 – 2 BvR 148/11 – NJW 2012, 1202 Rn. 33[↩]
- Präambel, Artt. 24 bis 26 GG[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 31.03.1987 – 2 BvM 2/86, BVerfGE 75, 1 <17 f.>[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 31.03.1987 – 2 BvM 2/86, BVerfGE 75, 1 <18 ff.> BVerwG, Urteil vom 16.12.2021 – 1 C 60.20, Buchholz 402.261 § 6 FreizügG/EU Nr. 4 Rn. 57 m. w. N.[↩]
- vgl. zum Ganzen auch UNAMI, Human Rights in the Administration of Justice in Iraq, August 2021, S. 9 f.[↩]
- Auswärtiges Amt, Bericht vom 28.10.2022 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak , S.19 f.; <Österreichisches> Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation: Irak, 22.08.2022, S. 133 f.; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak vom 26.04.2022 – a-11897 – S. 4; Amnesty International, Amnesty Report Irak 2019 vom 18.02.2020, S. 7; Bertelsmann-Stiftung, BTI 2022 Country Report Iraq, 23.02.2022, S. 13 f.; ECPM, Iraq’s compliance with the ICCPR, 31.01.2022, II. 9. ff. und IV.23. ff.; EUAA, Irak – Gezielte Gewalt gegen Individuen, Januar 2022, S. 14 ff.; EUAA, Country Guidance: Iraq, Juni 2022, S. 85 und 90; Human Rights Watch, World Report 2022, S. 345; Human Rights Watch, Iraq – Events of 2021, S. 3 f.; Human Rights Watch, Iraq: Appeals Courts Ignoring Torture Claims, 25.09.2019; UNAMI, Human Rights in the Administration of Justice in Iraq: Legal conditions and procedural safeguards to prevent torture and ill-treatment, August 2021, S. 11 f.; UNAMI, Human Rights in the Administration of Justice in Iraq: Trials under the anti-terrorism laws and implications for justice, accountability and social cohesion in the aftermath of ISIL, Januar 2020, S. 7 ff.; US Department of State, Iraq 2022 Human Rights Report, S. 6 f. und 15 f.; US Department of State, Iraq 2021 Human Rights Report, S. 6 f.; vgl. auch VG Berlin, Beschluss vom 08.07.2020 – VG 25 L 120/20 A – BA 8 f. und Urteil vom 13.12.2021 – VG 25 K 507.19 A – UA S. 10 f.[↩]
- UNAMI, Human Rights in the Administration of Justice in Iraq, August 2021, Annex I, S. 26[↩]
- BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.07.2017 – 2 BvR 1487/17, NVwZ 2017, 1526 Rn. 47 f. m. w. N.[↩]
- BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.07.2017 – 2 BvR 1487/17, NVwZ 2017, 1526 Rn. 49[↩]
- EGMR, Urteil vom 17.01.2012 – Nr. 8139/09, NVwZ 2013, 487 Rn. 189[↩]
- Auswärtiges Amt, Auskunft vom 06.10.2021 – 516.50 IRQ-RIY ADH[↩][↩]
- Auswärtiges Amt, Irak: Beziehungen zu Deutschland, 23.02.2023, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/irak-node/bilaterale-beziehungen/203980[↩]
- Auswärtiges Amt, Auskunft vom 11.06.2020 – 508-516.80/54146, S. 2[↩][↩]
- vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.07.2017 – 2 BvR 1487/17, NVwZ 2017, 1526 Rn. 50[↩]
- Auswärtiges Amt, Auskunft vom 11.06.2020 – 508-516.80/54146, S. 2; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak vom 08.05.2019 – a-10971, S. 6[↩]
- vgl. VG Berlin, Beschlüsse vom 24.01.2020 – VG 25 L 506.19 A 50; und vom 08.07.2020 – VG 25 L 120/20 A – BA S. 8 ff. sowie Urteil vom 13.12.2021 – VG 25 K 507.19 A – UA S. 14 ff.[↩]
- vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 26.01.2021 – 508-516.80/54146, S. 2[↩]
- Auswärtiges Amt, Bericht vom 28.10.2022 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak , S. 21; Amnesty International, Amnesty Report Irak 2019 vom 18.02.2020, S. 7; <Österreichisches> Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation: Irak, 22.08.2022, S. 153 ff.; Human Rights Watch, Iraq – Events of 2020, S. 4; Human Rights Watch, Iraq: Thousands Detained, Including Children, in Degrading Conditions; Human Rights Watch, Flawed Justice: Accountability for ISIS Crimes in Iraq, 5.12.2017, S. 2 und 19 ff.; US Department of State, Iraq 2022 Human Rights Report, S. 3, 8 ff.[↩]
- Auswärtiges Amt, Auskunft vom 26.01.2021 – 508-516.80/54146, S. 2[↩]
- Auswärtiges Amt, Bericht vom 28.10.2022 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak – 508-516.80/3 IRQ VS-NfD, S. 12 und 15; <Österreichisches> Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation: Irak, 22.08.2022, S.200[↩]
- so auch VG Regensburg, Urteil vom 19.02.2020 – RN 3 K 18.31751 32[↩]
- vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 28.10.2022 – 508-516.80/3 IRQ VS-NfD, S. 23 f.[↩]
- vgl. zur psychiatrischen Versorgung in der Republik Irak auch <Österreichisches> BVerwG, Entscheidung vom 27.03.2020 – BVwG I403 2223091-1 [ECLI:?AT:?BVWG:?2020:?I403.2223091.01.00] – https://rdb.manz.at/document/ris.bvwg.BVWGT_20200327_I403_2223091_1_00[↩]
- vgl. zuletzt etwa BayVGH, Beschluss vom 06.06.2019 – 10 C 19.10 81 11; OVG NRW, Urteil vom 11.09.2018 – 5 A 3000/15.A 105[↩]
- JStA B., Stellungnahme vom 11.09.2020 , S. 2; I., Psychologische Einschätzung zur psychischen Gesundheit von R. vom 10.09.2020 [↩]
- JStA B., Psychologische Stellungnahme zur Frage der Legalprognose vom 11.11.2021, BA VIII Bl. 1788[↩]
- vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 – 2 BvR 939/14, NVwZ 2014, 1511 Rn. 10 und 14; ferner EGMR , Urteil vom 13.12.2016 – Nr. 41738/10, Paposhvili, Rn.205; OVG Hamburg, Urteil vom 03.05.2022 – 6 Bf 113/21 56 f.[↩]
- vgl. zur psychiatrischen Versorgung in der Republik Irak auch <Österreichisches> BVerwG, Entscheidung vom 27.03.2020 – BVwG I403 2223091-1 – https://rdb.manz.at/document/ris.bvwg. BVWGT_20200327_I403_2223091_1_00[↩]
- ausdrücklich offenlassend BVerwG, Urteil vom 22.08.2017 – 1 A 2.17, Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 6 Rn. 46 und Beschlüsse vom 13.07.2017 – 1 VR 3.17, Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 72; und vom 22.08.2017 – 1 A 10.17, Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 37 Rn. 6[↩]
- BT-Drs. 17/6053 S. 7 i. V. m. BT-Drs. 17/5470 S. 21; BT-Drs. 18/4097 S. 36; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 06.05.2020 – 1 C 14.19, Buchholz 451.902 Europ. Ausländer- und Asylrecht Nr. 114 Rn. 5 f.; ebenso wohl Funke-Kaiser, in: Berlit, Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, Stand Mai 2023, § 11 AufenthG Rn. 130 f.; vgl. zu dieser Frage auch Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Dezember 2022, § 11 AufenthG Rn. 130c; Zeitler, in: Hypertextkommentar Ausländerrecht, Stand 21.08.2019, § 11 Abs. 5b AufenthG Rn. 4; Maor, in: Kluth/Heusch – BeckOK Ausländerrecht, Stand 1.01.2023, § 11 AufenthG Rn. 44[↩]
- BVerfG, Kammerbeschluss vom 14.12.2017 – 2 BvR 1872/17 – InfAuslR 2018, 108 Rn. 18 f.[↩]
- vgl. auch OVG Hamburg, Beschluss vom 18.12.2006 – 3 Bs 218/05, NVwZ-RR 2007, 364[↩]
Bildnachweis:
- Koran: Tayeb Mezahdia