Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hat die Kommunalverfassungsbeschwerden von 11 Gemeinden der Region Hannover zurückgewiesen, die sich gegen eine „Sonderumlage“ wehren, die nur den Gemeinden ohne eigenes Jugendamt in der Region Hannover auferlegt wurde.

Inhaltsübersicht
Die Beschwerdeführerinnen – die Städte Barsinghausen, Gehrden, Hemmingen, Neustadt am Rübenberge, Pattensen, Sehnde und Wunstorf und die Gemeinden Isernhagen, Uetze, Wedemark und Wennigsen – sind 11 Städte und Gemeinden aus der Region Hannover, die nicht örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind und dementsprechend kein eigenes Jugendamt unterhalten. Sie wenden sich gegen die Einführung einer „Sonderumlage“ im Rahmen der Berechnung der Regionsumlage durch § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) vom 17.12.20101, geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18.07.20122. Die Umlage ist den regionsangehörigen Gemeinden, die nicht örtliche Träger der Jugendhilfe sind (im Folgenden auch: Gemeinden ohne eigenes Jugendamt), auferlegt worden. Weiterhin greifen die Beschwerdeführerinnen die Regelung des § 160 Abs. 4 Satz 7 NKomVG in der Fassung des Artikels 7 des Gesetzes vom 12.12.20123 an, nach der die Region Hannover die Sätze 5 und 6 dieser Bestimmung auf weitere Aufgaben und Leistungen nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuchs anwenden und damit an die regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt weitergehende Erstattungen leisten kann.
Die derzeitige Rechtslage[↑]
Nach § 69 Abs. 1 SGB VIII werden die Träger der öffentlichen Jugendhilfe durch Landesrecht bestimmt.
Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG) vom 05.02.19934 erfüllen Landkreise und kreisfreie Städte (örtliche Träger) die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII innerhalb ihres eigenen Wirkungskreises durch das Jugendamt. Darüber hinaus sind örtliche Träger nach § 1 Abs. 2 AG KJHG die Landeshauptstadt Hannover und auch solche kreisangehörigen Gemeinden, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes (1993) bereits die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe i.S.d. Absatzes 1 erfüllt haben. Das zuständige Ministerium hat die Bestimmung zum örtlichen Träger zurückzunehmen, wenn die Gemeinde dies beantragt oder ihre Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe nicht mehr gewährleistet ist.
Am 1.01.2012 waren in Niedersachsen auf der Grundlage dieser Zuständigkeitsnorm außerhalb der Region Hannover die 37 Landkreise, die 8 kreisfreien Städte und die Stadt Göttingen für die Kinder- und Jugendhilfe zuständig. Neben der Region Hannover verfügten die Landeshauptstadt und 2 weitere regionsangehörige Gemeinden über ein eigenes Jugendamt. Außerhalb der Region Hannover nahmen von den etwa 440 Städten und Gemeinden nur 6 kreisangehörige Städte diese Aufgabe wahr. Bis zur Gründung der Region Hannover im Jahr 2001 hatten im ehemaligen Landkreis Hannover lediglich die Städte Burgdorf und Lehrte ein eigenes Jugendamt unterhalten.
Die Finanzierung der Aufgaben im Bereich der Jugendhilfe erfolgte im Rahmen der allgemeinen Finanzierungsinstrumente der Kommunen.
Durch das Gesetz über die Region Hannover (RegHanG) vom 05.06.2001 ist die Region Hannover gebildet worden. Sie besteht aus den Gemeinden im Gebiet der Region Hannover (dem früheren Landkreis Hannover) und der Landeshauptstadt Hannover. Ihrer Rechtsnatur nach ist die Region Hannover – ebenso wie die Landkreise – ein Gemeindeverband und eine Gebietskörperschaft. Sie weist Parallelen zu einem Landkreis auf, unterscheidet sich von diesem aber dadurch, dass sie die Landeshauptstadt Hannover einschließt. Auf die anderen regionsangehörigen Gemeinden waren nach § 5 Satz 2 RegHanG die für kreisangehörige Gemeinden geltenden Vorschriften anzuwenden, soweit durch Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt war (§ 5 Satz 2 RegHanG). Für die Region Hannover fanden die für Landkreise geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit in dem Gesetz über die Region Hannover nichts anderes bestimmt war (§ 3 Abs. 3 Satz 1 RegHanG).
Nach § 8 Abs. 6 Satz 1 RegHanG war die Region Hannover der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe, soweit dazu nicht regionsangehörige Gemeinden bestimmt worden waren. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, dass die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe innerhalb der Region Hannover dezentral auch von weiteren regionsangehörigen Gemeinden wahrgenommen werden können. Dementsprechend regelte § 11 Abs. 4 RegHanG, dass Gemeinden mit mehr als 30.000 Einwohnerinnen und Einwohnern sowie die Stadt Springe auf Antrag zu örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe bestimmt werden konnten.
Um den regionsangehörigen Gemeinden die Übernahme von Aufgaben im Bereich der Jugendhilfe zu erleichtern5 und um einen angemessenen Lastenausgleich innerhalb der Region zu gewährleisten6, hat der Gesetzgeber im RegHanG spezielle Finanzierungsregelungen im Zusammenhang mit der Übernahme der Aufgaben im Bereich der öffentlichen Jugendhilfe aufgestellt. So hat die Region Hannover nach § 8 Abs. 6 Satz 4 RegHanG anderen regionsangehörigen örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe auf Antrag einen angemessenen pauschalierten Kostenausgleich bis zu 80 v.H. der Personal- und Sachkosten für Leistungen nach den §§ 19, 21, 29 – 35a, 41 – 43, 52, 55, 56, 59 und 90 Abs. 3 SGB VIII zu gewähren. Hierbei handelt es sich um gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder (§ 19), Unterstützung bei notwendiger Unterbringung zur Erfüllung der Schulpflicht (§ 21), soziale Gruppenarbeit (§ 29 – 35a), Hilfe für junge Volljährige, Nachbetreuung (§ 41 – 43), Mitwirkung im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (§ 52), Beistandschaft, Amtspflegschaft und Amtsvormundschaft (§ 55 und 56), Beurkundungen (§ 59) und pauschalierte Kostenbeteiligung (§ 90 Abs. 3).
Voraussetzung für die Kostenerstattung war nach § 8 Abs. 6 Satz 5 RegHanG, dass die regionsangehörigen Gemeinden ihre Jugendhilfeplanung mit der Region Hannover abstimmten und ihr den Abschluss von Vereinbarungen nach § 78b SGB VIII übertrugen. Weiterhin konnte die Region Hannover nach § 8 Abs. 6 Satz 6 RegHanG die Anwendung der Sätze 4 und 5 auf weitere Aufgaben und Leistungen nach dem SGB VIII erstrecken.
Aufgrund der genannten Regelungen hätten von den insgesamt 21 regionsangehörigen Städten und Gemeinden 7 weitere die Möglichkeit gehabt, ein eigenes Jugendamt einzurichten und entsprechende Kostenerstattungen von der Region zu erhalten. Tatsächlich machten in der Folge 3 regionsangehörige Gemeinden von dieser Möglichkeit Gebrauch und ließen sich zu örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe bestimmen. Damit gibt es zurzeit 7 Jugendämter in der Region Hannover: das Jugendamt der Region Hannover, das Jugendamt der Landeshauptstadt Hannover sowie 5 weitere Jugendämter in den 20 übrigen regionsangehörigen Gemeinden.
Mit dem NKomVG vom 17.12.20101, das am 1.11.2011 in Kraft trat, fasste der Gesetzgeber die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden unterschiedlichen Kommunalgesetze zusammen. Dementsprechend trat das RegHanG mit Ablauf des 31.10.2011 außer Kraft.
Die Regelungen über die Aufgabenverteilung in der Region Hannover im Bereich der Jugendhilfe sowie die Bestimmungen über Erstattungsansprüche der regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt hat das NKomVG weitgehend aus dem RegHanG übernommen. So entspricht § 160 Abs. 4 NKomVG inhaltlich § 8 Abs. 6 Satz 3 RegHanG. In der Fassung des Art. 7 des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes und zur Änderung kommunal- und brandschutzrechtlicher Vorschriften vom 12.12.20123 hat § 160 Abs. 4 NKomVG folgenden Wortlaut:
„Die Region Hannover ist der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe, soweit dazu nicht regionsangehörige Gemeinden bestimmt worden sind. Sie ist Träger zentraler Einrichtungen und Leistungsangebote auch für das Gebiet anderer örtlicher Träger der Jugendhilfe, soweit diese eine solche Aufgabenübernahme mit ihr vereinbart haben. Sie ist ferner dafür zuständig, die Jugendhilfeplanung innerhalb der Region Hannover durch eine Rahmenplanung aufeinander abzustimmen, auch mit anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe und mit der überörtlichen Planung. Die Region Hannover ist auch zuständig für die Förderung der auf ihrer Ebene bestehenden Jugendverbände und ihrer Zusammenschlüsse. Anderen örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe gewährt sie auf Antrag einen angemessenen pauschalierten Kostenausgleich bis zu 80 Prozent der Personal- und Sachkosten für Leistungen nach den §§ 19, 21, 29 bis 35 a, 41 bis 43, 52, 55, 56, 59 und 90 Abs. 3 SGB VIII. Voraussetzung dafür ist, dass diese Träger ihre Jugendhilfeplanung mit der Region Hannover abstimmen und ihr den Abschluss von Vereinbarungen nach § 78 b SGB VIII übertragen. Die Region Hannover kann die Sätze 5 und 6 auf weitere Aufgaben und Leistungen nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuchs anwenden.“
In der nunmehr geltenden Fassung entspricht auch der von den Beschwerdeführerinnen angegriffene § 160 Abs. 4 Satz 7 NKomVG der früheren Gesetzesfassung. Ebenfalls keine wesentlichen Änderungen ergaben sich aus der Übernahme des § 11 Abs. 4 RegHanG in § 163 Abs. 4 NKomVG. § 163 Abs. 4 NKomVG lautet:
„Neben den in § 1 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG) bestimmten örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe können auf Antrag auch die übrigen regionsangehörigen Gemeinden mit mehr als 30.000 Einwohnerinnen und Einwohnern sowie die Stadt Springe durch das zuständige Ministerium hierzu bestimmt werden. Die Bestimmung nach Satz 1 ist aufzuheben, wenn die Gemeinde dies beantragt.“
Eine wesentliche Änderung hat jedoch die Vorschrift über die Erhebung der Regionsumlage erfahren. Der von den Beschwerdeführerinnen angegriffene § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG trifft eine Sonderregelung im Bereich der Aufwendungen für die Jugendhilfe. Hierdurch wollte der Gesetzgeber eine Benachteiligung der regionsangehörigen Städte und Gemeinden beseitigen, die selbst die Aufgabe des örtlichen Trägers der Jugendhilfe wahrnehmen. § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG trat mit Wirkung vom 01.01.2012 in Kraft und hat in der durch Art. 4 des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über den Finanzausgleich und anderer Gesetze vom 18.07.20122 geänderten Fassung folgenden Wortlaut:
„Ebenfalls abweichend von den Vorschriften des Niedersächsischen Gesetzes über den Finanzausgleich ist die Regionsumlage des Weiteren so zu berechnen, dass ein nach Maßgabe des Satzes 5 zu bestimmender Betrag allein von den regionsangehörigen Gemeinden, die nicht örtliche Träger der Jugendhilfe sind, getragen wird. Zur Bestimmung des Betrages nach Satz 4 wird von einem Betrag in Höhe der nicht durch Erträge gedeckten Aufwendungen der Region für die Erbringung der von § 160 Abs. 4 Sätze 5 bis 7 erfassten Leistungen aus dem zur betreffenden Regionsumlage vorvergangenen Jahr ein Betrag in Höhe des Prozentsatzes abgezogen, der den regionsangehörigen Gemeinden, die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind, nach § 160 Abs. 4 Sätze 5 bis 7 als Kostenausgleich erstattet worden ist.“
Nach der gesetzlichen Regelung tragen die Gemeinden mit eigenem Jugendamt nach wie vor die Aufwendungen für einen Teil der von ihnen durch ihr Jugendamt erbrachten Leistungen vollständig. Für die in § 160 Abs. 4 Satz 5 NKomVG genannten Leistungen tragen sie mindestens 20 % der Aufwendungen selbst. Die übrigen bis zu 80 % der (von der Region erstatteten) Aufwendungen tragen ebenfalls – wie zuvor – alle regionsangehörigen Gemeinden nach ihrer Finanzkraft im Rahmen der allgemeinen Regionsumlage. Die Aufwendungen für das Jugendamt der Region für die Erbringung der in § 160 Abs. 4 Satz 5 NKomVG genannten Leistungen tragen nunmehr in Höhe von mindestens 20 % – korrespondierend zu der Selbstbeteiligungsquote der Gemeinden mit eigenem Jugendamt – ausschließlich die regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt. Die verbleibenden bis zu 80 % der genannten Aufwendungen für das Jugendamt der Region tragen alle regionsangehörigen Gemeinden über die Regionsumlage nach ihrer Finanzkraft.
Von den Beschwerdeführerinnen haben lediglich 3 Gemeinden – nämlich die Städte Barsinghausen, Neustadt am Rübenberge und Wunstorf – mehr als 30.000 Einwohner.
Die Verfassungsbeschwerde der Kommunen[↑]
Die Beschwerdeführerinnen erhoben Verfassungsbeschwerde gem. Art. 54 Nr. 5 der Niedersächsischen Verfassung (NV) i.V.m. § 8 Nr. 10 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof (StGHG) mit den Anträgen, § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG1 für unwirksam und § 160 Abs. 4 Satz 7 NKomVG für unwirksam zu erklären.
Diese Verfassungsbeschwerden hat der Niedersächsische Staatsgerichtshof nun als unbegründet zurückgewiesen:
Formelle Verfassungsgemäßheit[↑]
Die gegen § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG gerichteten Verfassungsbeschwerden sind zulässig, aber unbegründet.
Die gegen die genannte Regelung erhobene formellrechtliche Rüge greift nicht durch. Die angegriffene Vorschrift des NKomVG ist in einem formell ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommen. Die von den Beschwerdeführerinnen geltend gemachte Verletzung eines Anhörungsrechts liegt nicht vor.
Die verfahrensrechtliche Absicherung der verfassungsrechtlich verbürgten Rechtsposition der Kommunen im Gesetzgebungsverfahren wird durch Art. 57 Abs. 6 NV bewirkt, der eine Anhörung der kommunalen Spitzenverbände zur Pflicht macht7. Die Anhörung der Kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens hat während des Gesetzgebungsverfahrens stattgefunden. Die Einführung der Jugendhilfeumlage in § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG beruht auf einem Änderungsvorschlag der Fraktionen der CDU und FDP vom 04.10.20108. Hierzu haben die kommunalen Spitzenverbände schriftlich Stellung genommen9. Ein darüber hinausgehendes Anhörungsrecht einzelner Gemeinden sieht die Verfassung nicht vor. Ein solches Recht ist auch von Verfassungs wegen nicht geboten.
Sonderumlagen und der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum[↑]
Die von den Beschwerdeführerinnen erhobenen materiellrechtlichen Rügen sind ebenfalls unbegründet.
Der Gesetzgeber hat mit der Jugendhilfeumlage als Sonderumlage, die nur von den regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt aufzubringen ist, den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten.
Prüfungsmaßstab sind die Grundsätze, die der Staatsgerichtshof zu Art. 58 NV entwickelt hat, in entsprechender Anwendung.
Die Niedersächsische Verfassung enthält mit Art. 57 Abs. 4 NV einerseits und mit Art. 58 NV andererseits zwei selbstständige Ausformungen der finanziellen Absicherung der kommunalen Gebietskörperschaften, die sich auf verschiedene kommunale Aufgabenbereiche beziehen und auch ihrem Regelungscharakter nach verschieden sind10. Art. 57 Abs. 4 NV regelt abschließend die Frage einer Aufgabenübertragung durch Landesgesetze und deren Finanzierung. Art. 58 NV regelt allgemein und umfassend die aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen11.
Durch das Gesetz zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung vom 27.01.200612 ist in Gestalt des Art. 57 Abs. 4 Satz 2 NV eine Vorschrift geschaffen worden, die den Gesetzgeber verpflichtet, bei der Statuierung von Pflichtaufgaben auch im eigenen Wirkungskreis stets eine Regelung über den finanziellen Ausgleich zu treffen. Dies gilt jedoch nur für Pflichtaufgaben, die nach dem 1.01.2006 zugewiesen werden. Für Vorschriften über Pflichtaufgaben, die vor dem 1.01.2006 erlassen worden sind, bedeutet dies, dass diese nach wie vor dem Regelungsregime des Art. 58 NV unterliegen.
Die von der Beschwerdeführerin angegriffene Norm des § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG enthält eine Regelung im Rahmen der Berechnung der Regionsumlage. Sie steht aber in sachlichem Zusammenhang mit der Finanzierung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe. Diese Aufgabe ist der Region bzw. den regionsangehörigen Gemeinden, die sich zum örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben bestimmen lassen, als Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis zugewiesen worden13. Da diese Zuweisung bereits durch das RegHanG im Jahr 2001 erfolgt ist, fällt die Finanzierung noch unter das Regelungsregime des Art. 58 NV.
Art. 58 NV verpflichtet das Land, den Kommunen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel entweder durch Erschließung eigener Steuerquellen oder im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit durch übergemeindlichen Finanzausgleich zur Verfügung zu stellen. Die Aufgabenbezogenheit der Finanzgarantie des Art. 58 NV und das Ziel der Aufgabengerechtigkeit des Finanzausgleichs verlangen, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des vertikalen Finanzausgleichs zwischen Land und Kommunen die Höhe der erforderlichen Finanzmittel und damit auch Art und Umfang der zu erledigenden Aufgaben der Kommunen kennt und nachvollziehbar einschätzt14. Auch bei der horizontalen Verteilung der Schlüsselmasse auf die einzelnen Kommunen bildet das Leitbild eines aufgabengerechten Finanzausgleichs den verfassungsrechtlichen Ausgangspunkt15. Innerhalb dieser Grenzen steht dem Gesetzgeber ein weiter, verfassungsgerichtlich nicht überprüfbarer Gestaltungsspielraum bei der Auswahl der Kriterien für die Bestimmung des aufgabenbezogenen Finanzbedarfs zu16.
Dieser weite Gestaltungsspielraum steht dem Gesetzgeber auch in Bezug auf die angegriffene Norm des § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG zu, mit der er eine Regelung über die Jugendhilfeumlage als Teil der Regionsumlage getroffen hat. Die angegriffene Norm beinhaltet zwar lediglich eine Regelung zur Finanzierung der Region Hannover durch die regionsangehörigen Gemeinden im Rahmen der Regionsumlage. Sie ist somit keine Vorschrift des horizontalen kommunalen Finanzausgleichs. Für die betroffenen Gemeinden macht es jedoch keinen Unterschied, ob sie im Rahmen des horizontalen Finanzausgleichs weniger Zuweisungen vom Land erhalten oder ob sie im Rahmen der Finanzierung der Region eine Jugendhilfeumlage und damit einen höheren Anteil an der Regionsumlage zu zahlen haben17.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen haben alle regionsangehörigen Gemeinden die Möglichkeit, die Aufgaben der öffentlichen Jugendhilfe zu übernehmen und damit der Jugendhilfeumlage zu entgehen. Einer solchen Übernahme stehen weder bundes- noch landesrechtliche Bestimmungen entgegen.
Nach § 69 Abs. 1 SGB VIII in der seit dem 1.01.2012 geltenden Fassung werden die Träger der öffentlichen Jugendhilfe durch Landesrecht bestimmt. Für die Wahrnehmung der Aufgaben nach diesem Buch errichtet jeder örtliche Träger ein Jugendamt, jeder überörtliche Träger ein Landesjugendamt (§ 69 Abs. 3 SGB VIII). Mehrere örtliche Träger und mehrere überörtliche Träger können, auch wenn sie verschiedenen Ländern angehören, zur Durchführung einzelner Aufgaben gemeinsame Einrichtungen und Dienste errichten.
Den Beschwerdeführerinnen ist zuzustimmen, dass § 69 Abs. 3 und 4 SGB VIII keine rechtliche Grundlage für einen Zusammenschluss mehrerer Gemeinden zur Errichtung eines Jugendamts beinhaltet18. Diese Vorschrift steht einem solchen Zusammenschluss aber auch nicht entgegen. Die Schaffung einer solchen Möglichkeit liegt nach Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 69 Abs. 1 SGB VIII vielmehr in der Kompetenz des Landesgesetzgebers und richtet sich demgemäß ausschließlich nach Landesrecht.
Nach § 163 Abs. 4 Satz 1 können die nicht in § 1 Abs. 2 Satz 1 AG-KJHG genannten regionsangehörigen Gemeinden mit mehr als 30.000 Einwohnerinnen und Einwohnern zu Trägern der öffentlichen Jugendhilfe bestimmt werden. Diese Möglichkeit ist auch kreisangehörigen Gemeinden unterhalb einer Einwohnerzahl von 30.000 eröffnet, wenn sie die Übernahme der öffentlichen Jugendhilfe mit anderen Gemeinden vereinbaren. Hängt nämlich nach den Bestimmungen des 9. Teils des NKomVG die Übertragung einer Aufgabe davon ab, ob eine regionsangehörige Gemeinde eine bestimmte Einwohnerzahl hat, so gilt diese Voraussetzung für alle Beteiligten als erfüllt, wenn die nach dem Recht der kommunalen Zusammenarbeit vereinbarte gemeinsame Erfüllung dieser Aufgabe ein Gebiet betrifft, dessen Einwohnerzahl die Mindestgrenze erreicht (§ 165 Abs. 5 Satz 2 NKomVG). Nicht zu folgen ist der Auffassung der Beschwerdeführerinnen, ein Zusammenschluss nach § 165 Abs. 5 Satz 2 NKomVG scheitere daran, dass die Aufgabe den Kommunen bereits zugewiesen sein müsse, bevor sie sich zur gemeinsamen Erfüllung der Aufgabe zusammenschlössen. § 165 Abs. 5 Satz 2 NKomVG verweist nur hinsichtlich der übrigen Umstände der gemeinsamen Aufgabenerfüllung auf das Niedersächsische Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit. Von dieser Verweisung ist das Tatbestandsmerkmal, dass die Aufgabe bereits vor dem Zusammenschluss erfüllt werden muss, ausgenommen. Mit § 165 Abs. 5 Satz 2 NKomVG sollte gerade die Möglichkeit geschaffen werden, dass Aufgaben auch an kleinere Gemeinden übertragen werden können, wenn diese sich zusammenschließen19. Eine vor Vereinbarung der Zusammenarbeit bestehende Aufgabenzuständigkeit ist mithin nicht Tatbestandsmerkmal dieser gesetzlichen Regelung.
Folgerichtig haben alle regionsangehörigen Gemeinden die Möglichkeit, sich zu örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe bestimmen zu lassen und so zu vermeiden, zu der Jugendhilfe herangezogen zu werden. Der Einwand der Beschwerdeführerinnen, regionsangehörige Gemeinden mit weniger als 30.000 Einwohnern könnten sich der zusätzlichen Belastung durch die Jugendhilfeumlage nicht entziehen, greift deshalb nicht durch. Allerdings müssten sie sich im Wege der kommunalen Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden zusammenschließen, um die Mindestzahl von 30.000 Einwohnerinnen und Einwohnern nach § 163 Abs. 4 Satz 1 NKomVG zu überschreiten.
Den ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraum hat der Gesetzgeber auch nicht durch die Einführung der Jugendhilfeumlage gem. § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG als Sonderumlage im Rahmen der Regionsumlage verletzt.
Doppelbelastung und Willkürverbot[↑]
Unbegründet ist die Rüge, der Gesetzgeber habe seinem Entschluss zur Einführung einer Jugendhilfeumlage unter Verletzung des Willkürverbots einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt, indem er von einer Doppelbelastung der regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt ausgegangen sei, geht fehl. Unabhängig von der Frage, ob das rechtsstaatliche Willkürverbot und seine Ausprägungen in Art. 58 NV aufgehen oder einen selbstständigen verfassungsrechtlichen Maßstab bilden20, erweist sich eine gesetzgeberische Entscheidung nur dann als willkürfrei, wenn der Gesetzgeber sie auf der Basis des richtigen Sachverhaltes getroffen hat.
Diesen Vorgaben hat der Gesetzgeber vorliegend im Gesetzgebungsverfahren genügt. Er ist davon ausgegangen, dass die regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt gegenüber den regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt benachteiligt seien21. Diese Benachteiligung hat der Gesetzgeber darin gesehen, dass die regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt einerseits mindestens 20 % ihrer Kosten für das Jugendamt selbst tragen müssen und andererseits über die Regionsumlage an den Kosten für das Jugendamt der Region beteiligt sind22.
Die bei der Einführung der Jugendhilfeumlage in tatsächlicher Hinsicht zu Grunde gelegten Annahmen des Gesetzgebers erweisen sich als zutreffend. Die regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt waren vor Einführung der Jugendhilfeumlage gegenüber den regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt finanziell benachteiligt. Diese Benachteiligung bestand darin, dass die regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt neben dem verbleibenden Eigenanteil in Höhe von mindestens 20 % der Personal- und Sachkosten für die genannten Leistungen über die Regionsumlage auch die gesamten Aufwendungen für das Jugendamt der Region anteilig mitfinanziert haben, obwohl die vom Jugendamt der Region erbrachten Leistungen ausschließlich den Einwohnern der regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt zugutekamen.
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung wurde dieser Nachteil auch nicht durch andere Vorteile, wie z.B. Synergieeffekte, kompensiert. Der nur geringe Umfang der Synergieeffekte beruht nach den Angaben der in der mündlichen Verhandlung gehörten Auskunftspersonen unter anderem darauf, dass der überwiegende Anteil der Aufwendungen der regionsangehörigen Gemeinden für ihre Jugendämter aus Sachkosten besteht. Dementsprechend kommt es zu Synergieeffekten lediglich im Bereich des „VerwaltungsOverheads“. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen korrespondiert die unvollständige Erstattung der Aufwendungen nicht mit dem Umstand, dass die regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt nur einen Teil der Aufgaben der Jugendhilfe übernähmen. Abgesehen von wenigen zentralen Einrichtungen führen die Jugendämter der regionsangehörigen Gemeinden alle Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe aus. Sie erhalten aber nur bis zu 80 % der Aufwendungen für die im Gesetz genannten Leistungen erstattet. Zudem erhalten die Gemeinden mit eigenem Jugendamt nur für die in § 160 Abs. 4 Satz 5 NKomVG genannten Aufgaben nach dem SGB VIII eine anteilige Kostenerstattung, nicht aber für die weiteren, von ihnen darüber hinaus wahrgenommenen Aufgaben nach dem SGB VIII, die in § 160 Abs. 4 Satz 5 NKomVG nicht aufgeführt sind. Die verbleibende Eigenbelastung führt im Zusammenhang mit der von allen Gemeinden über die Regionsumlage aufzubringenden Finanzierung des Jugendamtes der Region zu der vom Gesetzgeber angenommenen finanziellen Benachteiligung. Diese durfte der Gesetzgeber zum Anlass für die Einführung der Jugendhilfeumlage nehmen.
Die Rüge, der Gesetzgeber habe gegen die vom Staatsgerichtshof im Göttingen-Urteil vom 16.05.2001 statuierte Begründungspflicht verstoßen, ist unbegründet.
Zwar hat der Staatsgerichtshof in seinem Urteil vom 16.05.200123 ausgeführt, dass gerade Entscheidungen im Rahmen des legislativen Gestaltungsspielraums einer plausiblen und nachvollziehbaren Begründung bedürfen. Dieser Begründungspflicht ist der Gesetzgeber jedoch vorliegend in ausreichender Weise nachgekommen. Insoweit ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, dass der Gesetzgeber die von ihm erkannte Benachteiligung der regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt beseitigen wollte. Darüber hinaus sollte diese Beseitigung der finanziellen Benachteiligung auch dazu führen, dass weitere regionsangehörige Gemeinden den Antrag stellen, sich gemäß dem ursprünglichen Konzept des Gesetzgebers zum örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe bestimmen zu lassen22. Diese Begründung ist nachvollziehbar. Sie trägt den Besonderheiten in der Region Hannover Rechnung und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Kein Verstoß gegen die Systemgerechtigkeit[↑]
Unbegründet ist auch die Rüge, die Jugendhilfeumlage sei systemwidrig und verstoße damit gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit.
Den Bedeutungsgehalt des vom BVerfG24 entwickelten Grundsatzes der Systemgerechtigkeit umschreibt der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 11.12.200725 wie folgt: „Nach welchem System der Gesetzgeber eine bestimmte Materie ordnen will, obliegt seiner Entscheidung. Weicht er vom selbstbestimmten System ab, kann das einen Gleichheitsverstoß indizieren. Ein solcher liegt nicht vor, wenn es für die Abweichung plausible Gründe gibt.“
Diese Grundsätze hat der Staatsgerichtshof in seinem Urteil vom 04.06.201026 bei der Prüfung von Vorschriften im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs angewendet. Dabei hat er offengelassen, ob bei der Prüfung eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Systemgerechtigkeit wegen dessen Verankerung im Rechtsstaatsprinzip ein rein objektiver Maßstab anzuwenden27 oder ob wegen des aus Art. 58 NV abgeleiteten Grundsatzes der Aufgabengerechtigkeit des Finanzausgleichs ausschließlich auf die dokumentierten Erwägungen des historischen Gesetzgebers abzustellen sei.
Die vorstehend wiedergegebenen Maßstäbe sind auch bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der Frage zugrunde zu legen, ob es dem Gebot der Systemgerechtigkeit widerspricht, dass die Jugendhilfeumlage als Sonderumlage nur von den regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt aufzubringen ist.
Der Grundsatz der Systemgerechtigkeit wird durch § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG nicht dadurch verletzt, dass die regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt mit der Jugendhilfeumlage Aufwendungen der Region für das Jugendamt der Region anteilig finanzieren. Zwar weisen die Beschwerdeführerinnen zu Recht darauf hin, dass die Region nach § 160 Abs. 4 Satz 1 NKomVG der originäre örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist. Gleichwohl ist es nicht systemwidrig, dass die regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt mit der Jugendhilfeumlage die im Gesetz genannten Aufwendungen der Region anteilig finanzieren. Denn die vom Jugendamt der Region erbrachten Leistungen, die als Bemessungsgrundlage für die Jugendhilfeumlage herangezogen werden, kommen nur den Einwohnern der Gemeinden zugute, die kein eigenes Jugendamt unterhalten. Die mit diesen Leistungen verbundenen Aufwendungen der Region werden nunmehr zu mindestens 20 % von den regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt über die Jugendhilfeumlage finanziert. Damit entspricht die Belastung der von der Jugendhilfeumlage betroffenen Gemeinden im Ausgangspunkt dem damit korrespondierenden Eigenanteil der regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt. Folglich werden im Ergebnis die regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem und ohne eigenes Jugendamt vergleichbar belastet.
Ergänzend zur Beseitigung der Benachteiligung der regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt wollte der Gesetzgeber – entsprechend seinem ursprünglichen Konzept der ortsnahen Jugendhilfe in der Region – auch einen Anreiz für regionsangehörige Gemeinden schaffen, ein eigenes Jugendamt zu errichten bzw. beizubehalten. Diese auch hinsichtlich des Förderzwecks zulässige und insgesamt nachvollziehbare Begründung hat hinreichenden Eingang in die Gesetzesmaterialien gefunden22. Folglich kommt es nicht auf die vom Staatsgerichtshof in seinem Urteil vom 04.06.201028 aufgeworfene Frage an, ob ein rein objektiver Maßstab anzuwenden oder ausschließlich auf die dokumentierten Erwägungen des historischen Gesetzgebers abzustellen ist.
Keine Verletzung des Gebots der interkommunalen Gleichbehandlung[↑]
Unbegründet ist auch die Rüge, § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG verletze das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung.
Der Staatsgerichtshof und andere Landesverfassungsgerichte haben zur Begründung der Schranken des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums aus dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten objektiven Willkürverbot das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung entwickelt29. Dieses Gebot verbietet es nach einer vom Verfassungsgericht des Landes Brandenburg ständig verwandten und auch vom Staatsgerichtshof übernommenen30 Umschreibung, bei der Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs bestimmte Gemeinden oder Gemeindeverbände sachwidrig zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Es verbietet willkürliche, sachlich nicht vertretbare Differenzierungen und ist verletzt, wenn für die Regelung ein sachlicher Grund fehlt. Das Verfassungsgericht hat demgegenüber nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber die bestmögliche und gerechteste Lösung gewählt hat31. In Respektierung der politischen Handlungs- und Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist auch nicht zu prüfen, ob die Regelung notwendig oder gar unabweisbar ist. Der Gesetzgeber darf innerhalb gewisser Grenzen im Rahmen der Gemeindefinanzierung auch ihm zweckmäßig Erscheinendes verfolgen. Ihm kommt insoweit ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu, der gewahrt ist, wenn sich der „Gesetzgeber auf eine nachvollziehbare und vertretbare Einschätzung stützt“32.
Diese zum kommunalen Finanzausgleich entwickelten Grundsätze gelten auch für die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Bestimmungen über die Jugendhilfeumlage als Teil der Regionsumlage.
Die Beschwerdeführerinnen sind nicht dadurch gleichheitswidrig gegenüber anderen niedersächsischen Gemeinden benachteiligt, dass sie als regionsangehörige Gemeinden Teil eines besonderen Regelungsregimes sind, das sich im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe von dem der übrigen niedersächsischen Landkreise unterscheidet. Unterschiedliche Regelungen bestehen zwar hinsichtlich der Möglichkeit für regionsangehörige Gemeinden, sich zum örtlichen Träger der Jugendhilfe bestimmen zu lassen und im Bereich der Finanzierung der Jugendhilfeaufgaben. Der Gesetzgeber hat mit diesen Sonderregelungen den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum jedoch nicht überschritten. Er hat vielmehr die Sonderregelungen den Verhältnissen in der Region Hannover, die sich erheblich von denen im übrigen Land unterscheiden, angepasst. Aufgrund der erheblichen regionalen Unterschiede ist eine landeseinheitliche Regelung nicht geboten.
Der Gesetzgeber hat bereits mit der Errichtung der Region Hannover als einer neuartigen Gebietskörperschaft auf die erheblichen Besonderheiten im Großraum Hannover reagiert.
Diese bestehen zum einen in der Ausnahmestellung der Landeshauptstadt Hannover, zum anderen in der besonderen Verwaltungskraft der regionsangehörigen Gemeinden. An diese besondere Verwaltungskraft anknüpfend wollte der Gesetzgeber im Bereich der Region Hannover einen möglichst bürgernahen Verwaltungsvollzug fördern33. Um das politische Ziel einer dezentralen Aufgabenwahrnehmung auf dem Gebiet der Jugendhilfe durchzusetzen, hat der Gesetzgeber einen zusätzlichen finanziellen Anreiz gesetzt. Die Erstattung von bis zu 80 % der im Gesetz genannten Aufwendungen sollte die regionsangehörigen Gemeinden veranlassen, die Aufgaben der öffentlichen Jugendhilfe selbst zu übernehmen. Diesen Ansatz hat der Gesetzgeber im Rahmen der Beratung zum RegHanG nachvollziehbar begründet34 und mit der Jugendhilfeumlage ebenfalls nachvollziehbar weiterentwickelt.
Die Einführung der Jugendhilfeumlage durch das NKomVG führt auch nicht zu einer gleichheitswidrigen Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerinnen gegenüber kreisangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt. Die Jugendhilfeumlage stellt lediglich eine Ergänzung der bestehenden Sonderregelungen zur Finanzierung der Aufwendungen im Bereich der Jugendhilfe in der Region Hannover dar. Sie hält sich im Bereich der speziellen Regelungen innerhalb der Region Hannover. Daraus folgt, dass kreisangehörige Gemeinden nicht als Vergleichsgruppe für die Prüfung einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung in Betracht kommen. Denn diese unterliegen in zulässiger Weise einem anderen Regelungsregime.
Die Jugendhilfeumlage führt auch nicht zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung der regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt gegenüber den regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt. Zwar sind die Beschwerdeführerinnen und die übrigen regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt durch die Einführung der Jugendhilfeumlage finanziell stärker belastet als zuvor; diese stärkere Belastung findet ihren sachlichen Grund jedoch in dem gesetzgeberischen Ziel, die zuvor bestehende Benachteiligung der regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt zu beseitigen. Insoweit hat sich der Gesetzgeber auf eine nachvollziehbare und vertretbare Einschätzung gestützt.
Ebensowenig greift die Rüge durch, der Gesetzgeber hätte sein Ziel, die regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt vorrangig an der Finanzierung der Aufwendungen der Region im Bereich der Jugendhilfe heranzuziehen, dadurch besser erreicht, wenn er eine Regelung wie in § 56 KrO NRW getroffen hätte. Denn der Staatsgerichtshof hat nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber die bestmögliche und gerechteste Lösung gewählt hat35.
Keine Übernivellierung[↑]
Die Rüge, § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG verstoße gegen das Verbot der Übernivellierung, greift ebenfalls nicht durch.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs sind dem Gesetzgeber beim Erlass jeder finanzausgleichsrechtlichen Regelung Grenzen gesetzt. Der Finanzausgleich soll die Finanzkraftunterschiede der Gemeinden durch Angleichung mildern (sog. Harmonisierungsgebot); er soll sie aber nicht vollständig abbauen oder gar im Ergebnis bewirken, dass die tatsächliche Finanzkraftreihenfolge umgekehrt wird. Daher findet das Ausgleichsgebot dort seine Grenze, wo es zur Nivellierung oder gar Übernivellierung führt36.
Der Staatsgerichtshof lässt insoweit offen, ob diese zum kommunalen Finanzausgleich entwickelten Grundsätze auf die Jugendhilfeumlage anwendbar sind. Gegen die Übertragung der Grundsätze spricht der Umstand, dass die betroffenen Gemeinden die Wahl haben, sich zum örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe bestimmen zu lassen und so zu vermeiden, zu der Jugendhilfeumlage herangezogen zu werden. Jedenfalls sind die von den beschwerdeführenden Gemeinden vorgelegten Unterlagen nicht geeignet, eine Rangstellenverschiebung zu belegen. So basieren die in der Anlage K3 ausgewiesenen Rangstellenverschiebungen auf einem Vergleich der Einnahme/Ausgabesituation der regionsangehörigen Gemeinden vor und nach der Berücksichtigung der neu eingeführten Jugendhilfeumlage. Eine verfassungswidrige Übernivellierung würde jedoch nur dann eintreten, wenn sich die Reihenfolge in der Finanzkraft der Gemeinden nach Durchführung des Finanzausgleichs unter Heranziehung der Jugendhilfeumlage veränderte. Dies ist jedoch weder von den Beschwerdeführerinnen vorgetragen worden, noch lässt es sich aus den vorgelegten Unterlagen entnehmen.
Willkürliche Berechnungsgrundlagen[↑]
Unbegründet ist auch die Rüge, die Bestimmungen über die Jugendhilfeumlage verstießen insoweit gegen das Willkürverbot, als für die Ermittlung ihrer Höhe die Daten des vorvergangenen Jahres zugrunde gelegt würden.
Die vom Gesetzgeber bei der Berechnung der Jugendhilfeumlage gewählte Anknüpfung an die Aufwendungen für das Jugendamt der Region im vorvergangenen Jahr – und nicht an aktuelle Plandaten – ist nicht willkürlich. Insoweit wollte der Gesetzgeber gewährleisten, dass „es mit der Neuverteilung der Aufwendungen nicht zu einer Erhöhung der Regionsumlage“ insgesamt kommt. Dazu sollte „ein fester, von der Region tatsächlich aufgewandter Betrag von den Umlagegrundlagen abgezogen“22 und vorab von den Gemeinden ohne eigenes Jugendamt entrichtet werden. Dabei sollte es sich nach der Vorstellung des Gesetzgebers um eine „klar bezifferbare und verifizierbare Summe“ handeln22. Folglich hat der Gesetzgeber zur Vermeidung von Unsicherheiten auf die Zugrundelegung von Plandaten verzichtet. Allerdings können die Aufwendungen der Region für das Jugendamt im vorvergangenen Jahr (Bezugsjahr) von den prognostizierten Aufwendungen der Region für das Jugendamt der Region im übernächsten Jahr, für das die Jugendhilfeumlage ermittelt wird (Festsetzungsjahr), abweichen. Der Gesetzgeber hat jedoch eine nachvollziehbare und damit verfassungsrechtlich ausreichende Begründung für die von ihm gewählte Anknüpfung gegeben.
Ebensowenig ist es im Ergebnis verfassungsrechtlich zu beanstanden, dass der Gesetzgeber an die Aufwendungen der Region aus dem vorvergangenen Jahr – und nicht aus dem vergangenem Jahr – anknüpft. Dies gilt jedenfalls, soweit sich die Anzahl der regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt zwischen dem Bezugsjahr und dem Festsetzungsjahr nicht ändert. In diesem Fall wird durch die Anknüpfung an das Vorvorjahr gewährleistet, dass diese Daten bei der Berechnung der Regionsumlage (einschließlich der Jugendhilfeumlage) tatsächlich vorliegen. Dies wäre bei einer Anknüpfung an die Aufwendungen der Region für das Vorjahr nach den Angaben der Auskunftspersonen in der mündlichen Verhandlung nicht gewährleistet. Dieses Vorgehen hat der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren zwar knapp, aber noch ausreichend begründet37.
Die vom Gesetzgeber bei der Ermittlung der Jugendhilfeumlage gewählte Anknüpfung an die Aufwendungen für das Jugendamt der Region im vorvergangenen Jahr würde sich jedoch als sachwidrig erweisen, falls sich die Zahl der Gemeinden ohne eigenes Jugendamt zwischen dem Bezugsjahr und dem Festsetzungsjahr verringerte. Nach dem Wortlaut des § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG müssen diejenigen regionsangehörigen Gemeinden die Jugendhilfeumlage aufbringen, die in dem Festsetzungsjahr kein eigenes Jugendamt unterhalten. Die im Gesetz genannten Aufwendungen für das Jugendamt der Region als Bemessungsgrundlage für die Jugendhilfeumlage enthalten aber auch Aufwendungen, die noch den Einwohnern derjenigen regionsangehörigen Gemeinden zugutegekommen sind, die erst zwischen dem Bezugsjahr und dem Festsetzungsjahr ein Jugendamt eingerichtet haben. Damit trügen die regionsangehörigen Gemeinden, die im Festsetzungsjahr über kein eigenes Jugendamt verfügten, im Ergebnis Aufwendungen, die wirtschaftlich einer größeren Zahl von regionsangehörigen Gemeinden zugutegekommen sind, als nunmehr zur Aufbringung der Jugendhilfeumlage herangezogen werden.
Diese erhöhte Belastung der verbleibenden regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt wäre nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Es wäre nicht zu begründen, warum im Falle der Errichtung weiterer Jugendämter durch regionsangehörige Gemeinden die verbleibenden regionsangehörigen Gemeinden ohne eigene Jugendämter die gesamte Jugendhilfeumlage aufbringen sollten, deren Höhe auch dadurch beeinflusst ist, dass im Bezugsjahr diejenigen regionsangehörigen Gemeinden, die in der Zwischenzeit ein eigenes Jugendamt errichtet haben, noch kein eigenes Jugendamt hatten. Insoweit würden die verbleibenden Gemeinden ohne eigenes Jugendamt quasi den Anteil derjenigen regionsangehörigen Gemeinden mit übernehmen, die zwischen dem Bezugsjahr und dem Festsetzungsjahr ein eigenes Jugendamt errichtet haben. Ferner ist von Bedeutung, dass sich die tatsächlichen Aufwendungen für das Jugendamt der Region sich im Festsetzungsjahr im Verhältnis zum Bezugsjahr tendenziell verringern dürften, falls nach dem Bezugsjahr weitere regionsangehörige Gemeinden eigene Jugendämter errichteten.
Obwohl nach dem bloßen Wortlaut des § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG in der geschilderten Konstellation eine sachwidrige Benachteiligung der verbleibenden umlagepflichtigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt vorläge, führt dies jedoch nicht zu einem Verfassungsverstoß, da eine verfassungskonforme Auslegung der Bestimmung möglich ist. Nach verfassungskonformer Auslegung sind nur die Gemeinden, die auch im Festsetzungsjahr kein eigenes Jugendamt unterhalten, zur Jugendhilfeumlage heranzuziehen. Die Jugendhilfeumlage wird jedoch um den Betrag gemindert, der auf diejenigen regionsangehörigen Gemeinden entfällt, die zwischen Bezugsjahr und Festsetzungsjahr ein eigenes Jugendamt errichtet haben. Damit entspricht der tatsächlich von den verbleibenden regionsangehörigen Gemeinden ohne eigenes Jugendamt aufzubringende Anteil nur demjenigen Betrag, der auf sie entfallen wäre, wenn sich die Anzahl der regionsangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt nicht verändert hätte.
Als Folge hiervon würde die Jugendhilfeumlage in dieser Konstellation geringer ausfallen. Dies dürfte in der Praxis jedoch mit dem Umstand korrespondieren, dass sich die Aufwendungen der Region für das Jugendamt der Region tendenziell verminderten, falls weitere regionsangehörige Gemeinden nach dem Bezugsjahr eigene Jugendämter errichteten. Die nach Abzug der so verminderten Jugendhilfeumlage verbleibende Regionsumlage wird dann – systemgerecht – von allen regionsangehörigen Gemeinden aufgebracht.
Kein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz[↑]
Unbegründet ist auch die Rüge, nach den Maßstäben des Urteils des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 16.02.201038 verstoße § 166 Abs. 3 Sätze 4 und 5 NKomVG gegen den Bestimmtheitsgrundsatz; das NKomVG regele nicht, nach welchem Maßstab die Jugendhilfeumlage von den betroffenen Gemeinden aufzubringen sei. In der genannten Entscheidung führt das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt aus: „Kernelement des Rechtsstaatsprinzips ist, dass alle materiellen Rechtsnormen mit Regelungsanspruch dem Rechtsunterworfenen gegenüber diesem die Möglichkeit einräumen, sein Verhalten auf die Rechtsnorm einzurichten39. Schon nach allgemeinen rechtsstaatlichen Regeln verlangt der Bestimmtheitsgrundsatz, gesetzliche Tatbestände so präzise zu formulieren, dass ein Normadressat sein Handeln kalkulieren kann, weil die Folgen der Regelung für ihn voraussehbar und berechenbar sind. Dies bedeutet zwar nicht, dass die Norm überhaupt keine Auslegungsprobleme aufwerfen darf. Dem Bestimmtheitserfordernis ist vielmehr genügt, wenn diese mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können40.“
Nach diesen Grundsätzen, denen sich der Niedersächsische Staatsgerichtshof anschließt, liegt kein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz vor. Zwar ist in § 166 Abs. 3 NKomVG nicht ausdrücklich geregelt, in welchem Verhältnis die Jugendhilfeumlage von den betroffenen Gemeinden zu erbringen ist; dies ist jedoch auch nicht erforderlich. Es reicht aus, dass entsprechende Regelungen im NFAG getroffen worden sind. Da die Jugendhilfeumlage mit der Regionsumlage erhoben wird, gelten mangels spezieller Regelungen die allgemeinen Vorschriften über die Erhebung der Regionsumlage. Maßgebende Parameter sind nach § 3 Abs. 3 NKomVG i.V.m. § 15 Abs. 2 NFAG demnach die Steuerkraftzahlen der betroffenen Gemeinden sowie die auf sie entfallenden Schlüsselzuweisungen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die Höhe der Jugendhilfeumlage in der Weise von der Finanzkraft der betroffenen Gemeinden abhängig ist, dass finanzstärkere Gemeinden einen größeren Anteil als finanzschwächere Gemeinden zu tragen haben.
Kein sachwidrigriger Erhebungsmaßstab[↑]
Die Erhebung der Jugendhilfeumlage nach Maßgabe der Finanzkraft der betroffenen Gemeinden ist auch nicht sachwidrig und verletzt deshalb nicht das Willkürverbot.
Insoweit steht – wie ausgeführt – dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Die von den Beschwerdeführerinnen geforderte Anknüpfung an die tatsächlichen Fallzahlen und damit an die in den betroffenen Gemeinden verursachten Kosten wäre zwar in gleicher Weise möglich gewesen; sie ist jedoch nicht zwingend. Hinsichtlich der Zuweisungen an die Gemeinden im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs hat der Staatsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass für die Bestimmung der nach Art. 58 NV erforderlichen Mittel – anders als bei Art. 57 Abs. 4 NV – keine Kostenanalyse, sondern eine typisierende Bedarfsanalyse vorzunehmen ist41. Dies bedeutet, dass es bei der Verteilung der Mittel im Rahmen des Art. 58 NV nicht auf die tatsächlichen Kosten der einzelnen Gemeinden ankommt. Diese Wertung ist auf die vorliegende Konstellation zu übertragen.
Der Gesetzgeber hat sich in Kenntnis anderer Möglichkeiten für die Aufbringung der Jugendhilfeumlage nach Maßgabe der Finanzkraft der betroffenen Gemeinden entschieden. Er hat dies mit den Gesichtspunkten der Praktikabilität und mit der Gewährleistung der Ausgleichsfunktion der Region begründet22. Diese Begründung ist nachvollziehbar und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Verteilung der Aufwendungen nach Fallzahlen bzw. den tatsächlichen Kosten hätte einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand nach sich gezogen. Die insoweit wirksame Ausgleichsfunktion der Region hat zur Folge, dass dem vom Staatsgerichtshof aufgestellten Gebot der Harmonisierung Rechnung getragen wird42. Dieses Harmonisierungsgebot ist auch bei der Festlegung der Maßstäbe für die Regionsumlage zu beachten.
Ausweitung der Umlagemöglichkeiten nach § 160 Abs. 4 Satz 7 NKomVG[↑]
Soweit sich die Verfassungsbeschwerden gegen § 160 Abs. 4 Satz 7 NKomVG richten, könnten bereits Zweifel an deren Zulässigkeit bestehen. Sie sind jedenfalls unbegründet.
Die Rüge, die der Region durch § 160 Abs. 4 Satz 7 NKomVG eingeräumte Befugnis, die Erstattungsmöglichkeit nach § 160 Abs. 4 Sätze 5 und 6 NKomVG auf weitere Leistungen nach dem SGB VIII auszuweiten, erhöhe die Belastung der Gemeinden durch die Jugendhilfeumlage in verfassungswidriger Weise, greift nicht durch.
Nach § 160 Abs. 4 Satz 7 NKomVG in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 12. Dezember 2012 kann die Region Hannover die Anwendung der Sätze 5 und 6 auf weitere Aufgaben und Leistungen nach dem SGB VIII erstrecken. Als solche Leistungen kommen beispielsweise die Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung (§ 17), die Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechts (§ 18), die Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen (§ 20), die Unterstützung selbst organisierter Förderung von Kindern (§ 25), die Hilfe zur Erziehung (§ 27), die Erziehungsberatung (§ 28), die Krankenhilfe (§ 40), die Mitwirkung im Verfahren vor den Familiengerichten (§ 50), die Beratung und Unterstützung bei Vaterfeststellung (§ 52a), die Förderung der freien Jugendhilfe (§ 74) und die Finanzierung von Tageseinrichtungen für Kinder (§ 74a) in Betracht.
Sofern die Region von dieser Erweiterungsmöglichkeit Gebrauch machen würde, führte dies zunächst zu einem erhöhten Erstattungsanspruch der Gemeinden mit eigenem Jugendamt gegenüber der Region. Die Erweiterung hätte spiegelbildlich zur Folge, dass sich die Bemessungsgrundlage für die Jugendhilfeumlage veränderte und die Gemeinden ohne eigenes Jugendamt eine höhere Umlage zu tragen hätten. Allein der Hinweis der Beschwerdeführerinnen auf die mit der Erweiterungsmöglichkeit einhergehende höhere finanzielle Belastung reicht jedoch nicht aus, um eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts zu begründen.
Niedersächsischer Staatsgerichtshof, Urteil vom 29. April 2013 – StGH 2/12
- Nds. GVBl. S. 576[↩][↩][↩]
- Nds. GVBl. S. 279[↩][↩]
- Nds. GVBl. S. 589[↩][↩]
- Nds. GVBl. S. 45[↩]
- vgl. Nds. LT-Drs. 14/3010, S. 5[↩]
- vgl. Nds. LT-Drs. 14/1880, S. 79[↩]
- Nds. StGH, Urteil vom 16.05.2001 – StGH 6/99 u.a. , NStGHE 4, 31, 49.[↩]
- 1. Nachtrag zur Vorlage 16 zu Nds. LT-Drs. 16/2510[↩]
- Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens vom 13.10.2010, Vorlage 17 zu Nds. LT-Drs. 16/2510[↩]
- Nds. StGH, Beschluss vom 15.08.1995 – StGH 2,3,6 bis 10/93 , NStGHE 3, 136, 156 ff.[↩]
- Nds. StGH, Urteil vom 16.05.2001 – StGH 6/99 u.a. , NStGHE 4, 31, 56 ff.[↩]
- Nds. GVBl., S. 58[↩]
- § 8 Abs. 6 Satz 1 RegHanG; § 160 Abs. 4 Satz 1 NKomVG[↩]
- Nds. StGH, Urteile vom 25.11.1997 – StGH 14/95 u.a. , NStGHE 3, 299, 315, und vom 16.05.2001 – StGH 6/99 u.a. , NStGHE 4, 31, 57[↩]
- Nds. StGH, Urteile vom 25.11.1997 – StGH 14/95 u. a. , NStGHE 3, 299, 319, und vom 16.05.2001 – StGH 6/99 u.a. , NStGHE 4, 31, 60[↩]
- Nds. StGH, Urteil vom 25.11.1997 – StGH 14/95 u. a. , NStGHE 3, 320[↩]
- siehe auch Nds. StGH, Urteil vom 16.05.2001 – StGH 6/99 u.a. , NStGHE 4, 31, 58 zur Vergleichbarkeit des Finanzausgleichs mit der Erhebung einer Kreisumlage[↩]
- Kern, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, Kommentar zum SGB VIII, 4. Aufl.2012, § 69 Rn. 23; Grube, in: Hauck, Kommentar zum SGB VIII, Losebl. 42. Lfg. IV/09, § 69 Rn. 8[↩]
- vgl. Stein, in: Ipsen, Kommentar zum NKomVG, 2011, § 165, Rn. 10[↩]
- vgl. hierzu Nds. StGH, Urteil vom 04.06.2010 – StGH 1/08 , NdsVBl.2010, 236, 241[↩]
- Schriftlicher Bericht zum Entwurf eines Gesetzes zur Zusammenfassung und Modernisierung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts, Nds. LT-Drs. 16/3147, S. 31[↩]
- 1. Nachtrag zur Vorlage 16 zu Nds. LT-Drs. 16/2510, S. 2[↩][↩][↩][↩][↩][↩]
- Nds. StGH, Urteil vom 16.05.2001 – StGH 6/99 , NStGHE 4, 31, 66 f.[↩]
- BVerfG, Urteil vom 19.10.1982 – 1 BvL 39/80, BVerfGE 61, 138, 148 f.; Beschluss vom 06.11.1984, – 2BvL 16/83 , BVerfGE 68, 237, 253; Urteil vom 23.01.1990, – 1 BvL 44/86 , – 1 BvL 48/87 , BVerfGE 81, 156, 207[↩]
- VerfGH NRW – VerfGH 10/06 , NWVBl.2008, 223 m.w.N.[↩]
- StGB, Urteil vom 04.06.2010 – StGH 1/08 , NdsVBl.2010, 236, 241 f.[↩]
- vgl. dazu BVerfG, Beschlüsse vom 05.10.1993 – 1 BvL 34/81, BVerfGE 89, 132, 141 und vom 18.07.2005 – 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167, 262; Nds. StGH, Urteil vom 14.02.1979 – StGH 2/77 , NStGHE 2, 1, 155[↩]
- - StGH 1/08 , NdsVBl.2010, 236, 242[↩]
- Nds. StGH, Urteil vom 04.06.2010 – StGH 1/08 , NdsVBl.2010, 236, 241 f. m.w.N.[↩]
- Nds. StGH, Urteil vom 04.06.2010 – StGH 1/08 , NdsVBl.2010, 236, 241 f.[↩]
- VerfGH NRW, Urteil vom 01.12.1998 – VerfGH 5/97 , DVBl.1999, 391[↩]
- vgl. VerfG Bbg, Urteile vom 18.06.1998, – VfGBbg 27/97 , LVerfGE 8, 97, 139, und vom 29.08.2002, – VfGBbg 34/01 , LVerfGE 13, 159, 174; Beschluss vom 18.05.2006, – VfGBbg 39/04 , LVerfGE 17, 103[↩]
- Nds. LT-Drs. 14/1880, S. 73[↩]
- Nds. LT-Drs. 14/1880, S. 78 ff.[↩]
- LVerfG Mecklenburg Vorpommern, Urteil vom 26.01.2012, – LVerfG 18/10 u. 33/10 , NordÖR 2012, 229 m.w.N.[↩]
- Nds. StGH, Beschluss vom 15.08.1995 – StGH 2,3,6 bis 10/93 , NStGHE 3, 136 164; Nds. StGH, Urteil vom 16.05.2001 – StGH 6/99 u.a. , NStGHE 4, 31, 58; Nds. StGH, Urteil vom 04.06.2010 – StGH 1/08 , NdsVBl.2010, 236, 239[↩]
- vgl.01. Nachtrag zur Vorlage 16 zu Nds. LT-Drs. 16/2510, S. 2[↩]
- LVerfG LSA, Urteil vom 16.02.2010 – LVG 9/08 , LKV 2010, 477[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 07.04.1964 – 1 BvL 12/63 , BVerfGE 17, 306, 314[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 27.11.1990 – 1 BvR 402/87 , BVerfGE 83, 130, 145[↩]
- Nds. StGH, Beschluss vom 15.08.1995 – StGH 2,3,6 bis 10/93 , NStGHE 3, 136, 164, und Urteil vom 16.05.2001 – StGH 6/99 u.a. , NStGHE 4, 31, [↩]
- vgl. Nds. StGH, Beschluss vom 15.08.1995 – StGH 2,3,6 bis 10/93 , NStGHE 3, 136, 164; Nds. StGH, Urteil vom 16.05.2001 – StGH 6/99 u.a. , NStGHE 4, 31, 56 und Nds. StGH, Urteil vom 04.06.2010 – StGH 1/08 , NdsVBl.2010, 236, 240 jeweils zum übergemeindlichen Finanzausgleich[↩]