Juristenpfusch im Staatsexamen ?

Für eine nachträgliche Aberkennung einer juristischen Staatsprüfung durch das Justizprüfungsamt ist es nicht ausreichend, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Täuschungshandlung in der mündlichen Prüfung besteht.

Juristenpfusch im Staatsexamen ?

Mit dieser Begründung hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in dem hier vorliegenden Fall einer Klage gegen die Aufhebung der mündlichen Prüfung und Anordnung der Wiederholung stattgegeben. Die Klägerin hatte im schriftlichen Teil des zweiten juristischen Staatsexamens einen knapp ausreichenden Notendurchschnitt erzielt bevor sie die mündliche Prüfung im Wahlfach Steuerrecht abgelegt hat. Die Prüfungskommission wertete ihren Aktenvortrag mit 16 Punkten („sehr gut“). Derselbe Aktenvortrag war Prüfungsgegenstand einer weiteren Prüfung am gleichen Tage, in welcher der Lebensgefährte der Klägerin Prüfer war. Er hatte den Aktenvortrag schon vor dem Prüfungstag erhalten. In der Folgezeit wurde an das Prüfungsamt die Mutmaßung herangetragen, der Klägerin könnte der Aktenvortrag bekannt gewesen sein. Daraufhin hob das Landesprüfungsamt die mündliche Prüfung insgesamt auf und ordnete deren Wiederholung an. Hiergegen ist Klage erhoben worden.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt und der Klage stattgegeben: Die Annahme des Justizprüfungsamtes, die Klägerin habe vor der mündlichen Prüfung durch ihren Lebensgefährten Kenntnis von dem Aktenvortrag und seiner Lösung erhalten, könne nicht nachgewiesen werden. Der Lebensgefährte habe als Zeuge glaubhaft angegeben, er habe der Klägerin das Aktenstück nicht zugänglich gemacht, sondern in seinem Büro verschlossen aufbewahrt. Es bestünden auch keine markanten Übereinstimmungen der Prüfungsleistung mit dem Lösungsmuster, welche sich nach dem sog. Beweis des ersten Anscheins typischerweise nur durch eine Täuschungshandlung erklären ließen. Zwar spreche das von den im Allgemeinen schwachen Prüfungsleistungen der Klägerin abweichende sehr gute Ergebnis des Aktenvortrages für eine Täuschung. Jedoch könne nicht mit der für eine Aberkennung der Prüfung erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem gehaltenen Vortrag um eine herausragende Einzelleistung gehandelt habe. So sei bereits die Wahlstation der Klägerin im Steuerrecht mit „sehr gut“ bewertet worden. Außerdem habe der Aktenvortrag Probleme umfasst, die in den bei der Prüfungsvorbereitung benutzten Lehrbüchern behandelt worden seien. Schließlich habe die Klägerin im Vorfeld der Prüfung mit ihrem Lebensgefährten regelmäßig das Halten von Aktenvorträgen geübt, was zu mehr Sicherheit in rechtlichen Fragestellungen und in der Vortragstechnik beigetragen habe.

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