Keine private Grünfläche für den gemeinschaftlichen Gebrauch

Flächen, die überwiegend fremdnützig genutzt werden sollen, sind keine privaten Grünflächen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB.

Keine private Grünfläche für den gemeinschaftlichen Gebrauch

Ist es wesentliches Planungsziel, die Grünflächen allen Bewohnern der Wohnanlage für den Aufenthalt im Freien – in Wohnungsnähe und innerhalb des eigenen Quartiers – zu sichern und eine gemeinschaftliche Nutzung dieser Flächen zu ermöglichen, und stellt sich dieser Nutzungszweck daher als überwiegend fremdnützig dar, so lässt dieser Nutzungszweck die isolierte Festsetzung einer privaten Grünfläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB nicht zu.

Ob eine Grünfläche als öffentliche oder private festzusetzen ist, beurteilt sich nach dem Nutzungszweck, den sie erfüllen soll. Dabei kann in der Regel auf den vorgesehenen Benutzerkreis abgestellt werden. Soll eine Grünfläche der Öffentlichkeit zugänglich sein, ist sie als öffentliche Grünfläche auszuweisen. Soll die Grünfläche der privaten Nutzung vorbehalten bleiben, ist sie als private festzusetzen1. Begriffliche Voraussetzung der Festsetzung einer Grünfläche als privat ist indes auch bei eingeschränktem Benutzerkreis, dass der Nutzungszweck sich nicht als überwiegend oder ausschließlich fremdnützig erweist, sondern die Nutzung der Fläche im Schwerpunkt den Eigentümern zugeordnet bleibt. Für die anzustellende wertende Betrachtung wird es regelmäßig darauf ankommen, wie konkret der Nutzerkreis bestimmt ist, welchen Bezug er zu den Grundstücken aufweist und ob der Nutzerkreis rechtlich organisiert ist2.

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So auch in dem hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall: Nach der Konzeption des angegriffenen Bebauungsplans sollen die von den jeweiligen Eigentümern zu unterhaltenden – und nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB zu bepflanzenden – Grünflächen sämtlichen Bewohnern und Besuchern des Plangebiets zur Verfügung stehen und von diesen betreten werden dürfen. Angesichts eines Nutzerkreises von über 1 500 Personen, die keinen erkennbaren Bezug zu den einzelnen Grundstücken haben, erweist sich der Nutzungszweck als überwiegend, wenn nicht gar ausschließlich fremdnützig. Hinzu kommt, dass nicht ersichtlich ist, wie zumindest die Beschränkung auf diesen sehr großen Nutzerkreis angesichts der Einfriedungsverbote umgesetzt werden soll.

Die Festsetzung lässt sich auch nicht als kombinierte Festsetzung privater Grünflächen nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB und einer Gemeinschaftsanlage nach § 9 Abs. 1 Nr. 22 BauGB aufrechterhalten.

Zwar schließt das Baugesetzbuch Kombinationen oder Überlagerungen verschiedener Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB nicht aus, sofern die Festsetzungen miteinander vereinbar sind3 und die jeweils im Gesetz genannten Tatbestandsmerkmale vorliegen4. Ein Bebauungsplan kann dabei auch die Festsetzung einer privaten Grünfläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB mit der Festsetzung einer Gemeinschaftsanlage nach § 9 Abs. 1 Nr. 22 BauGB kombinieren. Denn für Gemeinschaftsanlagen ist gerade der Bezug auf bestimmte Grundstücke und damit auf einen überschaubar abgegrenzten Benutzerkreis charakteristisch5. Sollte der Verwaltungsgerichtshof dahin zu verstehen sein, dass die Festsetzung einer Grünfläche als „privat“ der Festsetzung einer Gemeinschaftsanlage von vornherein entgegensteht, wäre dieser Rechtssatz nicht mit Bundesrecht vereinbar.

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Ein Verständnis als überlagernde Festsetzung von § 9 Abs. 1 Nr. 15 und 22 BauGB scheidet aber aus, weil die Antragsgegnerin die Festsetzung der Grünflächen als Gemeinschaftsanlage nicht in ihren planerischen Willen aufgenommen hat. In dem Bebauungsplan werden ausdrücklich verschiedene Flächen für Gemeinschaftsanlagen nach § 9 Abs. 1 Nr. 22 BauGB festgesetzt, nämlich Spielplätze, Tiefgaragen und Stellplätze. Für die privaten Grünflächen nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB fehlt eine solche Festsetzung. Nur hinsichtlich der festgesetzten Gemeinschaftsanlagen hat die Antragsgegnerin auch festgelegt, welchen Grundstücken sie zu dienen bestimmt sind und wie ihre Herstellung gesichert werden kann. Die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hat bestätigt, dass Gegenstand der Planung keine von sämtlichen Eigentümern gemeinschaftlich herzustellende und zu unterhaltende Grünfläche war, sondern eine Vielzahl einzelner Grünflächen festgesetzt werden sollten, die in der alleinigen Verantwortung der jeweiligen Eigentümer verbleiben und lediglich zur gemeinschaftlichen Nutzung freigegeben werden sollten.

Die Unwirksamkeit der Festsetzung führt zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans. Erweisen sich einzelne Festsetzungen als mangelhaft, kann der Bebauungsplan aufrecht erhalten werden, wenn die verbleibenden Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte6. Die Festsetzung der Grünflächen nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB stellt eine zentrale Frage der Gesamtplanung dar und steht mit dem Bebauungsplan in untrennbarem Zusammenhang, sodass nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs nicht anzunehmen sei, dass die Gemeinde eine Satzung eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte. 

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Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10. November 2022 – 4 CN 1.21

  1. BVerwG, Urteil vom 30.08.2001 – 4 CN 9.00, BVerwGE 115, 77 <87>[]
  2. vgl. auch BVerwG, Urteil vom 30.08.2001 – 4 CN 9.00 – a. a. O.[]
  3. BVerwG, Urteil vom 25.06.2014 – 4 CN 4.13, BVerwGE 150, 101 Rn. 11[]
  4. BVerwG, Beschluss vom 02.04.2008 – 4 BN 6.08 – BRS 73 Nr.20 Rn. 3[]
  5. vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13.02.1989 – 4 B 15.89, Buchholz 406.11 § 9 BBauG/BauGB Nr. 35 S. 30 f.; und vom 02.04.2008 – 4 BN 6.08 – a. a. O.[]
  6. stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.2022 – 4 CN 5.20, Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 43 Rn. 16 m. w. N.[]