Auch eine kirchliche Stiftung des bürgerlichen Rechts kann der Kirche zuzuordnen sein, mit der Folge, dass Ordnung und Verwaltung der Stiftung durch die Kirche deren durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV geschütztem Selbstbestimmungsrecht unterfallen und vor staatlicher Einflussnahme geschützt sind.

Von Kirchenbehörden getroffene stiftungsaufsichtliche Maßnahmen gegenüber einer kirchlichen Stiftung bürgerlichen Rechts und deren Organen sind Bestandteil der durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV garantierten selbständigen Ordnung und Verwaltung durch die Kirche und daher innerhalb des von Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV gezogenen Rahmens einer Kontrolle durch staatliche Gerichte entzogen.
Rechtsschutz durch die staatlichen Verwaltungsgerichte ist in diesen Fällen mangels Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges nach § 40 VwGO unzulässig. Die in den angefochtenen Verfügungen getroffenen stiftungsrechtlichen Aufsichtsmaßnahmen sind keine Akte öffentlicher staatlicher Gewalt, sondern rein innerkirchliche Maßnahmen. Sie unterliegen daher nicht der Kontrolle durch die staatliche Gerichtsbarkeit1.
Nach dem kirchenpolitischen System des Grundgesetzes ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 und Abs. 3 WRV). Damit erkennt der Staat die Kirchen als Institutionen mit dem Recht der Selbstbestimmung an, die ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat sind und ihre Gewalt nicht von ihm herleiten. Die Folge ist, dass der Staat in ihre inneren Verhältnisse nicht eingreifen darf2. Dort, wo die Kirchen über das Recht zur Selbstbestimmung verfügen, unterliegen sie auch nicht der staatlichen Gerichtsbarkeit3.
Diese Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts bedeutet entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts keine Ausklammerung aus der staatlichen Rechtsordnung im Sinne rechtsfreier Räume, sondern sie begründet im Gegenteil eine die gemeinschaftliche Freiheitsausübung respektierende Sonderstellung innerhalb der staatlichen Rechtsordnung. Dies ist nicht nur dem Grundrecht aus Art. 4 GG im Sinne gemeinschaftlicher Glaubens- und Religionsfreiheit geschuldet, es handelt sich vielmehr auch um eine institutionelle Sicherung der geforderten Staatsfreiheit der Kirchen im Sinne des Art. 137 Abs. 3 WRV4.
Die Eigenständigkeit der Kirchen wird auch nicht durch ihren Charakter als Körperschaften des öffentlichen Rechts (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV) in Frage gestellt. Angesichts der religiösen und konfessionellen Neutralität des Staates nach dem Grundgesetz bedeutet diese zusammenfassende Kennzeichnung der Rechtsstellung der Kirchen keine Gleichstellung mit anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die in den Staat eingegliederte Verbände sind, sondern nur die Zuerkennung eines öffentlichen Status, der sie zwar über die Religionsgesellschaften des Privatrechts erhebt, aber keiner besonderen Kirchenhoheit des Staates oder einer gesteigerten Staatsaufsicht unterwirft. Infolge dieser öffentlichen Rechtsstellung und öffentlichen Wirksamkeit der Kirchen, die sie aus ihrem besonderen Auftrag herleiten und durch die sie sich von anderen gesellschaftlichen Gebilden grundsätzlich unterscheiden, ist die kirchliche Gewalt keine staatliche Gewalt. Nur soweit sie die vom Staat verliehenen Befugnisse ausüben oder soweit ihre Maßnahmen den kirchlichen Bereich überschreiten oder in den staatlichen Bereich hineinreichen, betätigen die Kirchen mittelbar auch staatliche Gewalt mit der Folge, dass ihre Selbstbestimmung eine in der Sache begründete Einschränkung erfährt5.
Hieran gemessen handelt es sich bei den in den angefochtenen Verfügungen getroffenen stiftungsrechtlichen Aufsichtsmaßnahmen um rein innerkirchliche Maßnahmen, die durch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht vor jeder staatlichen Einflussnahme geschützt sind.
Zum einen beruhen die von der Antragsgegnerin ausgeübte Stiftungsaufsicht und die getroffenen konkreten stiftungsrechtlichen Aufsichtsmaßnahmen nicht auf vom Staat verliehenen Befugnissen.
Nach § 20 Abs. 2 Satz 5 Niedersächsisches Stiftungsgesetz6 – NStiftG – tritt an die Stelle der staatlichen Stiftungsaufsicht nach §§ 10 bis 16 NStiftG die Aufsicht nach kirchlichem Recht durch die zuständige Kirchenbehörde. Diese auf Art. 7 Abs. 3 Satz 1 Ergänzungsvertrag vom 4. März 1965 zum Vertrag des Landes Niedersachsen mit den Evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen7 beruhende landesrechtliche Regelung stellt folglich rechtsfähige kirchliche Stiftungen des bürgerlichen Rechts, wie die Beigeladene, von einer staatlichen Aufsicht über die laufende Stiftungsverwaltung frei8. Insoweit ist das staatliche Stiftungsrecht also nicht lediglich subsidiär gegenüber etwa bestehendem kirchlichem Stiftungsrecht. Vielmehr ist der Geltungsbereich des Niedersächsischen Stiftungsgesetzes von vorneherein eingeschränkt. Daher ist es für die Freistellung von der staatlichen Stiftungsaufsicht nach § 20 Abs. 2 Satz 5 NStiftG ohne Belang, dass die Antragsgegnerin im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügungen kirchliches Recht betreffend die Aufsicht über kirchliche Stiftungen, insbesondere deren Befugnisse und das bei Ausübung dieser Aufsicht einzuhaltende Verfahren, offenbar nicht kodifiziert hatte (vgl. nunmehr das Stiftungsgesetz der Evangelisch-reformierten Kirche (Synode evangelisch-reformierter Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland)9 – RefStiftG -). Die Kirche hat sich bei Erlass der angefochtenen Verfügungen auch nicht hoheitlicher Befugnisse nach den §§ 10 bis 16 NStiftG – zu Unrecht – berühmt. Bei Erlass dieser Verfügungen hat sich die Antragsgegnerin, handelnd durch das nach §§ 74 Abs. 1 Nr. 8 und 81 Verfassung der Evangelisch-reformierten Kirche (Synode evangelisch-reformierter Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland)10 zuständige Landeskirchenamt, vielmehr auf ihre allgemeinen kirchenrechtlichen Aufsichtsbefugnisse gestützt und in diesem Rahmen mangels kirchenrechtlich kodifizierter Aufsichtsbefugnisse die §§ 10 bis 16 NStiftG ausdrücklich nur „entsprechend“ angewendet.
Zum anderen überschreiten die angefochtenen stiftungsrechtlichen Aufsichtsmaßnahmen auch nicht den kirchlichen Bereich oder reichen in den staatlichen Bereich hinein.
Nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV sind nicht nur die organisierte Kirche und die rechtlich selbständigen Teile dieser Organisation, sondern alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform Objekte, bei deren Ordnung und Verwaltung die Kirche grundsätzlich frei ist, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, im Rahmen des Auftrags der Kirche tätig zu sein. Die Regelungs- und Verwaltungsbefugnis gemäß Art. 137 Abs. 3 WRV stehen demnach der Kirche nicht nur hinsichtlich ihrer körperschaftlichen Organisation und ihrer Ämter zu, sondern auch hinsichtlich ihrer Vereinigungen, die sich nicht die allseitige, sondern nur die partielle Pflege des religiösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Zweck der Vereinigung gerade auf die Erreichung eines solchen Zieles gerichtet ist. Das gilt ohne Weiteres für organisatorisch oder institutionell mit Kirchen verbundene Vereinigungen wie kirchliche Orden, deren Daseinszweck eine Intensivierung der gesamtkirchlichen Aufgaben enthält. Es gilt darüber hinaus aber auch für andere selbständige oder unselbständige Vereinigungen, wenn und soweit ihr Zweck die Pflege oder Förderung eines religiösen Bekenntnisses oder die Verkündung des Glaubens ihrer Mitglieder ist11.
Die Freiheit der Kirche im Staat schließt mithin ein, dass sich die Kirche zur Erfüllung ihres Auftrags auch der Organisationsformen des staatlichen Rechts bedienen kann, ohne dass allein dadurch die Zugehörigkeit einer auf dieser Rechtsgrundlage gegründeten Einrichtung zur Kirche aufgehoben würde. Auch eine rechtsfähige kirchliche Stiftung bürgerlichen Rechts12 oder ein eingetragener Verein13, die zur Errichtung der Anerkennung staatlicher Stellen oder der Registrierung in staatlichen Registern bedürfen (vgl. etwa § 80 BGB, § 4 NStiftG bzw. § 21 BGB), können daher der Kirche zuzuordnen sein, mit der Folge, dass deren Ordnung und Verwaltung durch die Kirche deren Selbstbestimmungsrecht unterfällt und vor staatlicher Einflussnahme geschützt ist.
Maßgebendes Kriterium für diese Zuordnung einer Einrichtung zur Kirche ist dabei nicht die Zugehörigkeit zur Kirchenverwaltung. Es genügt vielmehr, dass die in Frage stehende Einrichtung der Kirche so nahesteht, dass sie teilhat an der Verwirklichung des Auftrags der Kirche im Geist christlicher Religiosität, im Einklang mit dem Bekenntnis der christlichen Kirche und in Verbindung mit den Amtsträgern der Kirche14.
Nach diesen Maßgaben ist die Stiftung Johannes a Lasco Bibliothek Große Kirche Emden der Evangelisch-reformierten Kirche zuzuordnen. So besteht der Stiftungszweck im Betrieb der Johannes A Lasco Bibliothek Große Kirche Emden als einer außeruniversitären wissenschaftlichen Bibliotheks- und Studieneinrichtung, die im Wesentlichen der theologischen und historischen Forschung und Lehre dient, die literarischen Überlieferungen des reformierten Protestantismus sammelt und erschließt und dazu beitragen soll, die Wechselwirkung von Religion und Freiheit zu erhellen sowie den in der Vergangenheit geleisteten oder auch versagten und den in der Gegenwart zu erbringenden Beitrag des Christentums für die Freiheitsgeschichte des Menschen interdisziplinär zu erforschen und zu beschreiben (§ 3 der Stiftungssatzung). Dass daneben auch untergeordnete außerkirchliche Zwecke (etwa die Dokumentation der Geschichte der Stadt Emden und die Erbringung von Beiträgen zum kulturellen Leben in Niedersachsen) verfolgt werden, ist ohne Belang. Denn der wesentliche Stiftungszweck ist erkennbar darauf ausgerichtet, die Erfüllung des Auftrags der Kirche im Geist christlicher Religiosität und im Einklang mit dem Bekenntnis der christlichen Kirche zu unterstützen. Diesem Stiftungszweck entspricht auch das tatsächliche Auftreten und die Wahrnehmung der Stiftung in der Öffentlichkeit als „Leuchtturm des Protestantismus„, „weltweit bedeutendste Sammlung für den reformierten Protestantismus“ und als international anerkannte Spezialbibliothek und Forschungsstätte für den Reformierten Protestantismus und die Konfessionsgeschichte der Frühen Neuzeit, die im Jahr 2001 vom Deutschen Bibliotheksverband den von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius gestifteten Preis „Bibliothek des Jahres“ erhalten hat.
Ungeachtet der hohen Beteiligung der öffentlichen Hand, insbesondere der Stiftung Niedersachsen, des Landes Niedersachsen und der Stadt Emden, bei der Errichtung der Bibliothek ist zudem das anfängliche Stiftungsvermögen ausschließlich von der Evangelisch-reformierten Kirche und der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Emden aufgebracht worden (vgl. § 4 Abs. 1 der Stiftungssatzung). Im Jahre 2001 erfolgte eine Zustiftung in Höhe von 7,5 Mio. DM durch die Evangelisch-reformierten Kirche. Schließlich haben die Evangelische Kirche in Deutschland – EKD – und ihre Gliedkirchen im Januar 2010 das Stiftungsvermögen durch eine Finanzhilfe von circa 7 Mio. € aufgestockt.
Auch die Organisation der Stiftung und die Einflussnahme der Evangelisch-reformierten Kirche auf diese verdeutlichen15, dass es sich bei der Stiftung Johannes a Lasco Bibliothek Große Kirche Emden nicht um eine unabhängig von der kirchlichen Verkündung und Lehre eingerichtete Stiftung handelt. So ist nach § 10 der Stiftungssatzung oberstes Organ der Stiftung, das unter anderem die Grundsätze und Richtlinien der Arbeit der Stiftung bestimmt, das Kuratorium. Dieses Gremium besteht aus mindestens acht Mitgliedern, von denen fünf von Gremien der Antragsgegnerin und zwei vom Kirchenrat der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Emden benannt werden. Als einziges nicht kirchlich gebundenes Mitglied gehört dem Kuratorium der Oberbürgermeister oder die Oberbürgermeisterin der Stadt Emden an. Auch wenn das Kuratorium mit Zustimmung der Mehrzahl seiner Mitglieder bis zu fünf weitere Personen als Mitglieder kooptieren kann, ändert dies nichts an dem maßgeblichen kirchlichen Einfluss. Selbst wenn das Kuratorium mit dreizehn Mitgliedern besetzt wäre, würden die in § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 der Stiftungssatzung aufgeführten kirchlichen Mitglieder immer noch die Mehrheit bilden. Amtsträger der Kirche haben daher über das Kuratorium der Stiftung entscheidenden Einfluss auf Grundsätze und Richtlinien der Stiftungsarbeit (vgl. § 10 der Stiftungssatzung).
Obwohl die Stiftung nach staatlichem Recht eine rechtsfähige Stiftung und damit rechtlich selbständig ist, gehört sie aufgrund des beschriebenen Stiftungszwecks und des Ausmaßes der institutionellen und personellen Verbindung mit der Evangelisch-reformierten Kirche als Gliedkirche der EKD (vgl. § 65 Abs. 2 Satz 1 Verfassung der Evangelisch-reformierten Kirche) daher zu dieser als Kirche, wie sie Art 140 GG i.V.m. Art 137 WRV meint. Mit dieser Feststellung ist gleichzeitig entschieden, dass die Stiftung Johannes A Lasco Bibliothek Große Kirche Emden „Angelegenheit“ der Kirche ist und dass dieser insoweit die selbständige Ordnung und Verwaltung dieser Einrichtung innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes verfassungskräftig garantiert ist.
Dies umfasst die nach kirchlichem Recht von den zuständigen Kirchenbehörden ausgeübte Aufsicht über die kirchliche Stiftung und deren Organe16. Denn die Aufsicht über eine der Kirche zuzuordnende Einrichtung und deren Organe ist untrennbarer und wesentlicher Bestandteil der Ordnung und Verwaltung dieser Einrichtung und im Wesentlichen auf die Erreichung des mit der Einrichtung verfolgten kirchlichen Zwecks gerichtet. Dies gilt insbesondere für die hier angefochtenen stiftungsrechtlichen Aufsichtsmaßnahmen, die Regelungen zur personellen Besetzung eines Stiftungsorgans und zum zugrunde liegenden Dienstverhältnis treffen und auf eine Sicherstellung des Stiftungszwecks gerichtet sind. Die vom Antragsteller angefochtenen stiftungsrechtlichen Aufsichtsmaßnahmen wirken damit rein innerkirchlich.
Selbst wenn sie aber in den Bereich des Öffentlichen und des Gesellschaftspolitischen hinüberreichen und dort mittelbar wirken würden, könnte dies letztlich ihren Charakter als kircheninterne Maßnahme nicht beseitigen. Denn erst für kirchliche Maßnahmen, die unmittelbare Wirkung in dem vom Staat zu ordnenden Bereich haben, woran es hier fehlt17, gilt das uneingeschränkte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nicht18.
Betreffen die in den angefochtenen Verfügungen getroffenen stiftungsrechtlichen Aufsichtsmaßnahmen der Antragsgegnerin daher einen rein innerkirchlichen Bereich, schließt das verfassungsrechtlich garantierte Recht der Kirche zur Selbstbestimmung eine staatliche Einflussnahme und damit auch eine Kontrolle durch staatliche Gerichte von vorneherein aus. Denn wenn staatliche Gerichte in der Sache über kirchliche Angelegenheiten zu entscheiden haben, bestimmen sie in diesen Angelegenheiten mit, und zwar selbst dann, wenn sie sich bemühen, der kirchlichen Eigenständigkeit bei der materiellen Entscheidung gerecht zu werden. Die konkrete Betrachtung der konfligierenden Interessen und Rechte im Einzelfall kann erfahrungsgemäß zu einer allmählichen Steigerung der richterlichen Kontrolldichte führen und birgt so die Gefahr, dass die religiöse Legitimation kirchenrechtlicher Normen verkannt und damit gegen den Grundsatz der Neutralität des Staates in religiösen Dingen verstoßen wird19. Für eine Abwägung zwischen kirchlicher Selbstbestimmung und staatlichem Recht ist in dem Bereich rein innerkirchlicher Maßnahmen daher kein Raum20, da eine solche Abwägung – ungeachtet des anzuwendenden Maßstabs – eine inhaltliche Kontrolle innerkirchlicher Maßnahmen durch staatliche Gerichte voraussetzt und schon hierdurch das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen unzulässig relativiert wird21. Dies gilt insbesondere in dem hier betroffenen sensiblen Bereich der personellen Besetzung von Organen kirchlicher oder der Kirche zuzuordnender Einrichtungen
((vgl. Achilles, a.a.O., S. 224)).
Die damit grundsätzlich ausgeschlossene Kontrolle von Aufsichtsmaßnahmen kirchlicher Behörden gegenüber kirchlichen Stiftungen und deren Organen durch staatliche Gerichte ist im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise deshalb eröffnet, weil die von der Antragsgegnerin getroffenen Verfügungen die Grenze „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV überschreiten22.
In dem jetzt vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht entschiedenen Fall hat der Antragsteller im verwaltungsgerichtlichen und auch im Beschwerdeverfahren ausschließlich geltend gemacht, die von der Antragsgegnerin erlassenen Verfügungen vom 1. September 2008, 15. September 2008 und 9. März 2009 verstießen gegen die stiftungsaufsichtlichen Bestimmungen des NStiftG bzw. fänden in diesen keine taugliche Rechtsgrundlage. Wie ausgeführt gelten nach § 20 Abs. 2 Satz 5 NStiftG die stiftungsaufsichtlichen Bestimmungen der §§ 10 bis 16 NStiftG für kirchliche Stiftungen des bürgerlichen Rechts aber gerade nicht, so dass es sich insoweit auch nicht um ein für alle geltendes Gesetz im Sinne von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV handelt. Die von dem Antragsteller behaupteten Rechtsverletzungen überschreiten daher – ungeachtet ihres Vorliegens – die gezogene Grenze „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ nicht und ermöglichen daher auch keine Überprüfung durch die staatlichen Gerichte.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 16. Dezember 2010 – 8 ME 276/10
- vgl. zum Erfordernis der Ausübung von staatlicher Gewalt für den Justizgewährleistungsanspruch nach Art. 19 Abs. 4 GG: BVerfG, Entscheidung vom 17.02.1965 – 1 BvR 732/64, BVerfGE 18, 385, 387; BVerwG, Urteil vom 25.11.1982 – 2 C 21.78, BVerwGE 66, 241, 242; und für die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO: BVerwG, Urteil vom 30.10.2002 – 2 C 23.01, BVerwGE 117, 145, 147[↩]
- vgl. BVerfG, Entscheidung vom 17.02.1965, a.a.O., S. 386[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2002, a.a.O., m.w.N.[↩]
- so nun ausdrücklich BVerfG, Beschluss vom 09.12.2008 – 2 BvR 717/08, NJW 2009, 1195; vgl. auch Grzeszick, Staatlicher Rechtsschutz und kirchliches Selbstbestimmungsrecht, in: AöR 129 (2004), S. 168, 187 f., 198 und 202 f. m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.02.1965, a.a.O., S. 387[↩]
- vom 24.07.1968, Nds. GVBl. S. 119, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.11.2004,
Nds. GVBl. S. 514[↩] - vom 19.03.1955, Nds. GVBl. 1966, S. 4[↩]
- vgl. Gesetzentwurf des Niedersächsischen Landesministeriums, Entwurf eines Niedersächsischen Stiftungsgesetzes, LT-Drs. 6/200, S. 17; Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, 1986, S. 121; Seifart/v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 2 Aufl., § 28 Rn. 2; Siegmund-Schultze, NStiftG, 8. Aufl., § 20 Anm. 3.a.[↩]
- vom 23.04.2009, GVBl. Band 19, S. 104[↩]
- vom 09.06.1988 in der Fassung vom 13.11.2009, GVBl. Bd. 19 S. 120[↩]
- vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 11.10.1977 – 2 BvR 209/76, BVerfGE 46, 73, 86 f.; BVerfG, Entscheidung vom 16.10.1968
– 1 BvR 241/66, BVerfGE 24, 236, 246 f.[↩] - vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.10.1977, a.a.O.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.03.1980 – 2 BvR 208/76, BVerfGE 53, 366[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.03.1980, a.a.O.; BVerfG, Beschluss vom 11.10.1977, a.a.O., S. 87[↩]
- vgl. zur Maßgeblichkeit dieser Kriterien für die Zuordnung einer Einrichtung zur Kirche: Achilles, a.a.O., S. 185 f. m.w.N.[↩]
- so ausdrücklich Achilles, a.a.O., S. 158 f., 161, 165 m.w.N.[↩]
- vgl. Achilles, a.a.O., S. 244 f.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.09.1976 – 2 BvR 350/75, BVerfGE 42, 312, 334; BVerwG, Urteil vom 30.10.2002, a.a.O., S. 147 f.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.12.2008, a.a.O., S. 1196 m.w.N.[↩]
- vgl. aber BGH, Urteil vom 28.03.2003 – V ZR 261/02, BGHZ 154, 306 ff.; BVerwG, Urteil vom 28.02.2002 – 7 C 7/01, BVerwGE 116, 86 ff.[↩]
- vgl. Grzeszick, a.a.O., S. 183 f., 204 f.[↩]
- vgl. zu dieser Ausnahme Achilles, a.a.O., S. 250 f. m.w.N.[↩]