Kritik an einer Anti-Castor-Kletteraktivistin

Wer sich zu einer Person des Zeitgeschehens macht, muss mehr Kritik hinnehmen als jemand, der außerhalb der öffentlichen Diskussion steht. Das Schutzniveau aus dem Persönlichkeitsrecht steht nämlich in einem Wechselverhältnis mit der bewusst gesuchten Exponierung in der Öffentlichkeit. Scharfe und überspitzt formulierte Äußerungen hat ein Politaktivist, der durch waghalsige Kletteraktionen Aufmerksamkeit erregt, hinzunehmen.

Kritik an einer Anti-Castor-Kletteraktivistin

So die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Lüneburg in dem hier vorliegenden Fall einer Kletteraktivistin, die sich durch die Äußerungen eines Polizeisprechers in einem Fernsehinterview in ihrer Ehre verletzt fühlt. Im NDR-Fernsehen wurde am 20. Mai 2010 ein Beitrag gesendet über „20 Jahre Widerstand im Wendland“. Dabei wurde auch die Kletteraktivistin portraitiert, und der Bericht wurde mit Filmmaterial von Castor-Transporten unterlegt, bei denen sich die junge Frau aktiv beteiligt hatte. Der Polizeisprecher äußerte in diesem Zusammenhang unter anderem: „… absolut nervig, und das ist absolut krank, was sie macht …“. Weiter meinte er: „Es ist immer die Sorge um den Menschen …., die also uns veranlasst, überhaupt tätig zu werden, sonst könnten wir sie ja hängen lassen. Aber die ist ja so verrückt, dass sie gar nicht wieder runter kommt, freiwillig manchmal, also dass wir Angst haben müssen, ihre Kräfte werden erlahmen, und irgendwann fällt sie runter und ist schwer verletzt…“. Weiterhin: „…und das ist ein Störfaktor, das muss man irgendwann dann mal unterbinden…“. Mit der im August 2010 erhobenen Klage möchte die Kletteraktivistin den Widerruf der Äußerung erreichen und die Unterlassung vergleichbarer Äußerungen. Sie meint, die Äußerung des Polizeisprechers habe beleidigenden Inhalt, es handele sich um unsachliche Schmähkritik. Sie sei als Politaktivistin in der Öffentlichkeit bloßgestellt worden und in ihrer Sozialsphäre verletzt.

Weiterlesen:
Prostitution in einem Wohngebäude

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Lüneburg liegt in den von dem Polizeisprecher verwendeten Begriffen keine ehrverletzende Schmähkritik, die Meinungsäußerungen bewegen sich vielmehr im Rahmen dessen, was die Kletterkünstlerin aushalten muss. Dabei ist ihre eigene Exponierung in der Öffentlichkeit in Rechnung zu stellen. Ihr Schutzniveau aus dem Persönlichkeitsrecht steht nämlich in einem Wechselverhältnis mit ihrer bewusst gesuchten Exponierung in der Öffentlichkeit. Wer sich wie die junge Frau als Aktionskletterkünstlerin zu einer Person des Zeitgeschehens macht, muss auch mehr Kritik hinnehmen als jemand, der außerhalb der öffentlichen Diskussion steht. Aus dem Gesamtzusammenhang des Interviews wird zudem deutlich, dass es dem Polizeisprecher nicht um eine Herabwürdigung oder Diffamierung in persönlicher Hinsicht gegangen ist. Bewertet wurden vielmehr nur die Kletteraktionen als solche. Aktionen der Kletterkünstlerin mussten von Spezialklettertruppen der Polizei beendet werden, was für diese Kräfte nicht ungefährlich gewesen ist. Wenn der Polizeibeamte seine Angst äußert, die Kräfte der Aktivistin könnten erlahmen und sie falle und werde schwer verletzt, zeigt dies zugleich auch die Sorge um den Schutz der Gesundheit und des Lebens der Aktivistin. Bei einer Gesamtschau sind die Äußerungen des Polizeibeamten scharf formuliert und durchaus deutlich überspitzt, die Äußerungen sind aber kein Angriff auf die Persönlichkeit der Kletteraktivistin, sondern eine noch verständliche hinzunehmende Abwehrreaktion gegenüber ihren waghalsigen Aktionen.

Weiterlesen:
Einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts - und die erforderliche Antragsbegründung

Verwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 9. Mai 2012 – 1 A 192/10