Ladung per Zustellurkunde – oder: falsche Anschrift, richtiger Briefkasten

Eine Postzustellungsurkunde ist eine öffentliche Urkunde mit der sich aus § 418 Abs. 1 ZPO ergebenden vollen Beweiskraft der in der Urkunde bezeugten Tatsachen. 

Ladung per Zustellurkunde – oder: falsche Anschrift, richtiger Briefkasten

So auch in dem hier vom Niedersächsichen Oberverwaltungsgericht entschiedenen Fall, in dem das OVG davo ausging, dass der Beschwerdeführer als Zeuge ordnungsgemäß geladen war. Die – den Anforderungen des § 98 VwGO i.V.m. § 377 Abs. 2 ZPO genügende – Ladung vom 22.02.2021 wurde dem Beschwerdeführer am 24.02.2021 zugestellt. Dies wird durch die in der Akte befindliche Postzustellungsurkunde gemäß § 173 VwGO, §§ 182 Abs. 1 Satz 2, 418 ZPO bewiesen. Eine Postzustellungsurkunde ist eine öffentliche Urkunde mit der sich aus § 418 Abs. 1 ZPO ergebenden vollen Beweiskraft der in der Urkunde bezeugten Tatsachen. Ausweislich der in der Gerichtsakte befindlichen Postzustellungsurkunde versuchte – wie ausgeführt – der Postbedienstete, die in einem Umschlag verschlossene Ladung an den Beschwerdeführer zu übergeben, weil dies aber nicht möglich war, legte er das Schriftstück am 24.02.2021 in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Einrichtung.

Die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde hat der Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts erschüttert. Gemäß § 418 Abs. 2 ZPO kann derjenige, zu dessen Nachteil sich die gesetzliche Beweisregel auswirkt, den Beweis für die Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen antreten. Ein derartiger Beweisantritt verlangt den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufs. Aus diesem Grunde muss ein Beweisantritt substantiiert sein, d.h. es muss nach dem Vorbringen des Beteiligten eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen dargelegt werden. Ein schlichtes Bestreiten der Richtigkeit der beurkundeten Angaben über die erfolgte Niederlegung der Postsendung reicht ebenso wenig wie das Vorbringen bloßer Zweifel an der Richtigkeit der urkundlichen Feststellungen zur Führung des Gegenbeweises aus. Vielmehr müssen Umstände dargelegt werden, die ein Fehlverhalten des Postzustellers bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Postzustellungsurkunde zu belegen geeignet sind1.

Weiterlesen:
Bundesnetzagentur und die Schienennetz-Benutzungsbestimmungen

Das Vorbringen des Beschwerdeführers genügt diesen Anforderungen nicht. Ihm ist zwar zuzugestehen, dass er nicht unter der in der Ladung enthaltenen Anschrift in – C-Stadt „D-Straße, “ sondern – wie auch die Hansestadt – C-Stadt bestätigt hat – unter der Anschrift „- C-Straße“ gemeldet ist. Dies genügt vorliegend jedoch nicht für den vollen Nachweis eines anderen als des beurkundeten Geschehensablaufs. Wie sich auch bereits dem Beschwerdeschreiben des Beschwerdeführers vom 06.08.2021 entnehmen lässt, handelt es sich bei „D-Straße“ und „- C-Straße“ um ein Anwesen, auf dem neben der Ehefrau des Beschwerdeführers auch seine Mutter lebt. Diese Angaben werden durch den über elektronische Medien zu gewinnenden Eindruck von der Hofanlage bestätigt. Bei den über „bing.com“ erhältlichen Karten erscheint bei der Eingabe der Anschrift „D-Straße“ ein Punkt in einer Hofanlage und bei „- C-Straße“ ein „Treffer“ am Rande eines vermutlich damals noch unbebauten Feldes. Bei den über „google.de“ erhältlichen Karten wird bei der Adresseingabe sowohl für „D-Straße“ als auch für „- C-Straße“ einheitlich „D-Straße“ an der Stelle angezeigt, an der auch Bing die Hofanlage darstellt. Danach ist davon auszugehen, dass es sich bei „D-Straße“ und „- C-Straße“ um ein einheitliches von der Familie des Beschwerdeführers bewohntes Anwesen handelt. Gegen diese Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die dem Beschwerdeführer auch bereits mit richterlicher Verfügung vom 25.08.2021 mit der Bitte um Stellungnahme mitgeteilt wurde, hat dieser nichts, insbesondere nichts Gegenteiliges vorgebracht.

Weiterlesen:
Fristablauf Ende Februar

Soweit mit der Postzustellungsurkunde vom 24.02.2021 die Tatsache bezeugt ist, dass die Ladung in den zur Wohnung (auf dem – wie ausgeführt – einheitlichen Anwesen „D-Straße“ und „- C-Straße“) gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Einrichtung eingelegt wurde, ist der Nachweis eines anderen Geschehensablaufs nicht erbracht. Für die Richtigkeit der Behauptung des Beschwerdeführers, wenn Post zugestellt werde, geschehe das durch persönliche Übergabe, da am Haus kein Briefkasten sei, der Postbote lege die normale Post auf die Bank oder vor die Tür, ist ein greifbarer Anhaltspunkt weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der gerichtlichen Verfügung, die Gegebenheiten vor Ort ausführlich darzulegen und (etwa durch Vorlage von Fotos o.ä.) zu belegen, ist der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Gegen die Richtigkeit der angeführten Behauptung des Beschwerdeführers und dafür, dass mindestens wiederholt ihm zuzustellende Post in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Einrichtung eingelegt wird, spricht vielmehr, dass auch der hier angefochtene Beschluss vom 26.07.2021 nach der in der Akte befindlichen Postzustellungsurkunde vom 28.07.2021 ebenfalls – wie die Ladung vom 22.02.2021 – an die Anschrift D-Straße gerichtet und dort nach erfolglosem Übergabeversuch in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt wurde. Gegen diese Zustellung am 28.07.2021 trägt der Beschwerdeführer nichts vor. Diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer offenbar ohne weiteres erhalten. Auf die Verfügung vom 25.08.2021, auch zu diesen Umständen plausibel Stellung zu nehmen, hat der Beschwerdeführer ebenfalls nichts vorgebracht. Eine Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der mithin sowohl in der Postzustellungsurkunde vom 24.02.2021 als auch in der Postzustellungsurkunde vom 28.07.2021 gleichermaßen bezeugten Tatsache einer Einlegung von Post in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Einrichtung ist nicht dargelegt oder sonst zu erkennen.

Weiterlesen:
Polnischen Versäumnisurteil - und der deutsche erfahrensrechtliche ordre public

Auf die gerichtliche Verfügung hat der Beschwerdeführer schriftsätzlich vorgetragen: „Meine Mutter … nahm auf unserem Festnetzanschluss einen Anruf entgegen, bei dem eine Frau sagte, sie habe einen Brief von einem Gericht für einen E. C., ob das der richtige Anschluss wäre. Meine Mutter, mit da fast 80 Jahren, hat sich leider weder den Namen der Frau gemerkt noch ihre Nummer notiert. Der Brief, vermutlich die Ladung, hat uns bis heute nicht erreicht. Die Nachbarn haben freundlicherweise bestätigt, dass falsch zugestellte Post im F. leider kein Einzelfall ist.“

Dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 20.09.2021 sind zwei schriftliche Bestätigungen beigefügt, denen zufolge an E. C. gerichtete Post zweimal bzw. mehrfach im Briefkasten der jeweils bestätigenden Person eingeworfen worden sei.

Die dargelegten Umstände sind nicht geeignet, ein Fehlverhalten des Postzustellers bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Postzustellungsurkunde vom 24.02.2021 zu belegen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich der vom Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 20.09.2021 geschilderte Anruf auf die Ladung des Verwaltungsgerichts vom 22.02.2021 für den 2.07.2021 bezogen haben könnte, sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Der Beschwerdeführer legt bereits nicht dar, wann der behauptete Anruf bei seiner Mutter erfolgt sei. Insofern ist schon nicht ersichtlich, dass dieser zeitlich im Zusammenhang mit der am 24.02.2021 erfolgten Zustellung erfolgt sein soll. Gegen die Annahme, der Anruf habe sich auf die Ladung des Verwaltungsgerichts vom 22.02.2021 für den 2.07.2021 bezogen, spricht dabei zudem, dass diese Ladung nicht – wie aber die von der Anruferin in Bezug genommene Sendung – an E. C., sondern an F. C. adressiert ist. Nach den Darlegungen des Beschwerdeführers besteht mithin für seine Vermutung, bei dem bei der Anruferin eingeworfenen Brief habe es sich vermutlich um die Ladung gehandelt, kein greifbarer Anhaltspunkt. Die dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 20.09.2021 beigefügten schriftlichen Bestätigungen zu zwei- bzw. mehrfach erfolgten Fehlleitungen von an E. C. gerichteter Post ist ebenfalls kein zeitlicher oder sachlicher Bezug zu der Ladung des Verwaltungsgerichts vom 22.02.2021 für den 2.07.2021 zu entnehmen.

Weiterlesen:
Überzogene Substantiierungsanforderungen

Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 2. November 2021 – 11 OB 252/21

  1. vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 20.02.2002 – 2 BvR 2017/01 2 ff.; BVerwG, Beschluss vom 1.10.1996 – 4 B 181.96 7; BayVGH, Beschluss vom 19.07.2021 – 11 CS 21.1280 28; BGH, Urteil vom 10.11.2005 – 3 ZR 104/05 12; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl.2020, § 56 Rn. 24[]