Auch Lärm unterhalb der einschlägigen Grenzwerte ist im Planfeststellungsverfahren grundsätzlich abwägungserheblich. Deshalb können auch in einem wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluss, mit dem eine Nassauskiesung zugelassen wird, Auflagen zur Reduzierung von Lärm, der die Grenzwerte der TA-Lärm nicht überschreitet, getroffen werden.

Soweit Geräusche schädliche Umwelteinwirkungen sind, sind sie unzumutbar. Die fachplanerische Abwägung beschränkt sich aber nicht auf solche Nachteile eines Vorhabens, die unzumutbar sind und deshalb nicht hingenommen werden müssen. Bei der Abwägung sind vielmehr alle vom Vorhaben berührten öffentlichen sowie privaten Belange zu berücksichtigen und – sofern zwischen ihnen Konflikte auftreten – einer umfassenden planerischen Problembewältigung zuzuführen. Dabei sind abwägungserheblich alle im jeweiligen Einzelfall von der Planung betroffenen Belange mit Ausnahme derjenigen, die geringwertig oder nicht schutzwürdig sind 1. Schutzwürdig ist auch der Belang, nicht von mehr als nur geringfügigem Lärm unterhalb der Schwelle der Unzumutbarkeit betroffen zu sein. Dies gilt selbst bei normativ festgesetzten Immissionsgrenzwerten 2.
§ 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, wonach dem Träger des Vorhabens Schutzmaßnahmen aufzuerlegen sind, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind, besagt nichts anderes. Im Gegenteil kennzeichnet die Vorschrift in Übereinstimmung mit dem Vorstehenden eine im Wege der Abwägung nicht zu überwindende Schwelle zum Schutz von Rechtspositionen 3. Sie vermittelt einen Rechtsanspruch auf die Anordnung von Schutzmaßnahmen und lässt nicht im Gegenschluss zu, dass nachteilige Wirkungen unterhalb dieser Schwelle Dritte nicht in schutzwürdigen und – nach den jeweiligen Umständen – schutzbedürftigen Interessen betreffen. Planbetroffene haben Anspruch auf fehlerfreie Abwägung gerade auch dann und insoweit, als ihr Betroffensein die Behörde nicht nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG zu Schutzanordnungen verpflichtet. Ebenso wenig hindert § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG die Behörde, abwägungserhebliche Belange nach Maßgabe der jeweiligen Gegebenheiten als so gewichtig zu betrachten, dass der Vorhabenträger zur Vornahme von Schutzmaßnahmen verpflichtet wird, obwohl die in Frage stehenden Einwirkungen Rechte anderer nicht unzumutbar beeinträchtigen.
Diese Grundsätze gelten auch für die Abwägung im wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren. Die beschriebene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts enthält allgemeine Grundsätze für eine rechtsfehlerfreie Abwägung im Planfeststellungsverfahren. Eine Beschränkung auf Verkehrsvorhaben lässt sich ihr ebenso wenig entnehmen wie eine Beschränkung auf den Belang Lärmimmissionen. Dies ist auch sachgerecht. Das Vorhaben wird durch den Planfeststellungsbeschluss zugelassen, der wegen der ihm zukommenden formellen Konzentrationswirkung eine einheitliche Gesamtentscheidung über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit allen entscheidungsrelevanten Belangen enthält und als Abwägungsentscheidung ergeht. Diese Entscheidung bestimmt die Rechte sowohl des Vorhabenträgers als auch der durch das Vorhaben in ihren abwägungsrelevanten Belangen betroffenen Dritten 4. Das Abwägungserfordernis bezieht sich deshalb innerhalb des durch das materielle Recht gezogenen Rahmens auf die zulassungsrelevanten Belange insgesamt, nicht allein auf die vom Vorhaben betroffenen spezifisch wasserwirtschaftlichen Belange. Damit ist auch der von dem Vorhaben ausgehende Lärm in die Abwägung einzustellen.
Daraus ergeben sich zwar gewisse rechtliche Unterschiede für die planfeststellungspflichtige Zulassung einer Nassauskiesung und die immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtige Zulassung einer Trockenabgrabung. Diese sind aber zwangsläufige Folge der unterschiedlichen materiellrechtlichen Voraussetzungen für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung (vgl. § 6 Abs. 1 BImSchG) einerseits und die Planfeststellung gemäß § 31 WHG a.F. bzw. gemäß § 68 WHG n. F. andererseits. Für die Planfeststellung gelten dabei entgegen der Ansicht der Klägerin nicht allgemein strengere Anforderungen als für eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Beispielhaft sei auf Folgendes verwiesen: Die Vorschriften über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben (§§ 29 bis 37 BauGB) gelten im Planfeststellungsverfahren weitgehend nicht (vgl. § 38 BauGB). Deshalb können bei der Abwägung im Einzelfall auch zwingende Festsetzungen eines Bebauungsplans überwunden werden. Dagegen ist bei Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zwar im Genehmigungsverfahren keine Abwägung vorzunehmen. Andererseits sind aber Festsetzungen in einem Bebauungsplan, die als solche ebenfalls das Ergebnis einer Abwägung sind, zwingend zu beachten. Auch das Bauplanungsrecht lässt es im Übrigen zu, dass Festsetzungen zum Lärmschutz außerhalb des Immissionsschutzrechts getroffen werden (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB).
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 31. Januar 2011 – 7 B 55.10
- vgl. BVerwG, Urteil vom 28.03.2007 – 9 A 17.06, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 64; Beschluss vom 05.10.1990 – 4 B 249.89, Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 6[↩]
- vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11.11.2008 – 9 A 56.07, Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 51; und vom 05.03.1999 – 4 A 7.98, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 149[↩]
- vgl. BVerwG, Urteile vom 16.03.2006 – 4 A 1075.04, BVerwGE 125, 116 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 23; und vom 01.09.1999 – 11 A 2.98, Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 52[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 10.02.1978 – 4 C 25.75, BVerwGE 55, 220, 230; siehe jetzt § 70 Abs. 1 Halbs. 2 WHG n.F. i.V.m. § 75 Abs. 1 VwVfG[↩]