Maskenpflicht im Schulunterricht

Die Regelungen zur sog. Maskenpflicht im Schulunterricht in § 6 Nr. 1 CoronaVO Schule BW stehen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg derzeit aller Voraussicht nach mit höherrangigem Recht in Einklang.

Maskenpflicht im Schulunterricht

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ist danach der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Ergibt diese Prüfung, dass ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache voraussichtlich begründet wäre, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug der streitgegenständlichen Satzung oder Rechtsvorschrift zu suspendieren ist. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug der Rechtsvorschrift vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Schülers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Schüler günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist1. Mit diesen Voraussetzungen stellt § 47 Abs. 6 VwGO an die Aussetzung des Vollzugs einer untergesetzlichen Norm erheblich strengere Anforderungen, als § 123 VwGO sie sonst an den Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt2.

An diesen Maßstäben gemessen sind die Anträge der Schüler nicht begründet. Ein in einem Hauptsacheverfahren gegen § 6a Nr. 1 CoronaVO Schule gerichteter Normenkontrollantrag hätte voraussichtlich keinen Erfolg. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten.

Ein gegen § 6 Nr. 1 CoronaVO gerichtete Normenkontrollantrag würde aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben. Die Vorschrift steht voraussichtlich mit höherrangigem Recht in Einklang3.

Für die Regelung in § 6a Nr. 1 CoronaVO Schule besteht voraussichtlich eine ausreichende Rechtsgrundlage in § 32 Satz 1 und 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG und § 16 Abs. 2 CoronaVO. Wenn – wie im Fall des Coronavirus unstreitig der Fall – eine übertragbare Krankheit festgestellt ist, können nach § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit durch eine Verordnung der Landesregierung getroffen werden. Die Landesregierungen können diese Ermächtigung gemäß § 32 Satz 2 IfSG durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Eine solche Delegation hat die Landesregierung in § 16 Abs. 1 CoronaVO zugunsten des Kultusministeriums geschaffen. Durchgreifende Bedenken gegen die Bestimmtheit dieser Normen bestehen nicht.

Das baden-württembergische Kultusministerium hat sich bei dem Erlass der Regelungen zur Maskenpflicht im Unterricht in dem ihm durch die Corona-Verordnung der Landesregierung vorgegebenen Rahmen gehalten.

Dem steht nicht entgegen, dass die Landesregierung in § 3 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. Abs. 2 Nr. 7 CoronaVO bestimmt hat, dass u.a. in den auf der Grundschule aufbauenden Schulen (gerade) keine Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung besteht.

Die Landesregierung hat das Kultusministerium in § 16 Abs. 1 CoronaVO gemäß § 32 Satz 2 IfSG dazu ermächtigt, durch Rechtsverordnung für den Betrieb (u.a.) von Schulen in seiner Ressortzuständigkeit zum Schutz vor einer Infektion mit dem Coronavirus „Bedingungen und Anforderungen, insbesondere Hygienevorgaben“, festzulegen. Diese Ermächtigung umfasst ungeachtet des insoweit nicht eindeutigen Wortlauts der Norm („Bedingungen und Anforderungen“) nicht etwa nur die Befugnis des Kultusministeriums zum Erlass von die Corona-Verordnung der Landesregierung ausfüllenden und ergänzenden Bestimmungen. Die Landesregierung hat das Kultusministerium in § 16 Abs. 1 CoronaVO vielmehr auch dazu ermächtigt, Bestimmungen zu erlassen, die von den Regelungen aus Teil 1 der Corona-Verordnung der Landesregierung – und damit auch von den Vorschriften zur Maskenpflicht in § 3 CoronaVO – inhaltlich abweichen. Das folgt aus dem § 16 CoronaVO vorangestellten § 15 CoronaVO („Grundsatz“). Diese Norm bestimmt, dass die aufgrund u.a. von § 16 CoronaVO erlassenen Rechtsverordnungen den Regelungen aus Teil 1 der Corona-Verordnung der Landesregierung vorgehen, „sofern dort abweichende Regelungen“ getroffen werden4.

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Die Ermächtigungsgrundlage in § 32 Satz 1 und 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG dürfte für das in § 6a Nr. 1 CoronaVO Schule geregelte grundsätzliche Gebot zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen in bestimmten öffentlichen Bereichen auch dem Vorbehalt des Gesetzes in seiner Ausprägung als Parlamentsvorbehalt genügen5. Denn der Gesetzgeber selbst hat in § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 IfSG ausdrücklich vorgesehen, dass die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen von Halbsatz 1 Personen insbesondere dazu verpflichten kann, von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten6.

Der Heranziehung der genannten Rechtsgrundlagen steht auch nicht entgegen, dass der Antragsgegner in § 6 Nr. 1 CoronaVO Schule Maßnahmen getroffen hat, die auch Personen treffen, die voraussichtlich nicht als Verhaltens- oder Zustandsstörer im polizeirechtlichen Sinne einzuordnen wären. Unbehilflich ist deshalb für die Frage der Rechtsgrundlage der Vortrag der Schüler, sie würde mit der angefochtenen Regelung dafür „bestraft“, dass sich andere Personen in anderen Landesteilen nicht „an die Regeln“ hielten und Infektionsgefahren schüfen.

Wenn – wie im Fall des Coronavirus unstreitig der Fall – eine übertragbare Krankheit festgestellt ist, können nach § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit durch eine Verordnung der Landesregierung getroffen werden. Mit solchen repressiven Bekämpfungsmaßnahmen gehen zulässigerweise auch stets präventive Wirkungen einher. Solche präventiven Folgen sind gerade bezweckt. Daher ist die Landesregierung insbesondere nicht auf Maßnahmen nach § 16 oder § 17 IfSG beschränkt. Dabei ermächtigt § 28 Abs.1 IfSG nach seinem Wortlaut, seinem Sinn und Zweck und dem Willen des Gesetzgebers zu Maßnahmen auch gegenüber Nichtstörern7.

Das in § 6a Nr. 1 CoronaVO Schule geregelte grundsätzliche Gebot zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen im Schulunterricht für den Fall, dass die dort näher geregelte sog. 7-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner die Zahl von 35 überschreitet, steht voraussichtlich auch mit Verfassungsrecht in Einklang.

In welchen Freiheitsrechten sich die Schüler konkret beeinträchtigt sehen, haben sie mit ihrem auf Normzitate verzichtenden Vortrag zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht im Einzelnen dargelegt. Verfassungswidrige Eingriffe in die jeweils in Betracht kommenden Grundrechte auf allgemeine Handlungsfreiheit, auf körperliche Unversehrtheit, und in das allgemeine Persönlichkeitsrecht liegen aller Voraussicht nach nicht vor. Auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz besteht voraussichtlich nicht.

Ein verfassungswidriger Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Schüler (Art. 2 Abs. 1 Abs. 1 GG) liegt aller Voraussicht nach nicht vor.

Der Schutzbereich dieses Grundrechts umfasst das Recht, das eigene äußere Erscheinungsbild nach eigenem Gutdünken selbstverantwortlich zu bestimmen8. In diesen Schutzbereich greift das in § 6a Nr. 1 CoronaVO Schule geregelte grundsätzliche Gebot, im Schulunterricht eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, ein. Dieser Eingriff ist aber aller Voraussicht nach verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

§ 6a Nr. 1 CoronaVO Schule dient einem legitimen Zweck. Der Verordnungsgeber verfolgt damit das Ziel, das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potentiell sehr großen Zahl von Menschen zu schützen und damit den sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebenden staatlichen Schutzauftrag zu erfüllen, indem Neuinfektionen mit dem Coronavirus möglichst verhindert werden und die Verbreitung des Virus zumindest verlangsamt wird9.

Zur Erreichung dieses Zieles ist das vom Verordnungsgeber in § 6a Nr. 1 CoronaVO Schule gewählte Mittel, in den dort näher bezeichneten Bereichen des Schulunterrichts das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vorzuschreiben, voraussichtlich geeignet.

Ein Gesetz ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann, wobei dem Gesetzgeber bei der Beurteilung der Eignung ein Beurteilungsspielraum zusteht10.

Diese Anforderung dürfte die in § 6a Nr. 1 CoronaVO Schule angeordnete sog. Maskenpflicht erfüllen. Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus ist von der WHO als Pandemie eingestuft worden. Die Erfahrungen in anderen Staaten zeigen, dass die exponentiell verlaufende Verbreitung des besonders leicht von Mensch zu Mensch, insbesondere durch Tröpfcheninfektion übertragbaren Virus nur durch eine strikte Minimierung der persönlichen Kontakte zwischen den Menschen eingedämmt werden kann. Das Gebot in § 6a Nr. 1 CoronaVO Schule bezweckt, wie gezeigt, die Verbreitung des Coronavirus durch die Verhinderung von Neuinfektionen zu verlangsamen. Die Pflicht, im Schulunterricht eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, kann voraussichtlich dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen.

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Ohne Erfolg halten die Schüler dem ihren nicht weiter belegten oder erläuterten Vortrag entgegen, bislang habe „nicht eindeutig nachgewiesen“ werden können, dass das Tragen einer nicht medizinischen Mund-Nasen-Bedeckung (MNB, auch sog. Alltagsmaske) überhaupt dazu geeignet sei, die Ausbreitung von COVID-19 zu bekämpfen. Der Verordnungsgeber hat den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum bei der Schaffung von § 6a Nr. 1 CoronaVO Schule voraussichtlich nicht verlassen, wenn er davon ausgeht, dass das darin gelegte Gebot dazu beiträgt, Neuinfektionen zu verhindern. Das gemäß § 4 IfSG u.a. zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen und dahingehender Analysen und Forschungen berufene Robert-Koch-Institut ist in Kenntnis der Unterschiede zwischen MNB einerseits und medizinischen Mund-Nasen-Schutz-Produkten (MNS) andererseits, ferner unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Effektivität der Masken in der Fachwelt derzeit im Einzelnen vor dem Hintergrund der noch beschränkten empirischen Erkenntnisse teils unterschiedlich bewertet wird, sowie nach einer Würdigung der derzeit vorhandenen Studien im Mai 2020 zu folgender zusammenfassender Einschätzung gelangt:

Wie Beobachtungen aus Ausbruchsuntersuchungen und Modellierungsstudien zeigen, beruht die rasche Ausbreitung von SARS-CoV-2 auf einem hohen Anteil von Erkrankungen, die initial mit nur leichten Symptomen beginnen, ohne die Erkrankten in ihrer täglichen Aktivität einzuschränken. Bereits 1 – 3 Tage vor Auftreten der Symptome kann es zu einer Ausscheidung von hohen Virusmengen kommen. Eine teilweise Reduktion dieser unbemerkten Übertragung von infektiösen Tröpfchen durch das Tragen von MNB könnte auf Populationsebene zu einer weiteren Verlangsamung der Ausbreitung beitragen. Dies betrifft die Übertragung im öffentlichen Raum, an denen mehrere Menschen zusammentreffen und sich dort länger aufhalten (z. B. Arbeitsplatz) oder der physische Abstand von mindestens 1, 5 m nicht immer eingehalten werden kann (z. B. Einkaufssituation, öffentliche Verkehrsmittel). Tätigkeiten, die mit vielen oder engeren Kontakten einhergehen, sind hier von besonderer Bedeutung. Da bei vielen Ansteckungen die Infektionsquelle unbekannt ist, kann eine unbemerkte Ausscheidung des Virus in diesen Fällen weder durch eine Verhaltensänderung (wie eine Selbstquarantäne) noch durch eine frühzeitige Testung erkannt werden, da der Beginn der Infektiosität unbekannt ist. Aus diesem Grund kann das Tragen von MNB im öffentlichen Raum vor allem dann im Sinne einer Reduktion der Übertragungen wirksam werden, wenn sich möglichst viele Personen daran beteiligen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass es Personen gibt, die aufgrund von Vorerkrankungen den höheren Atemwiderstand beim Tragen von Masken nicht tolerieren können.

Um möglichst rasch eine nachhaltige Reduktion der Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung und sinkende Neuerkrankungszahlen zu erreichen, ist es notwendig, mehrere Komponenten einzusetzen, die sich gegenseitig ergänzen. Dabei sind immer die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen und deren unerwünschte Auswirkungen sorgsam gegeneinander abzuwägen. In dem System verschiedener Maßnahmen ist ein situationsbedingtes generelles Tragen von MNB (oder von MNS, wenn die Produktionskapazität dies erlaubt) in der Bevölkerung ein weiterer Baustein, um Übertragungen zu reduzieren.

An dieser Einschätzung hält das RKI weiterhin fest. Es führt auf seiner Robert-Koch-Institut zum Stand 20.10.2020 aus: Das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt das generelle Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum als einen weiteren Baustein, um den Infektionsdruck und damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren und somit Risikogruppen zu schützen. Diese Empfehlung beruht auf Untersuchungen, die belegen, dass ein relevanter Anteil von Übertragungen von SARS-CoV-2 unbemerkt erfolgt, d.h. zu einem Zeitpunkt vor dem Auftreten der ersten Krankheitszeichen. Eine teilweise Reduktion der unbemerkten Übertragung von infektiösen Tröpfchen durch das Tragen von MNB könnte auf Populationsebene zu einer weiteren Verlangsamung der Ausbreitung beitragen. Dies betrifft die Übertragung im öffentlichen Raum, wo mehrere Menschen zusammentreffen und sich länger aufhalten (z.B. Arbeitsplatz) oder der physische Abstand von mindestens 1, 5 m nicht immer eingehalten werden kann (z.B. Einkaufssituation, öffentliche Verkehrsmittel)). Dies gilt auch bei Menschenansammlungen im Freien, wenn der Mindestabstand von 1, 5 m nicht eingehalten wird. Das Tragen von MNB im öffentlichen Raum kann vor allem dann im Sinne einer Reduktion der Übertragungen wirksam werden, wenn möglichst viele Personen eine MNB tragen. Das Tragen einer MNB trägt dazu bei, andere Personen vor feinen Tröpfchen und Partikeln die man z.B. beim Sprechen, Husten oder Niesen ausstößt, zu schützen (Fremdschutz). Wichtig ist hierbei, dass Mund und Nase bedeckt sind. Für diesen Fremdschutz durch MNB gibt es inzwischen erste wissenschaftliche Hinweise. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Fremdschutzwirkung der MNB durch Ausatemventile reduziert wird. MNB mit Ausatemventil sind daher für die hier angestrebte Bestimmung grundsätzlich weniger geeignet. Der Eigenschutz durch MNB ist bisher wissenschaftlich nicht belegt. Der Einsatz von MNB kann andere zentrale Schutzmaßnahmen, wie die (Selbst-)Isolation von Infizierten, die Einhaltung der physischen Distanz von mindestens 1, 5 m und von Hustenregeln und Händehygiene, sowie die Notwendigkeit des Lüftens nicht ersetzen, sondern ergänzt diese. Das situationsbedingte generelle Tragen von MNB (oder von MNS, wenn die Produktionskapazität dies erlaubt) in der Bevölkerung ist ein weiterer Baustein, um Übertragungen zu reduzieren (AHA-Regeln).

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Für den Bereich von Schulen und dort insbesondere den Schulunterricht liegen gegenwärtig keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, die es rechtfertigen würden, einer sog. Maskenpflicht dort die generelle Eignung zur Eindämmung des Infektionsgeschehens abzusprechen11. Das RKI führt in seiner Empfehlung „Präventionsmaßnahmen in Schulen während der COVID-19-Pandemie“ vom 12.10.202012 aus, dass als Prävention- und Risikominderungsmaßnahme in Schulen insbesondere „Verhaltensmaßnahmen wie die AHA-Regeln (…): Abstand halten (auch im Unterricht), Hygieneregeln befolgen (Husten-/Nies- und Händehygiene) und das Tragen von Alltagsmasken, wenn der Mindestabstand von 1, 5 m nicht eingehalten werden kann“ in Betracht kommt. Das entspricht der Einschätzung der Stellungnahme der Ad-hoc-Kommission SARS-CoV-2 der Gesellschaft für Virologie „SARS-CoV-2-Präventionsmassnahmen bei Schulbeginn nach den Sommerferien“ vom 06.08.202013, die zusammenfassend erklärt hat: „Die Evidenz zur Schutzwirkung bei konsequentem und korrektem Einsatz von Alltagsmasken hat in der Zwischenzeit zugenommen. Im Hinblick auf die reale Gefahr der Übertragung zwischen Schülern, die zum Zeitpunkt der Infektiosität (noch) keine Krankheitssymptome haben, sprechen wir uns aus alleiniger virologischer Sicht daher für das konsequente Tragen von Alltagsmasken in allen Schuljahrgängen auch während des Unterrichts aus.“ Zu im Wesentlichen der gleichen Einschätzung sind bereits im Mai 2020 die Verfasser der sog. „Heidelberg-Studie“ zum Infektionsgeschehen bei Kindern gelangt14

Vor dem Hintergrund dieser den aktuellen Erkenntnis- und Forschungsstand berücksichtigenden und nachvollziehbar begründeten, im Wesentlichen übereinstimmenden Einschätzungen kann der Verordnungsgeber die Anordnung einer sog. Maskenpflicht im Schulunterricht derzeit ohne Rechtsfehler als geeignetes Mittel zur Unterbindung von Infektionsketten ansehen.

Zur Erreichung des genannten Zieles ist das vom Verordnungsgeber gewählte Mittel eines grundsätzlichen Gebots zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen im Schulunterricht voraussichtlich auch erforderlich.

Ein Gesetz ist erforderlich, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können, wobei dem Gesetzgeber auch insoweit ein Beurteilungsspielraum zusteht15. Solche gleich wirksamen, aber weniger einschränkenden Mittel haben die Schüler nicht aufgezeigt und sind voraussichtlich auch sonst nicht erkennbar.

Die von den Schülern als Alternativen aufgezeigten Mittel, es für den Schulbereich bei den zuvor geltenden Regelungen insbesondere zur Einhaltung von Hygienevorgaben zu belassen, sind ersichtlich nicht im gleichen Umfang dazu geeignet, das Infektionsgeschehen einzudämmen, wie die Beibehaltung dieser Regelungen in Verbindung mit einer grundsätzlichen Maskenpflicht im Unterricht.

Das Gleiche gilt für ihre Erwägung, es sei ausreichend die Maskenpflicht im Unterricht nicht in allen Landesteilen, sondern nur in einzelnen besonders stark betroffenen Stadt- und Landkreisen anzuordnen, und/oder (gemeint wohl: noch gezielter) gegen potentielle Infektionsherde wie private Feiern vorzugehen. Solche Maßnahmen mögen ebenfalls geeignet sein, zur Erreichung des vom Verordnungsgeber verfolgten Ziels beizutragen. Der Verordnungsgeber überschreitet seinen Beurteilungsspielraum aber nicht, wenn er von der Annahme ausgeht, dass solche – und die weiteren derzeit in den Corona-Verordnungen angeordneten – Maßnahmen allein nicht ebenso wirksam sind wie die zusätzliche Anordnung einer Pflicht, Mund-Nasen-Bedeckungen im Schulunterricht zu tragen, in dem Menschen typischer- und vielfach notwendigerweise gehäuft und auf vergleichsweise engem, trotz Lüftens immer wieder geschlossenem Raum aufeinandertreffen und in dem sie deshalb besonderen Infektionsgefahren begründen sowie solchen Gefahren ausgesetzt sein können.

Das von dem Verordnungsgeber zur Erreichung des genannten Zieles gewählte Mittel einer sog. Maskenpflicht im Schulunterricht stellt sich im Zeitpunkt der vorliegendas VGH-Entscheidung auch als verhältnismäßig im engeren Sinne (angemessen) dar.

Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Schüler ist von gewissem Gewicht. Sie können am Schulunterricht jedenfalls grundsätzlich nicht teilnehmen, ohne zuvor eine Mund-Nasen-Bedeckung aufzusetzen und damit ihr Gesicht zu verdecken. Dadurch wird ihr Recht, das eigene äußere Erscheinungsbild nach eigenem Gutdünken selbstverantwortlich zu bestimmen, mit einigem Gewicht beeinträchtigt. Mit dieser Beeinträchtigung gehen Einschränkungen unter anderem in der Kommunikation und sozialen Interaktion aufgrund der Verdeckung des Gesichts und der Mimik sowie Erschwernisse bei der ungehinderten Atmung und damit unter Umständen dem Wohlbefinden während des Unterrichts einher.

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Dem stehen jedoch die ebenfalls gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener und die damit verbundene Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands gegenüber. Nach den seit Mitte März 2020 andauernden Beschränkungsmaßnahmen und einer zunächst merklichen Abnahme der Infektionsgeschwindigkeit16 besteht derzeit wieder die Gefahr, dass ohne weitere Maßnahmen die inzwischen wieder deutlich erhöhte Infektionsgeschwindigkeit sehr schnell weiter zunimmt, zurzeit noch in Grenzen bestehende Steuerungsmittel wie behördliche Kontaktnachverfolgungen wegfallen und es in der Folge zu einer Überlastung des Gesundheitswesens kommt17. Das RKI hat am 22.10.2020 für Baden-Württemberg einen Anstieg von 1.438 und für die Bundesrepublik von 11.287 gemeldeten Neuinfektionsfällen im Vergleich zum Vortag verzeichnet. Die Anzahl der Landkreise mit einer erhöhten 7-Tage-Inzidenz von insgesamt mehr als 25 Fällen pro 100.000 Einwohner steigt gegenwärtig weiter an und ist mittlerweile auf 285 Stadt- und Landkreise gestiegen. Seit Anfang September nimmt zudem der Anteil älterer – besonders gefährdeter und deshalb auch für die Auslastung des Gesundheitssystems besonders relevanter – Personen unter den COVID-19-Fällen wieder zu. Das RKI geht vor diesem Hintergrund derzeit zusammenfassend und nachvollziehbar davon aus, dass aktuell ein beschleunigter Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten ist, und appelliert daher „dringend (dafür), dass sich die gesamte Bevölkerung für den Infektionsschutz engagiert“18. Bei diesem Sachstand weist das mit § 6a Satz 1 CoronaVO verfolgte Ziel derzeit ein solches Gewicht und eine solche Dringlichkeit auf, dass sich die Bestimmung mit der sog. Maskenpflicht im Schulunterricht auch unter Berücksichtigung des von ihr bewirkten Eingriffs in das jeweilige Grundrecht der Schüler aus Art. 2 Abs. 1 GG gegenwärtig voraussichtlich als verhältnismäßig im engeren Sinne erweist.

Das gilt umso mehr, als die nachteiligen Folgen für die Betroffenen dadurch etwas abgemildert werden, dass die Vorschrift nicht uneingeschränkt gilt, sondern räumliche und gegenständlichen Ausnahmen enthält sowie unter einem Zumutbarkeitsvorbehalt steht (vgl. § 6a Nr. 1 Satz 2 bis 4 und § 1 Abs. 3 Satz 2 CoronaVO Schule, ferner § 3 Abs. 2 Nr. 2, § 20 CoronaVO). Hinzu kommt, dass die Maßnahme nur einen räumlich und zeitlich wenn auch nicht unerheblichen, so doch beschränkten Teilbereich des öffentlichen Lebens betrifft. Außerdem können Eltern, die nicht wollen, dass ihr Kind am Präsenzunterricht teilnimmt, dies der Schule gegenwärtig – auch nach erklärter Auffassung des Kultusministeriums – weiterhin formlos anzeigen und auf diese Weise dem mit der Maskenpflicht bewirkten Grundrechtseingriff – wenn auch unter Inkaufnahme anderer Nachteile – grundsätzlich ausweichen. Für Schülerinnen und Schüler, die nicht am Präsenzunterricht teilnehmen können, findet Fernunterricht nach § 2 Abs. 8 CoronaVO Schule statt19.

Zur Angemessenheit von § 6a Satz 1 CoronaVO Schule trägt weiter bei, dass die Anordnung der sog. Maskenpflicht im Unterricht in § 6a Satz 1 CoronaVO Schule einen Mechanismus enthält, der gewährleistet, dass die Pflicht bei einem Unterschreiten des dortigen Grenzwerts betreffend die sog. 7-Tages-Inzidenz ipso iure außer Kraft tritt. Die Vorschrift unterliegt außerdem als dauerhaft eingreifende Maßnahme der Verpflichtung der Landesregierung zur fortlaufenden Überprüfung, insbesondere wie wirksam die Maßnahme im Hinblick auf eine Verlangsamung der Verbreitung des Coronavirus ist und wie sie sich für die Betroffenen auswirkt. Dass sie dieser Verpflichtung im Schulbereich bislang nicht nachgekommen ist, ist vor dem Hintergrund ihres Rahmenkonzepts zur stufenweisen Wiederaufnahme des Schulbetriebs und für ein „Schuljahr unter Pandemiebedingungen“ sowie angesichts des Umstandes, dass sie auf im Sommer gesunkene Infektionszahlen erwiesenermaßen mit milderen Maßnahmen („Lockerungen“) zur Gewährleistung eines wieder uneingeschränkteren Schulbetriebs reagiert hat, nicht ersichtlich20.

Ein verfassungswidriger Eingriff in das Grundrecht der Schüler auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) liegt aller Voraussicht ebenfalls nicht vor.

Anhaltspunkte für eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergeben sich insbesondere nicht aus ihrem Vortrag, es sei ihnen nicht mehr möglich, gesunde, sauerstoffreiche Luft zu atmen, und sie müssten ständig sauerstoffarme und kohlendioxidhaltige Luft einatmen, wenn sie über mehrere Schulstunden hinweg eine Mund-Nasen-Bedeckung im Unterricht tragen müssten. Es ist weder mit ihrem diesbezüglichen, nicht weiter substantiierten Vortrag dargelegt noch sonst erkennbar, dass die Verwendung der genannten Bedeckung, die im Rahmen der oben zitierten Ausnahmebestimmungen über einen Schultag verteilt auch immer wieder abgesetzt werden kann, bei sachgemäßem Gebrauch ernsthafte Gesundheitsrisiken für gesunde Normadressaten begründen könnte. Hygienische Bedenken, die sich aus der Nutzung der eigenen Mund-Nasen-Bedeckung ergeben können, dürfte jeder Träger selbst hinreichend beeinflussen können21. Soweit es Normadressaten im Einzelfall, etwa aufgrund krankheitsbedingter Vorbelastungen der Atemwege, aus medizinischen Gründen unzumutbar ist, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, sind sie bereits tatbestandlich aus dem Anwendungsbereich des § 6a Nr. 1 CoronaVO Schule ausgenommen (vgl. erneut § 1 Abs. 3 Satz 1 CoronaVO Schule i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO).

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Ein verfassungswidriger Eingriff in das grundrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Schüler (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) liegt aller Voraussicht nach nicht vor.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt insbesondere das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen über die Darstellung des persönlichen Lebens- und Charakterbildes22. Der Einzelne soll selbst darüber befinden dürfen, wie er sich gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit darstellen will und was seinen sozialen Geltungsanspruch ausmachen soll23. In diesen Schutzbereich greift der Antragsgegner mit § 6a Nr. 1 CoronaVO ein. Denn den Schülern wird damit vorgegeben, im Schulunterricht ihr Gesicht teilweise hinter einer Maske zu verbergen. Damit wird ihre als Ausdruck ihrer persönlichen Identität zu respektierende Entscheidung, ihr Gesicht in der Öffentlichkeit nicht zu verhüllen, beeinträchtigt24. Dieser Eingriff ist aber aus den oben zum Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit genannten, insoweit entsprechend geltenden Gründen verfassungsrechtlich gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig.

Gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt § 6a Nr. 1 CoronaVO Schule aller Voraussicht nach ebenfalls nicht. Insbesondere verletzt diese Vorschrift den allgemeinen Gleichheitssatz nicht dadurch, dass sie Landkreise, in denen die Anzahl der Neuinfektionen in den jeweils vergangenen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner die Zahl von 35 überschritten hat, mit solchen gleichbehandelt, in denen diese Grenze (noch) nicht überschritten wurde, indem sie auf den landesweiten Durchschnitt abstellt und bei einer Überschreitung für alle Stadt- und Landkreise eine grundsätzliche Maskenpflicht im Unterricht in den von ihr erfassten Schulen anordnet.

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt“25. Weiterhin ist der allgemeine Gleichheitssatz auch dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen26. Die Regelungen der Landesregierung haben sich dabei an den Zwecken der Verordnungsermächtigung nach § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG auszurichten, wenn sie Gleich- oder Ungleichbehandlungen vornehmen27.

Von diesen Maßstäben ausgehend, begründet § 6a Nr. 1 CoronaVO Schule voraussichtlich keine verfassungswidrige Gleichbehandlung. Es bedarf keiner Entscheidung, ob es bei dem derzeitigen Stand und vor allem der aktuellen Geschwindigkeit des Infektionsgeschehens gegenwärtig noch vertretbar wäre, Landkreise, deren 7-Tages-Inzidenz unter dem Schwellenwert von 35 Fällen liegt, und solche, bei denen dies nicht mehr der Fall ist, als „wesentlich“ ungleich einzuordnen, obwohl die Anzahl der Landkreise mit einer erhöhten 7-Tages-Inzidenz, zurzeit, wie gezeigt, schnell ansteigt28 und sich Infektionsgeschehen auf dem Gebiet einzelner Kommunalkörperschaften in kürzester Zeit ausbreiten können. Jedenfalls ist die Gleichbehandlung der von den Schülern vergleichend gegenübergestellten Stadt- und Landkreise verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Diese Gleichbehandlung beruht auf vernünftigen und sachlich einleuchtenden Gründen. Die von den Schülern befürwortete, an Stadt- oder Landkreisgrenzen orientierte Betrachtung würde dem tatsächlichen Infektionsgeschehen, das sich nicht nach solchen Grenzen richtet, ersichtlich nicht gerecht. Die dem aktuellen Anstieg der Infektionszahlen zugrundeliegende Entwicklung hat gezeigt, dass sich Infektionen inzwischen vielfach diffus ausbreiten und Stadt- und Kreisgrenzen in teils kürzester Zeit überschreiten. Eine auf solche Grenzen blickende Betrachtung würde zudem nicht ausreichend in den Blick nehmen, dass Schüler und Lehrer solche Grenzen in vielen Fällen täglich überschreiten. Vor diesem Hintergrund hat der Antragsgegner den im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG bestehenden Rahmen für typisierende Betrachtungsweisen bei der Schaffung von § 6a Nr. 1 CoronaVO Schule nicht überschritten.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in Bezug auf § 6a Nr. 1 CoronaVO Schule auch nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO geboten.

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Dies folgt bereits daraus, dass ein Normenkontrollantrag, wie gezeigt, voraussichtlich unbegründet ist. In einem solchen Fall ist – wie oben dargelegt – der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Unbeschadet dessen ist eine erhebliche, die von dem Antragsgegner vorgebrachten Interessen des Schutzes von Leib und Leben überwiegende Beeinträchtigung der Belange der Schüler nicht ersichtlich. Die bestehenden Einschränkungen sind ihnen im Rahmen der gebotenen Abwägung gegenwärtig zumutbar.

Verwaltungsgerichtshof Baden -Württemberg, Beschluss vom 22. Oktober 2020 – 1 S 3201/20

  1. BVerwG, Beschluss vom 25.02.2015 – 4 VR 5.14, ZfBR 2015, 381; Beschluss vom 16.09.2015 – 4 VR 2/15, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 09.08.2016 – 5 S 437/16, m.w.N.; Beschluss vom 13.03.2017 – 6 S 309/17 []
  2. BVerwG, Beschluss vom 18.05.1998 – 4 VR 2/98, NVwZ 1998, 1065[]
  3. ebenso für die heute im Kern in § 3 Abs. 1 Nr. 1 CoronaVO enthaltenen Bestimmungen zur Maskenpflicht im öffentlichen Personenverkehr: VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom vom 25.06.2020 – 1 S 1739/20; vom 13.05.2020 – 1 S 1314/20; und vom 18.05.2020 – 1 S 1417/20; für verordnungsrechtliche Bestimmungen zur Maskenpflicht im Schulunterricht im Ergebnis auch für das jeweilige dortige Landesrecht: BayVGH, Beschluss vom 08.09.2020 – 20 NE 20.199 – und v. 07.09.2020 – 20 NE 20.1981; OVG Schl.-Holst., Beschluss vom 28.08.2020 – 3 MR 37/20; OVG NRW, Beschluss vom 27.08.2020 – 13 B 1220/20.NE – und v.20.08.2020 – 13 B 1197/20.NE[]
  4. vgl. dementsprechend die Begründung der Corona-Verordnung der Landesregierung zu § 15 [„zusätzlich (…) davon abweichende Regelungen“] und zu § 16 [„über die allgemeinen Regelungen in Teil 1 hinausgehende bereichsspezielle Vorgaben“][]
  5. im Ergebnis ebenso zum dortigen Landesrecht BayVGH, Beschluss vom 08.09.2020, a.a.O.; s. zu den Anforderungen vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.03.1989 – 1 BvR 1033/82 u.a., BVerfGE 80, 1, 20; Beschluss vom 21.04.2015 – 2 BvR 1322/12 u.a., BVerfGE 139, 19; ausf. ebenfalls Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 09.04.2020 – 1 S 925/20 – m.w.N.[]
  6. vgl. zu einem verordnungsrechtlichen Verbot von Ansammlungen und allen Zusammenkünften von Menschen, die eine Verbreitung von Krankheitserregern begünstigen, ausf.: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.04.2020, a.a.O.[]
  7. vgl. ausf. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.04.2020 – 1 S 925/20; Beschluss vom 23.04.2020 – 1 S 1003/20; je m.w.N.[]
  8. vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.01.1991 – 2 BvR 550/90 – NJW 1991, 1477; BVerwG, Urteil vom 02.03.2006 – 2 C 3.05, BVerwGE 125, 85 m.w.N.[]
  9. vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.04.2020, a.a.O., und v. 09.04.2020, a.a.O.[]
  10. st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.06.1984 – 1 BvR 1494/78, BVerfGE 67, 157, 173 ff.; Beschluss vom 09.03.1994 – 2 BvL 43/92 u.a., BVerfGE 90, 145, 172 f.; je m.w.N.[]
  11. vgl. insoweit bereits VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.09.2020 – 1 S 2831/10 []
  12. a.a.O.[]
  13. a.a.O., m.w.N.[]
  14. a.a.O., m.w.N.: „As a countermeasure, strict ventilation of classrooms, not only between lessons but also within, should be implemented […]. Additionally, face masks should be used in schools, both, inside and outside of classrooms. Based on our current study findings, we anticipate that transmission rates in schools and childcare facilities would remain low under such interventions […].“[]
  15. vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.06.1984, a.a.O., und v. 09.03.1994, a.a.O., jeweils m.w.N.[]
  16. vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.09.2020, a.a.O.[]
  17. vgl. zur Lage im April 2020 bereits VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.04.2020 – 1 S 925/20, v. 28.04.2020 – 1 S 1068/20, und v. 30.04.2020 – 1 S 1101/20, je m.w.N.[]
  18. vgl. RKI, Lagebericht vom 21.10.2020[]
  19. s. dazu bereits VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.09.2020, a.a.O.[]
  20. vgl. näher dazu zum Stand September 2020: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.09.2020, a.a.O.[]
  21. vgl. insoweit NdsOVG, Beschluss vom 05.05.2020, a.a.O.[]
  22. BVerfG, Beschluss vom 14.01.2020 – 2 BvR 1333/17 – NJW 2020, 1049[]
  23. BVerfG, Beschluss vom 14.01.2020, a.a.O., und v. 03.11.1999 – 2 BvR 2039/99 – NJW 2000, 1399[]
  24. vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.01.2020, a.a.O., zum Tragen eines Kopftuchs[]
  25. vgl. stRspr; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 05.10.1993 – 1 BvL 34/81, BVerfGE 89, 132 <141>[]
  26. BVerfG, Beschluss vom 18.07.2005 – 2 BvF 2/02, BVerfGE 113, 167 m.w.N.[]
  27. vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.04.2020, a.a.O.; Beschluss vom 20.05.2020 – 1 S 1442/20[]
  28. vgl. erneut RKI, Lagebericht vom 21.10.2020[]

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