Mehrere Vorbauten im Sinne des § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO vor der Außenwand eines Gebäudes sind nach dieser Vorschrift nur dann abstandsflächenrechtlich privilegiert, wenn sie sich in ihrer Gesamtheit unterordnen und das Erscheinungsbild der Außenwand weiterhin dominiert.

Nach § 5 Abs. 6 Nr 2 LBO Baden-Württemberg bleiben bei der Bemessung der Abstandsfläche Vorbauten wie Wände, Erker, Balkone, Tür- und Fenstervorbauten, wenn sie nicht breiter als 5 m sind, nicht mehr als 1, 5 m vortreten und von Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben, außer Betracht. Vorbauten im Sinne dieser Vorschrift müssen nicht oberhalb der Erdoberfläche oder unterhalb des Daches enden. Sie müssen aber dem hinter ihnen liegenden Gebäude zu- und untergeordnet sein. Ein vor die Außenwand gesetzter Bauteil fällt danach jedenfalls im Grundsatz nur dann unter diesen Begriff, wenn er diese Wand nicht überragt [1]. Er muss sich für den objektiven Betrachter noch als vorgebauter Annex und nicht bereits als angebauter Teil des Hauptgebäudes darstellen [2]. Mehrere Vorbauten im Sinne des § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO vor der Außenwand eines Gebäudes sind nach dieser Vorschrift nur dann abstandsflächenrechtlich privilegiert, wenn sie sich in ihrer Gesamtheit unterordnen und das Erscheinungsbild der Außenwand weiterhin dominiert [3].
Die beiden Vorbauten – im hier entschiedenen Fall ein erkergleicher, sich über Unter- und Erdgeschoss erstreckenden Vorbau und den auf ihm im Dachgeschoss vorgesehenen Balkon – nach den obigen Maßstäben zunächst getrennt voneinander zu betrachten und zu bewerten.
Der erkerähnliche Vorbau ist ein untergeordneter Vorbau im Sinne von § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO. Er hält – wie die Beschwerde einräumt – die von § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO vorgeschriebenen Außenmaße ein und ragt selbst auch nicht über die Außenwand in die Giebelfläche des Bauvorhabens hinein. Weiter erstreckt sich auf deutlich weniger als ein Drittel der Länge der Außenwand und ist mithin im Verhältnis zu ihr untergeordnet.
Der auf dem erkerähnlichen Vorbau vorgesehene, im Dachgeschoss teilweise in die Giebelfläche des geplanten Gebäudes hineinragende Balkon ist eigenständig an § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO zu messen. Denn er wäre ohne den erkerähnlichen Vorbau konstruierbar, da er ihn nicht als Fundament benötigt. Es handelt sich damit um einen eigenständigen Vorbau, der als Balkon ebenfalls nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO privilegiert ist. Er ist nämlich für sich betrachtet erkennbar der Außenwand untergeordnet.
Die Gesamtheit der vor der Außenwand befindlichen Vorbauten – Erker und Balkon – erweist sich ebenfalls als untergeordnet und im Umkehrschluss die Außenwand weiterhin als optisch dominierend. Dafür ist im Wesentlichen die Ausdehnung in der Länge von deutlich weniger als einem Drittel der Außenwand und ergänzend ausschlaggebend, dass die Außenwand und die Giebelfläche hinter dem Balkon weiterhin sichtbar bleiben und nicht etwa vollständig verdeckt werden.
Verwaltungsgerichtshof Baden ‑Württemberg, Beschluss vom 9. Juli 2014 – 8 S 827/14
- VGH, Beschluss vom 04.07.2003 – 8 S 1251/03 9[↩]
- VGH, Urteil vom 15.04.2008 – 8 S 12/07 – VBlBW 2009, 184[↩]
- vgl. Sauter, LBO, 3. Aufl., Stand: März 2010, § 5 Rn. 99 zur vertikalen Verteilung von Vorbauten einer Außenwand[↩]