Die Anforderungen an das Vorliegen eines die Umbettung vor Ablauf der in § 14 Satz 1 BestattG bestimmten Mindestruhezeit ausnahmsweise gestattenden wichtigen Grundes sind in Abhängigkeit von dem mit der Ruhezeit verfolgten Zweck zu bestimmen.

Die Mindestruhezeit soll bei Erdbestattungen eine ausreichende Verwesung der Leiche gewährleisten und sowohl bei der Erd- als auch bei der Feuerbestattung eine angemessene Totenehrung ermöglichen [1].
Letztgenannter Zweck dient nicht nur der Achtung der kollektiven Ehrfurcht vor dem Tod und der Achtung des sittlichen Empfindens der Allgemeinheit (vgl. § 1 BestattG), sondern maßgeblich auch dem – durch das individuelle postmortale Persönlichkeitsrecht und die Menschenwürde des Verstorbenen verfassungsrechtlich geforderten – Schutz der Totenruhe [2].
Ein Grund ist daher nur dann „wichtig“, wenn das ihn tragende Interesse den Schutz der Totenruhe überwiegt [3]. Dies kann angesichts der dargestellten verfassungsrechtlichen Verortung des Schutzes der Totenruhe nur in Ausnahmefällen angenommen werden [4], etwa wenn die Umbettung die Würde des Verstorbenen besser wahrt und seinem Willen besser Rechnung trägt [5], sei es, dass der Verstorbene zu Lebzeiten sein ausdrückliches Einverständnis mit der Umbettung erklärt hat oder zumindest Tatsachen und Umstände gegeben sind, aus denen ein dahingehender Wille des Verstorbenen mit hinreichender Sicherheit gefolgert werden kann [6], wenn der Ehepartner des Verstorbenen wünscht, in der gleichen Grabstelle beigesetzt zu werden [7], und dieser Wunsch nur durch eine Umbettung des Verstorbenen realisiert werden kann [8] oder wenn den Angehörigen des Verstorbenen aufgrund zwingender persönlicher und auf einer atypischen, völlig unerwarteten Entwicklung ihrer Lebensumstände beruhenden und nicht zum allgemeinen Lebensrisiko jedes Angehörigen eines Verstorbenen gehörenden Umstände die Totenfürsorge in unzumutbarer Weise erschwert oder gar unmöglich gemacht wird [9].
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 12. August 2014 – 8 LA 71/14
- vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom 06.07.2012 – 8 LA 111/11; vom 09.06.2010 – 8 ME 125/10; Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und FDP, Gesetz über das Leichen, Bestattungs- und Friedhofswesen, LT-Drs. 15/1150, S. 18; Barthel, Bestattungsgesetz Niedersachsen, 2. Aufl., § 14 Anm. 1; Horn, Niedersächsisches Bestattungsgesetz, § 14 Anm. 2[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 5.04.2001 – 1 BvR 932/94, NJW 2001, 2957, 2958 f.; BVerwG, Urteil vom 26.06.1974 – BVerwG VII C 36.72, BVerwGE 45, 224, 230; Nds. OVG, Beschl. v. 15.11.2006 – 8 LA 128/06, NdsVBl.2007, 108; OVG Brandenburg, Beschluss vom 25.09.2002 – 1 A 196/00.Z 3; OVG NRW, Beschluss vom 10.11.1998 – 19 A 1320/98, NVwZ 2000, 217, 218; Hess. VGH, Urteil vom 7.09.1993 – 11 UE 1118/92, NVwZ-RR 1994, 335, 339 jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. OVG Brandenburg, Beschluss vom 25.09.2002, a.a.O.[↩]
- vgl. OVG, Beschl. v.06.07.2012, a.a.O.; OVG NRW, Beschluss vom 28.11.1991 – 19 A 1925/90, NWVBl.1992, 261, 262 m.w.N.[↩]
- vgl. OVG NRW, Urteil vom 29.04.2008 – 19 A 2896/07, NWVBl.2008, 471[↩]
- vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und FDP, a.a.O., S.19 (zu § 13); BGH, Urteil vom 26.02.1992 – XII ZR 58/91 9; Urteil vom 26.10.1977 – IV ZR 151/76, MDR 1978, 299; OVG NRW, Urteil vom 12.12.2012 – 19 A 2207/11 47 f.; Beschluss vom 28.11.1991, a.a.O.; OVG Brandenburg, Beschluss vom 25.09.2002, a.a.O., Rn. 4[↩]
- vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und FDP, a.a.O., S.19 ((zu § 13[↩]
- vgl. RG, Urteil vom 5.07.1923 – IV 1308/22, RGZ 108, 217, 220; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4.10.1994 – 7 A 11102/94, NVwZ 1995, 510, 512[↩]
- vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.07.2009 – 19 A 957/09, NVwZ-RR 2010, 281, 282 f.; VG Stade, Urteil vom 3.09.2008 – 1 A 1560/07 15[↩]