Neuregelung zur Quarantäne für Reiserückkehrer

Die Neuregelung zur Quarantäne für Reiserückkehrer aus bestimmten europäischen Länder in § 5 Abs. 1 der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus ist voraussichtlich rechtmäßig.

Neuregelung zur Quarantäne für Reiserückkehrer

So hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in dem hier vorliegenden Fall eines Antrags auf einstweilige Außervollzugsetzung der Neuregelung zur Quarantäne für Reiserückkehrer aus bestimmten europäischen Ländern in § 5 Abs. 1 der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus in der Fassung vom 22. Mai 20201 abgelehnt.

Nach der vorausgegangene Regelung in § 5 der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 war die pauschale Anordnung einer 14-tägigen Quarantäne für nach Deutschland Rückreisende aus aller Welt ohne Befreiungsmöglichkeit vorgesehen. Vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht wurde diese Regelung als rechtswidrig erachtet, weil nicht bei allen Rückkehrern unterschiedslos ein hinreichender Ansteckungsverdacht anzunehmen sei. Mit Beschluss vom 11. Mai 2020 hat das Oberverwaltungsgericht sie einstweilig außer Vollzug gesetzt2.

Auf diese einstweilige Außervollzugsetzung hat das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung nach Abstimmung mit dem Bund und den anderen Ländern mit der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 22. Mai 2020 reagiert. Durch diese Änderungsverordnung wurde die Regelung zur Quarantäne für Reiserückkehrer vollständig neu gefasst. § 5 der Verordnung unterscheidet nun danach, ob eine Person aus einem bestimmten europäischen oder aus einem anderen Land einreist. Für Personen, die aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, Island, dem Fürstentum Liechtenstein, Norwegen, der Schweiz oder dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland nach Niedersachsen oder zunächst in ein anderes Land der Bundesrepublik Deutschland und dann nach Niedersachsen einreisen (§ 5 Abs. 1 der Verordnung), wurde eine Pflicht zur Absonderung (Quarantäne, § 5 Abs. 2 der Verordnung), eine Pflicht zur Meldung gegenüber der zuständigen Behörde (§ 5 Abs. 3 der Verordnung) und eine Beobachtung durch die zuständige Behörde (§ 5 Abs. 4 der Verordnung) nur für den Fall angeordnet, dass nach einer Veröffentlichung des Robert Koch-Instituts (RKI) nach den statistischen Auswertungen und Veröffentlichungen des European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) in dem betreffenden Staat der Ausreise eine Neuinfiziertenzahl im Verhältnis zur Bevölkerung von mehr als 50 Fällen pro 100.000 Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen besteht. Für Personen, die nicht aus einem der genannten europäischen Länder einreisen, wird demgegenüber grundsätzlich eine 14-tägige Quarantäne angeordnet, es sei denn, dass für den betreffenden Staat das Robert Koch-Institut aufgrund belastbarer epidemiologischer Erkenntnisse festgestellt hat, dass das dortige Infektionsgeschehen eine Ansteckungsgefahr für die einzelne Person als gering erscheinen lässt (§ 5 Abs. 5 der Verordnung). Für alle Personen sieht die Neuregelung zudem eine Befreiungsmöglichkeit auf Antrag in begründeten Einzelfällen vor (§ 5 Abs. 11 der Verordnung).

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aufgrund des vom Antragsteller gestellten Antrags war Gegenstand des nun entschiedenen Normenkontrolleilverfahrens ausschließlich die Neuregelung zur Quarantäne für Reiserückkehrer aus bestimmten europäischen Ländern in § 5 Abs. 1 der Verordnung. Diese Neuregelung hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht nach summarischer Prüfung für rechtmäßig erachtet. Der Grenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb von 7 Tagen markiere die Grenze, bis zu der die öffentliche Gesundheitsverwaltung in Deutschland zu einer Rückverfolgung der Infektionsketten maximal in der Lage sei und so das wichtige und unverändert legitime Ziel der Verhinderung der weiteren Ausbreitung durch Fallfindung mit Absonderung von Erkrankten und engen Kontaktpersonen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko noch erreicht werden könne. Mit Überschreitung dieses Grenzwerts bestehe die ernsthafte Gefahr, dass die Gesundheitsverwaltung aufgrund der schieren Anzahl der Neuinfektionen (für Deutschland mit seinen ca. 83 Mio. Einwohnern wären dies mehr als 41.500 Neuinfektionen innerhalb von 7 Tagen) die Fähigkeit verliere, das Infektionsgeschehen ohne weitere einschneidende Maßnahmen unter Kontrolle zu halten. In Abgrenzung zur insoweit nur wenig aussagekräftigen Gesamtzahl aller jemals Infizierten ergebe sich aus diesem Wert von Neuinfektionen innerhalb kurzer Zeit aus Sicht des Senats ein entscheidender Hinweis auf eine signifikante Dynamik eines Infektionsgeschehens. Die Übertragung dieses Grenzwerts für die Rückverfolgung und Fallfindung in Deutschland auf die Situation in anderen europäischen Ländern sei zwar nicht zwingend; im Sinne einer notwendigerweise typisierenden Betrachtungsweise in einer Rechtsverordnung dürfte sie aber durchaus zulässig sein. Die vom RKI nach den statistischen Auswertungen und Veröffentlichungen des ECDC zu veröffentlichende Feststellung einer Überschreitung des Grenzwerts beruhe zudem auf hinreichend konkret nachvollziehbaren und belastbaren tatsächlichen Grundlagen. Dies könne es letztlich rechtfertigen, ein derartiges Land als Risikogebiet anzusehen und einen aus einem solchen Land Einreisenden unter Anlegung des gebotenen „flexiblen“ Maßstabs für die hinreichende (einfache) Wahrscheinlichkeit als ansteckungsverdächtig im Sinne des § 30 des Infektionsschutzgesetzes zu betrachten.

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Aus diesen Gründen ist der Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung der Neuregelung zur Quarantäne für Reiserückkehrer aus bestimmten europäischen Ländern abgelehnt worden.

Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 5. Juni 2020 – 13 MN 195/20

  1. Nds. GVBl. 134[]
  2. Nieders. OVG, Beschluss vom 11.05.2020 – 13 MN 143/20[]

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