Auch im Versammlungsrecht gilt eigentlich: Wer zu spät kommt, muss sehen wo er bleibt, die Versammlungsstätte erhält im Regelfall derjenige, der als erster anmeldet. Dass dieses Erstanmelderprivileg jedoch im konkreten Einzelfall auch einmal zurück stecken muss, zeigt ein aktueller Fall aus Thüringen:

Dort hat das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Gera Tag bestätigt, durch den die Stadt Gera verpflichtet worden ist, der NPD (Kreisverband Gera) den Versammlungsort „Spielwiese“ für eine von ihr geplante Veranstaltung bereits am Vortag ab 15.00 Uhr zur Verfügung zu stellen.
Die Stadt hatte gegenüber der NPD für die von deren Kreisverband Gera angemeldete Kundgebung mit dem Thema „Nie wieder Kommunismus – Freiheit für Deutschland“ am 3. August 2011 verfügt, dass der Versammlungsort „Spielwiese“ erst am Versammlungstage ab 8.00 Uhr zur Verfügung stehe. Zur Begründung hatte die Stadt dar auf verwiesen, dass für den von der NPD jetzt gewünschten Zeitraum für den Aufbau (Zäune, Bühne etc.) bereits die Anmeldung einer anderen Veranstaltung vorliege. Anmelder dieser anderen Veranstalter ist das „Bündnis gegen Rechts“, das am Vortag der NPD-Veranstaltung nach einem Demonstrationszug Tag ab 18.00 Uhr eine Abschlusskundgebung auf der „Spielwiese“ durchführen wollte.
Die NPD hat gegen diese versammlungsrechtliche Auflage Widerspruch erhoben und beim Verwaltungsgericht Gera vorläufigen Rechtsschutz begeht. Das Verwaltungsgericht hat daraufhin die Stadt verpflichtet, der NPD bereits heute die „Spielwiese“ für die Aufbauarbeiten zur Verfügung zu stellen1. Die NPD müsse, so das Verwaltungsgericht Gera in seinen Entscheidungsgründen, zur Verwirklichung der von ihr angestrebten Versammlungszwecks in erheblichem Umfang Vorbereitungsmaßnahmen treffen. Bei einer Übergabe des Versammlungsgeländes erst am Veranstaltungstag sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass es sowohl im Zuge der für diesen Tag geplanten Gegenveranstaltungen als auch im Nachgang zu der vom Bündnis gegen Rechts für den Vortag auf der „Spielwiese“ geplanten Abschlusskundgebung zu Blockadeaktionen erheblichen Umfangs kommen werde und die NPD somit endgültig an der Verwirklichung ihres durch das Versammlungsgrundrecht (Art. 8 GG) geschützten Vorhabens gehindert wäre. Angesichts dieser Gefahrenlage begegne es keinen Bedenken, wenn das „Bündnis gegen Rechts“ darauf verwiesen werde, seine geplante Abschlusskundgebung am Vortag an anderem anderen Ort in unmittelbarer Nähe der „Spielwiese“ durchzuführen. Es könne sich demgegenüber auch nicht auf das sog. „Erstanmelderprivileg“ berufen, da es ihm nicht nur um friedlichen Protest, sondern auch darum gehe, die Veranstaltung der NPD mit den Mitteln der Blockade zu unterbinden. Das „Bündnis gegen Rechts“ müsse es hinnehmen, wenn seine Blockadeaufrufe zum Anlass beschränkender Verfügungen gemacht würden. Diese Beschränkungen wögen weniger schwer als das naheliegende Risiko der NPD, ihre seit langem geplante Veranstaltung wegen Blockadeaktionen Dritter nicht mehr durchführen zu können.
Die hiergegen eingelegten Beschwerden der Stadt Gera und des „Bündnisses gegen Rechts“ hat das Thüringer Oberverwaltungsgericht nun zurückgewiesen. Er teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass im Falle einer Übergabe der „Spielwiese“ erst am Samstagmorgen die Durchführung der durch das Versammlungsgrundrecht geschützten Veranstaltung der NPD im Hinblick auf die große Zahl entsprechender Blockadeaufrufe zumindest gefährdet wäre. Dabei kommt es seiner Auffassung nach nicht darauf an, ob der Beigeladene selbst an derartigen Blockadeanrufen beteiligt war oder nicht. Dem sog. „Erstanmelderprivileg“ komme im vorliegenden Fall keine ausschlagge bende Bedeutung zu. Die NPD sei nur aufgrund der behördlichen Fehleinschätzung, dass die „Spielwiese“ wegen Bauarbeiten nicht zur Verfügung stehe, vorübergehend von diesem jetzt wieder gewünschten Veranstaltungsgelände abgerückt.
Thüringer Oberverwaltunqsqericht, Beschluss vom 5. August 2011 – 3 EO 522/11
- VG Gera. Beschluss vom 04.08.2011 – 1 E 662/11 Ge[↩]