Promotionszulassung trotz strafgerichtlicher Verurteilungen

Eine Universität kann die Zulassung zum Promotionsverfahren wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung des Antragstellers nur dann ablehnen, wenn die begangene Straftat eine wissenschaftsbezogene Verfehlung darstellt.

Promotionszulassung trotz strafgerichtlicher Verurteilungen

In dem jetzt vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall beantragte der Doktorand bei der beklagten Technischen Universität Bergakademie Freiberg die Eröffnung eines Promotionsverfahrens. Dem Antrag beigefügt war gemäß der Promotionsordnung der Universität ein polizeiliches Führungszeugnis, das keine Eintragung auswies. Tatsächlich war der Doktorand zu diesem Zeitpunkt wegen sexueller Nötigung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war. Die zuständige Staatsanwaltschaft hatte die Verurteilung bei Ausstellung des polizeilichen Führungszeugnisses dem Bundesamt für Justiz noch nicht mitgeteilt. Die beklagte Universität promovierte den Doktorand und verlieh ihm den Grad eines Dr.-Ing. Nachdem ihr die Verurteilung des Doktoranden bekannt geworden war, entzog sie ihm den verliehenen Doktorgrad: Der Doktorand habe über wesentliche Zulassungsvoraussetzungen getäuscht, indem er die im polizeilichen Führungszeugnis fälschlich nicht eingetragene Vorstrafe nicht offengelegt habe.

Das Verwaltungsgericht Chemnitz hat die gegen den Entzug des Doktorgrades erhobene Klage abgewiesen1, das Sächsische Oberverwaltungsgericht Bautzen die Berufung des Doktoranden zurückgewiesen2. Auf die Revision des Doktoranden hat das Bundesverwaltungsgericht nun jedoch seiner Klage stattgegeben und die Entscheidung der beklagten Universität über den Entzug des Doktorgrades aufgehoben:

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Nach der hier einschlägigen Bestimmung der Promotionsordnung ist dem Promotionsantrag ein polizeiliches Führungszeugnis beizufügen. Damit behält sich die beklagte Universität vor, eine Zulassung zur Promotion abzulehnen, wenn der Antragsteller strafgerichtlich verurteilt ist, ohne jedoch die Fälle näher einzugrenzen, in denen eine strafgerichtliche Verurteilung eine Zulassung zur Promotion ausschließen soll. Eine derart weitgefasste Regelung verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Eine strafgerichtliche Verurteilung kann als Grund, die Zulassung zur Promotion zu versagen, nur dann legitimer Weise herangezogen werden, wenn die Universität dadurch die Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesses sichern will. Das ist nur dort der Fall, wo die strafrechtlichen Verfehlungen einen unmittelbaren Bezug zu der mit dem Doktorgrad verbundenen fachlich-wissenschaftlichen Qualifikation haben. Danach war die hier in Rede stehende Bestimmung nicht anwendbar und konnte nicht dazu herangezogen werden, dem Doktorand die Zulassung zur Promotion zu versagen. Die vom Doktorand verübte Täuschung über seine strafrechtliche Unbescholtenheit konnte nicht ursächlich für die Verleihung des Doktorgrades werden. Deshalb konnte ihm der Doktorgrad nicht wegen dieser Täuschung entzogen werden.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30. September 2015 – 6 C 45.2014 –

  1. VG Chemnitz, Urteil vom 14.03.2012 – 2 K 422/09[]
  2. Sächs. OVG, Urteil vom 28.01.2014 – 2 A 315/12[]