Grundsätzlich ist eine Stiftung nach § 5 Abs. 2 HmbStiftG verpflichtet, der Aufsichtsbehörde eine Jahresrechnung oder einen Prüfbericht innerhalb von sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres vorzulegen. Die für Stiftungen, die durch eine oder mehrere natürliche Personen errichtet wurden, nach § 5 Abs. 3 Satz 1 HmbStiftG geltende Ausnahme (sog. Stifterprivileg), besteht nur zu Lebzeiten aller Stifter.

Rechtsgrundlage für die der Stiftung von der Hamburgischen Stiftungsaufsicht auferlegten Verpflichtung, beginnend mit dem Jahr 2011 eine Jahresrechnung mit einer Vermögensübersicht und einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks vorzulegen, bilden §§ 6 Abs. 2 Satz 1, Abs. 2 Satz 5, 5 Abs. 2 Satz 1 Hamburgisches Stiftungsgesetz1 (HmbStiftG). Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 HmbStiftG, der gemäß § 6 Abs. 2 Satz 5 HmbStiftG vorliegend entsprechend anwendbar ist, kann die zuständige Aufsichtsbehörde verlangen, dass eine rechtlich gebotene Maßnahme durchgeführt wird.
In dem hier vom Verwaltungsgericht Hamburg entschiedenen Fall hat die Stiftung zwar eine rechtlich gebotene Maßnahme unterlassen, denn sie ist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 HmbStiftG verpflichtet, der zuständigen Aufsichtsbehörde2 innerhalb von sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres die Jahresrechnung nach § 4 Abs. 4 HmbStiftG oder den Prüfbericht eines Buchprüfers oder einer anderen fachlich geeigneten Person vorzulegen. Die in den angegriffenen Bescheiden getroffene Anordnung zur Vorlage einer Jahresrechnung mit einer Vermögensübersicht und einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks ist jedoch im vorliegenden Fall rechtswidrig, weil die Stiftungsaufsicht das ihr in § 6 Abs. 2 Satz 1 HmbStiftG eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt hat.
Pflicht zur Vorlage der Jahresrechnung
Grundsätzlich ist eine Stiftung nach § 5 Abs. 2 HmbStiftG verpflichtet, der Stiftungsaufsicht die Jahresrechnung oder einen Prüfbericht innerhalb von sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres vorzulegen. Durch diese Regelung wird gewährleistet, dass die Stiftungsbehörde kontrollieren kann, ob der aus der Stiftungssatzung erkennbare Stifterwille ausreichend beachtet wird. Nach der gesetzlichen Regelung des § 5 Abs. 3 HmbStiftG besteht diese Verpflichtung nur in zwei Fällen nicht. Zum einen kann sie in der Stiftungssatzung generell abbedungen werden (§ 5 Abs. 3 Satz 2 HmbStiftG). Von dieser Möglichkeit wurde in der Satzung der Klägerin kein Gebrauch gemacht. Zum anderen besteht in den Fällen, in denen eine Stiftung durch eine natürliche Person errichtet wurde, die Verpflichtung nicht, solange der Stifter lebt (sog. Stifterprivileg), es sei denn, er wünscht es ausdrücklich (§ 5 Abs. 3 Satz 1 HmbStiftG).
Im hier vom Verwaltungsgericht Hamburg entschiedenen Fall kann kann sich die Stiftung auf das Stifterprivileg des § 5 Abs. 3 Satz 1 HmbStiftG nicht (mehr) berufen. Zwar wurde sie durch eine natürliche Person im Sinne dieser Vorschrift, die Eheleute C., errichtet. Jedoch entfiel das Stifterprivileg mit dem Tod der Stifterin A. C. … 2011, denn es besteht nur zu Lebzeiten aller Stifter.
Das Hamburgische Stiftungsgesetz nennt nach seinem Wortlaut ausschließlich „den Stifter“, ohne eine Unterscheidung danach zu treffen, ob eine Stiftung von einer oder von mehreren Personen errichtet wurde (vgl. z.B. § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 HmbStiftG, § 7 Abs. 3 Satz 2 HmbStiftG, § 7 Abs. 4 Satz 2 HmbStiftG). Es bezeichnet eine Personenmehrheit ebenfalls als „der Stifter“. Dementsprechend geht das Gesetz auch in § 5 Abs. 3 Satz 1 HmbStiftG von der Errichtung der Stiftung durch eine natürliche Person aus, ohne die mögliche und übliche Errichtung einer Stiftung durch mehrere natürliche Personen ausdrücklich zu erwähnen. Der gesetzgeberischen Begründung3 lässt sich entnehmen, dass das Stifterprivileg des § 5 Abs. 3 Satz 1 HmbStiftG entfallen soll, sobald einer von mehreren Stiftern stirbt. In der Einzelbegründung zu § 5 Abs. 3 HmbStiftG4 heißt es:
„…Für Stiftungen, die von mehreren Stiftern gegründet werden, wird an der bisherigen Rechtslage nichts geändert: Sofern mindestens einer der Stifter eine juristische Person ist, gilt das Stifterprivileg des Satzes 1 nicht; handelt es sich bei den Stiftern ausschließlich um natürliche Personen, so entfällt das Stifterprivileg nach Satz 1, sobald einer der Stifter verstirbt. …“
Mit der Regelung, die Vorlage einer Jahresrechnung bei durch natürliche Personen errichteten Stiftungen nur auf Wunsch des Stifters zu verlangen, wird den gesetzgeberischen Zielen Rechnung getragen, die Verwaltung zu entlasten sowie zu Lebzeiten des Stifters eine effektive Kontrolle der Stiftung durch ihn vornehmen zu lassen. Zu Lebzeiten des Stifters soll seinen Wünschen, die sich auch noch ändern können, Rechnung getragen werden. Hierbei ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass natürliche Personen als Stifter eine besondere Sachnähe zu „ihrer“ Stiftung haben5. Eine Stiftung dient der dauernden und nachhaltigen Verwirklichung des Stiftungszwecks nach Maßgabe des Stifterwillens. Nach dem Tod eines von mehreren Stiftern besteht der Stifterwille in seiner ursprünglichen Form nicht mehr. Unabhängig davon, ob der überlebende Stifter im Einzelfall in der Lage ist, den vermeintlichen Willen des verstorbenen Stifters sicher zu kennen, ist objektiv nur noch der Wille des überlebenden Stifters feststellbar. Da auf den tatsächlichen Willen „des Stifters“ im Sinne des Hamburgischen Stiftungsgesetzes nach dem Tod eines von mehreren Stiftern nicht mehr abgestellt werden kann, entspricht es dem zum Ausdruck gekommenem Gesetzeszeck in diesen Fällen das Stifterprivileg entfallen zu lassen. Es verbleibt dann bei der Grundregelung des § 5 Abs. 2 Satz 1 HmbStiftG.
Ermessen der Stiftungsaufsicht
Allerdings räumt der hier entsprechend anwendbare (§ 6 Abs. 2 Satz 5 HmbStiftG) § 6 Abs. 2 Satz 1 HmbStiftG, wonach die zuständige Aufsichtsbehörde verlangen kann, dass eine rechtlich gebotene Maßnahme durchgeführt wird, Ermessen ein und die Stiftungsaufsicht hat hiervon keinen Gebrauch gemacht.
Nach seinem eindeutigen Wortlaut ist § 6 HmbStiftG, der zu Maßnahmen der Stiftungsaufsicht berechtigt, als Ermessensnorm ausgestaltet. Die Einräumung eines Entscheidungsermessens entspricht dem gesetzgeberischen Zweck, einerseits der Aufsichtsbehörde eine ausreichende Kontrollmöglichkeit zur Verfügung zu stellen, andererseits den Stifterwillen vorrangig zu beachten und die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit der Stiftungsorgane zu gewährleisten6. Die zuständige Aufsichtsbehörde soll nach den gesetzgeberischen Vorgaben in die Lage versetzt werden, „… im Falle einer Fehlentwicklung angemessen zu reagieren. …“ Hierbei ist der „… sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit … zu beachten, ebenso derjenige der Subsidiarität staatlicher Aufsicht …“7.
Die Stiftungsaufsicht hat von dem ihr gesetzlich eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht. Die angefochtenen Bescheide enthalten keine Ausführungen zu einer Ermessensbetätigung. In dem Bescheid vom 31. Oktober 2011 wird die im Tenor unter Ziffern 1 bis 3 getroffene Anordnung mit der sich aus § 5 Abs. 2 HmbStiftG ergebenden Verpflichtung zur Abgabe einer Jahresrechnung begründet. Danach folgen Ausführungen dazu, dass nach dem Tod der Stifterin A. C. das Stifterprivileg entfallen ist. Weder die Begründung des Ausgangsbescheides der Stiftungsaufsicht vom 31. August 2011 noch die Gründe des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2012 lassen erkennen, dass die Stiftungsaufsicht Ermessenserwägungen hinsichtlich der von ihr getroffenen Anordnung angestellt hat.
Das Fehlen von Ermessenserwägungen hinsichtlich der getroffenen Anordnung führt zu einem Ermessensfehler im Sinne eines Ermessensnichtgebrauchs, weil die Vornahme von Ermessenserwägungen vorliegend nicht entbehrlich war. Zwar ergibt sich die Verpflichtung zur Vorlage der Jahresrechnung oder des Prüfungsberichts unmittelbar aus dem Gesetz (§ 5 Abs. 2 Satz 1 HmbStiftG), jedoch besteht für die Stiftungsaufsicht keine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend, dass sie im Falle einer bestehenden Verpflichtung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 HmbStiftG stets eine entsprechende Anordnung treffen müsste. Schon aus der Regelung des § 5 Abs. 2 HmbStiftG ergibt sich, dass die Aufsichtsbehörde nicht in allen Fällen verpflichtet ist, die Vorlage der Jahresrechnung oder des Prüfungsberichts innerhalb von sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres durchzusetzen. Denn das Gesetz selbst sieht in § 5 Abs. 2 Satz 3 HmbStiftG vor, dass auf Antrag die Vorlagefrist verlängert werden kann oder zugelassen werden kann, dass die Jahresrechnungen mehrerer Jahre zusammen vorgelegt werden. Hierdurch wird deutlich, dass die strikte Anordnung und Durchsetzung der gesetzlichen Verpflichtung aus § 5 Abs. 2 Satz 1 HmbStiftG gerade nicht vorgesehen ist. Einzelfallerwägungen, in die die Größe der Stiftung, ihr bisheriges (beanstandungsfreies) Auftreten sowie die innere Struktur einfließen, müssen vorgenommen und zum Ausdruck gebracht werden. Hierbei ist auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
Ein Verwaltungsakt, der wegen Nichtgebrauchs des Ermessens rechtswidrig ist, kann nicht geheilt werden (BVerwG, Beschl. v. 14.1.1999, NJW 1999, 2912 ff.; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 3. Aufl., § 114 Rn. 208).
Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 10. Juni 2013 – 2 K 123/12
- vom 14. Dezember 2005, HmbGVBl. 2005, S. 521, berichtigt: HmbGVBl. 2007 S. 202[↩]
- vgl. Anordnung zur Durchführung des Hamburgischen Stiftungsgesetzes v. 21.12.2004 i.d.F. v. 20.9.2011, Amtl. Anz. S. 2157, 2165[↩]
- Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft v. 21.12.2004, Drcks. 18/1513[↩]
- Drcks. 18/1513 S. 11[↩]
- vgl. zu allem: Drcks. 18/1513 S. 11[↩]
- vgl. hierzu die gesetzgeberische Begründung vom 21.12.2004, Drcks. 18/1513 S. 3, 9, 10[↩]
- vgl. Drcks. 18/1513 S. 12[↩]