Eine Rechtsbehelfsbelehrung, nach der im Einklang mit dem Wortlaut von § 81 Abs. 1 VwGO in der Fassung des Justizkommunikationsgesetzes vom 22.03.20051 die Klage schriftlich oder zur Niederschrift beim Verwaltungsgericht erhoben werden kann, ist nicht deshalb im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO unrichtig erteilt, weil sie nicht auf die Möglichkeit einer Übermittlung der Klage als elektronisches Dokument hinweist.
§ 55a Abs. 1 VwGO in der Fassung des Justizkommunikationsgesetzes vom 22.03.20051 schafft keine eigenständige elektronische Form der Klageerhebung. Die Übermittlung eines elektronischen Dokuments, die den Anforderungen von § 55a Abs. 1 VwGO entspricht, genügt vielmehr dem Schriftformerfordernis. Wird die Klageschrift gemäß § 55a Abs. 1 VwGO als elektronisches Dokument übermittelt, ist die Klage im Sinne von § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO schriftlich erhoben.
Ist -wie hier- ein Vorverfahren nicht erforderlich, so muss die Anfechtungsklage nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden. Nach § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Frist für einen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei eine Belehrung zum einen dann unrichtig erteilt, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend erforderlichen Angaben nicht enthält oder sie unrichtig wiedergibt. Zum anderen ist eine Rechtsbehelfsbelehrung, die über die in § 58 Abs. 1 VwGO geforderten Belehrungen hinaus weitere Angaben enthält, unrichtig, wenn es sich dabei um einen unrichtigen oder irreführenden Zusatz handelt, der geeignet ist, beim Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen2. Anders formuliert ist eine solche Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig, wenn sie einen unrichtigen oder irreführenden Zusatz enthält, der auf eine vom Gesetz in dieser Weise nicht gewollte Erschwerung der Rechtsbehelfseinlegung hinausläuft3.
Insoweit ist jedoch nicht zu beanstanden, dass nach der Rechtsbehelfsbelehrung die Klage „schriftlich oder zur Niederschrift“ erhoben werden kann. Auch insoweit handelt es sich um einen nach § 58 Abs. 1 VwGO nicht erforderlichen Zusatz, der weder unrichtig noch irreführend ist.
Die Belehrung darüber, dass die Klage „schriftlich oder zur Niederschrift“ erhoben werden kann, gehört nicht zu dem nach § 58 Abs. 1 VwGO notwendigen Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung. Denn es handelt sich dabei um eine Belehrung über die Form des Rechtsbehelfs, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach § 58 Abs. 1 VwGO nicht erforderlich ist, weil die danach gebotene Belehrung „über den Rechtsbehelf“ dessen Form nicht einschließt4.
Die somit zusätzlich erfolgten Angaben zur Form der Rechtsbehelfseinlegung sind auch nicht unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO. Sie entsprechen dem Wortlaut von § 81 Abs. 1 VwGO und sind auch unter Berücksichtigung der nach § 55a VwGO eröffneten Möglichkeit zur Einlegung eines Rechtsbehelfs auf elektronischem Weg inhaltlich objektiv zutreffend, weil auch die elektronische Klageerhebung von § 81 VwGO erfasst wird. Das Oberverwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass es sich bei der Übermittlung der Klageschrift als elektronisches Dokument nicht um eine eigene elektronische Form der Klageerhebung, sondern um eine schriftliche Klageerhebung handelt.
Ob die Belehrung über die Möglichkeit, „schriftlich oder zur Niederschrift“ Klage zu erheben, zutreffend ist, beurteilt sich nach § 81 Abs. 1 VwGO, der die Form der Klageerhebung regelt, und § 55a Abs. 1 VwGO, der Bestimmungen zur Übermittlung elektronischer Dokumente an das Gericht enthält. Zugrunde zu legen ist dabei die Rechtslage zum Zeitpunkt der Verwendung der Rechtsbehelfsbelehrung5. Einschlägig ist daher § 55a VwGO in der Fassung des Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG) vom 22.03.20051, die am 1.04.2005 in Kraft getreten ist und abgesehen von redaktionellen Änderungen durch Art. 11 Abs. 24 Nr. 1 des Gesetzes vom 18.07.20176, die hier nicht von Bedeutung sind, bis zum Inkrafttreten von § 55a VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.20137 am 1.01.2018 galt8 – künftig: § 55a VwGO a.F. -. Auch § 81 VwGO ist in der am 1.04.2005 in Kraft getretenen Fassung des Justizkommunikationsgesetzes vom 22.03.2005 anzuwenden, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 05.07.20179 am 1.01.2018 galt. In dieser Fassung des § 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist noch von „Niederschrift“ und nicht von „Protokoll“ die Rede.
Die Auslegung dieser Bestimmungen nach Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck und Entstehungsgeschichte zeigt, dass es sich auch bei der Übermittlung der Klageschrift als elektronisches Dokument um eine schriftliche Klageerhebung und nicht um eine eigenständige elektronische Form der Klageerhebung handelt. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist deshalb auch insoweit richtig.
Bereits der Wortlaut der §§ 81 und 55a VwGO a.F. spricht dafür, dass der Gesetzgeber die elektronische Übermittlung der Klageschrift als Unterfall der Schriftform angesehen hat.
Die Vorschrift des § 81 Abs. 1 VwGO kennt als Klageerhebungsformen lediglich die schriftliche Klageerhebung und die Klageerhebung zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, nicht jedoch zusätzlich eine Klageerhebung in elektronischer Form.
Der mögliche Wortsinn des Wortes „schriftlich“ schließt es dabei nicht aus, darunter auch die Übermittlung eines elektronischen Dokuments zu fassen. Der Begriff der Schriftlichkeit wird im Rahmen des § 81 VwGO nicht nur als Ausdruck für eine textliche „Verschriftlichung“ in Abgrenzung zum gesprochenen Wort verstanden. Neben diesem Aspekt, der dem Bedürfnis nach einem beweisbaren, nachträglich nicht mehr veränderbaren Inhalt der Erklärung Rechnung trägt, zielt die Schriftform im Sinne des § 81 VwGO insbesondere auf eine verlässliche Zurechenbarkeit dieser Erklärung. Nach dem Sprachgebrauch der Verwaltungsgerichtsordnung ist eine Klage nicht nur dann schriftlich erhoben, wenn sie der Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB entspricht, die Klageschrift also eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet worden ist. Dem Erfordernis der Schriftlichkeit der Klageerhebung nach § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann vielmehr auch ohne eigenhändige Namenszeichnung genügt sein, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft des Klägers und dessen Willen ergibt, die Klageschrift in den Verkehr zu bringen10. Gewährleistet sein muss dabei, dass nicht nur ein Entwurf, sondern eine gewollte Prozesserklärung vorliegt und dass diese Erklärung von einer bestimmten Person herrührt, die die Verantwortung für den Inhalt übernimmt11. Auf dieser Grundlage hat die Rechtsprechung dem jeweiligen technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Telekommunikation Rechnung getragen und auch die Übermittlung von bestimmenden Schriftsätzen durch Telegramm, Fernschreiben (Telex), Telebrief, Telefax (Telekopie) und Computerfax trotz des Fehlens eines eigenhändig unterschriebenen Originalschriftstücks als dem Schriftformerfordernis genügend anerkannt12.
An diese Bedeutung des Schriftformerfordernisses hat der Gesetzgeber bei der Einführung des § 55a VwGO angeknüpft.
Nach § 55a Abs. 1 Satz 1 VwGO a.F. können die Beteiligten dem Gericht elektronische Dokumente übermitteln, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierung zugelassen worden ist. Für Niedersachsen ist dies durch § 1 der Niedersächsischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz (Nds. RVVO-Justiz) vom 21.10.201113 i.V.m. der Anlage zu dieser Regelung geschehen. Danach ist die Einreichung von elektronischen Dokumenten beim Verwaltungsgericht Göttingen seit 1.11.2013 in allen verwaltungsgerichtlichen Verfahren zugelassen.
Seinem Wortlaut nach regelt § 55a Abs. 1 Satz 1 VwGO a.F. nicht die Form der Klageerhebung oder der Einlegung von Rechtsbehelfen im Allgemeinen, sondern die Möglichkeit, dem Gericht elektronische Dokumente zu übermitteln. Er sieht deshalb auch keine weitere Form der Klageerhebung vor14. Soweit § 55a Abs. 1 Satz 3 und 4 VwGO a.F. für Dokumente, die wie eine elektronisch übermittelte Klageschrift einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, eine qualifizierte elektronische Signatur oder ein anderes sicheres Verfahren verlangen, das die Authentizität und Integrität des übermittelten elektronischen Dokuments sicherstellt, bezieht sich die Regelung nicht nur auf die Klageschrift, sondern auf alle schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstücke, insbesondere alle bestimmenden Schriftsätze15. Sie bietet also auch insoweit keinen Anhaltspunkt dafür, dass mit ihr eine neue elektronische Form der Klageerhebung neben der schriftlichen Klageerhebung im Sinne des § 81 VwGO geschaffen werden sollte, sondern setzt letztere vielmehr voraus. Würde man den Begriff „schriftlich“ aus § 81 VwGO streichen, liefe auch die Möglichkeit einer elektronischen Klageerhebung auf der Grundlage von § 55a VwGO a.F. ins Leere.
Dass eine qualifizierte elektronische Signatur oder ein anderes sicheres Verfahren nach § 55a Abs. 1 Satz 3 und 4 VwGO a.F. für Dokumente vorgesehen werden soll, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück „gleichstehen“, zwingt ebenfalls nicht zu der Annahme, der Gesetzgeber habe in § 55a VwGO a.F. eine neue Form der Klageerhebung regeln wollen16. Damit wird nur zum Ausdruck gebracht, dass das erzeugte elektronische Dokument mit qualifizierter elektronischer Signatur etwas anderes ist als das schriftlich zu unterzeichnende „Schriftstück“, also der papiergebundene Schriftsatz oder die schriftliche Urkunde.
Dass die elektronische Übermittlung der Klage im Wege des § 55a VwGO a.F. als Unterfall der schriftlichen Klageerhebung im Sinne des § 81 VwGO zu verstehen ist, bestätigt auch die systematische Auslegung.
Nicht nur in § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO, sondern auch in den sonstigen Fällen, in denen die Verwaltungsgerichtsordnung für Prozesshandlungen die „schriftliche“ Form vorschreibt, ist der Gesetzestext bei Einführung des § 55a VwGO a.F. unverändert geblieben. Das gilt insbesondere für die Einlegung der Revision (§ 139 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und der Beschwerde (§ 147 Abs. 1 VwGO), den Antrag auf Zulassung der Sprungrevision (§ 134 Abs. 1 Satz 2 VwGO), die Erhebung der Anhörungsrüge (§ 152a Abs. 2 Satz 4 VwGO) oder die Annahme eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags (§ 106 Satz 2 VwGO). Dies erfolgte, obwohl der Gesetzgeber im Rahmen des Justizkommunikationsgesetzes die Vorschriften der einzelnen Prozessordnungen jeweils an die neue Kommunikationsform sprachlich angepasst hat, soweit ihm dies insbesondere zur Anpassung von Regelungen, „deren Wortlaut eng mit der Papierform verknüpft ist“, erforderlich erschien17. So wurde etwa an vielen Stellen der Begriff „übersenden“ durch „übermitteln“ ersetzt und Vorschriften über Schriftstücke und/oder Urkunden um „elektronische Dokumente“ erweitert. Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber nicht veranlasst gesehen, die Regelung über das Schriftformerfordernis für bestimmende Schriftsätze zu ändern und um das Wort „elektronisch“ zu erweitern. Eine solche Ergänzung wurde lediglich für § 58 VwGO und den damals noch geltenden § 59 VwGO vorgesehen. Dies betraf jedoch nur den in § 59 VwGO thematisierten Erlass eines Verwaltungsakts und die beigefügte Rechtsmittelbelehrung, nicht jedoch Verfahrenshandlungen im Zusammenhang mit dem eigentlichen gerichtlichen Verfahren. In allen Fällen, in denen die Verwaltungsgerichtsordnung für die Vornahme verfahrenseinleitender oder -gestaltender Prozesshandlungen, die „schriftliche“ Form vorschreibt und damit die aufgezeigten besonderen Funktionen der Schriftform im Blick hat, ist der Gesetzestext dagegen unverändert geblieben. Damit wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Bedeutung des § 55a VwGO a.F. darin liegt, eine Form der elektronischen Kommunikation mit dem Gericht zu schaffen, die dem Schriftformerfordernis und damit den dahinterstehenden besonderen Funktionen (Verlässlichkeit und Zurechenbarkeit sowie Unveränderbarkeit der Erklärung) Rechnung trägt.
Der Gesetzgeber hat damit für den elektronischen Rechtsverkehr im gerichtlichen Verfahren eine andere Lösung gewählt als für das vom Kläger als Vergleich angeführte Widerspruchsverfahren14. Während er für Letzteres durch Einfügung der Wörter „in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 VwVfG“ in § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine selbständige elektronische Form geschaffen hat, die an die Stelle der Schriftform treten kann, wahrt im gerichtlichen Verfahren auch die Übermittlung eines Schriftstücks als elektronisches Dokument unter den Voraussetzungen des § 55a Abs. 1 Satz 3 und 4 VwGO a.F. die Schriftform.
Für dieses Verständnis lässt sich darüber hinaus § 81 Abs. 2 VwGO anführen, wonach der Klage Abschriften nur noch „vorbehaltlich des § 55a Abs. 2 Satz 2 VwGO“ beigefügt werden sollen. Dieser ebenfalls durch das Justizkommunikationsgesetz eingefügte Zusatz stellt klar, dass „ein Beteiligter, der einen Schriftsatz formwirksam elektronisch einreicht, nicht gehalten ist, die für die übrigen Verfahrensbeteiligten erforderlichen Abschriften in Papierform nachzureichen“18. Auch dies verdeutlicht, dass die elektronische Klageerhebung als ein (Unter-)Fall des § 81 VwGO zu verstehen ist.
Ein solches Verständnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung.
§ 55a Abs. 1 VwGO a.F. soll die elektronische Kommunikation der Beteiligten mit dem Gericht durch die Übermittlung elektronischer Dokumente gleichberechtigt neben der – herkömmlich papiergebundenen – Schriftform ermöglichen19. Ermöglicht werden soll insbesondere die elektronische Übermittlung von Schriftstücken, die wie die Klageschrift nach den Bestimmungen des Verfahrensrechts zu unterschreiben wären, wenn sie papiergebunden eingereicht würden. Insoweit soll die elektronische Übermittlung nach § 55a Abs. 1 Satz 3 und 4 VwGO a.F. an eine qualifizierte elektronische Signatur oder ein anderes sicheres Verfahren geknüpft werden, das die Authentizität und Integrität des übermittelten elektronischen Dokuments sicherstellt20.
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die elektronische Kommunikation der Beteiligten mit dem Gericht in einer Weise ermöglicht werden, bei der die bisherigen Formerfordernisse durch die Anforderungen, die für die Nutzung der elektronischen Übertragungswege aufgestellt werden, qualitativ unverändert bleiben sollen21. Dem trägt die gesetzliche Regelung dadurch Rechnung, dass sie das Schriftformerfordernis beibehält und mit den Bestimmungen zum elektronischen Rechtsverkehr lediglich die Voraussetzungen regelt, unter denen die Übermittlung eines elektronischen Dokuments den Anforderungen der Schriftform genügt, insbesondere gewährleistet, dass eine gewollte Prozesserklärung vorliegt und diese Erklärung von einer bestimmten Person herrührt, die die Verantwortung für den Inhalt übernimmt.
Daher stellt auch eine den Anforderungen des § 55a Abs. 1 VwGO a.F. entsprechende elektronische Übermittlung der Klageschrift keine eigenständige, an die Stelle der Schriftform tretende elektronische Form der Klageerhebung, sondern eine schriftliche Klageerhebung im Sinne von § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO dar.
Bestätigt wird dies schließlich durch die Entstehungsgeschichte von § 55a VwGO a.F.
§ 55a VwGO ersetzt § 86a VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13.07.200122. § 86a VwGO sollte die Regelungen des ebenfalls durch das Gesetz vom 13.07.2001 in die Zivilprozessordnung eingefügten § 130a ZPO für das Verwaltungsprozessrecht übernehmen23. § 130a Abs. 1 ZPO und § 86a Abs. 1 VwGO lauteten übereinstimmend:
Soweit für vorbereitende Schriftsätze, Anträge und Erklärungen der Parteien sowie für Auskünfte, Aussagen, Gutachten und Erklärungen Dritter die Schriftform vorgesehen ist, genügt dieser Form die Aufzeichnung als elektronisches Dokument, wenn dieses für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist. Die verantwortende Person soll das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen.
Nach diesem Wortlaut genügte die mit elektronischer Signatur versehene Aufzeichnung als elektronisches Dokument ausdrücklich dem Schriftformerfordernis, stellte also keine eigene elektronische Form dar.
§ 130a Abs. 1 ZPO ist durch das Justizkommunikationsgesetz vom 22.03.2005 lediglich geringfügig ergänzt worden, § 86a VwGO wurde hingegen durch die hier einschlägige Fassung des § 55a VwGO a.F. ersetzt, die sich in ihrem Wortlaut deutlich von § 130a ZPO unterscheidet. Gleichwohl geht die Gesetzesbegründung davon aus, dass § 55a Abs. 1 VwGO a.F. sich inhaltlich mit der Regelung des § 130a ZPO deckt und lediglich die in dieser Vorschrift enthaltene Soll-Regelung präzisiert. Insoweit sieht § 55a VwGO a.F. zwingend eine qualifizierte elektronische Signatur oder ein anderes sicheres Verfahren vor, das die Authentizität und die Integrität des übermittelten Dokuments sicherstellt20. Weil damit § 55a Abs. 1 VwGO a.F. im Übrigen mit § 130a Abs. 1 ZPO übereinstimmt, spricht dies dafür, dass die elektronische Übermittlung schriftlich zu unterzeichnender Schriftstücke weiterhin der Schriftform genügen, aber keine eigenständige elektronische Form darstellen sollte.
Dies zugrunde gelegt, ist die Rechtsbehelfsbelehrung nicht im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO unrichtig erteilt. Da die Übermittlung der Klageschrift als elektronisches Dokument keine eigenständige elektronische Form darstellt, erfasst die Belehrung alle zulässigen Formen der Klageerhebung. Die den Wortlaut der einschlägigen gesetzlichen Regelung in § 81 Abs. 1 VwGO wiedergebende Rechtsbehelfsbelehrung ist mithin nicht unrichtig24.
Bei dem Hinweis auf die Möglichkeit, schriftlich oder zur Niederschrift Klage zu erheben, handelt es sich auch nicht um einen irreführenden Zusatz, der geeignet ist, beim Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen.
Die Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht irreführend. Maßgeblich ist dabei in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB, wie die Rechtsbehelfsbelehrung aus Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist25. Von diesem objektiven Empfängerhorizont aus ist der Umstand, dass die Rechtsbehelfsbelehrung nur auf die Möglichkeit der schriftlichen Klageerhebung, nicht jedoch auf die Möglichkeit, die Klage als elektronisches Dokument zu übermitteln, nicht geeignet, einen Irrtum über die formellen Voraussetzungen der Klageerhebung hervorzurufen.
Das Wort „schriftlich“ schließt eine Übermittlung der Klage als elektronisches Dokument nicht aus. Dies entspricht nicht nur dem juristischen, sondern auch dem allgemeinen Sprachgebrauch. Denn auch eine als elektronisches Dokument erstellte Klageschrift ist ein schriftlich abgefasster Text. Darüber hinaus enthält die Rechtsbehelfsbelehrung keine Aussage dazu, auf welche Weise die Klageschrift an das Gericht übermittelt werden kann. Insbesondere äußert sie sich nicht zur Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer elektronischen Übermittlung. Sie kann daher aus Sicht des Adressaten auch nicht den falschen Eindruck erwecken, die Übermittlung der Klage als elektronisches Dokument sei ausgeschlossen26. Dies gilt umso mehr, als es angesichts der fortschreitenden Digitalisierung naheliegt, dass auch die Kommunikation mit dem Gericht auf elektronischem Wege erfolgen kann.
Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch nicht geeignet, dem Betroffenen so die Rechtsverfolgung in einer vom Gesetz nicht vorgesehenen Weise zu erschweren. Für den mündigen Bürger, der darüber informiert worden ist, dass er schriftlich Klage erheben kann, ist es ohne Weiteres zumutbar, sich – etwa durch einen Anruf bei dem in der Rechtsbehelfsbelehrung genannten Gericht oder einen Blick auf dessen Internetseite – darüber zu informieren, auf welchem Weg die Klage eingereicht werden kann. Im Übrigen unterscheidet sich der Fall von dem einer unterbliebenen Belehrung über die Möglichkeit, die Klage zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben, die einen Rechtssuchenden, der sich dem Schriftformerfordernis nicht gewachsen fühlt, von der Klageerhebung abhalten kann27. Denn wer in der Lage ist, eine Klageschrift als elektronisches Dokument zu verfassen, sieht nicht deshalb von der Klageerhebung ab, weil er die Klageschrift seiner irrigen Vorstellung nach nicht elektronisch übermitteln kann, sondern sie dem Gericht auf andere Weise, etwa per Post oder Tele- oder Computerfax zukommen lassen muss.
Einer Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG bedurfte es für diese Entscheidung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht. Das Bundesverwaltungsgericht weicht nicht in einer Rechtsfrage vom Urteil des Bundessozialgerichts vom 14.03.201328 ab, soweit dort die Übermittlung als elektronisches Dokument nach § 65a SGG als eigenständige elektronische Form und nicht als Unterfall der Schriftform angesehen worden ist:
§ 2 Abs. 1 RsprEinhG setzt voraus, dass die Rechtsfrage, in der abgewichen werden soll, sich auf der Grundlage von Vorschriften stellt, die in ihrem Regelungsgehalt gänzlich übereinstimmen und nach denselben Prinzipien auszulegen sind. Darüber hinaus muss die Rechtsfrage sowohl für den erkennendas Bundesverwaltungsgericht in der anhängigen Sache als auch für den divergierendas Bundesverwaltungsgericht in der bereits entschiedenen Sache entscheidungserheblich sein. Eine im Sinne von § 2 Abs. 1 RsprEinhG erhebliche Abweichung liegt nur vor, wenn es für die eine wie für die andere Entscheidung auf den Punkt, in dem die Meinungen auseinandergehen, tragend ankommt29. Diese Voraussetzungen liegen hier nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht vor.
Die Regelungen des § 55a Abs. 1 VwGO a.F. und des § 65a Abs. 1 SGG in der Fassung vom 22.03.2005, auf deren Grundlage sich die Frage der Einordnung der Übermittlung elektronischer Dokumente stellt, stimmen zwar in ihrem Wortlaut überein. Sie sind aber nicht nach denselben Prinzipien auszulegen. Vielmehr stützt das Bundessozialgericht seine Ansicht, der Gesetzgeber habe mit § 65a SGG eine eigenständige elektronische Form neben der schriftlichen Form geschaffen, maßgeblich auf § 158 Abs. 1 SGG, in dessen Wortlaut die durch § 65a SGG geschaffene Trias gleichrangiger prozessualer Formen – schriftlich, in elektronischer Form und zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle – zum Ausdruck komme30. Eine § 158 Abs. 1 SGG entsprechende Regelung, die zur Auslegung von § 55a VwGO herangezogen werden könnte, kennt die Verwaltungsgerichtsordnung jedoch nicht.
Zudem war die Einordnung der elektronischen Form als gleichrangige prozessuale Form für das Bundessozialgericht nicht entscheidungserheblich. Denn es gelangt trotz der Einordnung der elektronischen Form als gleichrangige prozessuale Form zu dem Ergebnis, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung nicht auf die Möglichkeit der Verwendung der elektronischen Form hingewiesen werden müsse, weil diese noch nicht als „Regelweg“ im Sinne von § 66 Abs. 1 SGG anzusehen sei31.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Januar 2021 – 9 C 8.19
- BGBl. I S. 837[↩][↩][↩]
- BVerwG, Urteile vom 13.12.1978 – 6 C 77.78, BVerwGE 57, 188 <190> und vom 21.03.2002 – 4 C 2.01, Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 83 S. 16 m.w.N.; Beschlüsse vom 31.08.2015 – 2 B 61.14, Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 92 Rn. 8; und vom 24.08.2016 – 4 VR 15.16 6[↩]
- BVerwG, Urteile vom 26.10.1966 – 5 C 10.65, BVerwGE 25, 191 <192> vom 13.01.1971 – 5 C 53.70, BVerwGE 37, 85 <86> und vom 13.12.1978 – 6 C 77.78, BVerwGE 57, 188 <190>[↩]
- vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 27.02.1976 – 4 C 74.74, BVerwGE 50, 248 <251 ff.> vom 13.12.1978 – 8 C 77.78, BVerwGE 57, 188 <190> vom 27.04.1990 – 8 C 70.88, Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 9 S. 2 f.; und vom 29.08.2018 – 1 C 6.18, BVerwGE 163, 26 Rn. 13 m.w.N.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 20.08.2020 – 1 C 28.19, NVwZ 2021, 246 Rn. 32[↩]
- BGBl. I S. 2745[↩]
- BGBl. I S. 3786[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 20.08.2020 – 1 C 28.19, NVwZ 2021, 246 Rn. 32[↩]
- BGBl. I S. 2208[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 06.12.1988 – 9 C 40.87, BVerwGE 81, 32 <33 ff., 36 und Leitsatz> m.w.N. zur Rechtsprechungsentwicklung; vgl. auch Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 81 Rn. 8[↩]
- BVerwG, Urteile vom 13.02.1987 – 8 C 25.85, BVerwGE 77, 38 <38 ff.> und vom 06.12.1988 – 9 C 40.87, BVerwGE 81, 32 <33>[↩]
- vgl. BVerwG, Urteile vom 13.02.1987 – 8 C 25.85, BVerwGE 77, 38 <38 f.> und vom 06.12.1988 – 9 C 40.87, BVerwGE 81, 32 <34 f.>; GmS-OGB, Beschluss vom 05.04.2000 – GmS-OGB 1.98, Buchholz 310 § 81 VwGO Nr. 15 S. 2 ff.; Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 81 Rn. 8a[↩]
- Nds. GVBl. S. 367[↩]
- vgl. Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl.2019, § 55a Rn. 3[↩][↩]
- Braun Binder, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl.2018, § 55a Rn. 84[↩]
- a.A. Brügmann, DÖV 2020, 1008 <1011>[↩]
- BT-Drs. 15/4067 S. 25, dort ausdrücklich zur ZPO[↩]
- BT-Drs. 15/4067 S. 39[↩]
- BT-Drs. 15/4067 S. 24 und 37[↩]
- BT-Drs. 15/4067 S. 37[↩][↩]
- BT-Drs. 15/4607 S. 24[↩]
- BGBl. I S. 1542[↩]
- BT-Drs. 14/4987 S. 38 und 47; BT-Drs. 14/5561 S. 21[↩]
- vgl. auch BFH, Urteile vom 20.11.2013 – X R 2/12 – BFHE 243, 158 Rn. 15 zur Rechtsbehelfsbelehrung über den Einspruch m.w.N.; vom 05.03.2014 – VIII R 51/12 – BFH/NV 2014, 1010 Rn. 25 f.; und vom 18.06.2015 – IV R 18/13 – BFH/NV 2015, 1349 Rn.19 ff. jeweils zur Rechtsbehelfsbelehrung über die Klage[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 12.12.2012 – I B 127/12 – BFHE 239, 25 Rn. 18 f.; BVerwG, Urteil vom 15.09.2010 – 8 C 21.09, BVerwGE 138, 1 Rn. 36[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 12.12.2012 – I B 127/12 – BFHE 239, 25 Rn.19; BSG, Urteil vom 14.03.2013 – B 13 R 19/12 R – SozR 4-1500 § 66 SGG Nr. 3 Rn. 24[↩]
- BVerwG, Urteil vom 13.12.1978 – 6 C 77.78, BVerwGE 57, 188 <190 f.>[↩]
- BSG, Urteil vo 14.03.2013 – B 13 R 19/12 R, SozR 4-1500 § 66 SGG Nr. 3 Rn. 18[↩]
- BVerwG, Urteil vom 09.05.2019 – 4 C 2.18 und 4 C 3.18, BVerwGE 165, 299 Rn. 18[↩]
- BSG, Urteil vom 14.03.2013 – B 13 R 19/12 R – SozR 4-1500 § 66 SGG Nr. 3 Rn. 18[↩]
- BSG, Urteil vom 14.03.2013 – B 13 R 19/12 R – SozR 4-1500 § 66 SGG Nr. 3 Rn.19 ff.[↩]