Rechtsweg für die „Rückenteignung“ eines Grundstücks

Für das Begehr, dem Bund den (Weiter-)Verkauf eines für öffentliche Zwecke nicht mehr benötigten Grundstücks zu untersagen, ist auch dann der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nicht eröffnet, wenn der Kaufvertrag seinerzeit zur Abwendung einer anderenfalls drohenden Enteignung abgeschlossen worden ist1.

Rechtsweg für die „Rückenteignung“ eines Grundstücks

Im hier allein maßgeblichen Verhältnis berühmt sich der Antragsteller weiterhin spezieller Sicherungsbefugnisse. Diese sind nicht dem öffentlichen, sondern dem privaten Recht zuzuordnen. Ausschlaggebend ist insoweit die Rechtsnatur des Rechtsverhältnisses, wie es – bei Unterstellung des Tatsachenvortrags des Antragstellers als richtig – objektivrechtlich, also nicht nur nach seiner Rechtsauffassung beurteilt besteht. Dieses ist nicht öffentlich-rechtlicher Natur. Namentlich kann der Antragsteller im Verhältnis zur Antragsgegnerin nicht mit der Folge öffentlich-rechtlicher Streitigkeit geltend machen, der Anspruch, ihm die 1956 verkauften Ländereien zurückzuerstatten, leite sich daraus ab, dass dies zur Abwendung einer anderenfalls drohenden Enteignung geschehen sei. Selbst wenn dieser Tatsachenvortrag zuträfe, begründete das nicht einen öffentlich-rechtlichen Charakter der Beziehungen, die den Antragsteller mit der Antragsgegnerin verbinden. Das Niedersächsiche Oberverwaltungsgericht folgt insoweit der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. April 19822.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht3 aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG ein Rückerwerbsrecht des früheren Grundstückseigentümers für alle Fälle hergeleitet, in denen der Zweck der Enteignung nicht verwirklicht wird: Werde die öffent-liche Aufgabe, der die Enteignung dienen solle, nicht ausgeführt oder das enteignete Grundstück nicht benötigt, so entfielen die aus Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG herzuleitende
Legitimation für den Zugriff auf das Privateigentum und der Rechtsgrund für den Eigentumserwerb durch die öffentliche Hand; damit entfalte die Garantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG wieder ihre Schutzfunktion und der Enteignete könne zur Wiederherstellung
des verfassungsmäßigen Zustandes die Rückübereignung des Grundstücks verlangen.

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Diese Ansicht, der sich der Bundesgerichtshof angeschlossen hat4, kann aber nicht dazu führen, daß in allen Fällen, in denen die öffentliche Hand außerhalb eines Enteignungsverfahrens zur Erfüllung ihrer Aufgaben Grundbesitz erwirbt, der privatrechtliche Übertragungsvertrag durch Art. 14 GG dahin als ergänzt anzusehen ist, daß bei Wegfall oder anderweitiger Erledigung der öffent-lichen Aufgabe dem früheren Eigentümer ein Anspruch auf Rückübertragung des verkauften Grundstücks zusteht. Eine andere Beurteilung ist in der Regel auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der frühere Eigentümer eine drohende Enteignung hat abwenden wollen. Der Eigentumsschutz wird in einem solchen Fall durch das bürgerliche Recht hinreichend gewährleistet, das u. a. eine unzulässige Einwirkung auf den Willen des Eigentümers mit der Sanktion der Vernichtbarkeit oder Nichtigkeit des Übertragungsvertrages belegt (§§ 123, 134, 138, 142 BGB). Für einen Rückgewähranspruch unmittelbar aus Art. 14 GG, der an den ‚Wegfall der die Enteignung legitimierenden verfassungsrechtlichen Voraussetzungen‘ anknüpft5, ist bei dieser Sachlage kein Raum6.“

Eine dem entsprechende Sachlage besteht gerade nach dem Vortrag des Antragstellers auch hier. Selbst wenn die Einräumung des Besitzes im Jahre 1952 und der Verkauf der vier Flur-/Grundstücke eine drohende Enteignung hätten abwenden sollen, ändert das nichts daran, dass am 06.03.1952 und am 30.08.1956 zivilrechtliche Verträge abgeschlossen worden sind. Das entscheidet. Dementsprechend muss der Antragsteller den behaupteten Anspruch auf Rückübertragung nach endgültiger Beendigung der militärischen Nutzung des Flugfeldes (das ist der actus contrarius) auch auf zivilistischem Wege durchzusetzen versuchen – sei es durch Anfechtung damaliger Vertrags- und/oder Übertragungsakte, sei es durch ergänzende Vertragsauslegung (ein Rückfallanspruch wurde, soweit ersichtlich, im Kaufvertrag vom 30.08.1956 nicht vereinbart) oder die Behauptung, die Geschäftsgrundlage von Besitz- und Eigentumseinräumung sei nunmehr entfallen. Auch aus Gründen klarer Abgrenzung kann die behauptete „Nähe“ zu einem Enteignungsverfahren nicht ausreichen.

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Es kommt hinzu, dass sich in den bislang vorliegenden Unterlagen kein (ausreichender) Hinweis darauf findet, die Übertragungsakte aus den Jahre 1952 (Besitz) und 1956 (Kauf) seien zur Abwendung anderenfalls drohender Enteignung geschehen. Die Beschlagnahme/Requirierung des Geländes durch englische Streitkräfte im Jahre 1951 kann nicht als Teil eines Enteignungsverfahrens eingestuft werden; dieses hätte von deutschen Behörden eingeleitet werden müssen. Hierbei kann es sich daher allenfalls um einen besatzungsrechtlichen Akt gehandelt haben.

Der Antragsteller hat nicht einmal ausreichend dargetan, ob es seinerzeit überhaupt eine nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG ausreichende gesetzliche Ermächtigung zur Einleitung eines Enteignungsverfahrens gegeben hätte. Das Landbeschaffungsgesetz jedenfalls wurde erst am 23.02.1957 beschlossen und im Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 134 in Kraft gesetzt. Das geschah zwar mit Rückwirkung zum 1. Januar 1957 (§ 76 LBG). Auch diese Rückwirkung ergreift indes weder den Vorvertrag vom 06.03.1952 noch den Kaufvertrag vom 30.08.1956.

Niedersächsisches Oberverwaltungsgerichts, Beschluss vom 7. Juni 2011 – 1 ME 94/11

  1. wie BGHZ 84, 1 = NJW 1982, 2184[]
  2. BGH, Urteil vom 29.04.1982 – III ZR 154/80, BGHZ 84, 1 = NJW 1982, 2184 = DVBl. 1982, 1098 = BRS 45 Nr. 137; bekräftigt unter anderem in BFH, Urteil vom 14.03.1997 – V ZR 9/96, BGHZ 135, 92 = MDR 1997, 724 = UPR 1997, 366; vgl. auch für Ansprüche aus vorvertraglichem Verhalten bei [vermeintlich] anderenfalls drohender Enteignung BGH, Urteil vom 05.12.1980 – V ZR 160/78, NJW 1981, 976[]
  3. BVerfGE 38, 175[]
  4. BGHZ 76, 365; Beschluß vom 10.12. 1981 – III ZR 29/81[]
  5. BVerfGE 38, 175, 181; BGH, Urteil in BGHZ 76, 365, 369[]
  6. BGH, Beschluss vom 10.12.1981 – III ZR 29/81[]
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