Rücküberstellungshaft – und der erforderliche Haftantrag

Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist wovon auch das Beschwerdegericht ausgeht eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung.

Rücküberstellungshaft – und der erforderliche Haftantrag

Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG).

Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden1.

Im hier entschiedenen Fall wurde die Dauer der beantragten Haft von fast acht Wochen in dem Antrag damit begründet, dass sie zur organisatorischen Vorbereitung der Abschiebung erforderlich und angemessen sei. Nach Rücksprache mit dem Landeskriminalamt Niedersachsen sei eine neue Überstellung nach Italien voraussichtlich in der 22. Kalenderwoche möglich. Ein neues Abschiebeersuchen sei mit heutigem Datum bereits an das Landeskriminalamt zwecks Einleitung einer begleiteten Überstellung übermittelt worden.

Diese Angaben sind vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist, unzureichend (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG; näher BGH, Beschluss vom 10.05.2012 – V ZB 246/11, FGPrax 2012, 225 Rn. 10). Zwar ist eine nähere Erläuterung des für die Buchung eines Fluges mit Sicherheitsbegleitung erforderlichen Zeitaufwandes in aller Regel dann nicht geboten, wenn sich die Behörde auf eine Auskunft der zuständigen Stelle beruft, wonach dieser Zeitraum bis zu sechs Wochen beträgt. Ist aber ein längerer Zeitraum für die Organisation der Rückführung des Betroffenen erforderlich, bedarf es einer auf den konkreten Fall bezogenen Begründung, die dies nachvollziehbar erklärt (etwa Art des Fluges, Buchungslage der in Betracht kommenden Fluggesellschaften, Anzahl der Begleitpersonen, Personalsituation)2. Daran gemessen fehlt es hier an einer aussagekräftigen, auf den Einzelfall bezogenen Begründung dafür, warum die Rücküberstellung nach Italien nahezu acht Wochen erfordern wird.

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Der Fehler war im vorliegenden Fall auch nicht geheilt worden.

Mängel des Haftantrages können behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder indem der Haftrichter selbst die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Aboder Zurückschiebung des Ausländers und zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt3. Zwingende weitere Voraussetzung für eine Heilung ist in einem solchen Fall, dass der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird4.

Vorliegend hat die beteiligte Behörde zwar im Beschwerdeverfahren ergänzend vorgetragen, dass die Rücküberstellung nunmehr für den 22.05.2017 vorgesehen sei. Diese Angaben waren auch grundsätzlich ausreichend, um die Erforderlichkeit der verbleibenden Haftzeit zu belegen5. Der Betroffene wurde hierzu aber durch das Beschwerdegericht nicht persönlich angehört.

Der Bundesgerichtshof konnte in der Sache selbst entscheiden (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Da die angeordnete Haftzeit bereits abgelaufen ist, hätte eine Nachholung der unterlassenen Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht auf die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung keine Auswirkung. Denn eine Heilung könnte nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 7. März 2019 – V ZB 130/17

  1. st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 20.09.2018 – V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 6 mwN[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 20.09.2018 – V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 11[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 16.07.2014 – V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 21 ff.[]
  4. st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 20.09.2018 – V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 14 mwN[]
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 20.09.2018 – V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 15 mwN[]
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