Auch vor Inkrafttreten von § 2 Abs. 15 AufenthG konnte Haft zur Sicherung von Überstellungsverfahren nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung nicht auf der Grundlage von § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AufenthG angeordnet werden1.

Unter Geltung des Art. 28 Dublin-III-Verordnung durfte die Haft zur Sicherstellung einer Überstellung des Betroffenen in den für dessen Schutzantrag zuständigen Mitgliedstaat nach der damals geltenden Fassung des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG nicht angeordnet werden durfte. Die Vorschrift entsprach nicht den Anforderungen von Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung, wonach die objektiven Kriterien, die Fluchtgefahr begründen, gesetzlich festgelegt sein müssen. In dem Zeitraum vom 01.01.2014 – ab diesem Tag war die Dublin-III-Verordnung nach ihrem Art. 49 Abs. 2 Satz 1 für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme anwendbar2 – bis zum 1.08.2015 – dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und Aufenthaltsbeendigung vom 27.07.20153, mit dem der Haftgrund der Fluchtgefahr neu geregelt wurde – konnte daher Haft zur Sicherung von Überstellungsverfahren nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung nicht auf Fluchtgefahr oder eine Entziehungsabsicht des Betroffenen im Sinne des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG aF gestützt werden4.
Nichts anderes gilt für den Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AufenthG.
Überstellungshaft nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung kann angeordnet werden, wenn die Haftgründe im nationalen Recht so ausgestaltet sind, dass sie nur bei Vorliegen von objektiven, gesetzlich festgelegten Kriterien verwirklicht werden, welche die Annahme einer Fluchtgefahr begründen. Der Bundesgerichtshof hat – zeitlich nach dem angegriffenen Beschluss des Beschwerdegerichts – entschieden, dass dies in Deutschland allein bei den in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AufenthG genannten Haftgründen (Wechsel des Aufenthaltsorts ohne Angabe einer Anschrift unter der der Ausländer erreichbar ist; vom Ausländer zu vertretendes Nichtantreffen an dem von der Behörde angegebenen Ort an dem für die Überstellung angekündigten Termin) der Fall ist5. Der Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AufenthG setzt demgegenüber lediglich voraus, dass sich der Ausländer in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen hat. Er ist damit im Sinne einer Generalklausel formuliert und enthält keine objektiven Kriterien, die festlegen, in welchen Fällen von einer Entziehung in sonstiger Weise auszugehen ist. Damit genügt auch dieser Haftgrund nicht den unionsrechtlichen Vorgaben.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 7. Juli 2016 – V ZB 106/14
- Bestätigung von BGH, Beschluss vom 26.06.2014 – V ZB 31/14, NVwZ 2014, 1397 Rn. 31[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 11.02.2016 – V ZB 28/14 5 f.[↩]
- BGBl. I 1386[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 26.06.2014 – V ZB 31/14, NVwZ 2014, 1397 Rn. 9 ff.; Beschluss vom 22.10.2014 – V ZB 124/14, NVwZ 2015, 607 Rn. 10[↩]
- BGH, Beschluss vom 26.06.2014 – V ZB 31/14, NVwZ 2014, 1397 Rn. 31[↩]