Das Tatsachengericht hat über die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme insgesamt im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.

Es darf einen auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder einer amtlichen Auskunft gerichteten Beweisantrag insbesondere in asylgerichtlichen Verfahren, in denen regelmäßig eine Vielzahl amtlicher Auskünfte und sachverständiger Stellungnahmen über die politischen Verhältnisse im Heimatstaat zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden, im Allgemeinen nach tatrichterlichem Ermessen mit dem Hinweis auf eigene Sachkunde verfahrensfehlerfrei ablehnen und die Gefährdungsprognose im Einzelfall auf der Grundlage einer tatrichterlichen Beweiswürdigung eigenständig vornehmen1.
Eine solche Würdigung findet ihre Grundlage im Prozessrecht und verletzt weder das rechtliche Gehör noch die richterliche Aufklärungspflicht, wenn die in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse zur Beurteilung der geltend gemachten Verfolgungsgefahren ausreichen und dies spätestens im Rahmen der in der Berufungsentscheidung vorzunehmenden Beweiswürdigung dargestellt und belegt wird. Es hängt von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere den jeweils in tatsächlicher Hinsicht in dem Verfahren im Streit stehenden Einzelfragen, ab, wie konkret das Gericht seine eigene Sachkunde nachweisen muss und inwieweit sich diese aus dem Gesamtinhalt der Entscheidungsgründe und der verarbeiteten Erkenntnisquellen ableiten lässt.
Der Nachweis muss jedenfalls plausibel und nachvollziehbar sein. Schöpft das Gericht seine besondere Sachkunde aus vorhandenen Gutachten, so muss der Verweis hierauf dem Einwand der Beteiligten standhalten, dass in diesen Erkenntnisquellen keine, ungenügenden oder widersprüchlichen Aussagen zur Bewertung der aufgeworfenen Tatsachenfragen enthalten sind. Ist dies der Fall, steht die Einholung eines (weiteren) Gutachtens oder einer (weiteren) Auskunft auch dann im Ermessen des Gerichts (s. a. § 98 VwGO i. V. m. § 412 Abs. 1 ZPO), wenn die Erkenntnisquellen, aus denen das Gericht seine eigene Sachkunde schöpft, nicht in dem jeweiligen Verfahren eingeholt worden sind2.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 8. März 2023 – 1 B 56.22
- BVerwG, Beschluss vom 08.03.2006 – 1 B 84.05, Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 11 Rn. 7 m. w. N.[↩]
- stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.09.2019 – 1 B 43.19, Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 120 Rn. 44 ff.[↩]
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