Für die Erhebung von Sondernutzungsgebühren (hier: nach § 19 NStrG) ist sachlich die Straßenverkehrsbehörde zuständig.

Gemäß § 19 Satz 1 NStrG bedarf es, wenn nach den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts eine Erlaubnis für eine übermäßige Straßenbenutzung oder eine Ausnahmegenehmigung erforderlich ist, keiner (Sondernutzungs-)Erlaubnis nach § 18 Abs. 1 NStrG. Nach Satz 2 dieser Regelung hat die hierfür zuständige Behörde die sonst für die Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde zu hören. Die von ihr geforderten Bedingungen, Auflagen und Sondernutzungsgebühren sind dem Antragsteller in der Erlaubnis oder Ausnahmegenehmigung aufzuerlegen (Satz 3).
Nach der Auslegung dieser landesrechtlichen Regelung durch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht 1 ist § 19 NStrG ungeachtet des Umstands anwendbar, dass er die amtliche Überschrift "Besondere Veranstaltungen" trägt. Auch die Entstehungsgeschichte der Regelung lasse nicht auf einen darauf beschränkten Anwendungsbereich schließen.
§ 19 NStrG regelt – wie das Berufungsgericht ebenfalls verbindlich festgestellt hat – zweierlei: Zum einen wird unter den in Satz 1 genannten Voraussetzungen auf die Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis verzichtet. Das hängt nach dieser Bestimmung allein davon ab, ob die Erteilung einer Erlaubnis oder Ausnahmegenehmigung nach den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts "erforderlich" ist. Es kommt somit schon dem Wortlaut nach nicht darauf an, ob eine straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis oder Ausnahmegenehmigung tatsächlich erteilt worden ist. Mit dieser Auslegung folgt das Berufungsgericht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur entsprechenden (bundesrechtlichen) Regelung in § 8 Abs. 6 FStrG 2. Neben diesem Verzicht auf eine Sondernutzungserlaubnis ordnet § 19 Satz 3 NStrG eine Verlagerung der sachlichen Zuständigkeit für die Erhebung der dem Nutzer gleichwohl aufzuerlegenden Sondernutzungsgebühr an. Vom Träger der Straßenbaulast bzw. bei Ortsdurchfahrten von der Gemeinde (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 2 NStrG) geht die Zuständigkeit für die Gebührenerhebung auf die Behörde über, die für die Erteilung der straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis oder Ausnahmegenehmigung zuständig ist, mit anderen Worten: auf die Straßenverkehrsbehörde. Auch insoweit folgt § 19 NStrG dem Regelungsmodell, das § 8 Abs. 6 FStrG in Bezug auf die Bundesfernstraßen vorsieht. Entsprechende landesrechtliche Bestimmungen haben – wie Niedersachsen – auch die meisten anderen Bundesländer erlassen.
Dagegen, dass gemäß § 19 Satz 3 NStrG trotz des Verzichts auf eine gesonderte Sondernutzungserlaubnis eine Sondernutzungsgebühr erhoben werden soll, ist aus Sicht des Bundesrechts – einschließlich des aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes herzuleitenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes -? nichts zu erinnern. Denn die Sondernutzungsgebühr wird nicht als Gegenleistung für die Verwaltungsleistung "Erteilung einer Genehmigung" erhoben, sondern für die Hinnahme einer den Gemeingebrauch übersteigenden Nutzung der öffentlichen Sache Straße und der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs anderer; die Gebühr entsteht also für die Tatsache der Sondernutzung 3.
Dass die von einer anderen Behörde erteilten Sondernutzungserlaubnisse bestandskräftig geworden sind, führt nicht dazu, dass diese – entgegen § 19 Satz 3 NStrG -? für die Erhebung der Sondernutzungsgebühr zuständig geblieben ist.
Die materielle Bestandskraft und die Tatbestandswirkung eines Verwaltungsaktes werden durch den Regelungsgehalt begrenzt, den sich die behördliche Entscheidung nach dem objektiven Empfängerhorizont beimisst. Dabei ist maßgeblich auf den Tenor der Verwaltungsentscheidung abzustellen, ergänzend kann die Begründung des Verwaltungsaktes herangezogen werden. Wegen des Bestimmtheitsgebots des § 37 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG verbietet es sich, in einen Verwaltungsakt verbindliche "Zwischenentscheidungen" hineinzulesen, die dort nicht hinreichend klar zum Ausdruck kommen. Ausgehend davon hat das Berufungsgericht bei der Auslegung des von der Beklagten erlassenen Erlaubnisbescheids darauf abgestellt, dass sich der Entscheidungsausspruch auf die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis beschränkt und dass in der Begründung dieses Bescheids das Erfordernis einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung nicht ausdrücklich geprüft worden ist, geschweige denn, dass sich dort eine Entscheidung darüber findet. Gegen diese Auslegung des Bescheids durch die Vorinstanz hat die Beklagte keine durchgreifenden Verfahrensrügen vorgetragen. Eine erweiterte Tatbestandswirkung einer Verwaltungsentscheidung kann in Betracht kommen, wenn eine besondere gesetzliche Vorschrift anordnet, dass die Beurteilung einer Vorfrage in die Bindungswirkung der getroffenen Regelung einbezogen wird 4. An einer solchen Vorschrift fehlt es hier.
Der Einwand, dass bei bestandskräftiger Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis die erteilende Behörde auch die Sondernutzungsgebühr zu erheben habe, trägt dem in § 19 Satz 3 NStrG angeordneten Übergang der Zuständigkeit auf die Straßenverkehrsbehörde nicht Rechnung. Sie hängt – wie gezeigt – nicht davon ab, ob eine straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis oder Ausnahmegenehmigung tatsächlich erteilt wurde; es kommt nur darauf an, ob sie erforderlich war. Gleichermaßen macht § 19 Satz 3 NStrG, wie das Berufungsgericht in Auslegung dieser landesrechtlichen Vorschrift implizit annimmt, keine Ausnahme vom Zuständigkeitsübergang, wenn anstelle der an sich erforderlichen straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung (nur) eine Sondernutzungserlaubnis erteilt wurde. Durch deren Erteilung entfällt schließlich auch nicht ein sich aus § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 i.V.m. § 32 Abs. 1 StVO ergebendes Erfordernis einer (straßenverkehrsrechtlichen) Ausnahmegenehmigung. Die Straßenverkehrs-Ordnung enthält keine dahin gehende Regelung. Auch das niedersächsische Landesstraßenrecht legt einer Sondernutzungserlaubnis von vornherein keine solche ersetzende Wirkung bei. In § 18 Abs. 5 NStrG ist stattdessen ausdrücklich geregelt, dass durch die Sondernutzungserlaubnis sonstige nach öffentlichem Recht erforderliche Genehmigungen, Erlaubnisse oder Bewilligungen nicht ersetzt werden. Bei diesem normativen Befund erweist sich die Annahme des Vertreters des Bundesinteresses als unzutreffend, eine (zusätzliche) straßenverkehrsrechtliche Ausnahme vom Verbot des § 32 Abs. 1 StVO sei nur erforderlich, wenn deren Reichweite über den Regelungsgehalt einer bereits erteilten Sondernutzungserlaubnis hinausgehe.
Der aus der Unzuständigkeit der tätig gewordenen Behörde zur Erhebung der Sondernutzungsgebühr folgende Aufhebungsanspruch steht nicht deshalb in Frage, weil alsbald eine inhaltsgleiche Verfügung neu erlassen werden müsste. Die hier tätig gewordene Behörde ist (hier: durch die sich aus § 19 Satz 3 NStrG ergebende Zuständigkeitsverlagerung) auch künftig daran gehindert, Sondernutzungsgebühren geltend zu machen.
Ob die sachlich zuständige Straßenverkehrsbehörde die anfallende Sondernutzungsgebühr nun noch nachträglich erheben könnte, hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht 5 ausdrücklich offen gelassen. Es hat daran offensichtlich deshalb Zweifel, weil sich die von § 19 NStrG bezweckte Konzentrationswirkung im Nachhinein nicht mehr erreichen lasse. Da es sich insoweit allein um die Anwendung von Landesrecht handelt, muss die Entscheidung hierüber auch im Revisionsverfahren offen bleiben. Das Bundesverwaltungsgericht versagt sich aber nicht, darauf hinzuweisen, dass er schwerlich Gründe erkennen kann, die einer Erhebung der Sondernutzungsgebühren durch die Straßenverkehrsbehörde entgegenstehen; denn die tatbestandlichen Voraussetzungen für deren Zuständigkeit sind ungeachtet der fehlerhaft erteilten Bescheide nach wie vor gegeben. Im Übrigen ließe sich die vom Gesetzgeber angestrebte Konzentrationswirkung auch im Nachhinein noch erreichen, wenn die tätig gewordene Behörde die von ihr erteilten Sondernutzungserlaubnisse zurücknähme.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2014 – 3 C 6.2013
- Nds. OVG, Urteil vom 17.01.2013 – OVG 7 LB 193/11[↩]
- BVerwG, Urteil vom 20.10.1993 – 11 C 44.92, BVerwGE 94, 234, 236[↩]
- vgl. BVerwG, Urteile vom 26.06.1981 – 4 C 73.78, Buchholz 407.4 § 8 FStrG Nr. 17 16; und vom 21.10.1970 – 4 C 38.69, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 3 S. 5[↩]
- vgl. Kopp/?Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl.2013, § 43 Rn. 26 und 31[↩]
- Nds. OVG, a.a.O.[↩]