Setzt ein Bebauungsplan eine Straßenverkehrsfläche neben einem Wohngrundstück fest, erlauben die Anforderungen aus § 2 Abs. 3 BauGB nur dann, auf die Ermittlung konkret zu erwartender Immissionswerte zu verzichten, wenn schon nach der Zahl der täglich zu erwartenden Kfz-Bewegungen im Hinblick auf die konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls keine Belästigungen zu besorgen sind, die die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten.

Die Einhaltung von Grenz- und Orientierungswerten nach der 16. BImSchV oder der DIN 18005 ist für sich nicht geeignet, losgelöst vom Einzelfall zu belegen, dass ein Ermittlungsfehler hinsichtlich zu erwartender Schallimmissionen nicht im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB von Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen ist, wenn nicht zu erkennen ist, welches Ausmaß an Immissionen der Plangeber den betroffenen Grundstücken zumuten wollte.
Bei einem gemeinsamen Erlass eines Bebauungsplans und einer Satzung über örtliche Bauvorschriften nach § 74 Abs. 7 LBO ist, wenn der Bebauungsplan weitgehend bislang unbebaute Flächen überplant, regelmäßig davon auszugehen, dass nach dem Willen des Satzungsgebers das rechtliche Schicksal der örtlichen Bauvorschriften an dasjenige des Bebauungsplans gekoppelt sein soll.
Nach § 2 Abs. 3 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind, zu ermitteln und zu bewerten. Das Bewerten bezieht sich auf das Gewicht der einzelnen Belange, das für ihre sachgerechte Behandlung von Bedeutung ist. Die Bewertung bedeutet daher die Feststellung des jeweiligen Gewichts der Abwägungsbeachtlichkeit, also Art und Ausmaß des Berührtseins des Belangs und des Gewichts des Belangs und seines Berührtseins durch die betreffende Bauleitplanung [1].
Die Frage, ob eine planbedingte Zunahme des Verkehrslärms mehr als geringfügig und deshalb als Abwägungsbelang beachtlich ist, kann nicht anhand fester Maßstäbe beantwortet werden. Abwägungsrelevant kann eine Verkehrslärmzunahme auch unterhalb des 3‑dB(A)-Kriteriums der 16. BImSchV sein [2]. Es bedarf jeweils einer wertenden Betrachtung der konkreten Verhältnisse unter Berücksichtigung der jeweiligen Vorbelastung und der Schutzwürdigkeit des jeweiligen Gebiets [3]. Deshalb gehört eine planbedingte Zunahme des Verkehrslärms auch unterhalb einschlägiger Grenzwerte grundsätzlich zu dem nach § 2 Abs. 3 BauGB zu ermittelnden Abwägungsmaterial. Denn dem Satzungsgeber kommt in der Bauleitplanung eine wesentliche Aufgabe im vorbeugenden Immissionsschutz zu. Er hat grundsätzlich jegliche durch die Planung mitverursachte Immissionen, die nicht nur objektiv geringfügig und daher planungsrechtlich vernachlässigbar sind, in den Blick zu nehmen und im Rahmen der Abwägung als Belang zu gewichten. Je nach Lage des einzelnen Falles bestimmt sich dabei der Aufwand, der zur Ermittlung des Ausmaßes möglicher Lärmbelastungen aufgrund der Festsetzung von Verkehrsflächen erforderlich ist.
Die planende Gemeinde muss insbesondere nicht stets umfangreiche gutachterliche Ermittlungen anstellen (lassen), um die konkrete Größenordnung der planbedingten Lärmauswirkungen exakt zu bestimmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn schon eine grobe Abschätzung eindeutig erkennen lässt, dass wegen des ersichtlich geringen Ausmaßes zusätzlicher planbedingter Verkehrsbewegungen beachtliche nachteilige Lärmbeeinträchtigungen offensichtlich ausscheiden. Allerdings muss die Prognose hinreichend aussagekräftig sein, um die konkrete Planungssituation abwägungsgerecht beurteilen zu können [4]. Maßstab hierfür ist, dass der Satzungsgeber sich als Grundlage seiner Abwägungsentscheidung in einer Weise mit den zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen vertraut macht, die es ihm ermöglichen muss, hieraus entstehende Konflikte umfassend in ihrer Tragweite zu erkennen. Nur wenn dies der Fall ist, kann er zu einer sachgerechten Problembewältigung im Rahmen der Abwägung in der Lage sein und vermag Entscheidungsvorschläge eigenverantwortlich nachzuvollziehen [5].
Setzt ein Bebauungsplan eine Straßenverkehrsfläche neben einem Wohngrundstück fest, erlauben die Anforderungen aus § 2 Abs. 3 BauGB nur dann, auf die Ermittlung konkret zu erwartender Immissionswerte zu verzichten, wenn schon nach der Zahl der täglich zu erwartenden Kfz-Bewegungen im Hinblick auf die konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls keine Belästigungen zu besorgen sind, die die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten [6]. Allerdings wird auch die Einschätzung, ob die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten wird, regelmäßig [7] nicht ohne sachverständige Grobabschätzung der zu erwartenden Immissionen möglich sein.
Gemessen hieran stellt es einen Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB dar, dass die Gemeinde die planbedingt zu erwartenden Verkehrslärm-Immissionen im Aufstellungsverfahren nicht ermittelt hat.
Im hier entschiedenen Fall lag dem Gemeinderat lag keine verlässliche Abschätzung zu erwartender Verkehrslärm-Immissionen vor. Insbesondere ist die Abschätzung und Wertung im Umweltbericht, wonach die weiteren Lärmbelastungen mit nur unerheblichen Auswirkungen einhergingen, nicht fachlich hinreichend qualifiziert und auch nicht auf hinreichend breiter Tatsachengrundlage erstellt. Denn der Verfasser des Umweltberichts hat gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof erklärt, kein Experte für Schallimmissionsprognosen zu sein und nur aufgrund einer Vielzahl solcher Prognosen, die er aus anderen Planungsverfahren kenne, Rückschlüsse gezogen zu haben. Er war auch nicht in der Lage, weitere tatsächliche Anhaltspunkte, die die inhaltliche Richtigkeit der Aussage des Umweltberichts hätten stützen können, zu benennen.
Entgegen der Auffassung der Gemeinde war die Ermittlung der planbedingt zu erwartenden Verkehrslärm-Immissionen nicht deshalb entbehrlich, weil der Bebauungsplan einen Verkehr nur auf Anwohnerstraßen und nur für Anwohner eröffne und dieser selbst induzierte Mehrverkehr – als durch die zugelassene Wohnnutzung verursacht und unvermeidbar – in seinen Auswirkungen hinzunehmen seien. Die von ihr vertretene Rechtsauffassung, dass die Auswirkungen der Verkehre in einem neuen Baugebiet unter dem Gesichtspunkt des nachbarrechtlichen Austauschverhältnisses regelmäßig hinzunehmen seien und deshalb eine nähere Ermittlung der zu erwartenden Belastungen unterbleiben könne, trifft nicht zu. Dies folgt bereits aus dem Anwendungsbereich und dem Regelungsinhalt der 16. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung – 16. BImSchV). Die Verordnung gilt u.a. für den Bau oder die wesentliche Änderung von öffentlichen Straßen, § 1 Abs. 1 16. BImSchV, wobei eine Änderung u.a dann wesentlich ist, wenn durch einen erheblichen baulichen Eingriff der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms um mindestens 3 dB(A) oder auf mindestens 70 dB(A) am Tage oder mindestens 60 dB(A) in der Nacht erhöht wird, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 16. BImSchV. Diese Regelung kennt keine Ausnahme für die Neuplanung oder wesentliche Änderung von lediglich dem Anwohnerverkehr dienenden öffentlichen Straßen im Zusammenhang mit der Neuplanung und ‑errichtung von Wohngebieten. Gleiches gilt für die Bestimmung der Immissionsgrenzwerte in § 2 Abs. 1 16. BImSchV. Ebenso zeigt die DIN 18005 Schallschutz im Städtebau [8] mit ihren Orientierungswerten, die ausweislich ihres Beiblatts 1 vorrangig Bedeutung für die Planung von Neubaugebieten mit schutzbedürftigen Nutzungen haben, dass eine zwingende, von der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte unabhängige Duldungspflicht von „selbst induziertem Mehrverkehr“ innerhalb eines Baugebietes dem Recht und dem Städtebau fremd ist.
Aber auch materiell gibt es keine Rechtfertigung dafür, die Zunahme von Verkehrslärmimmissionen im Zusammenhang mit der Planung der erstmaligen Errichtung einer Erschließungsstraße deshalb als rechtlich nicht relevant einzustufen, weil die Erschließungsstraße allein der Bewältigung des Ziel- und Quellverkehrs eines neuen Baugebiets dient und die Immissionen allein oder hauptsächlich die neu überbaubaren Flächen betreffen. Denn mit den Festsetzungen der überbaubaren Flächen und der zulässigen Art der baulichen Nutzung ist die Art und Weise der verkehrlichen Erschließung, insbesondere der genaue Verlauf der zukünftigen Erschließungsstraße, nicht determiniert. Die auf die Wohngrundstücke und die Wohnbebauung zukünftig einwirkenden Verkehrsschallemissionen sind vielmehr von der Trassenführung und der möglichen Anordnung von Baulinien oder ‑grenzen abhängig. Deshalb ist bei der Überplanung auch von bislang unbebauten Flächen eine Prognose der künftig zu erwartenden Verkehrslärm-Immissionen nicht entbehrlich.
Auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in der von der Gemeinde zitierten Entscheidung keinen anderen Standpunkt eingenommen. Das Urteil vom 07.04.2014 [9] beschäftigt sich vielmehr mit der Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 VwGO bei zu erwartenden Steigerungen von Verkehrslärm-Immissionen aufgrund der erstmaligen bauplanungsrechtlichen Zulassung vom Mehrgeschoss-Wohnungsbauten in einem bereits teilweise bebauten Gebiet. Die Festsetzung einer Erschließungsstraße war – ausweislich des Tatbestands der angeführten Entscheidung ‑nicht Gegenstand des dort angegriffenen Bebauungsplans.
Schließlich trifft die Auffassung der Gemeinde nicht zu, die von ihr nach dem Satzungsbeschluss in Auftrag gegebene schalltechnische Untersuchung belege, dass eine solche Untersuchung im Planaufstellungsverfahren rechtlich nicht erforderlich gewesen sei. Nach den oben dargestellten Maßstäben steht der Verzicht – auch – auf eine Grobabschätzung der zu erwartenden Schallimmissionen nur in atypischen Fällen im Einklang mit § 2 Abs. 3 BauGB. Dafür muss es offenkundig und unzweifelhaft sein, dass die planbedingten Verkehrslärm-Immissionen die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreiten und damit keine für die Abwägung erheblichen Belange berühren können. Dies ist bei 45 Fahrzeugbewegungen sicherlich der Fall [10]. Hingegen ist diese Schwelle absoluter Geringfügigkeit, bei der aufgrund allgemeiner Erfahrungswerte ohne speziellen Sachverstand offenkundig ist, dass abwägungserhebliche Belange nicht berührt sein können, angesichts der Größe des Plangebiets, der von der Gemeinde zugrunde gelegten Anzahl zu erwartenden Fahrbewegungen je Werktag (454 Kfz) und der Festsetzung der neu herzustellenden Erschließungsstraße in unmittelbarer Nähe zu bereits errichteten Wohngebäuden erkennbar überschritten.
Die Verletzung von § 2 Abs. 3 BauGB ist ein beachtlicher Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift, der zur Unwirksamkeit der Festsetzungen über die zur Erschließung des neuen Baugebiets erforderlichen Straßenverkehrsflächen führt.
Nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB ist eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und der Satzungen nach diesem Gesetzbuch nur beachtlich, wenn entgegen § 2 Abs. 3 BauGB die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist. Der Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB betrifft einen der Gemeinde bekannten, von der Planung berührten Belang in einem wesentlichen Punkt und ist ebenso offensichtlich wie auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen. Der Fehler ist auch nicht unbeachtlich geworden.
Der Mangel bei der Ermittlung der Lärmimmissionen ist offensichtlich, denn er beruht auf objektiv feststellbaren Umständen und ist ohne Ausforschung der Mitglieder des Gemeinderates über dessen Planungsvorstellungen für den Rechtsanwender erkennbar [11].
Er ist auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen, denn nach den festzustellenden Umständen besteht hier die konkrete Möglichkeit, dass ohne den Mangel die Planung anders ausgefallen wäre [12].
Die abstrakte Möglichkeit oder die bloße Vermutung, die Entscheidung wäre bei Vermeidung des Fehlers anders gefallen, genügt allein nicht, um einen Einfluss auf das Abwägungsergebnis anzunehmen. Vielmehr muss nach den Umständen des Einzelfalles die konkrete Möglichkeit eines solchen Einflusses bestehen, d. h. Anhaltspunkte z. B. in den Planunterlagen oder sonst erkennbare oder nahe liegende Umstände müssen darauf hindeuten, dass ohne den Fehler anders geplant worden wäre [13]. Ob die konkrete Möglichkeit einer anderen Planung besteht, kann auch von dem Gewicht des nicht oder unzureichend ermittelten oder bewerteten Belangs in der konkreten Situation abhängen [14].
Die Nichtermittlung und ‑abschätzung der zu erwartenden Verkehrslärm-Immissionen ist hier auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Die im gerichtlichen Verfahren vorgelegte schalltechnische Untersuchung belegt genau dies, nicht aber – wie die Gemeinde meint, dass es an der erforderlichen Kausalität fehlt.
Die Erschließung des Neubaugebiets war während des gesamten Aufstellungsverfahrens wiederholt thematisiert worden. Da die Festsetzungen der Verkehrsflächen mit ihrem genauen Trassenverlauf für die zu erwartenden Schallimmissionen auf den Grundstücken entscheidend ist, lässt bereits dieser Umstand die konkrete Möglichkeit einer abweichenden Planung bei einer Ermittlung der zu erwartenden Verkehrslärmimmissionen erkennen.
Die schalltechnische Untersuchung vom 24.04.2015 belegt nicht, dass der Gemeinderat der Gemeinde den Bebauungsplan bei ihrer Kenntnis in gleicher Weise beschlossen hätte.
Der schalltechnischen Untersuchung lässt sich entnehmen, dass bei der Annahme von 454 durch die Planung neu hervorgerufenen Kfz-Fahrten pro Werktag die Grenzwerte der 16. BImSchV eingehalten werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass am gewählten Immissionsort im Außenwohnbereich auf dem Grundstück des Antragstellers der Grenzwert von 59 dB(A) (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImSchV) nur um 1 dB(A) unterschritten wird. Die Orientierungswerte aus Nr. 1 des Beiblatts 1 zur DIN 18005 – Teil 1, die sich auf den Rand der Bauflächen oder der überbaubaren Grundstücksflächen in den jeweiligen Baugebieten beziehen und für allgemeine Wohngebiete bei tags 55 dB liegen [15], werden genau erreicht, aber nicht überschritten. Diese Prognose-Ergebnisse als schlüssig und nachvollziehbar unterstellt zeigen auf, dass sich die zu erwartenden Verkehrslärm-Immissionen in einigen Teilen des Baugebiets den Grenzen des rechtlich Zumutbaren annähern, mit dem teilweisen Erreichen der Orientierungswerte der DIN 18005 aber noch nicht in dem kritischen Bereich befinden, in dem gewichtige städtebauliche Gründe zu fordern sind, um die Planung als Ergebnis einer gerechten Abwägung ansehen zu können [16]. Allerdings ist der Planung der Gemeinde nicht zu entnehmen, dass sie sich zur Maxime gemacht haben könnte, Schallimmissionen bis zur Grenze des rechtlich Zumutbaren zu akzeptieren. Dies ist im vorliegenden Zusammenhang bedeutsam, weil es jedem Plangeber frei steht, ein höheres Maß an Schutz vor Schallimmissionen zu gewähren als dies in gesetzlichen Regelungen vorgesehen ist. Die geringe Beschäftigung mit diesem Belang im Rahmen der Planung lässt – im Umweltbericht – nur erkennen, dass der Gemeinderat hinsichtlich des Verkehrslärms von „nur unerheblichen“ bzw. „nicht erheblichen“ Umweltauswirkungen seiner Planung ausgegangen ist. Was nach seiner Vorstellung im neuen Baugebiet aber „unerheblich“ oder „nicht erheblich“ gewesen sein könnte, lässt sich nicht weiter feststellen, zumal auch nach den Äußerungen des Verfassers des Umweltberichts in der mündlichen Verhandlung für das Verwaltungsgerichtshof kein weitergehendes, differenziertes planerisches Konzept zu erkennen gewesen ist, das hinter diesen Einschätzungen stehen könnte. Die Einhaltung von Grenz- und Orientierungswerten ist daher für sich nicht geeignet, losgelöst vom Einzelfall zu belegen, dass ein Ermittlungsfehler hinsichtlich zu erwartender Schallimmissionen nicht im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB von Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen ist, wenn – wie hier – nicht zu erkennen ist, welches Ausmaß an Immissionen der Plangeber den betroffenen Grundstücken zumuten wollte.
Auch aus einem Vergleich der Vorbelastung des Gebiets mit Verkehrslärm-Immissionen mit den prognostizierten Immissionen lässt sich nicht schließen, der Verzicht auf die Ermittlung des Verkehrslärms im Planaufstellungsverfahren habe sich nicht auf das Abwägungsergebnis ausgewirkt.
Die in der schalltechnischen Untersuchung dargestellte, an den meisten Immissionsorten nur sehr geringfügig ausfallende Veränderung des Beurteilungspegels bei einem Vergleich des Nullfalls mit dem Planfall ist nicht geeignet, eine Kausalität des Verfahrensfehlers auszuschließen. Denn die diesbezüglichen Erwägungen in der schalltechnischen Untersuchung sind nicht schlüssig und nachvollziehbar. Die Untersuchung ist für den Nullfall von einer Vorbelastung mit 1.400 Kfz/24h ausgegangen und hat dafür die Kennwerte aus der Verkehrsuntersuchung, die für die Kreuzung … ermittelt worden waren, auf den Verkehr von der Ring- über die …- in die … übertragen. Diese vom Gutachter als „konservative Annahmen“ bezeichneten Werte sind offensichtlich kein wirklichkeitsnaher Prognosemaßstab. Sie blenden vollständig aus, dass zwischen der Kreuzung … und der Kreuzung … wesentliche Teile des Verkehrs auch über die …-… – Kreuzung … – und die … in die umliegende Wohnbebauung des Ortsteils Weiler abfließen. Auch beschäftigen sich diese Annahmen nicht mit der Feststellung aus dem Verkehrsgutachten, wonach die … wegen der Unübersichtlichkeit und der für Begegnungen von Fahrzeugen unzureichend dimensionierten Querschnitte nicht ausreichend attraktiv für den Verkehr sei. Diese fachliche Aussage, die sich mit dem Eindruck, den das Verwaltungsgerichtshof beim Augenschein von der … gewonnen hat, deckt, steht der Annahme, 1.400 Kraftfahrzeuge würden bereits heute die … werktäglich benutzen, erkennbar entgegen. Daher ist von einer deutlich geringeren Vorbelastung des nördlichen Plangebiets und damit einer höheren Veränderung des Beurteilungspegels im Fall der Planrealisierung auszugehen als dies die schalltechnische Untersuchung annimmt.
Offen bleiben kann hinsichtlich der schalltechnischen Untersuchung und der verkehrsplanerischen Stellungnahme, ob sich die Annahme, es sei mit 454 neu generierten Kfz-Bewegungen je Werktag zu rechnen, als noch schlüssig darstellt. Unabhängig davon, ob die entsprechenden Rügen des Antragstellers zutreffen, fällt auf, dass die verkehrsplanerische Stellungnahme von 70 Wohneinheiten mit 140 bis 210 Einwohnern ausgeht, während die Gemeinde bis zu 75 Bauplätze zugrunde legt. Da die Anzahl der Wohnungen je Einzelhaus durch den angegriffenen Bebauungsplan auf zwei beschränkt ist, könnte die Zahl der wahrscheinlich zu erwartenden Verkehrsbewegungen auch deutlich über den Annahmen der verkehrsplanerischen Stellungnahme liegen, was dann zur Folge haben dürfte, dass die Orientierungswerte der DIN 18005 im Plangebiet überschritten sein könnten.
Die Verletzung von § 2 Abs. 3 BauGB ist auch nicht nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich geworden, denn der Antragsteller hat die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplans schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts, nämlich mit Schriftsätzen an den Gerichtshof vom 29.05.2012 und auch vom 13.11.2014, die jeweils an die Gemeinde weitergeleitet worden sind, geltend gemacht.
Der Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB bei der Festsetzung der zur Erschließung des neuen Baugebiets erforderlichen Verkehrsflächen führt zur Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplans.
Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, führen nur dann nicht zu dessen Gesamtunwirksamkeit, wenn – erstens – die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen, für sich betrachtet, noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können, und wenn – zweitens – die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte [17]. Die Teilunwirksamkeit stellt dabei zur Gesamtunwirksamkeit eine von besonderen Umständen abhängende Ausnahme dar [18]. Da der Ermittlungsfehler Auswirkungen auf die gesamte Erschließung und /oder die Ausrichtung und Dimensionierung der überbaubaren Flächen haben kann, lässt sich weder objektiv noch subjektiv die Möglichkeit der (bloßen) Teilunwirksamkeit der Planung erkennen.
Offen bleiben kann daher, ob der Bebauungsplan auch an weiteren zu seiner Unwirksamkeit führenden Mängeln leidet. Das Verwaltungsgerichtshof nimmt insoweit auf die umfassende Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung Bezug und weist insbesondere darauf hin, dass die vom Antragsteller als fehlerhaft gerügte Bewältigung planbedingter Konflikte im Bereich der Abfallentsorgung, die auch im Planaufstellungsverfahren wiederholt von der Abteilung 30 der Verwaltung der Gemeinde thematisiert worden sind, rechtlich durchaus bedenklich sein könnte. Denn der Gemeinderat hat sich insoweit weder mit einer Abweichung von den Empfehlungen der Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen – Ausgabe 2006 – auseinandergesetzt [19] noch Aufstellflächen für die Müllbehälter entlang der … vorgesehen oder im Aufstellungsverfahren diskutiert.
Die mit dem Bebauungsplan erlassene Satzung über die örtlichen Bauvorschriften (vgl. § 74 Abs. 7 LBO) ist bereits wegen der Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans gegenstandslos und deswegen für unwirksam zu erklären. Zwar folgt nicht abstrakt aus der Unwirksamkeit eines Bebauungsplans die Unwirksamkeit von örtlichen Bauvorschriften, die für den gleichen Geltungsbereich erlassen worden sind, da es sich bei den örtlichen Bauvorschriften um eine selbstständige Satzung handelt [20]. Allerdings ist bei einem gemeinsamen Erlass der beiden Satzungen nach § 74 Abs. 7 LBO, wenn der Bebauungsplan weitgehend bislang unbebaute Flächen überplant, regelmäßig davon auszugehen, dass nach dem Willen des Satzungsgebers das rechtliche Schicksal der örtlichen Bauvorschriften an dasjenige des Bebauungsplans gekoppelt sein soll. So liegt der Fall hier. Es ist nicht ersichtlich, dass der Satzungsgeber den isolierten Erlass örtlicher Bauvorschriften für das Plangebiet erwogen hätte, wenn er die Unwirksamkeit des Bauleitplanes erkannt hätte. Offen bleiben kann daher, ob die örtlichen Bauvorschriften auch an Mängeln leiden, die unmittelbar zu deren (Teil-)unwirksamkeit führen.
Verwaltungsgerichtshof Baden ‑Württemberg, Urteil vom 24. Juli 2015 – 8 S 538/12
- Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: April 2013, § 2 BauGB Rn. 147[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 19.08.2003 – 4 BN 51.03 – BauR 2004, 1132[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 24.05.2007 – 4 BN 16.07, 4 VR 1.07 – BauR 2008, 41 Rn. 5 f.[↩]
- OVG NRW, Beschluss vom 17.01.2014 – 2 B 1367/13.NE – DVBl 2014, 869[↩]
- VGH, Beschluss vom 04.11.2013 – 8 S 1137/13; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.11.2011 – 8 C 10906/11 – DVBl 2012, 376[↩]
- VGH, Urteil vom 12.06.2012 – 8 S 1337/10 – VBlBW 2012, 421[↩]
- vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.2014 – 3 S 1227/12 65 ff. zu atypischen Fällen[↩]
- abgedruckt bei Birkl, Praxishandbuch des Bauplanungs- und Immissionsschutzrechtes, Stand: März 2015[↩]
- 3 C 914/13.N – DVBl 2014, 1013[↩]
- vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.04.2015 – 3 S 2094/13 – BauR 2015, 1293 28[↩]
- vgl. BVerwG, Urteile vom 21.08.1981 – 4 C 57.80, BVerwGE 64, 33 <38>; und vom 13.12.2012 – 4 CN 1.11, BVerwGE 145, 231 Rn. 16; VGH, Urteil vom 04.11.2013 – 8 S 1694/11 – ZfBR 2014, 264[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 – 4 CN 1.11, BVerwGE 145, 231 Rn. 16[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 09.10.2003 – 4 BN 47.03 – BauR 2004, 1130; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Mai 2007, § 214 Rn. 144[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2004 – 4 CN 11.03 – ZfBR 2005, 270 <272>[↩]
- Nr. 1.1 lit. b) des Beiblatts 1 zu DIN 18005 – Teil 1[↩]
- siehe dazu BVerwG, Urteil vom 22.03.2007 – 4 CN 2.06 -BVerwGE 128, 238 Rn. 15[↩]
- BVerwG, Urteil vom 19.09.2002 – 4 CN 1.02, BVerwGE 117, 58 <61>[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 24.04.2013 – 4 BN 22.13 – BRS 81 Nr. 77 Rn. 3[↩]
- vgl. dazu VGH, Urteil vom 04.11.2013 – 8 S 1684/11 – ZfBR 2014, 264[↩]
- VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2014 – 5 S 584/13 – DVBl 2015, 442 <446 f.>[↩]