Das Verwaltungsgericht Göttigung hat einer Göttingerin Recht gegeben, die sich gegen die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren für den Sommerdienst durch die Stadt Göttingen gewehrt hatte, und stellt sich damit ausdrücklich gegen die Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts.

Die Stadt Göttingen erhebt für die Straßenreinigung von den Anliegern Gebühren. Diese unterteilen sich nach Sommerdienst und Winterdienst. Die der Gebührenerhebung zugrundeliegende Satzung der Stadt Göttingen für das Jahr 2018 war Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens beim Nds. Oberverwaltungsgericht in Lüneburg. Das OVG erklärte die Erhebung der Winterdienstgebühr für nichtig, sah bei der Erhebung der Sommerdienstgebühr jedoch keine Rechtsfehler. Zwar sei die Kalkulation auch der Sommerdienstgebühr nicht rechtsfehlerfrei. Die Fehler zulasten der Gebührenzahler würden jedoch durch einen summenmäßig viel höheren Fehler, den die Stadt zugunsten der Gebührenschuldner begangen habe, ausgeglichen. Die Stadt habe nämlich Überdeckungen aus den Jahren 2006 bis 2014 nicht mehr ausgleichen müssen. Diese Verpflichtung habe nur drei Jahre rückwirkend von 2018 an bestanden. Soweit die Nichtigkeit der Satzung festgestellt wurde, ist die Entscheidung allgemeinverbindlich. Infolgedessen wurde auch der angegriffene Bescheid hinsichtlich der Winterdienstgebühr aufgehoben. Hinsichtlich der Sommerdienstgebühr hielt die Stadt an der Erhebung von 580,00 Euro Gebühren fest.
Unabhängig von diesem Normenkontrollverfahren hatten zahlreiche Straßenanlieger Klage gegen die an sie gerichteten Gebührenbescheide erhoben. Über ein solches Verfahren hatte das Verwaltungsgericht nun zu entscheiden. Die Straßenanliegerin dieses Verfahrens machte im Wesentlichen geltend, dass die Stadt Überdeckungen ihrer Straßenreinigungsaufwendungen aus vergangenen Jahren nicht ordnungsgemäß in ihre Kalkulation für das Jahr 2018 eingestellt habe. Dem trat die Stadt unter Hinweis auf das Normenkontrollurteil des Oberverwaltungsgerichts entgegen. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht habe geurteilt, dass Überdeckungen nur aus den letzten drei Jahren vor der Kalkulationsperiode ausgeglichen werden müssten.
Mit dem aktuellen Urteil stellt sich das Verwaltungsgericht Göttingen gegen die Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts. Allgemeinverbindlichkeit besitze das Normenkontrollurteil nur soweit, wie die Nichtigkeit der Winterdienstgebühr festgestellt worden sei. Hinsichtlich der Sommerdienstgebühren sei man nicht an die Entscheidung gebunden. Die Entscheidung überzeuge die 1. Instanz nicht. Die Überdeckungen ab dem Jahr 2006 seien dadurch verursacht worden, dass die Stadt Göttingen rechtswidriger Weise keine Trennung ihrer Aufwendungen für Sommerdienst einerseits und Winterdienst andererseits vorgenommen habe. Dies sei auch die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts. Infolgedessen müssten die Gebühren für die vergangenen Jahre neu kalkuliert werden. Dies habe die Stadt Göttingen auch getan und habe insgesamt Überdeckungen im Sommerdienst von ca. 3,3 Mio Euro ermittelt. Dies war im Übrigen auch der Grund, warum für das Jahr 2017 überhaupt keine Straßenreinigungsgebühren für den Sommerdienst erhoben worden seien. Auf diese Neukalkulation seien die vom OVG angewandten Vorschriften jedoch nicht anwendbar. Sie beträfen lediglich die Fälle, in denen die bei der Kalkulation angestellten Prognosen mit der Folge von Überdeckungen aus unerwarteten Gründen nicht eingetreten seien. Für methodisch rechtswidrige Kalkulationen fänden sie dagegen keine Anwendung. Solche Überdeckungen müssten ohne zeitliche Begrenzung ausgeglichen werden.
Verwaltungsgericht Göttingen, Urteil vom 18. Mai 2022 – 3 A 116718