Die Stiftung für Hochschulzulassung – früher ZVS – ist vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden, vier Studienbewerber vorläufig zum Studium zuzulassen. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ist bundesweit als einziges Gericht für alle Verfahren gegen die in Dortmund ansässige Stiftung für Hochschulzulassung zuständig.

Im hier vom Verwaltungsgericht entschiedenen Fall müssen je ein Studienbewerber aus Remagen, Hannover, Lübeck und Berlin vorläufig zum Studium der Tier- bzw. Humanmedizin zugelassen werden. Alle Antragsteller hatten zum Wintersemester 2011/12 keinen Studienplatz bekommen, obwohl sie bereits seit sechs Jahren auf eine Zulassung warten. Das Verwaltungsgericht sah nun vor dem Hintergrund entsprechender Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Numerus Clausus aus den siebziger Jahren die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen überschritten und sprach den Antragstellern vorläufig einen Studienplatz (in München, Hannover, Marburg und Kiel) zu. Zwar sei es nicht zu beanstanden, wenn bei der Vergabe von Medizinstudienplätzen in erster Linie auf die Abiturnote abgestellt werde. Auch Bewerber mit schwächeren Abiturnoten müssten aber zumindest eine realistische Chance auf Zulassung haben. Dies sei bei Wartezeiten von mehr als sechs Jahren nicht mehr der Fall.
Ca. 40% der Studienplätze in den Studiengängen Tier- und Humanmedizin werden von der Stiftung für Hochschulzulassung in einem zentralen Vergabeverfahren vergeben. Die übrigen Studienplätze vergeben die Hochschulen selbst. Von der Stiftung werden die Studienplätze im Wesentlichen nach den von den Studienbewerbern erzielten Abiturdurchschnittsnoten und der von ihnen erreichten Wartezeit vergeben. Die Antragsteller erfüllten mit ihren Abiturnoten nicht die für eine Auswahl in der Abiturbestenquote zum Wintersemester 2011/2012 maßgeblichen Auswahlgrenzen, die bei Durchschnittsnoten von 1,0 bis 1,2 lagen.
Nach der Auffassung des Gerichts, führt das zur Zeit anzuwendende Auswahlverfahren in der Praxis insgesamt dazu, dass Bewerber, deren Abiturnote nicht überdurchschnittlich gut ist, ohne erhebliche Wartezeiten keine Chance auf Zulassung zum Studium in einem der beiden Studiengänge haben. In der Wartezeitquote ist für eine Verteilung neben der angesammelten Wartezeit als nachrangiges Auswahlkriterium ebenfalls die Abiturnote maßgeblich. An dieser Auswahlgrenze sind die Antragsteller gescheitert. Für Bewerber, die wegen ihrer schwächeren Abiturnote trotz einer Wartezeit von zwölf Halbjahren zum Wintersemester 2011/2012 nicht ausgewählt worden sind, wird die Wartezeit im Fach Tiermedizin (wegen der Zulassung ausschließlich zum Wintersemester) mindestens vierzehn Halbjahre betragen. Für entsprechende Bewerber im Fach Humanmedizin wird die Wartezeit mindestens dreizehn Halbjahre betragen, wobei schon zum Sommersemester 2011 selbst unter den Bewerbern mit dreizehn Halbjahren die mit den schwächsten Abiturnoten nicht ausgewählt worden sind. Verschärfend kommt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts hinzu, dass die Wartezeiten in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen sind. Ein Bewerber, der vor sechs Jahren seine Hochschulzugangsberechtigung erworben habe, habe sich in seiner Lebensplanung also nicht auf eine Wartezeit von sieben Jahren einstellen können. Im Jahr 2005 betrug z. B. die Wartezeit für einen Humanmedizinstudienplatz noch vier Jahre.
Nach Überzeugung des Gerichts folgt aus der (jedenfalls teilweisen) Verfassungswidrigkeit des Auswahlsystems auch ein Recht des einzelnen, unter einer überlangen Wartezeit leidenden Studienbewerbers auf Zulassung zum Studium.
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Beschluss vom 29. September 2011 – 6 L 941/11; 6 L 929/11; 6 L 940/11 und 6 L 942/11