Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat in 6 bei ihm anhängigen Verfahren festgestellt, dass die den Klägern, Teilnehmern an den Protesten gegen „Stuttgart 21“ im Stuttgarter Schlossgarten am 30. September 2010 gegenüber getroffenen polizeilichen Maßnahmen rechtswidrig waren.

Die gegenüber den Protestierenden durch den Polizeivollzugsdienst ausgesprochenen Platzverweise – also die Aufforderungen, bestimmte Bereiche des Schlossgartens zu verlassen – sind nach den jetzt verkündeten Urteilen des Verwaltungsgerichts Stuttgart rechtswidrig:
Dem Erlass des auf das Polizeigesetz des Landes Baden-Württemberg gestützten Platzverweises steht die so genannte Sperrwirkung des Versammlungsrechts entgegen, befand das Verwaltungsgericht. Danach sind polizeiliche Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden, rechtswidrig, solange die Versammlung nicht auf der Grundlage des Versammlungsgesetzes aufgelöst worden ist. Die Menschenansammlung im Stuttgarter Schlossgarten am 30. September 2010 war eine verfassungsrechtlich geschützte Versammlung. Denn bei der Verhinderung der Baumfällarbeiten und der Errichtung des Grundwassermanagements handelte es sich lediglich um ein Nahziel zur Erreichung des Fernziels der Verhinderung des Umbaus des Bahnknotens Stuttgart.
Der Schutz des Versammlungsgrundrechts entfiel auch nicht wegen Unfriedlichkeit. Vorfälle, die zur Annahme der Unfriedlichkeit führen könnten, wie der Einsatz von Pyrotechnik oder das Besprühen von Polizeibeamten mit Pfefferspray, blieben vereinzelt. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen, insbesondere des Einsatzes von Wasserwerfern, ergibt sich bereits aus der Feststellung der Rechtswidrigkeit des den Protestierenden gegenüber angeordneten Platzverweises.
Weitere erhebliche Zweifel bestehen für das Verwaltungsgericht Stuttgart im Übrigen an der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes des Wasserwerfers gegenüber den Protestierenden. Insbesondere ist zweifelhaft, ob Wasserstöße als die intensivste Form des Einsatzes eines Wasserwerfers angemessen waren.
Eine weitere Klage, die sich ausschließlich gegen den Wasserwerfereinsatz wandte, hat das Verwaltungsgericht dagegen abgewiesen [1], da für das Verwaltungsgericht sich in diesem Fall nicht davon überzeugen konnte, dass der Kläger selbst in rechtlich relevanter Weise von dem Einsatz betroffen gewesen war.
Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteile vom 18. November 2015 – 5 K 3991/13, 5 K 1265/14, 5 K 2184/14, 5 K 2704/14, 5 K 2705/14 und 5 K 2706/14
- VG Stutgart, Urteil vom 18.11.2015 – 5 K 2707/14[↩]