Tierhaltungsanlagen im Außenbereich – und ihre Ansiedlung durch Bebauungsplan

Gemeinden können die Ansiedlung von Tierhaltungsanlagen grundsätzlich auch durch einfache Bebauungspläne steuern, die weite Teile ihres Außenbereichs erfassen1. Dies gilt auch nach der am 20.09.2013 in Kraft getretenen Neufassung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB.

Tierhaltungsanlagen im Außenbereich – und ihre Ansiedlung durch Bebauungsplan

Tierhaltungsanlagen ist bei einer solchen Steuerung durch einfachen Bebauungsplan im Außenbereich in substantieller Weise Raum einzuräumen2. Dies gilt in besonderem Maße für Anlagen zur landwirtschaftlichen Tierhaltung i. S. d. § 201 BauGB.

Will eine Gemeinde in einem einfachen Bebauungsplan die Nutzung weiter Teile ihres Außenbereichs durch nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierte Vorhaben über die Steuerungsmöglichkeiten des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB hinaus abweichend von § 35 BauGB regeln, verlangt § 1 Abs. 3 BauGB eine nachvollziehbare, an hinreichend gewichtigen städtebaulichen Allgemeinwohlbelangen orientierte Begründung und konsistentes Verhalten im Hinblick auf die selbst gesetzten städtebaulichen Ziele3.

Gemeinden können die Ansiedlung von Tierhaltungsanlagen grundsätzlich auch durch großflächig angelegte einfache Bebauungspläne steuern4. Dies gilt sowohl für gewerbliche Tierhaltungsanlagen, die wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf die Umgebung grundsätzlich nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen und daher regelmäßig unter den Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB fallen5, als auch für die nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im Außenbereich privilegierten landwirtschaftlichen Betriebe, also diejenigen Betriebe, die das Futter überwiegend auf betriebszugehörigen Flächen erzeugen können (§ 201 BauGB).

Die Möglichkeit der Konzentrationsplanung über den Flächennutzungsplan (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB) steht der Aufstellung eines solchen Bebauungsplans nicht entgegen. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB regelt Konzentrationsplanungen im Außenbereich nicht abschließend. Auf Bebauungspläne findet die Vorschrift keine Anwendung, auch wenn diese, wie hier vorgesehen, weite Teile des Außenbereichs einer Gemeinde überplanen. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB soll den Gemeinden eine zusätzliche Befugnis eröffnen, im Flächennutzungsplan ausnahmsweise auch Darstellungen mit rechtlicher Außenwirkung zu treffen6, nicht aber ihre Planungsmöglichkeiten auf der Ebene des Bebauungsplans beschränken7. Daher kann auch daraus, dass § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB landwirtschaftliche Vorhaben von der Möglichkeit der Konzentrationsplanung auf der Ebene des Flächennutzungsplans ausnimmt, nicht geschlossen werden, dass dies auch für die planerische Steuerung auf der Ebene des Bebauungsplans gelten soll.

Auch der am 20.09.2013 in Kraft getretenen Neufassung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB kann keine gesetzliche Schranke bei der planerischen Steuerung von Tierhaltungsbetrieben entnommen werden. Die Neuregelung nimmt gewerbliche Anlagen zur Tierhaltung, die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen, von der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB aus. Solche Anlagen sollen nur nach Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans errichtet werden können8. Damit wollte der Gesetzgeber jedoch nicht ausschließen, dass die Ansiedlung anderer Tierhaltungsanlagen im Außenbereich planerisch gesteuert wird. Für die gewerblichen Tierhaltungsanlagen wird dies in der Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich festgestellt9. Es gilt aber auch für die Steuerung landwirtschaftlicher Tierhaltungsbetriebe. Dass diese Betriebe in der Begründung des Gesetzentwurfs keine Erwähnung gefunden haben, resultiert daraus, dass nur die Regelung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB geändert werden sollte, deren Anwendungsbereich die unter § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB fallenden landwirtschaftlichen Betriebe auch nach alter Fassung nicht erfasste.

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Bedenken dagegen, dass das Baugesetzbuch grundsätzlich das rechtliche Instrumentarium für die vorgesehene Planung zur Verfügung stellt, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Gemeinde hat in ihrem Entwurf der Planbegründung nicht nur Sondergebiete für Tierhaltungsanlagen vorgesehen, sondern für den übrigen Planbereich auch auf die Möglichkeit der Festsetzung von Flächen für die Landwirtschaft, von Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft oder von Flächen, die von Bebauung freizuhalten sind, hingewiesen. Dass die vorgesehene Planung mit Blick auf die erforderlichen Ermittlungen und die Abwägung10 durchaus ambitioniert ist, bedeutet keine unüberwindbare Hürde.

Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Planung daran scheitern könnte, dass Tierhaltungsanlagen nicht in substantieller Weise Raum eingeräumt würde.

Tierhaltungsanlagen sind im Außenbereich privilegierte Nutzungen (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 BauGB). Der Gemeinde ist es daher verwehrt, solche Anlagen unter dem Deckmantel der planerischen Steuerung in Wahrheit zu verhindern; vielmehr muss sie der Privilegierungsentscheidung des Gesetzgebers Rechnung tragen und der privilegierten Nutzung in substantieller Weise Raum einräumen. Dies gilt nicht nur bei einer Konzentrationsplanung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB11, sondern auch bei der gemeindlichen Steuerung privilegierter Außenbereichsnutzungen durch einen einfachen Bebauungsplan12, und zwar in besonderem Maße für landwirtschaftliche Anlagen. Ihrer Zuweisung in den Außenbereich durch die „planersetzende“13 Regelung des § 35 Abs. 1 BauGB kommt besonderes Gewicht zu. Anders als die gewerbliche Tierhaltung, die nur über den Auffangtatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB und seit der Neufassung dieser Vorschrift nur noch in beschränktem Umfang privilegiert ist, sind landwirtschaftliche Vorhaben und damit auch die landwirtschaftliche Tierhaltung im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB explizit dem Außenbereich zugewiesen14. Zudem belegt der Umstand, dass land- und forstwirtschaftliche Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB von der Möglichkeit der Konzentrationsplanung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ausgenommen sind, dass diese Vorhaben im Außenbereich eine besondere Vorzugsstellung15 genießen sollen.

Will eine Gemeinde die Nutzung ihres Außenbereichs oder wesentlicher Teile davon durch nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierte Vorhaben über die ihr nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB eingeräumte Möglichkeit der Konzentrationsplanung hinaus abweichend von § 35 BauGB regeln, bedarf es dafür einer hinreichend gewichtigen städtebaulichen Rechtfertigung (§ 1 Abs. 3 BauGB)16. Dabei hat sich die Gemeinde in Bezug auf die von ihr zur Rechtfertigung angeführten Ziele konsistent zu verhalten17. Diese Maßgaben, die das Bundesverwaltungsgericht anlässlich der planerischen Steuerung von Einzelhandelsbetrieben zum Zweck des Zentrenschutzes entwickelt hat, gelten auch bei der hier in Angriff genommenen Planung zum Schutz der von der Gemeinde hervorgehobenen Ausrichtung Bad Dürrheims als Heilkur- und naturnaher Tourismusort. Denn hier sollen – insoweit vergleichbar mit der Abweichung von den in der BauNVO vorgegebenen Gebietstypen durch den Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben nach § 1 Abs. 5 BauNVO – privilegierte Vorhaben abweichend von ihrer Zuweisung in den Außenbereich gemäß § 35 Abs. 1 BauGB und über die in der Norm selbst angelegte Möglichkeit (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB) hinaus in weiten Teilen des Außenbereichs ausgeschlossen werden.

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Die Gemeinde hat in ihrem Entwurf der Planbegründung hervorgehoben, dass Bad Dürrheims Ausrichtung und Entwicklung als Heilkur- und naturnaher Tourismusort gesichert werden solle. Das Oberverwaltungsgericht Baden-Württemberg hat keine Bedenken gegen die Annahme, dass dieses Ziel grundsätzlich eine Steuerung und Beschränkung der Tierhaltungsanlagen rechtfertigen kann. Ein nicht ausräumbares, mit diesem Ziel inkonsistentes Verhalten der Gemeinde ist nicht zu erkennen. In dem Entwurf der Planbegründung führt sie aus, der Plan sei Bestandteil eines übergeordneten städtebaulichen Konzepts, aus dem bei entsprechendem Anlass weitere Bebauungspläne auf der Gemarkung Bad Dürrheim zu entwickeln seien; die dargelegten Ziele gälten prinzipiell für den gesamten Außenbereich der Gemeinde; die im Rahmen des vorliegenden Plans entwickelte Vorgehensweise und Methodik könne in ihren Grundzügen auf andere Bereiche des Stadtgebiets von Bad Dürrheim angewandt werden, sobald sich dort das Planungsbedürfnis konkretisiere. Dass es ausgeschlossen wäre, für die Steuerung der Tierhaltungsanlagen ein solches schlüssiges gesamträumliches Konzept zu entwickeln, behauptet auch der Antragsteller nicht. Aus der von ihm beanstandeten Erweiterung des Solarparks kann, wie oben ausgeführt, kein inkonsistentes Verhalten der Gemeinde abgeleitet werden.

Der von der Gemeinde angenommene Steuerungsbedarf und damit die städtebauliche Rechtfertigung (§ 1 Abs. 3 BauGB) der Planung wird auch nicht durch die Behauptung des Antragstellers in Frage gestellt, dass die Tierhaltung auf der Gemarkung der Gemeinde deutlich abnehme. Die Gemeinde hat ihre Planung nicht mit der Zahl der Tierhaltungsanlagen, sondern mit den Veränderungen in der landwirtschaftlichen Entwicklung und der gewerblichen Tierhaltung weg von den traditionellen Betriebsformen der familiär geführten Bauernhöfe zu Tierhaltungsanlagen agrarindustrieller Ausprägung begründet. Dass diese Einschätzung durchaus realitätsnah ist, belegt gerade der immissionsschutzrechtliche Genehmigungsantrag des Antragstellers.

Auch das Ziel der Gemeinde, die Immissionssituation so zu steuern, dass die Jahresgeruchsstunden auf 8 % begrenzt werden, ist nicht etwa von vornherein rechtlich unzulässig. Ungeachtet dessen, dass dieser Wert wohl nicht gemarkungsweit gelten soll, hebelt die Gemeinde damit keinen bestehenden gesetzlichen Grenzwert aus und setzt sich nicht in unzulässiger Weise an die Stelle des Gesetz– oder Verordnungsgebers18. Für Gerüche bestehen keine gesetzlich festgelegten Grenzwerte. Zwar wird für die Beantwortung der Frage, ob Geruchsimmissionen als schädliche Umwelteinwirkungen qualifiziert werden können, die Geruchsimmissionsrichtlinie in der Fassung vom 29.02.2008 und einer Ergänzung vom 10.09.2008 herangezogen, die Immissionswerte für verschiedene Nutzungsgebiete in Form einer relativen Häufigkeit der Geruchsstunden (Jahresgeruchsstunden) angibt, deren Überschreitung regelmäßig als erhebliche Belästigung (vgl. § 3 Abs. 1 BImSchG) zu werten sein soll. Nach der GIRL liegt der Immissionswert für Wohn–/Mischgebiete bei 0, 10 und für Dorf–/Gewerbe–/Industriegebiete bei 0, 15, so dass der von der Gemeinde angestrebte Wert von 0, 08 darunter liegt. Deshalb ist die Planung jedoch nicht unzulässig.

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Schon nach den Auslegungshinweisen der GIRL sollen für die Beurteilung eines Kurgebiets andere Kriterien gelten als die Immissionswerte für die in der Richtlinie ausdrücklich genannten Gebiete; insbesondere in Luftkurorten soll in der Regel der Wert von 0, 06 nicht überschritten werden. Zudem kommt der GIRL keine Bindungswirkung zu, sondern sie kann nur als Orientierungshilfe herangezogen werden19. Vor allem aber enthält das Immissionsschutzrecht keine verbindliche Vorgabe in dem Sinne, dass jegliche Immissionen bis zur der Grenze des § 3 BImSchG hinzunehmen wären. Das Vorsorgegebot im Sinne eines vorbeugenden Umweltschutzes lässt auch Vermeidungsanstrengungen gegenüber umweltbeeinträchtigenden Umweltschadstoffen zu, die mit dem Ziel ergriffen werden, längerfristig nach Maßgabe eines generellen Sanierungskonzepts eine Luftqualität herbeizuführen oder zu sichern, die einen angemessenen Sicherheitsabstand zur konkreten Schädlichkeitsgrenze herstellt20. Eine Gemeinde darf daher auch im Wege der Bauleitplanung unterhalb der durch § 3 Abs. 1 BImSchG bestimmten Erheblichkeitsschwelle eigenständig gebietsbezogen das Maß hinnehmbarer Geruchsbeeinträchtigungen nach den Maßstäben des Vorsorgegrundsatzes steuern, wenn städtebauliche Gründe dies rechtfertigen21.

Hier wird als städtebauliche Begründung für den angestrebten Wert von 8 % Geruchsstunden die nachhaltige Sicherung des Kurbetriebs der Kur– und Bäderstadt Bad Dürrheim angeführt: Die von landwirtschaftlichen und gewerblichen Anlagen auf die benachbarten Wohngebiete und touristischen Angebote einwirkenden Emissionen würden oftmals unabhängig von der Einhaltung gesetzlicher Grenzwerte als Belästigung empfunden. Bad Dürrheim sei als heilklimatischer Kurort und Sole-Heilbad besonders schutzbedürftig gegenüber Luftverunreinigungen. Auch der Ortsteil Öfingen besitze das Prädikat als „staatlich anerkannter Erholungsort“; ein entsprechendes Prädikat für Sunthausen sei in Vorbereitung. Im Stadtgebiet existierten zahlreiche Tourismuseinrichtungen und Einrichtungen der Gesundheitsvorsorge. Für den Kurbetrieb und den Tourismus seien die Möglichkeit des ungestörten Aufenthalts in freier Natur, des Genusses des Landschaftsbilds und schadstoffarmer Luft von großer Bedeutung. Mit Rücksicht auf die über das gesamte Stadtgebiet verteilten touristischen Einrichtungen und Nutzungen werde ein Mittelwert von 8 % der Geruchsstunden zwischen dem Wert für Kurgebiete (6 %) und demjenigen für Wohn– und Mischgebiete (10 %) angestrebt. Dieser werde voraussichtlich im Stadtgebiet als Maximalwert für Geruchsbelästigungen zugrunde gelegt.

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Dass diese städtebauliche Begründung von vornherein nicht geeignet wäre, das Ziel der Begrenzung der Geruchsstunden auf 8 % zu rechtfertigen, ist nicht ersichtlich. Bad Dürrheim ist seit 1976 als heilklimatischer Kurort (§ 5 KurortG), seit 1985 als Sole-Heilbad (§ 4 KurortG) und im Übrigen seit 2013 auch als Kneippkurort (§ 7 KurortG) anerkannt. Heilklimatische Kurorte wie auch Kneippkurorte zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein Klima besitzen, dessen Eignung für die therapeutische Anwendung wissenschaftlich anerkannt und durch Erfahrung bewährt ist (vgl. §§ 5a) und 7b) KurortG). Auch ein Heilbad verlangt ein Lage– und Witterungsklima, das die Gesundungs- und Erholungsmöglichkeiten nicht beeinträchtigt (§ 4 KurortG). Selbst wenn Bad Dürrheim, wie der Antragsteller vorträgt, die Prädikate Heilklimatischer Kurort und Sole-Heilbad bei einer hohen Dichte landwirtschaftlicher Betriebe erhalten hat und deshalb wohl nicht die Gefahr der Aufhebung der entsprechenden Anerkennungen besteht, steht außer Frage, dass Geruchsimmissionen aus Tierhaltungsanlagen nachteilig für das örtliche Kurklima sind und sich damit negativ auf die Anziehungskraft Bad Dürrheims als Kurort auswirken können.

Der Einwand des Antragstellers, es sei schon nicht klar, wie der zu schützende Kurbereich definiert werden solle, übergeht, dass die Gemeinde die über das ganze Stadtgebiet verteilten touristischen Einrichtungen als schützenswert ansieht. Dass § 2 Abs. 3 BauGB hier möglicherweise für die endgültige Planung auch eine vom Antragsteller vermisste Analyse der Kursituation verlangt, spielt für die Rechtmäßigkeit der Veränderungssperre keine Rolle.

Soweit der Antragsteller meint, dass die Planung schon jetzt an ihrer fehlenden Vollzugsfähigkeit scheitere, weil der angestrebte Wert von höchstens 8 % Jahresgeruchsstunden angesichts des Bestandsschutzes vorhandener Tierhaltungen nicht erreichbar sei, trifft dies nicht zu.

Für eine Überschreitung des Wertes von 8 % im Stadtgebiet bestehen keinerlei Anhaltspunkte. In der Gemeinderatsvorlage zur Veränderungssperre heißt es, nach den vorliegenden Informationen zum Tierbestand der Tierhaltungsbetriebe auf der Westbaar und in Hochemmingen betrage die Geruchswahrnehmungshäufigkeit in der Kernstadt von Bad Dürrheim bis zu 6 % der Jahresstunden. Dies entspricht der in der Voruntersuchung Dr. … errechneten Immissionsgesamtbelastung für die Kernstadt unter Berücksichtigung der Immissionsbeiträge größerer Betriebe auf der Westbaar sowie auf der westlichen Ostbaar in Hochemmingen, Biesingen und Oberbaldingen. Selbst wenn die Zusammenfassung des Gutachtens dahin zu verstehen wäre, dass der Wert von 8 % durch den Bestand der Tierhaltungsbetriebe auf der Westbaar bereits erreicht wird, folgt daraus keine Überschreitung der 8 %. Soweit der Antragsteller einwendet, das Gutachten gehe hinsichtlich der Windrichtungen von unzutreffenden meteorologischen Eingangsdaten aus, ist ihm entgegenzuhalten, dass es für die Rechtmäßigkeit der Veränderungssperre keine Rolle spielt, ob das Gutachten im Detail zutreffend ist. Die Veränderungssperre soll die Erarbeitung einer tragfähigen Planung ermöglichen; dies schließt eine „antizipierte Normenkontrolle“ des zu erstellenden Bebauungsplans aus22. Entscheidend ist nur, dass nicht jetzt schon feststeht, dass die angedachte Planung nicht vollzugsfähig ist. Im Übrigen stellt das Gutachten selbst fest, dass für die Ostbaar und die Westbaar keine meteorologischen Messdaten vorlägen und deshalb auf synthetische Windrosen zurückgegriffen werde. Die Gemeinde hat daher eine umfangreiche Windmessung in Auftrag gegeben.

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In Teilen der Ortschaft Oberbaldingen werden nach dem Immissionsgutachten, das der Antragsteller zur – überholten – Planung der Erweiterung seines bestehenden Betriebs eingeholt hat, zwar schon jetzt aufgrund der Belastung durch die bestehenden Betriebe Werte zwischen 14 % und 22 % der Jahresgeruchsstunden erreicht. Eine Überschreitung des angestrebten Werts von 8 % an einzelnen Punkten der Gemarkung bedeutet jedoch nicht, dass die gesamte Planung von vornherein hinfällig ist. Vielmehr ist durchaus denkbar, dass einem solchen Umstand durch Nachjustierung des Konzepts und durch eine entsprechende Abwägung Rechnung getragen werden kann. Änderungen einzelner Planungsvorstellungen können auch nach Erlass der Veränderungssperre erfolgen, solange die Grundkonzeption der Gemeinde entsprechend der im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre konkretisierten Planung nicht aufgegeben worden ist23. Im Übrigen muss Bestandsschutz für die Betriebe, die hier die Vorbelastung verursachen, angesichts der dynamischen immissionsschutzrechtlichen Betreiberpflichten (§§ 5, 22 BImSchG) nicht auch bedeuten, dass die von ihnen ausgehenden Immissionen dauerhaft fortbestehen.

Es ist auch nicht zu erkennen, dass der beabsichtigte Bebauungsplan das Entwicklungsgebot (§ 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB) nicht einhalten könnte. Derzeit ist im Flächennutzungsplan der Gemeinde zwar noch keine Grundlage für die geplante Steuerung von Tierhaltungsanlagen enthalten. Die Gemeinde beabsichtigt aber, den Flächennutzungsplan im Parallelverfahren (§ 8 Abs. 3 BauGB) zu ändern. Der Gemeinderat der Gemeinde hat zwar erst am 20.02.2014 einen Aufstellungsbeschluss für eine punktuelle Änderung des Flächennutzungsplans gefasst. Dies schadet jedoch nicht. § 8 Abs. 3 BauGB sieht vor, dass mit der Aufstellung eines Bebauungsplans gleichzeitig auch der Flächennutzungsplan geändert werden kann. Gleichzeitig bedeutet dabei nicht, dass alle Verfahrensabschnitte in vollständigem zeitlichem Gleichlauf stattfinden müssen. Kennzeichnend und ausreichend ist es vielmehr, dass die einzelnen Schritte des Bebauungsplanverfahrens und des Flächennutzungsplanverfahrens in einem dem Zweck des Entwicklungsgebots entsprechenden angemessenen zeitlichen Bezug zueinander stehen und dass im jeweiligen Fortgang beider Verfahren eine inhaltliche Abstimmung zwischen beiden Planentwürfen möglich und gewollt ist. Ein bloß zeitlicher Rückstand des Flächennutzungsplanverfahrens gegenüber dem Bebauungsplanverfahren schließt mithin das Vorliegen eines Parallelverfahrens nicht aus24.

Auch wenn Einiges dafür spricht, dass für den zu erstellenden Bebauungsplan wie für eine verbindliche Standortplanung im Flächennutzungsplan nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB25 ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept erforderlich ist und die im Aufstellungsbeschluss vom 20.02.2014 vorgesehene Beschränkung der Änderung des Flächennutzungsplans auf den Geltungsbereich des Bebauungsplans damit nicht ohne Weiteres zu vereinbaren ist, kommt es darauf im vorliegenden Verfahren nicht an. Denn es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass der Flächennutzungsplan so geändert wird, dass das Entwicklungsgebot eingehalten wird.

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Verwaltungsgerichtshof Baden -Württemberg, Urteil vom 26. Juni 2014 – 5 S 203/13

  1. wie st.Rspr. OVG Nds., vgl. etwa Urteil vom 13.09.2011 – 1 KN 56/08[]
  2. wie OVG Nds., Urteil vom 13.08.2013 – 1 KN 69/11[]
  3. wie BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 – 4 C 21.07, BVerwGE 133, 310 zur Steuerung von Einzelhandelsbetrieben zum Zweck des Zentrenschutzes[]
  4. so stRspr. OVG Nds., vgl. etwa Urteil vom 13.09.2011 – 1 KN 56/08, ZfBR 2011, 780; vgl. dazu auch Schrödter, AUR 2011, 177, 187 f.[]
  5. vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.06.1983 – 4 B 201.82, Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr.204; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielen-berg/Krautzberger, BauGB, 2013, § 35 Rn. 57a m. w. N.[]
  6. vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26.04.2007 – 4 CN 3.06, BVerwGE 128, 382[]
  7. vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 25.11.2003 – 4 BN 60.03 –, BauR 2004, 634[]
  8. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 17/11468 S. 15[]
  9. BT-Drs. 17/11468, S. 16[]
  10. s. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 17.12.1998 – 4 NB 4/97, BauR 1999, 608; OVG Rheinl.-Pf., Urteil vom 20.01.2011 – 1 C 10801/10, BauR 2011, 1779; BayVGH, Urteil vom 15.01.2007 – 1 N 04.1226, juris; Henschke/Gramsch, LKV 2012, 433, 436; Schink, AUR 2012, 285, 292; Schrödter, AUR 2011, 177, 188[]
  11. vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17.12.2002 – 4 C 15.01, BVerwGE 117, 287[]
  12. ebenso OVG Nds., Urteil vom 13.08.2013 – 1 KN 69/11, BauR 2014, 72, Urteil vom 13.09.2011 – 1 KN 56/08, ZfBR 2011, 780[]
  13. vgl. BVerwG, Urteil vom 26.04.2007 – 4 CN 3.06, BVerwGE 128, 382[]
  14. so auch Söfker, NVwZ 2008, 1273[]
  15. BVerwG, Urteil vom 17.12.2002 – 4 C 15.01, BVerwGE 117, 287[]
  16. vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 – 4 C 21.07, BVerwGE 133, 310[]
  17. vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 – 4 C 21.07, a. a. O.[]
  18. vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 30.08.2012 – 4 C 1.11, BVerwGE 144, 82 18 zur Standortplanung für Mobilfunkanlagen[]
  19. vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 28.07.2010 – 4 B 29.10, BauR 2010, 2083[]
  20. BVerwG, Beschluss vom 22.05.2014 – 7 B 3.14[]
  21. BVerwG, Urteil vom 28.02.2002 – 4 CN 5.01, BauR 2002, 1348[]
  22. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.06.2010 – 3 S 1391/08, VBlBW 2010, 475[]
  23. BVerwG, Beschluss vom 10.10.2007 – 4 BN 36.07, BauR 2008, 28[]
  24. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.06.1995 – 3 S 2680/93, BWGZ 1995, 617[]
  25. vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 – 4 CN 1.12, BVerwGE 146, 40[]