Tübinger Verpackungssteuer

Die Tübinger Verpackungssteuer ist im Wesentlichen rechtmäßig.

Tübinger Verpackungssteuer

Eine hiergegen gerichtete Klage eines Fast-Food-Unternehmens hat das Bundesverwaltungsgericht letztinstanzlich abgewiesen.

Seit Januar 2022 gilt in Tübingen materialunabhängig eine Steuer auf Einwegverpackungen. Damit sollen Einnahmen für den städtischen Haushalt erzielt, die Verunreinigung des Stadtbilds durch im öffentlichen Raum entsorgte Verpackungen verringert und ein Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen gesetzt werden. Besteuert werden Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck, „sofern Speisen und Getränke darin bzw. damit für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle oder als mitnehmbares take-away-Gericht oder -Getränk verkauft werden“. Die Steuer beträgt für jede Einwegverpackung 0,50 €, für jedes Einwegbesteck(-set) 0,20 €. Der Steuersatz pro Einzelmahlzeit ist auf maximal 1,50 € begrenzt.

Die Antragstellerin ist Franchise-Nehmerin eines McDonald’s Schnellrestaurants in Tübingen. Ihr Normenkontrollantrag hatte vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Erfolg1. Dieser erklärte die Verpackungssteuersatzung mit Urteil vom 29. März 2022 für unwirksam: Der Stadt Tübingen fehle bereits die Kompetenz zur Einführung der Verpackungssteuer, da es sich nicht um eine örtliche Steuer handele. Die Steuer sei nicht auf Verpackungen für Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle beschränkt, sondern erfasse auch Produkte zum Mitnehmen, deren Verbleib im Gemeindegebiet nicht gewährleistet sei. Darüber hinaus stehe die kommunale Verpackungssteuer in ihrer Ausgestaltung als Lenkungssteuer im Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes. Der Bundesgesetzgeber habe detaillierte und abschließende Regelungen zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung getroffen, sodass kein Raum für Zusatzregelungen durch den kommunalen Normgeber bleibe. Auch verstoße die Obergrenze der Besteuerung von 1,50 Euro für „Einzelmahlzeiten“ gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit, weil dieser Begriff nicht ausreichend vollzugsfähig sei.

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Auf die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zugelassene Revision der Stadt Tübingen hat das Bundesverwaltungsgericht dagegen die kommunale Steuer für überwiegend rechtmäßig erklärt:

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg handelt es sich für das Bundesverwaltungsgericht bei der Verpackungssteuer um eine örtliche Verbrauchsteuer im Sinn des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, für deren Einführung die Stadt Tübingen zuständig war. Bei den zum unmittelbaren Verzehr, sei es an Ort und Stelle oder als „take-away“, verkauften Speisen und Getränken ist der Steuertatbestand so begrenzt, dass ihr Konsum – und damit der Verbrauch der zugehörigen Verpackungen – bei typisierender Betrachtung innerhalb des Gemeindegebiets stattfindet. Damit ist der örtliche Charakter der Steuer hinreichend gewahrt.

Die kommunale Verpackungssteuer steht als Lenkungssteuer auch nicht im Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes. Sie bezweckt die Vermeidung von Verpackungsabfall im Stadtgebiet und verfolgt damit auf lokaler Ebene kein gegenläufiges, sondern dasselbe Ziel wie der Unions- und der Bundesgesetzgeber. Die Abfallvermeidung steht in der Abfallhierarchie an oberster Stelle, wie sich aus der EU-Verpackungsrichtlinie, der EU-Einwegkunststoffrichtlinie, dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und dem Verpackungsgesetz ergibt; erst danach folgen Wiederverwendung, Verwertung und Beseitigung des Abfalls. Kommunale Steuern, die Einwegverpackungen verteuern, werden durch die verschiedenen unions- und bundesrechtlichen Vorgaben zum Abfallrecht nicht ausgeschlossen. Soweit das Bundesverfassungsgericht vor 25 Jahren seine gegenteilige Ansicht zur damaligen Kasseler Verpackungssteuer auf ein abfallrechtliches „Kooperationsprinzip“ gestützt hat2, lässt sich ein solches dem heutigen Abfallrecht nur noch in – hier nicht maßgeblichen – Ansätzen entnehmen.

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Zwar erweisen sich die zu unbestimmte Obergrenze der Besteuerung von 1,50 € pro „Einzelmahlzeit“ (§ 4 Abs. 2 der Satzung) und das der Stadtverwaltung ohne zeitliche Begrenzung gewährte Betretungsrecht im Rahmen der Steueraufsicht (§ 8 der Satzung) als rechtswidrig. Diese punktuellen Verstöße lassen jedoch die Rechtmäßigkeit der Satzung im Übrigen unberührt.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24. Mai 2023 – 9 CN 1.22

  1. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.03.2022 – 2 S 3814/20[]
  2. BVerfG, Urteil vom 07.05.1998 – 2 BvR 1991/95 u.a., BVerfGE 98, 106 <117 ff.>[]

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