Für die formwirksame Übermittlung eines elektronischen Dokuments auf einem sicheren Übermittlungsweg nach § 55a Abs. 3 Alt. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3 VwGO bedarf es keiner qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person.

Nach § 55a VwGO kann eine Berufungsbegründung als elektronisches Dokument eingereicht werden. Hierzu muss das elektronische Dokument nach § 55a Abs. 3 VwGO mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden; zu den sicheren Übermittlungswegen zählt nach § 55a Abs. 4 Nr. 3 VwGO (u.a.) der hier von der Beklagten – ausweislich des bei den Akten befindlichen Transfervermerks – gewählte Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde (beBPo) und der elektronischen Poststelle des Gerichts (EGVP). Nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 55a Abs. 3 VwGO handelt es sich bei der Einreichung eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen elektronischen Dokuments einerseits und der Einreichung eines (einfach) signierten elektronischen Dokuments auf einem sicheren Übermittlungsweg andererseits um zwei eigenständige Möglichkeiten der elektronischen Dokumentenübermittlung. Auch den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass zur Wahrung der prozessualen Form die das Dokument verantwortende Person das elektronische Dokument entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen oder einen sicheren Übermittlungsweg nutzen muss; wählt sie einen sicheren Übermittlungsweg, muss sie das Dokument zum Abschluss lediglich durch eine einfache Signatur nach dem Signaturgesetz signieren und damit zu erkennen geben, die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernehmen zu wollen1. Im Einklang damit geht im Übrigen auch die obergerichtliche Rechtsprechung nicht davon aus, dass es für die Übermittlung elektronischer Dokumente zwischen einem beBPo und dem EGVP einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person bedarf, sondern sich die Frage einer qualifizierten elektronischen Signatur nur stellt, wenn es an einer formwirksamen Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg fehlt, etwa weil beim Versand über beBPo kein vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis (vHN) beigefügt worden ist2.
Der geltend gemachte Verfahrensfehler eines Verstoßes gegen die Regeln richterlicher Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Danach hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Es darf nicht einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse aus seiner Würdigung ausblenden. Im Übrigen darf es zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn das Gericht nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen. Die Beweiswürdigung des Tatsachengerichts darf vom Revisionsgericht nicht daraufhin überprüft werden, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Würdigung des Sachverhalts eingegangen sind und ob solche Einzelumstände ausreichen, die Würdigung zu tragen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel deshalb grundsätzlich nicht begründen3.
Nach diesen Maßstäben ergeben sich für das Bundesverwaltungsgericht in dem hier entschiedenen Streitfall keine verfahrensrechtlichen Mängel der Überzeugungsbildung in Bezug auf die Formwirksamkeit der vom Bundesamt über ihr beBPo übermittelte Berufungsbegründung. Soweit die Beschwerde geltend macht, das Berufungsgericht sei hierbei konkludent und im Widerspruch zum Akteninhalt von einer qualifizierten elektronischen Signatur ausgegangen, ist dies unzutreffend. Vielmehr ist dem Nichtabhilfebeschluss des Berufungsgerichts zu entnehmen, dass nach seiner – nach den vorstehenden Ausführungen nicht zu beanstandenden – Rechtsauffassung für die sichere Übermittlung aus einem beBPo eine (einfache) Signatur des verantwortlichen Mitarbeiters auf dem Schriftsatz den Anforderungen des § 55a Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 3 VwGO genügt. Dabei hat es in tatsächlicher Hinsicht weder entscheidungserheblichen Akteninhalt übergangen noch ist es von aktenwidrigen Tatsachen ausgegangen, noch verstoßen die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze.
Soweit geltend gemacht wird, die Klärungsbedürftigkeit der zunächst aufgeworfenen Rechtsfrage entfalle nicht dadurch, dass bzw. wenn die Übermittlung hier aus einem besonderen Behördenpostfach unter einfacher Signatur des Schriftsatzes erfolgt sei, weil nach der Rechtsprechung des Berufungsgerichts auch die einfache Signatur die Absendung von der verantwortlichen Person erkennen lassen und nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 ERVV erkennbar sein müsse, dass das elektronische Dokument vom Postfachinhaber versandt werde (was hier nicht ersichtlich sei), kann zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass es sich hierbei lediglich um eine auch nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist mögliche Ergänzung des Beschwerdevorbringens handelt. Auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens lässt sich feststellen, dass nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 ERVV ein nicht qualifiziert signiertes Dokument schriftformersetzend auf dem sicheren Übermittlungsweg eines besonderen elektronischen Behördenpostfachs übermittelt werden kann, „bei dem feststellbar ist, dass das elektronische Dokument vom Postfachinhaber versandt wurde“. Dies war hier ausweislich des dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers bekannten Transfervermerks bei der Übermittlung der Berufungsbegründung der Fall; er weist das in dem Verfahren zur Vertretung befugte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als den Inhaber des Postfachs aus, über das die Versendung erfolgt ist. Nur auf dieses Erfordernis stellt auch die vom Beschwerdevorbringen herangezogene Entscheidung des Berufungsgerichts ab. Sollte das Beschwerdevorbringen dahin zu verstehen sein, dass der Nachweis zur Verwendung eines besonderen Behördenpostfachs zur Versendung eines schriftformbedürftigen Schriftsatzes nicht nur den Postfachinhaber, sondern auch die für diesen handelnde natürliche Person erkennen lassen müsse oder dass dieser als „Postfachinhaber“ aufzuführen sei, stünde dies mit § 6 Abs. 1, §§ 7 ff. ERVV offenkundig nicht im Einklang und bezeichnet auch sonst keine in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftige Rechtsfrage.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 4. Mai 2020 – 1 B 16.20
- BT-Drs. 17/12634 S. 25 zur inhaltsgleichen Regelung in § 130a ZPO[↩]
- vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.03.2019 – A 3 S 2890/18 5; Sächs. OVG, Beschluss vom 16.12.2019 – 4 A 1158/19.A 3; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 18.12.2019 – 1 LA 72/19 4; Hess. VGH, Beschluss vom 26.02.2020 – 4 A 2387/19.Z.A 2; OVG Lüneburg, Beschluss vom 31.03.2020 – 9 LA 440/19 5 ff.; in diesem Sinne entgegen der Auffassung der Beschwerde auch Thür. OVG, Beschluss vom 28.01.2020 – 3 ZKO 796/19 6 f. und 13[↩]
- vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 07.02.2017 – 6 B 30.16 10[↩]
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