Baurechtliche Privilegierung einer Biogasanlage – und der landwirtschaftliche Basisbetrieb

Die Privilegierung einer Biogasanlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB setzt voraus, dass die Biogasanlage einem landwirtschaftlichen Basisbetrieb organisatorisch zugeordnet ist.

Baurechtliche Privilegierung einer Biogasanlage – und der landwirtschaftliche Basisbetrieb

Sofern der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes nicht zugleich Eigentümer der zu genehmigenden Anlage ist, ist diese organisatorische Zuordnung nur gewährleistet, wenn der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes, an den die Biogasanlage anknüpft, maßgeblichen Einfluss auf die Betreibergesellschaft der Biogasanlage hat.

Ein solcher Einfluss kann dauerhaft nur dadurch sichergestellt werden, dass der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes mindestens die Mehrheit der Anteile an der Betreibergesellschaft hält.

Mit dieser Entscheidung bestätigte nun das Verwaltungsgericht Stade ein früheres, nach Einstellung des Verfahrens aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen im Berufungszulassungsverfahren aber für unwirksam erklärtes Urteil1.

§ 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB hat seine jetzige Fassung durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau vom 27. Juni 20042 erhalten. Bis dahin konnten Biogasanlagen lediglich dann im Außenbereich genehmigt werden, wenn sie von landwirtschaftlichen Betrieben i. S. v. § 35 Abs. 1 S. 1 BauGB „mitgezogen“ wurden. Vor dem Hintergrund des Strukturwandels in der Landwirtschaft und dem Ziel der Förderung regenerativer Energieträger wurde daher, wie das Gutachten – Seite 6 – zutreffend darlegt, der Bedarf erkannt, im BauGB eine ausdrückliche Privilegierung für Biogasanlagen zu schaffen. Wie sich bereits aus der Verwendung des Begriffs Privilegierung ergibt und durch die Stellung der Vorschrift im Regelungsgefüge des Baugesetzbuches bestätigt wird, ging es dem Gesetzgeber aber offensichtlich nicht darum, Biogasanlagen, die mit landwirtschaftlichen Produkten oder Abfallprodukten betrieben werden, generell im Außenbereich zuzulassen. Zunächst ist festzustellen, dass § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB eine Ausnahme (Privilegierung) von dem in § 35 BauGB zugrunde liegenden Grundsatz darstellt, wonach eine Bebauung im Außenbereich grundsätzlich unzulässig ist. Von diesem Grundsatz lässt die Vorschrift dann Ausnahmen zu, die bei dem Vorhaben nach Absatz 1 erleichtert, bei Vorhaben nach Absatz 2 nur unter erschwerten Bedingungen genehmigt werden können. Als Ausnahmevorschrift ist die Vorschrift daher grundsätzlich eng am Maßstab des Grundsatzes auszulegen. Die Vorschrift ist eine abschließende Regelung der nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB zu beurteilenden Vorhaben zur energetischen Nutzung von Biomasse3. Sie bestimmt, dass eine Privilegierung, d.h. eine ausnahmsweise Zulassung eines solchen Vorhabens im Außenbereich nur dann erfolgen kann, wenn diese „im Rahmen eines Betriebes nach Nr. 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nr. 4, der Tierhaltung“ betrieben wird und wenn darüber hinaus die weiteren unter Buchstaben a) bis d) genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

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Der Teil des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB vor dem Doppelpunkt stellt nicht lediglich eine „Überleitungsvorschrift“ zu den Voraussetzungen der Buchstaben a) bis d) dar. Vielmehr werden hier die Grundvoraussetzungen formuliert, denen neben den Buchstaben a) bis d) eine eigenständige Bedeutung zukommt. Es ist zuzugestehen, dass die hier geforderte Zuordnung einer beantragten Biogasanlage zu einem landwirtschaftlichen Betrieb der Regelung des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, wonach ein Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb „dienen“ muss nachgebildet ist. Zu beachten ist allerdings, dass der Gesetzgeber nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift bei § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB eben nicht allein darauf abgestellt wissen will, dass das Vorhaben dem landwirtschaftlichen Betrieb „dient“. Andernfalls hätte er diese Formulierung wählen können oder die zu privilegierenden Biogasanlagen unter die Nr. 1 fassen können. Der dann gezogene Schluss, ebenso wie bei § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB komme es auch im Rahmen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB für die Frage der Privilegierung nicht darauf an, wer Eigentümer des Grundstücks sei und wem die Anlage gehöre, greift für die hier zu entscheidende Fragestellung zu kurz. Richtig ist, dass eine Privilegierung nicht allein wegen des Auseinanderfallens der Eigentümerpositionen ausgeschlossen ist. Dies wird auch von dem Beklagten nicht (mehr) vertreten. Es müssen dann jedoch weitere Kriterien erfüllt sein, um gleichwohl eine Privilegierung „im Rahmen des Betriebs“ annehmen zu können.

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Die Analyse der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts4 führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat nicht ausgeführt, die Frage der Eigentümeridentität sei ohne Belang. Es heißt dort lediglich, diesen Umständen komme keine entscheidende Bedeutung zu. Das BVerwG stellt dann bei seinen weiteren Ausführungen auch maßgeblich darauf ab, ob das Vorhaben durch den Betrieb „geprägt“ und diesem „zugeordnet“ ist. Diese Voraussetzungen können entweder durch Eigentümeridentität oder durch andere Umstände erfüllt werden. In dem dort entschiedenen Fall kam das Gericht dann zu dem Ergebnis, dass die fehlende Eigentümeridentität durch andere Zuordnungskriterien nicht ausgeglichen wurde. Das Gericht hat deshalb die Privilegierung für einen Silo verneint, der von einer gewerblichen Betreiberin auf dem Grundstück eines Landwirts errichtet und betrieben werden sollte und für den dem Landwirt nur zeitlich begrenzte Nutzungsrechte eingeräumt worden waren. Damit sei das Vorhaben nicht durch den landwirtschaftlichen Betrieb geprägt, d. h. ihm gewidmet. In dem Leitsatz Nr. 1 zu der Entscheidung heißt es deshalb, dass die Privilegierungsvoraussetzungen ausnahmsweise auch von einem Vorhaben erfüllt werden können, das nicht von dem Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes errichtet wurde und nicht in seinem Eigentum steht. Es wäre daher bereits fraglich, ob die Klägerin die beantragte „unbedingte“ Genehmigung beanspruchen könnte, wenn man die für den Begriff des „Dienens“ nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB aufgestellten Kriterien der Prägung und Zuordnung, wie die Klägerin meint, einfach auf die Nr. 6 der Vorschrift übertrüge. Auch dann könnte angesichts der Tatsache, dass Herr M. nur noch Angestellter der Betreibergesellschaft ist, von einer Prägung des Vorhabens durch den Betrieb Brinker nicht mehr ohne weiteres gesprochen werden. Eine solche Anlage würde nicht mehr einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB „dienen“5.

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Nur vor dem Hintergrund, dass die Nutzung der Biomasse der einem Strukturwandel unterliegenden Landwirtschaft neue Ertragsmöglichkeiten eröffnen und die Erträge überwiegend in der Landwirtschaft verbleiben sollen, lässt der Gesetzgeber das Ziel der Freihaltung des Außenbereichs auch ohne ein ansonsten erforderliches Bauleitplanverfahren mit umfassender Abwägung der widerstreitenden Belange ausnahmsweise zurücktreten. Hiernach kann es nicht ausreichen, eine die Privilegierung auslösende Zuordnung der Anlage zu dem Basisbetrieb bereits dann zu bejahen, wenn hinsichtlich der Nutzung des Grundstücks, der Belieferung mit Einsatzstoffen und der Abnahme der Endprodukte vertragliche Beziehungen zwischen dem Basisbetrieb und der Biogasanlage bestehen. Solche vertraglichen Beziehungen könnte der Landwirt auch mit jeder anderen gewerblich betriebenen Biogasanlage eingehen. Die Argumentation der Klägerin würde die Privilegierungsvorschrift vollständig aushöhlen.

Ein bloßes, auf vertraglicher Grundlage beruhendes geschäftliches Verhältnis zwischen landwirtschaftlichem Betrieb als Lieferant und ggfs. Verpächter des Baugrundstücks auf der einen und der Biogasanlage auf der anderen Seite reicht nicht aus. Wenn der landwirtschaftliche Betrieb den „Rahmen“ vorgibt, bedeutet dies, dass die Biogasanlage sich in diesen Rahmen einfügen muss. Sie ist nicht selbst Hauptsache, sondern innerhalb des Rahmens des landwirtschaftlichen Betriebs einer der Betriebsteile.

Den inzwischen insoweit einigen Beteiligten ist zuzugestehen, dass gleichwohl eine Identität der Eigentümer von landwirtschaftlichem Basisbetrieb und Biogasanlage nicht verlangt werden kann. Angesichts des Strukturwandels in der Landwirtschaft, der auch in diesem Bereich zwischenzeitlich unterschiedliche Betriebsformen unter Ausnutzung der gesellschaftsrechtlichen Nomenklatur hervorgebracht hat, wäre es zu kurz gegriffen, würden gesellschaftsrechtliche Formen Betriebsformen für die Biogasanlage neben dem landwirtschaftlichen Betrieb nicht zugelassen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die hier genehmigte Biogasanlage im Eigentum einer GmbH & Co. KG steht, die als juristische Person nicht identisch ist mit dem Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebes M.. Andererseits würde der Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebes, in dem die Biogasanlage betrieben werden soll, verlassen, hätte der Inhaber des Basisbetriebes nicht mindestens maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft. Dieser maßgebliche Einfluss kann dauerhaft nur dadurch sichergestellt werden, dass er auch mindestens die Mehrheit der Anteile der Betreibergesellschaft hält. Das von dem Beklagten zur Durchsetzung des Privilegierungserfordernisses in die Nebenbestimmung aufgenommene Erfordernis einer Mehrheitsbeteiligung des Inhabers des Basisbetriebes in der Betreibergesellschaft der Biogasanlage ist daher nicht zu beanstanden. Dem Beklagten ist zuzustimmen, dass die eindeutige Einordnung der Biomasseanlage in den Rahmen des landwirtschaftlichen Basisbetriebes und damit ihre Privilegierung letztlich nur dann sichergestellt ist, wenn der den Basisbetrieb führende privilegierte Landwirt Mehrheitsgesellschafter der Betreiberin der Biogasanlage ist.

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Verwaltungsgericht Stade, Urteil vom 12. Mai 2011 – 2 A 130/10

  1. VG Stadt – 2 A 1457/07[]
  2. Europarechtsanpassungsgesetz Bau – EAG vom 27.06.2004, BGBl. I 2004, 1359[]
  3. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, Loseblatt, Stand Juli 2006, § 35, Rdnr. 59[]
  4. BVerwG vom 14.04.1978 – 4 C 85.75; BRS 33, Nr. 59[]
  5. vgl. BVerwG, Urteil vom 14.04.1978 – 4 C 85.75, a.a.O.[]