Der Streit um die Umsatzsteuerermäßigung – und die mit dem Regelsatz erstellten Rechnungen

Im Rechtsstreit über die Anwendung einer Steuersatzermäßigung ergibt sich die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nicht daraus, dass der Steuerpflichtige für die streitige Leistung eine Rechnung mit einem höheren Steuerausweis erteilt hat und die Anfechtungsklage dann aufgrund einer nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG bestehenden Steuerschuld unbegründet ist.

Der Streit um die Umsatzsteuerermäßigung – und die mit dem Regelsatz erstellten Rechnungen

Die erhobene Anfechtungsklage ist in einem solchen Fall im Hinblick auf eine nach § 14c Abs. 1 UStG bestehende Steuerschuld unbegründet, so dass über die Frage einer gesetzlich nur nach Maßgabe des ermäßigten Steuersatzes entstandenen Steuerschuld nicht zu entscheiden ist.

Darüber hinaus ist nach Ansicht des Bundesfinanzhofs aber auch keine wirksame Klageänderung nach § 67 FGO zu einer Feststellungsklage möglich. Diese setzt voraus, dass auch für das geänderte Klagebegehren die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind1. Hieran fehlt es, da der Kläger Steuerschuldner nach § 14c Abs. 1 UStG ist, ohne dass diese Steuerschuld entfallen ist.

Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er gemäß § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 UStG entsprechend anzuwenden (§ 14c Abs. 1 Satz 2 UStG). Unionsrechtlich beruht dies auf Art.203 MwStSystRL, wonach jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausweist, die Mehrwertsteuer schuldet.

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Ein unrichtiger Steuerausweis gemäß § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG liegt auch dann vor, wenn der Unternehmer für Leistungen, die -wie hier nach Auffassung des Klägers- einer Steuersatzermäßigung unterliegen, auf der Grundlage des Regelsteuersatzes Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilt.

Das Erteilen von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis auf der Grundlage des Regelsteuersatzes hat zur Folge, dass, selbst wenn die abgerechnete Leistung gesetzlich einer Steuersatzermäßigung unterliegt, über eine Steuerentstehung in geringerer als in der Rechnung für die Leistung ausgewiesenen Höhe, erst aufgrund einer Rechnungsberichtigung nach § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung2 zu entscheiden ist.

Die Feststellungsklage ist unzulässig. Ist eine Anfechtungsklage im Hinblick auf eine jedenfalls nach § 14c Abs. 1 UStG bestehende Steuerschuld unbegründet, gebietet es der aus Art.19 Abs. 4 GG abzuleitende Grundsatz effektiven Rechtsschutzes nicht, dem Rechnungsaussteller eine Feststellungsklage zu ermöglichen, um die Frage zu klären, ob die Leistungen des Unternehmers einer Steuersatzermäßigung unterliegen.

Nach § 41 Abs. 1 FGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

Eine Feststellung kann gemäß § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Hieraus ergibt sich insbesondere eine Subsidiarität der Feststellungs- gegenüber der Anfechtungsklage3.

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Die Feststellungsklage ist damit im Streitfall nach § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO unzulässig.

Der Kläger hätte seine Rechte durch Anfechtungsklage verfolgen können, wenn er über die streitigen Leistungen keine Rechnungen mit Steuerausweis auf der Grundlage des Regelsteuersatzes (§ 14 Abs. 4 UStG) erteilt hätte. Für die Erteilung derartiger Rechnungen bestand keine Veranlassung, da der Unternehmer nur in den Fällen des § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG und damit nur bei den dort bezeichneten grundstücksbezogenen Leistungen und bei einer Leistungserbringung an Unternehmer für deren Unternehmen zu einer Rechnungserteilung mit gesondertem Steuerausweis verpflichtet ist. Danach bestand im Streitfall keine rechtliche Verpflichtung zur Erteilung von Rechnungen mit Steuerausweis für die hier streitigen Leistungen an Verbraucher bei deren entgeltlicher Beratung.

Das Erfordernis, nach Art.19 Abs. 4 GG Rechtsschutz effektiv zu gewähren, ändert hieran aus Gründen des materiellen Umsatzsteuerrechts und der sich aus § 14c Abs. 1 UStG ergebenden Rechtsfolgen nichts. Ohne die -rechtlich nicht erforderliche- Rechnungserteilung an Verbraucher besteht für den Steuerpflichtigen eine effektive Rechtsschutzmöglichkeit durch Klage gegen den jeweiligen Steuerbescheid. Erteilt er demgegenüber Rechnungen mit Steuerausweis, hat er sich der effektiven Rechtsschutzmöglichkeit durch Anfechtungsklage selbst begeben, so dass für die Gewährung einer alternativen Rechtsschutzmöglichkeit aus Sicht des Steuerrechts kein Sachgrund besteht.

Die gegenteilige Auffassung würde zudem dazu führen, dass der Kläger durch eigenes Verhalten darüber entscheiden könnte, die Zulässigkeit der Feststellungsklage herbeizuführen, so dass für ihn eine faktische Wahlmöglichkeit bestünde. Dies ist weder mit § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO noch mit § 14c UStG vereinbar.

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Weiter fehlt der Anfechtungsklage das Rechtsschutzbedürfnis, da für die Leistungen, für die der Kläger die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes begehrt, eine höhere Steuerschuld aufgrund der von ihm mit Steuerausweis erteilten Rechnungen feststeht.

Der Bundesfinanzhof berücksichtigt dabei auch, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzhof erklärt hat, auch in den Folgejahren Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis auf der Grundlage des Regelsteuersatzes erteilt zu haben. Die vom Kläger begehrte Feststellung ist damit auch für die Folgejahre ohne Bedeutung.

Darüber hinaus ist die Feststellungsklage im Hinblick auf die beim ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG i.V.m. § 65 AO erforderliche Gesamtwürdigung4 auch untauglich. Diese Gesamtwürdigung kann nur nach Maßgabe der konkreten Verhältnisse des Einzelfalles für konkrete Leistungen in konkreten Streitzeiträumen erfolgen und ist einer abstrakten Feststellung, die nach Art eines Grundlagenbescheides für eine Vielzahl von Leistungsbeziehungen gelten soll, nicht zugänglich.

Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts Hamburg5 hat das Finanzamt einen gesonderten Steuerausweis in Rechnungen weder angeregt noch veranlasst. Das Finanzamt hat in seinem Schreiben vom 02.12 2010 auf seine Auffassung zum maßgeblichen Umsatzsteuersatz, zum Erfordernis der Trennung von Tätigkeitsbereichen und zum Verlustverrechnungsverbot wie auch auf die Gefahr des Verlustes der Gemeinnützigkeit bei Verstößen hingewiesen. Eine Aufforderung zur Erteilung von -gesetzlich nicht erforderlichen Rechnungen- mit gesondertem Steuerausweis auf der Grundlage des Regelsteuersatzes und eine Androhung des Verlusts der Gemeinnützigkeit bei einer abweichenden Rechnungserteilung ist dem nicht zu entnehmen.

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Für den Kläger bestand daher die Möglichkeit, Rechnungen ohne Steuerausweis zu erteilen oder sogar die Umsätze aus der individuellen Verbraucherberatung nach dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern und das Finanzamt über die Erklärung auf der Grundlage der eigenen Rechtsansicht im Widerspruch zur Rechtsauffassung des Finanzamt zu informieren. Im Hinblick auf eine derartige Offenlegung besteht für den Steuerpflichtigen auch nicht die Gefahr, den Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 AO zu verwirklichen.

Der Kläger hätte Rechnungen mit Steuerausweis auch erst nach Ablauf des jeweiligen Besteuerungszeitraums erteilen können, da eine sich hieraus ergebende Steuerschuld nach § 14c UStG erst mit der Rechnungserteilung, nicht aber für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung entsteht6.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 13. Dezember 2018 – V R 4/18

  1. vgl. z.B. BFH, Urteil vom 09.02.2011 – IV R 15/08, BFHE 233, 290, BStBl II 2011, 764, unter II. 2.a[]
  2. BFH, Urteil vom 12.10.2016 – XI R 43/14, BFHE 255, 474, Leitsatz 3[]
  3. BFH, Urteil vom 11.12 2012 – VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739, unter II. 2.[]
  4. BFH, Urteil vom 05.08.2010 – V R 54/09, BFHE 231, 289, BStBl II 2011, 191, unter II. 3.[]
  5. FG Hamburg, Urteil vom 15.11.2017 – 1 K 2/16[]
  6. BFH, Urteil vom 08.09.2011 – V R 5/10, BFHE 235, 481, BStBl II 2012, 620, unter II. 3.[]
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