Eine Naturschutzbehörde darf nicht im Wege einer Naturschutzgebietsverordnung Flugverbote für Luftfahrzeuge anordnen.

In dem jetzt vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschiedenen Fall bieten die Antragstellerinnen gewerbliche Ballonfahrten an. Sie nutzen hierfür Startplätze im Umland des Steinhuder Meeres bei Hannover. Im Mai 2016 beschloss die Regionsversammlung Hannover die Verordnung über das Naturschutzgebiet „Totes Moor“ im Bereich des Steinhuder Meeres. Das Naturschutzgebiet ist ca. 3 200 ha groß und umfasst Teile der Wasserfläche des Steinhuder Meeres und einen Landbereich östlich und nordöstlich des Sees. Ungefähr die Hälfte des von der Verordnung unter Schutz gestellten Gebiets ist zugleich ein Europäisches Schutzgebiet nach der Vogelschutzrichtlinie. Nach der Naturschutzgebietsverordnung ist es unter anderem verboten, im Naturschutzgebiet mit bemannten Luftfahrzeugen zu starten, eine Mindestflughöhe von 600 m zu unterschreiten oder zu landen.
Auf den Normenkontrollantrag der Antragstellerinnen hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht Teile der Naturschutzgebietsverordnung für unwirksam erklärt und den Antrag im Übrigen abgelehnt1; die Anordnungen der Mindestflughöhen von 150 m über dem Naturschutzgebiet und von 600 m über dem Vogelschutzgebiet seien aus Gründen des Naturschutzes und des Vogelschutzes gerechtfertigt. Für den Schutz von Natura 2000-Gebieten bestehe keine Bereichsausnahme zugunsten des europäischen Luftverkehrsrechts. Vielmehr komme den rechtlichen Vorgaben der FFH-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie Anwendungsvorrang zu.
Mit ihrer Revision machen die Antragsteller geltend, die Anordnungen der Mindestflughöhen verstießen gegen Bundesrecht. Den Interessenkonflikt von Naturschutz und dem Belang des freien Flugverkehrs hätten der europäische und deutsche Gesetzgeber im Wege eines schonenden Ausgleichs geregelt. Die FFH-Richtlinie und die Vogelschutzrichtlinie enthielten keine speziellen Regelungen zu den abschließenden luftverkehrsrechtlichen Bestimmungen. Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts abgeändert und der Revision der Antragstellerinnen vollständig stattgegeben:
Eine Naturschutzbehörde ist nicht befugt, eine Flughöhenfestlegung im Wege einer Naturschutzgebietsverordnung für Luftfahrzeuge anzuordnen. Diese Sperrwirkung folgt aus dem Regelungskonzept des Luftverkehrsgesetzes, für das der Bund insoweit abschließend von seiner ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit für das Luftverkehrsrecht Gebrauch gemacht hat. Hiernach können Beschränkungen der Nutzung des Luftraums nur durch das Bundesverkehrsministerium erfolgen. Dies gilt auch, wenn Europäisches Naturschutzrecht es verlangt, Gebiete mit Flugbeschränkungen zu belegen. Die gebotene Bestimmtheit der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung schließt es aus, dass verschiedene Behörden zur verbindlichen Regelung einer Frage nebeneinander zuständig sind.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. Januar 2023 – 7 CN 1.22
- Nds. OVG, Urteil vom 19.10.2021 – 4 KN 292/16[↩]
Bildnachweis:
- Heißluftballon: Michael Schwarzenberger