Ist die von der Planfeststellungsbehörde vorgenommene Variantenprüfung bei der Trassenwahl zum 110-kV-Netzausbau fehlerhaft und die naturschutzrechtliche Prüfung auf einer unzureichend ermittelten Grundlage vorgenommen worden, kommt es zur Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses.

So hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht in dem hier vorliegenden Fall entschieden und festgelegt, dass der Planfeststellungsbeschluss der Landesdirektion Sachsen, mit dem eine Hochspannungsleitung (110 kV) von Falkenstein zur Leitung Herlasgrün – Markneukirchen bei Gunzen genehmigt worden war, nicht vollzogen werden darf. Grund für das Verfahren war die geplante Verlegung einer 110-kV-Leitung als Erdkabel. Durch die planfestgestellte 110-kV-Leitung sollte im Rahmen des Netzausbaus „Vogtlandring“ die an das Umspannwerk Falkenstein angebundene 110-kV-Leitung mit der Leitung Herlasgrün – Markneukirchen verbunden werden. Dazu sollte eine bestehende, von Falkenstein über Grünbach nach Muldenberg führende 30-kV-Leitung zu einer 110-kV-Leitung „ertüchtigt“ werden, und von Muldenberg bis zum Anschluss an die Leitung Herlasgrün – Markneukirchen bei Gunzen eine 110-kV-Leitung als Erdkabel verlegt werden.
Die Eigentümer eines Grundstücks, das von der planfestgestellten Leitung in Anspruch genommen wird, haben dagegen geklagt. Sie haben u. a. geltend gemacht, dass die von der Planfeststellungsbehörde vorgenommene Variantenprüfung bei der Trassenwahl fehlerhaft sei und der als Freileitung vorgesehene Teil der Leitung als Erdkabel ausgeführt werden müsse. Ferner haben sie sich auf Fehler bei der Prüfung von naturschutzrechtlichen Vorschriften berufen, insbesondere bei der Beurteilung von Beeinträchtigungen von europäischen Schutzgebieten (sog. FFH-Gebiete) und dem Artenschutz.
In seiner Entscheidung hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht ausführlich dargelegt, dass insbesondere als rechtsfehlerhaft beanstandet wurde, dass die Planfeststellungsbehörde bei der Variantenprüfung nur den als Erdkabel auszuführenden Teil des planfestgestellten Vorhabens ohne den Freileitungsteil mit einer Alternative verglichen hat, die das Vorhaben als Ganzes umgesetzt hätte. Die Landesdirektion sei auch zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Trasse der bestehenden 30-kV-Freileitung als „Beistandstrasse“ für die 110-kV-Leitung zu betrachten sei, sodass eine Prüfung der Ausführung der Leitung als Erdkabel, wie sie § 43h EnWG vorschreibt, fehlerhaft unterblieben sei. Denn nach § 43h des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) sind „Hochspannungsleitungen auf neuen Trassen…als Erdkabel auszuführen, soweit die Gesamtkosten für Errichtung und Betrieb des Erdkabels die Gesamtkosten der technisch vergleichbaren Freileitung den Faktor 2,75 nicht überschreiten und naturschutzfachliche Belange nicht entgegenstehen“.
Darüber hinaus sei die Prüfung im Hinblick auf die naturschutzrechtlichen Vorschriften auf einer unzureichend ermittelten Grundlage vorgenommen worden. Die Annahmen der Planfeststellungsbehörde, dass Beeinträchtigungen der von der Leitung betroffenen FFH-Gebiete ausgeschlossen werden könnten, und das artenschutzrechtliche Tötungsverbot insbesondere im Hinblick auf den Schwarzstorch nicht verletzt sei, seien nicht nachvollziehbar.
Allerdings ist der Planfeststellungsbeschluss nicht aufgehoben worden, weil das Sächsische Oberverwaltungsgericht nicht ausschließen konnte, dass die festgestellten Mängel mit der Durchführung eines ergänzenden Verfahrens behoben werden können.
Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 8. September 2020 – 4 C 18/17