Verbrennungsanlagen im Sinne des § 2 Nr. 6 17. BImSchV sind nur solche Anlagen, deren Hauptzweck darin besteht, die Substanz des Einsatzstoffes gemäß § 1 Abs. 1 bzw. dessen brennbare Bestandteile mittels Verbrennung durch Oxidation oder einer Kombination aus anderen thermischen Verfahren und anschließender Verbrennung möglichst vollständig zu zerstören.

Nach der Legaldefinition in § 2 Nr. 6 17. BImSchV sind Verbrennungsanlagen solche Anlagen, die dazu bestimmt sind, thermische Verfahren zur Behandlung von Abfällen oder Stoffen gemäß § 1 Abs. 1 zu verwenden (Satz 1). Diese Verfahren umfassen die Verbrennung durch Oxidation der oben genannten Stoffe und andere vergleichbare thermische Verfahren wie Pyrolyse, Vergasung oder Plasmaverfahren, soweit die bei den vorgenannten thermischen Verfahren aus Abfällen entstehenden festen, flüssigen oder gasförmigen Stoffe verbrannt werden (Satz 2).
Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts erfüllt die Anlage zur Reaktivierung schadstoffbeladener Aktivkohle (fortan: AKRA) diese Voraussetzungen nicht. Verbrennungsanlagen im Sinne des § 2 Nr. 6 17. BImSchV sind nur solche Anlagen, deren Hauptzweck darin besteht, die Substanz des Einsatzstoffes gemäß § 1 Abs. 1 bzw. dessen brennbare Bestandteile mittels Verbrennung durch Oxidation oder einer Kombination aus thermischen Verfahren und anschließender Verbrennung möglichst vollständig zu zerstören. Das ist bei der streitgegenständlichen Anlage nicht der Fall. Die beladene Aktivkohle wird in der AKRA weder energetisch verwertet noch beseitigt, sondern unter weitgehender Erhaltung ihrer Substanz einem thermischen Verfahren zur Ablösung der Schadstoffbeladung und Rückgewinnung unbelasteter Aktivkohle unterzogen.
Schon der Wortlaut der Legaldefinition des § 2 Nr. 6 17. BImSchV weist deutlich darauf hin, dass es für die Annahme einer Verbrennungsanlage nicht ausreicht, wenn Abfälle oder Stoffe nach § 1 Abs. 1 mittels eines anderen thermischen Verfahrens als der Verbrennung durch Oxidation behandelt werden und es daneben auch zu Verbrennungsvorgängen kommt, sondern dass das den Anlagenbetrieb bestimmende technische Verfahren gerade darauf zielen muss, den Einsatzstoff möglichst vollständig zu zerstören. Zwar hebt Satz 1 der Vorschrift nur darauf ab, dass die betreffende Anlage dazu bestimmt sein muss, thermische Verfahren zur Behandlung von Abfällen oder Stoffen gemäß § 1 Abs. 1 zu verwenden. Diese allgemein gehaltene Zweckbestimmung wird aber durch Satz 2 näher konkretisiert, der zusätzlich voraussetzt, dass, sofern die Einsatzstoffe nicht unmittelbar durch Oxidation verbrannt werden, „andere vergleichbare“ thermische Verfahren zum Einsatz kommen und „die“ bei diesen Verfahren entstehenden festen, flüssigen oder gasförmigen Stoffe (sodann) verbrannt werden. Dabei bezieht sich der Begriff „vergleichbare“ wegen der offenkundigen Unterschiede zwischen einer Verbrennung durch Oxidation und den sonstigen in Satz 2 genannten thermischen Verfahren der Sache nach auf das Ergebnis und nicht das thermische Verfahren als solches. Zu einem mit der Verbrennung durch Oxidation vergleichbaren Ergebnis führen die sonstigen thermischen Verfahren aber nur dann, wenn die dabei entstehenden brennbaren Stoffe anschließend insgesamt verbrannt werden, die Verfahren also ebenfalls auf eine möglichst vollständige Zerstörung des Einsatzstoffes zielen. Die „anderen“ thermischen Verfahren unterscheiden sich von der „klassischen“ Verbrennung durch Oxidation mithin nur dadurch, dass die Zerstörung des Einsatzstoffes bzw. dessen brennbarer Bestandteile in einem gestuften Verfahren aus thermischer Behandlung und anschließender Verbrennung erfolgt.
Der europäische Richtliniengeber hat die Definitionen für Abfallverbrennungsanlagen und Abfallmitverbrennungsanlagen in Art. 3 Nr. 40 und 41 der noch umzusetzenden Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 über Industrieemissionen1 inzwischen in diesem Sinne präzisiert und den Begriff „soweit“ durch „wenn“ ersetzt. Das entspricht im Übrigen auch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, wonach eine Einheit, in der Abfälle thermisch behandelt werden, nur dann als „Verbrennungsanlage“ eingestuft werden kann, wenn die beim Einsatz dieses thermischen Verfahrens entstehenden Stoffe anschließend verbrannt werden2.
Die Entstehungsgeschichte des § 2 Nr. 6 17. BImSchV und der Regelungszusammenhang mit der Definition der Mitverbrennungsanlage in § 2 Nr. 7 sprechen ebenfalls für dieses Normverständnis. Die Legaldefinitionen in § 2 Nr. 6 und 7 17. BImSchV dienen der Umsetzung von Art. 3 Nr. 4 und 5 der Richtlinie 2000/76/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.12.2000 über die Verbrennung von Abfällen3 und sind Grundlage für die Abgrenzung zu Anlagen mit anderen Verbrennungsprozessen außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung, z.B. den Abluftreinigungsanlagen4. Der Entwurf der Verordnung zur Änderung der 17. BImSchV enthielt in § 2 Nr. 6 Satz 2 ursprünglich die Formulierung: „Diese Verfahren umfassen die Verbrennung durch Oxidation …und andere vergleichbare thermische Verfahren wie Pyrolyse, …sowie die ausschließliche Verbrennung der bei den vorgenannten Verfahren aus Abfällen entstehenden…Stoffe“5. Diese Formulierung wurde auf Vorschlag des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und des Wirtschaftsausschusses in die geltende Fassung geändert, weil eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf generell alle thermischen Verfahren wegen der geringen Emissionsrelevanz dieser Anlagen als nicht sachgerecht angesehen wurde. Vielmehr sollten nur solche Anlagen erfasst werden, in denen die bei den thermischen Verfahren entstehenden Stoffe verbrannt werden6.
Würde man es für die Qualifizierung einer Anlage als Verbrennungsanlage dagegen ausreichen lassen, dass es im Anschluss an die thermische Behandlung zu untergeordneten Verbrennungsvorgängen kommt, wäre die Regelung zu den Mitverbrennungsanlagen in § 2 Nr. 7 17. BImSchV weitgehend obsolet. Zudem wäre eine – angesichts der teilweise unterschiedlichen Anforderungen der 17. BImSchV an Verbrennungs- und Mitverbrennungsanlagen erforderliche – Abgrenzung der beiden Anlagentypen kaum mehr möglich.
Sinn und Zweck der Regelung gebieten keine abweichende Auslegung. Die 17. BImSchV und die Richtlinie 2000/76/EG zielen zwar darauf ab, Umweltbelastungen und Gesundheitsgefahren durch die Verbrennung und Mitverbrennung von Abfällen zu vermeiden oder – soweit praktikabel – zu begrenzen, und legen zu diesem Zweck strenge Betriebsbedingungen, technische Anforderungen und Emissionsgrenzwerte fest, um das besondere Gefahrenpotential bei der Verbrennung von Abfällen zu bewältigen (vgl. Art. 1 RL 2000/76/EG). Ein besonderes, mit dem Regelwerk und dem Instrumentarium der TA Luft nicht ausreichend beherrschbares Gefahrenpotential in diesem Sinne hat der Verordnungsgeber aber im Wege typisierender Betrachtung nur bei solchen Anlagen angenommen, in denen Abfälle oder Stoffe gemäß § 1 Abs. 1 17. BImSchV entweder mittels Verbrennung durch Oxidation beseitigt oder energetisch verwertet werden oder einem Verfahren unterzogen werden, das mit einem vergleichbaren Gefahrenpotential für Umwelt und Gesundheit verbunden ist. Die Emissionsrelevanz der thermischen Verfahren Pyrolyse, Vergasung und Plasmaverfahren hat der Verordnungsgeber dagegen – wie sich aus den vorstehend zitierten Materialien ergibt – als zu gering erachtet, um solche Anlagen ebenfalls dem Anwendungsbereich der 17. BImSchV zu unterwerfen.
Ob der Verordnungsgeber dabei Fallgestaltungen wie die vorliegende in seine Überlegungen mit einbezogen hat, erscheint zweifelhaft; das Gefahrenpotential der AKRA mag im Hinblick darauf, dass durch die Pyrolyse und die Vergasung gerade die (agglomerierten) Schadstoffe abgelöst und verbrannt werden, die die Eigenschaft der beladenen Aktivkohle als (gefährlicher) Abfall begründen, nicht wesentlich geringer sein, als dies bei einer vollständigen Verbrennung der Fall wäre. Der Verordnungsgeber muss aber nicht jedem Einzelfall Rechnung tragen, sondern darf einen typischen Fall als Leitbild wählen und von untypischen Ausnahmefällen absehen7. Der Schutz vor den Gefahren, die von solchen, dem Leitbild des Verordnungsgebers nicht entsprechenden Anlagen für die Umwelt und die Gesundheit ausgehen, wird durch die TA Luft, deren Anforderungsprofil sich hinsichtlich der Emissionsbegrenzung von demjenigen der 17. BImSchV nur teilweise unterscheidet, ausreichend gewährleistet.
Gestützt wird dieses Normverständnis auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Danach ist die Einstufung einer Anlage als „Verbrennungsanlage“ oder als „Mitverbrennungsanlage“ im Sinne von Art. 3 Nr. 4 und 5 der Richtlinie 2000/76/EG nach ihrem Hauptzweck vorzunehmen. Der Hauptzweck ist von den zuständigen Behörden aufgrund einer Beurteilung der zum maßgeblichen Zeitpunkt vorliegenden tatsächlichen Umstände festzustellen. Dabei sind insbesondere die Menge der von der betreffenden Anlage erzeugten Energie oder produzierten stofflichen Erzeugnisse im Vergleich zur Menge der in dieser Anlage verbrannten Abfälle sowie die Gesichtspunkte der Stabilität oder der Kontinuität dieser Produktion zu berücksichtigen8. Legt man diese Abgrenzungskriterien zugrunde, handelt es sich bei der AKRA angesichts der im Vergleich zur Menge der reaktivierten Aktivkohle geringen Menge an verbrannter Aktivkohle von 3 bis 5 Gew.-% (so die Klägerin) bzw. 5 bis 15 Gew.-% (so der Beklagte) offensichtlich nicht um eine Anlage, deren Hauptzweck darin besteht, Abfälle und Stoffe nach § 1 Abs. 1 17. BImSchV zu verbrennen.
Die AKRA unterfällt dem Anwendungsbereich der 17. BImSchV auch nicht als Mitverbrennungsanlage im Sinne von § 2 Nr. 7 17. BImSchV. Nach dieser Vorschrift sind Mitverbrennungsanlagen solche Anlagen, deren Hauptzweck in der Energiebereitstellung oder der Produktion stofflicher Erzeugnisse besteht und- in denen Abfälle und Stoffe gemäß § 1 Abs. 1 als regelmäßiger oder zusätzlicher Brennstoff verwendet werden oder- in denen Abfälle und Stoffe gemäß § 1 Abs. 1 mit dem Ziel der Beseitigung thermisch behandelt werden.
Diese Voraussetzungen sind ebenfalls nicht erfüllt. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der AKRA um eine Anlage handelt, deren Hauptzweck in der Produktion stofflicher Erzeugnisse aus Abfällen besteht, oder ob diese Alternative – wie der Vertreter des Bundesinteresses in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat – für solche Fälle, in denen der Einsatzstoff lediglich „regeneriert“ wird, von vornherein nicht einschlägig ist. Denn in der Anlage werden jedenfalls keine Abfälle und Stoffe gemäß § 1 Abs. 1 17. BImSchV – was allein näher in Betracht kommt – mit dem Ziel der Beseitigung thermisch behandelt. Maßgeblicher Ansatzpunkt für die Betrachtung muss auch hier der Einsatzstoff, vorliegend also die beladene Aktivkohle sein. Das folgt schon daraus, dass Mitverbrennungsanlagen eine besondere Form der Verbrennungsanlage sind9 und eine Aufspaltung des Verfahrens in die Behandlung der beladenen Aktivkohle einerseits und die Behandlung der abgelösten Schadstoffe andererseits daher ausscheidet. Die beladene Aktivkohle wird in der AKRA aber nicht im Hinblick auf ihre Beseitigung thermisch behandelt.
Unterfällt die AKRA mithin nicht dem Anwendungsbereich der 17. BImSchV, ist der Klage auf Verpflichtung des Beklagten, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ohne Anwendung der 17. BImSchV nach Maßgabe der TA Luft zu erteilen, stattzugeben. Das Oberverwaltungsgericht hat dieses Klagebegehren in entsprechender Anwendung der Rechtsprechung zum „steckengebliebenen Genehmigungsverfahren“10 zu Recht als zulässig erachtet, weil eine isolierte Aufhebung der auf der Grundlage der 17. BImSchV erteilten Nebenbestimmungen ausscheidet11. Einer weiteren Präzisierung des Klageantrags dahingehend, welche Nebenbestimmungen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach Maßgabe der TA Luft im Einzelnen beizufügen wären, bedurfte es daher nicht.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 7 C 17.11
- ABl.EU Nr. L 334 S. 17[↩]
- EuGH, Urteil vom 04.12.2008 – C-317/07 [Lahti Energia Oy], Slg. 2008, I-9077 Rn.20[↩]
- ABl.EG Nr. L 332 S. 91[↩]
- BR-Drs. 5/03 S. 22[↩]
- BR-Drs. 5/03 S. 2[↩]
- BR-Drs. 5/03 S. 5[↩]
- BVerwG, Urteil vom 23.10.2008 – 7 C 48.07, BVerwGE 132, 224 Rn. 41; vgl. auch Beschluss vom 28.08.2007 – 2 BN 3.07[↩]
- EuGH, Urteil vom 11.09.2008 – C-251/07 [Gävle Kraftvärme AB], Slg. 2008 I-7047 Rn. 46[↩]
- EuGH, Urteil vom 11.09.2008, a.a.O., Rn. 37[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 14.04.1989 – 4 C 52.87, Buchholz 406.11 § 9 BBauG/BauGB Nr. 36 S. 32, 36[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 22.11.2000 – 11 C 2.00, BVerwGE 112, 221, 224 = Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 55 S. 15, 17[↩]