Verkehrsbehördliche Maßnahmen zum Schutz der Wohnbevölkerung sind jedenfalls dann nicht zwingend, wenn die Grenzwerte der Lärmschutzrichtlinien nicht erreicht werden. Führen die Maßnahmen allenfalls zu einer kaum spürbaren Lärmreduzierung, kann die Behörde entscheiden, dass das Interesse an Lärmschutzmaßnahmen hinter die Belange des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer zurückzutreten hat.

Mit dieser Begründung hat das Verwaltungsgericht Koblenz in dem hier vorliegenden Fall die Klage eines Anwohners der Aachener Straße in Koblenz abgewiesen, mit der dieser die Ermessensentscheidung der Stadt, keine Lärmminderungsmaßnahmen zu ergreifen, angefochten hat. Mit durchschnittlich rund 10.000 Kfz pro Werktag – am Anwesen des Klägers sogar mit durchschnittlich rund 11.000 bis 12.000 Kfz pro Werktag – ist die Verkehrsbelastung der Aachener Straße bereits seit längerer Zeit Gegenstand intensiver Diskussionen. Nach erfolglosem Antrag auf verkehrsbehördliches Einschreiten bei der Stadt Koblenz erhob der Kläger im Jahr 2014 erstmals Klage zum Verwaltungsgericht Koblenz. Diese hatte insofern Erfolg, als das Gericht der Stadt mit Urteil aus dem Jahr 2015 aufgab zu ermitteln, welche konkreten Lärmminderungswerte überhaupt erreicht werden könnten. Anschließend sei zu prüfen, ob Maßnahmen möglich seien, die zu einer spürbaren Entlastung führen könnten. Daraufhin ließ die Stadt Geschwindigkeitsmessungen und Verkehrsanalysen durchführen und holte eine ergänzende Stellungnahme zu einem schalltechnischen Gutachten ein. Daraufhin lehnte sie den Antrag des Klägers ab. Ausgehend von der tatsächlich gefahrenen Durchschnittsgeschwindigkeit von 35,6 km/h könne weder durch eine streckenbezogene Geschwindigkeitsbegrenzung noch durch ein Lkw-Durchfahrtsverbot und noch nicht einmal durch die Kombination verschiedener Maßnahmen eine spürbare Pegelreduzierung erreicht werden.
Gegen diese Entscheidung hat sich der Kläger gewehrt. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat er Klage gegen die Stadt erhoben und eine fehlerhafte Ermessensausübung gerügt. So sei nicht berücksichtigt worden, dass auch die Abgasbelastung in der Aachener Straße die Grenzwerte überschreite. Zudem führe der Verkehr zu solch erheblichen Erschütterungen, dass bereits Schäden an seinem Haus entstanden seien.
In ihrer Urteilsbegründung hat das Verwaltungsgericht Koblenz ausführlich dargelegt, dass die Entscheidung der Beklagten, von Maßnahmen zur Reduzierung des Verkehrslärms in der Aachener Straße abzusehen, ermessensgerecht sei. Die dort herrschende Lärmbelastung liege zwar jenseits des Ortsüblichen und Zumutbaren, was die Beklagte grundsätzlich berechtige, zum Schutz der Wohnbevölkerung verkehrsbehördliche Maßnahmen zu ergreifen. Dies sei aber jedenfalls dann nicht zwingend, wenn – wie hier – die Grenzwerte der Lärmschutzrichtlinien nicht erreicht würden. Dann sei lediglich ein Interessenausgleich vorzunehmen, was ordnungsgemäß geschehen sei.
Den Vorgaben des Verwaltungsgerichts aus dem Jahr 2015 folgend, habe die Beklagte den Sachverhalt vollumfänglich ermittelt und in ihre Entscheidung alle betroffenen Belange eingestellt. Das Ergebnis, wonach das Interesse des Klägers hinter die Belange des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer sowie die Interessen der Anlieger umliegender Wohnstraßen (wohin sich der Verkehr verlagern könnte) zurückzutreten habe, sei nicht zu beanstanden. Denn das Ergreifen verkehrsbehördlicher Maßnahmen könnte allenfalls zu einer kaum spürbaren Lärmreduzierung führen.
Darüber hinaus habe die Beklagte – nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Koblenz – Beeinträchtigungen durch Abgase und Erschütterungen nicht berücksichtigen müssen, weil diese vom Antrag des Klägers nicht umfasst und daher gar nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens gewesen seien.
Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 1. Juli 2020 – 2 K 986/19.KO
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- Kiel bei Nacht: Uwe Jacobs
- Auspuff: Andreas Lischka | CC0 1.0 Universal
- Lärmschutzwand: Alexas Fotos | CC0 1.0 Universal