Verstößt der Inhalt einer schulischen Unterrichtsveranstaltung aus Sicht einzelner Schüler bzw. ihrer Eltern gegen für sie maßgebliche religiöse Vorgaben, so rechtfertigt dies im Regelfall keinen Anspruch auf Unterrichtsbefreiung. Die Verfilmung von Krabat
ist auch einem Schüler zuzumuten, dessen Eltern zur Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas gehören.

In dem jetzt vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall gehören die Kläger der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas an. Ihr Sohn besuchte die 7. Klasse eines Gymnasiums in Bocholt. Im Deutschunterricht wurde das Buch „Krabat“ von Ottfried Preußler besprochen. Ferner sollte als Unterrichtsveranstaltung der Film „Krabat“ des Regisseurs Marco Kreuzpaintner besucht werden. Der Film zeigt unter anderem Praktiken schwarzer Magie. Die Kläger beantragten, ihren Sohn von dieser Unterrichtsveranstaltung zu befreien. Sie beriefen sich auf religiöse Gründe: Das Befassen mit schwarzer Magie sei mit ihrem Glauben nicht vereinbar. Die Schule lehnte die Befreiung ab. Der Sohn der Kläger nahm dennoch an der Filmvorführung nicht teil.
Die Kläger haben Klage erhoben, mit der sie die Feststellung begehren, dass die Ablehnung der Befreiung vom Unterricht rechtswidrig gewesen ist. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster hat ihrer Klage im Berufungsverfahren stattgegeben [1]. Das Bundesverwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Revision des beklagten Landes nun stattgegeben und das Münsteraner Urteil aufgehoben:
Die Schule verstieß mit der Filmvorführung nicht gegen das verfassungsrechtliche Gebot, bei Ausgestaltung des Unterrichts Neutralität in religiöser Hinsicht zu wahren. Sonstige Beeinträchtigungen religiöser Vorstellungen sind grundsätzlich als typische, von der Verfassung von vornherein einberechnete Begleiterscheinung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags und der seiner Umsetzung dienenden Schulpflicht hinzunehmen. Eine Unterrichtsbefreiung kann nur ausnahmsweise verlangt werden. Regelmäßig ist hierfür erforderlich, dass den religiösen Belangen des Betroffenen eine besonders gravierende Beeinträchtigung droht und der schulische Wirkungsauftrag im Vergleich hierzu lediglich nachrangig berührt wird. Jedenfalls die letztgenannte Voraussetzung war im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Das von den Klägern geltend gemachte religiöse Tabuisierungsgebot läuft der schulischen Aufgabe, die nachwachsende Generation vorbehaltlos und möglichst umfassend mit Wissensständen der Gemeinschaft und ihrem geistig-kulturellen Erbe vertraut zu machen, in ihrem Kern zuwider.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11. September 2013 – 6 C 12.12
- OVG NRW, Beschluss vom 22.12.2011 – 19 A 610/10[↩]