Untersagung der Tätigkeit als Vorstandsmitglied einer Stiftung

§ 12 Abs. 1 StiftG kann dahingehend (ergänzend) auszulegen sein, dass im Falle der Abberufung eines Mitglieds eines Stiftungsorgans durch die Stiftungsaufsicht – als Minus – auch die Ausübung von Tätigkeiten untersagt werden darf, die sich faktisch als Tätigkeiten des Mitglieds eines Stiftungsorgans darstellen.

Untersagung der Tätigkeit als Vorstandsmitglied einer Stiftung

Rechtsgrundlage für die Abberufung als Vorstand der Stiftung ist § 12 Abs. 1 Satz 1 StiftG. Danach kann die Stiftungsbehörde ein Mitglied eines Stiftungsorgans aus wichtigem Grund, insbesondere wegen grober Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung, abberufen. Beide Merkmale, die eine Abberufung rechtfertigen können, zeigen, dass es sich um schwerwiegende Mängel handeln muss, durch die das Wirken oder die Existenz der Stiftung wesentlich gefährdet wird. Eine Pflichtverletzung eines Mitglieds des Stiftungsorgans liegt vor, wenn es die auf Grund stiftungsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften oder die auf Grund der Stiftungssatzung oder eines Beamten- oder Dienstverhältnisses mit der Stiftung obliegenden Pflichten verletzt. Ob eine grobe Pflichtverletzung vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab; es kommt auf den Grad des Verschuldens und die Bedeutung der Pflichtverletzung für die Stiftung an. Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Obliegenheiten eines Mitglieds eines Stiftungsorgans ist anzunehmen, wenn das Mitglied aus fachlichen, gesundheitlichen oder charakterlichen Gründen nicht in der Lage ist, die ihm zugewiesenen Aufgaben ordnungsgemäß zu erledigen. Insoweit ist ein Verschulden nicht erforderlich. Die Stiftungsaufsicht hat unter Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des betroffenen Organmitglieds nach objektiven Kriterien die Eignung für den ihm übertragenen Aufgabenkreis zu prüfen. Die Unfähigkeit zu ordnungsgemäßer Geschäftsführung kann in der tatsächlichen oder rechtlichen Verhinderung bei der Wahrnehmung des Amtes, aber auch in mangelnder Eignung und Vertrauenswürdigkeit für das Amt bestehen. Ungeeignet ist eine Person für das Vorstandsamt einer Stiftung daher, wenn erhebliche Bedenken begründet sind, sie sei zur zuverlässigen Ausführung der Aufgabe des Stiftungsvorstandes gemäß Stifterwillen und -satzung nicht bereit1. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist von den Verwaltungsgerichten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht voll überprüfbar. Die Entscheidung, ob im Falle des Vorliegens eines wichtigen Grundes das Mitglied eines Stiftungsorgans abberufen werden soll, steht grundsätzlich im Ermessen der Stiftungsbehörde. Bei der Abberufung handelt es sich um einen gestaltenden Verwaltungsakt, für dessen gerichtliche Überprüfung es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankommt2.

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Das Verwaltungsgericht Freiburg lies im vorliegenden Eilverfahren offen, ob sich das Regierungspräsidium für die Untersagung der Ausübung der Vorstandstätigkeit auf § 12 Abs. 2 StiftG stützen kann. Nach dieser Vorschrift kann die Stiftungsbehörde einem Mitglied eines Stiftungsorgans unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 StiftG die Ausübung seiner Tätigkeit einstweilen untersagen. Angesichts des Wortlauts der Vorschrift3 spricht einiges dafür, dass es sich hierbei um eine Interimsmaßnahme handelt4, die in einem Stufenverhältnis zu der Maßnahme nach § 12 Abs. 1 StiftG steht5. Da das Regierungspräsidium im hier entschiedenen Fall die Untersagung der Ausübung der Vorstandstätigkeit weder befristet noch ihr eine auflösende Bedingung beigefügt hat, handelt es sich nicht um eine nur vorübergehende Regelung.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts dürfte aber § 12 Abs. 1 StiftG dahingehend einer (erweiternden) Auslegung zugänglich sein, dass im Falle der Abberufung eines Mitglieds eines Stiftungsorgans – als Minus – auch die Ausübung von Tätigkeiten untersagt werden darf, die sich faktisch als Tätigkeiten des Mitglieds eines Stiftungsorgans darstellen. Wenn die Stiftungsbehörde befugt ist, nach § 12 Abs. 2 StiftG einstweilen die Ausübung von Tätigkeiten eines Stiftungsorgans zu untersagen, so muss sie dazu erst recht befugt sein, wenn sie die Abberufung des Stiftungsorgans bereits unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügt hat. Nur durch diese Auslegung von § 12 Abs. 1 StiftG wird der Stiftungsbehörde die Möglichkeit zum Erlass eines vollstreckbaren Verwaltungsakts eingeräumt. Bei der (bloßen) Abberufung eines Mitglieds eines Stiftungsorgans handelt es sich – wie bereits ausgeführt – um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt, der nicht zu einer Handlung, einer Duldung oder Unterlassung verpflichtet (§ 1 Abs. 1 Satz 1 LVwVG) und damit einer Vollstreckung nicht zugänglich ist. Soweit erforderlich, kann die Stiftungsbehörde mit einer darüberhinausgehenden Untersagung der (faktischen) Tätigkeit als Mitglied eines Stiftungsorgans der Gefährdung des Stiftungsvermögens mit geeigneten Maßnahmen begegnen.

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Verfassungsbeschwerde, einstweilige Verfügung - und der Gegenstandswert

Verwaltungsgericht Freiburg, Beschluss vom 21. Oktober 2021 – 10 K 2622/21

  1. vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 07.03.2016 – 5 ZB 15.1418 8; Hamburgisches OVG, Urteil vom 28.04.1977 – OVG BF II 6/76 75; VG Düsseldorf, Beschluss vom 04.05.2005 -1 L 3762/04 36 ff[]
  2. vgl. Hamburgisches OVG, Urteil vom 28.04.1977 – OVG BF II 6/76 75[]
  3. „einstweilen“[]
  4. vgl. VG Bremen, Urteil vom 17.07.2020 – 2 K 2193/17 99[]
  5. vgl. VG Bayreuth, Urteil vom 20.01.2015 – B 5 K 13.391 35; Seifart/von Campenhausen, Stiftungsrechts-Handbuch, 3. Aufl.2009, § 10 Rn. 223, wonach die Aufsichtsbehörde mit der Möglichkeit, einem Organmitglied die Ausübung seiner Funktionen in der Stiftung auf Zeit zu untersagen, in Eilfällen schnell reagieren kann, um Schaden von der Stiftung abzuwenden, ohne zugleich die endgültige und darum besonders gewichtige Entscheidung über die Abberufung treffen zu müssen[]