§ 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG i. d. F. des Gesetzes vom 27.03.2020 war eine verfassungsgemäße Grundlage für die Untersagung von Versammlungen durch die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 17.04.2020. Dagegen war § 3 Abs. 1 Satz 1 der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 17.04.2020 unverhältnismäßig, soweit er Versammlungen untersagte.

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat den Antrag festzustellen, dass das Gebot des § 2 Abs. 2 SächsCoronaSchVO, im öffentlichen Raum einen Mindestabstand von 1, 5 m außer zu bestimmten Personen einzuhalten, unwirksam war, ohne Bundesrechtsverstoß abgelehnt1. Seine Auslegung der Norm ist weder willkürlich noch verstößt sie gegen das Bestimmtheitsgebot. Das Abstandsgebot war verhältnismäßig.
Das Oberverwaltungsgericht hat § 2 Abs. 2 SächsCoronaSchVO dahin ausgelegt, dass die Abstandspflicht unter dem Vorbehalt des Möglichen stand. Diese Auslegung des (irrevisiblen) Landesrechts, an die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO gebunden ist, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Das das Gebot einschränkende Auslegungsergebnis der Vorinstanz überschreitet nicht die Auslegungsgrenzen, indem es deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut der Vorschrift dokumentierte Entscheidungen abänderte oder ohne ausreichende Rückbindung an Aussagen des Normgebers neue Regelungen schaffte2. Das Oberverwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass der Möglichkeitsvorbehalt in der Grundsatzregelung des § 1 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO enthalten ist, wonach „wo immer möglich“ ein Mindestabstand zu anderen Personen außer zu den Angehörigen des eigenen Hausstandes von 1, 5 m einzuhalten ist. Diese Regelung bezeichnet der Klammerzusatz im Sinne einer Legaldefinition als „Kontaktbeschränkung“.
§ 2 Abs. 2 SächsCoronaSchVO genügte in dieser Auslegung auch dem in Art.20 Abs. 3 GG gründenden rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot. Danach müssen Rechtsnormen so gefasst sein, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten daran auszurichten vermag. Es genügt, wenn sich der Regelungsgehalt einer Norm mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden feststellen lässt3. Dass vom Antragsteller als Adressaten der Rechtsverordnung nichts Unmögliches verlangt werden kann und verlangt wurde, lag – wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen hat – angesichts der Grundsatzregelung des § 1 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO nahe. Der Verordnungsgeber durfte auch davon ausgehen, dass es den Betroffenen in der Regel keine Schwierigkeiten bereiten würde, zu erkennen, wo die Einhaltung des Mindestabstands möglich war und wo nicht. Die Möglichkeit der Abstandswahrung hing von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten ab. Deshalb musste der Verordnungsgeber angesichts der Vielzahl von Fallkonstellationen auch keine Regelbeispiele in die Vorschrift aufnehmen. Schwierig zu beurteilende Einzelfälle mögen denkbar sein, führen aber nicht zur Unbestimmtheit der Regelung.
Die Regelung in § 2 Abs. 2 SächsCoronaSchVO war ausgehend von der Auslegung des Landesrechts und den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts verhältnismäßig und damit eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits entschieden, dass die durch die Kontaktbeschränkungen in § 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO bewirkten Eingriffe in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gerechtfertigt waren4. Für das Abstandsgebot in § 2 Abs. 2 SächsCoronaSchVO ergibt sich nichts Abweichendes.
Soweit das Oberverwaltungsgericht die Untersagung von Versammlungen durch § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO für rechtmäßig gehalten hat, beruht sein Urteil dagegen auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Untersagungen von Versammlungen konnten zwar auf § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) vom 20.07.20005 i. d. F. des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27.03.20206 – im Folgenden: IfSG – gestützt werden. § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG war auch eine verfassungsgemäße Grundlage für den Erlass einer Verordnungsregelung zur Beschränkung von Versammlungen. Die Untersagung von Versammlungen in § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO schränkte jedoch trotz des Genehmigungsvorbehalts in § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) unverhältnismäßig ein. Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob die Verordnungsregelung auch den Wesensgehalt des Grundrechts im Sinne des Art.19 Abs. 2 GG angetastet hat, und ob gegenüber den Ausnahmen in § 3 Abs. 2 SächsCoronaSchVO eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Versammlungen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt.
Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Untersagung von Versammlungen in § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO auf § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG gestützt werden konnte.
§ 32 Satz 1 IfSG ermächtigt die Landesregierungen, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen (u. a.) nach § 28 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Nach § 32 Satz 2 IfSG können die Landesregierungen die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Hiervon hat die Staatsregierung des Freistaates Sachsen durch § 7 der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung und des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zur Regelung der Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz und für die Kostenerstattung für Impfungen und andere Maßnahmen der Prophylaxe (Infektionsschutzgesetz-Zuständigkeitsverordnung – IfSGZuVO) vom 09.01.20197 i. d. F. der Änderungsverordnung vom 13.03.20208 Gebrauch gemacht und die Zuständigkeit für den Verordnungserlass dem Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt übertragen9.
Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG kann die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen von Satz 1 Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 IfSG genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. Die Grundrechte der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) und der Unverletzlichkeit der Wohnung werden insoweit eingeschränkt (§ 28 Abs. 1 Satz 4, § 32 Satz 3 IfSG).
Die Voraussetzungen, unter denen nach diesen Vorschriften Verbote zur Bekämpfung einer übertragbaren Krankheit erlassen werden können, lagen unstreitig vor10. Dass Regelungen zur Beschränkung von Kontakten, die – wie hier die Versammlungsuntersagung – unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht an jeden im Geltungsbereich der Verordnung gerichtet sind, notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG sein können, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt11. Notwendige Schutzmaßnahmen in diesem Sinne müssen an dem Ziel ausgerichtet sein, die Verbreitung der Krankheit zu verhindern, und sie müssen verhältnismäßig sein, das heißt geeignet und erforderlich, den Zweck zu erreichen, sowie verhältnismäßig im engeren Sinne12.
Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass die Vorschriften auch zur Untersagung von Versammlungen im Verordnungswege ermächtigen. Der Begriff „Ansammlung von Menschen“ in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG stellt in diesem Zusammenhang den Oberbegriff dar13, der neben Veranstaltungen auch solche Zusammenkünfte von Menschen umfasst, die unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG fallen. Dieses Grundrecht schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen14. Dass § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG auch Versammlungen erfasst, wird durch § 28 Abs. 1 Satz 4 und § 32 Satz 3 IfSG bestätigt, die nach Art.19 Abs. 1 Satz 2 GG (Zitiergebot) die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) als eines der Grundrechte nennen, die durch Schutzmaßnahmen eingeschränkt werden können. Darüber hinaus sprechen sowohl die Gesetzgebungshistorie, wonach alle Zusammenkünfte von Menschen, die eine Verbreitung von Krankheitserregern begünstigen können, von der Generalklausel erfasst werden sollten15, als auch der Sinn und Zweck der Vorschrift, die Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern, für eine grundsätzliche Einschränkbarkeit (auch) von Versammlungen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG auf der Grundlage von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG.
§ 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG war in dieser Auslegung im hier maßgeblichen Zeitraum vom 17.04. bis 03.05.2020 eine verfassungsgemäße Grundlage für die Untersagung von Versammlungen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG durch die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 17.04.2020.
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr.19 GG (Maßnahmen gegen übertragbare Krankheiten bei Menschen). Das Infektionsschutzgesetz trifft Regelungen zu Versammlungen – wie zu Gaststätten oder Schulen – ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Infektionsschutzes. § 28 Abs. 1 IfSG enthält deshalb keine Regelungen auf dem Gebiet des Versammlungsrechts, für das der Bund nach dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.08.200616 keine Gesetzgebungskompetenz mehr hat.
Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits entschieden, dass die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG als Grundlage für Rechtsverordnungen zur Bekämpfung von COVID-19 bei Erlass der Verordnung am 17.04.2020 und auch während ihrer Geltungsdauer den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) sowie des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips (Art.20 Abs. 2 und 3 GG) entsprach17. Im Hinblick auf Untersagungen von Versammlungen ergibt sich nichts Abweichendes.
Der Bundesgesetzgeber hat die Möglichkeit der Beschränkung und des Verbots von Veranstaltungen oder sonstigen Ansammlungen von Menschen in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG – anknüpfend an § 34 Abs. 1 Satz 2 BSeuchG – ausdrücklich vorgesehen und damit selbst die Entscheidung getroffen, dass auch Versammlungen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG auf Grundlage dieser Ermächtigung aus Gründen des Infektionsschutzes beschränkt oder verboten werden können (Art. 1 des Gesetzes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften vom 20.07.2000, BGBl. I S. 1045; Gesetzentwurf BT-Drs. 14/2530 S. 16, 74 f.). Diese Entscheidung hat er im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie durch die Streichung der Wortgruppe „einer größeren Anzahl von Menschen“ in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG durch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27.03.202018 bestätigt. Dass der Gesetzgeber dabei auch durch das Grundrecht der Versammlungsfreiheit geschützte Versammlungen im Blick hatte, ergibt sich – wie erwähnt – daraus, dass § 28 Abs. 1 Satz 4 und § 32 Satz 3 IfSG in Erfüllung des Zitiergebots (Art.19 Abs. 1 Satz 2 GG) Art. 8 GG als eingeschränktes Grundrecht ausdrücklich nennen.
Die Untersagung von Versammlungen in § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO unter dem Vorbehalt einer Ausnahmegenehmigung in § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO war nicht verhältnismäßig und damit keine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG. Die Regelung hatte zwar ein legitimes Ziel und war zu dessen Erreichung auch geeignet und erforderlich. Sie schränkte aber die durch Art. 8 Abs. 1 GG gewährleistete Versammlungsfreiheit unangemessen ein.
Der Verordnungsgeber verfolgte mit der Untersagung von Versammlungen ein Ziel, das mit dem Zweck der Verordnungsermächtigung im Einklang stand.
Die Untersagung diente dem Ziel, die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 und der Krankheit COVID-19 zu verlangsamen. Mit der Verlangsamung des Infektionsgeschehens sollte sichergestellt werden, dass die Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Krankenhäuser zur Behandlung schwer- und schwerstkranker Menschen erhalten blieb. Das hat das Oberverwaltungsgericht für das Revisionsverfahren verbindlich festgestellt (vgl. für tatsächliche Feststellungen: § 137 Abs. 2 VwGO; für die Auslegung irrevisiblen Landesrechts: § 137 Abs. 1, § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO); es ergibt sich auch aus der Verordnungsbegründung. Das Ziel entsprach dem Zweck der Verordnungsermächtigung, übertragbare Krankheiten zu bekämpfen (§ 32 Satz 1 IfSG) und ihre Verbreitung zu verhindern (§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG)19.
Die Annahme des Verordnungsgebers, dass dieses Ziel ohne die erlassene Untersagung gefährdet und die Gefahr wegen einer möglichen Überlastung des Gesundheitssystems dringlich war, hatte eine tragfähige tatsächliche Grundlage20.
Zur Risikobewertung, den erforderlichen Infektionsschutzmaßnahmen und der empfohlenen Strategie zur Bekämpfung der Ausbreitung des Virus verweist das Oberverwaltungsgericht auf die Risikoeinschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) vom 26.03.2020, das die Gefährdung für die Gesundheit durch das hochansteckende Virus SARS-CoV-2 nach wie vor als hoch einschätze. Dies gelte insbesondere, aber nicht nur für ältere Menschen mit Vorerkrankungen. In Fragen der Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen komme den Empfehlungen des RKI eine vorrangige Bedeutung zu. Auch die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, deren Expertise in der Beratung von Politik und Öffentlichkeit ebenfalls eine große Bedeutung zukomme, empfehle Lockerungen mit Bedacht und mit begleitenden Maßnahmen vorzunehmen. Vordringliche Voraussetzung für eine solche allmähliche Lockerung sei dabei, dass sich die Neuinfektionen auf niedrigem Niveau stabilisierten und das Gesundheitssystem nicht überlastet werde. Ferner müssten Infizierte zunehmend identifiziert und die Schutzmaßnahmen (Hygienemaßnahmen, Mund-Nasen-Schutz, Distanzregeln) diszipliniert eingehalten werden. Das Oberverwaltungsgericht hat darüber hinaus festgestellt, in dem in Rede stehenden Zeitraum seien weder eine Impfung oder eine spezifische Medikation noch ein infektionsmedizinisch hinreichend sicherer Mund-Nasen-Schutz verfügbar gewesen. In Sachsen seien am 20.04.2020 4.323 Menschen infiziert und 111 Menschen infolge der Erkrankung verstorben gewesen. An diesem Tag hätten sich 365 Patienten im Krankenhaus befunden, 63 davon auf einer Intensivstation.
Diese Feststellungen tragen die vom Verordnungsgeber angenommene Gefährdungslage. Der Verordnungsgeber und das Oberverwaltungsgericht konnten sich insbesondere auf die Risikobewertung und weiteren Erkenntnisse des RKI stützen21. Der Antragsteller hat gegen sie keine durchgreifenden Revisionsgründe vorgebracht (§ 137 Abs. 2 VwGO).
Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Bundesrechtsverstoß angenommen, dass der Verordnungsgeber die in § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO angeordnete Untersagung von Versammlungen als geeignet und erforderlich ansehen durfte, um das mit der angegriffenen Regelung verfolgte Ziel zu erreichen.
Für die Eignung reicht es aus, wenn die Verordnungsregelung den verfolgten Zweck fördern kann. Bereits die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt22. Das Oberverwaltungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass dem Verordnungsgeber wegen der damals in der Fachwissenschaft vorhandenen Ungewissheiten über die Eigenschaften des Virus SARS-CoV-2 bei der Beurteilung der Eignung einer Regelung ein tatsächlicher Einschätzungsspielraum zustand, der in Bezug auf die Einhaltung seiner Grenzen verwaltungsgerichtlicher Kontrolle unterliegt23. Es hat keine Anhaltspunkte gesehen, dass die Einschätzung des Verordnungsgebers, durch eine Reduzierung physischer Kontakte und die Einhaltung bestimmter Abstände zu anderen Personen könne die Ausbreitung des besonders leicht von Mensch zu Mensch übertragbaren Virus verlangsamt und die Infektionsdynamik verzögert werden, nicht auf tragfähigen tatsächlichen Annahmen beruht hätte oder das Prognoseergebnis nicht plausibel gewesen wäre. Der Antragsteller hat dagegen keine begründeten Revisionsgründe vorgebracht (§ 137 Abs. 2 VwGO). Dafür ist auch nichts ersichtlich.
An der Erforderlichkeit einer Maßnahme fehlt es, wenn dem Verordnungsgeber eine andere, gleich wirksame Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Zwecks zur Verfügung steht, die weniger in die Grundrechte der Betroffenen eingreift und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahme zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen24.
Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit hatte der Verordnungsgeber angesichts der im hier maßgeblichen Zeitraum fehlenden Erfahrungen mit dem SARS-CoV-2-Virus und den Wirkungen von Schutzmaßnahmen einen tatsächlichen Einschätzungsspielraum, der sich darauf bezog, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren25. Ein solcher Spielraum hat jedoch Grenzen. Die Einschätzung des Verordnungsgebers muss auf ausreichend tragfähigen Grundlagen beruhen. Das Ergebnis der Prognose muss einleuchtend begründet und damit plausibel sein26. Das unterliegt der gerichtlichen Überprüfung27.
Danach ist die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die angegriffene Versammlungsuntersagung sei zur Zweckerreichung erforderlich gewesen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Prognose des Verordnungsgebers, aufgrund der seinerzeitigen Infektions- und Erkenntnislage sei grundsätzlich davon auszugehen, dass keine Schutzmaßnahmen getroffen werden könnten, die gleich effektiv, aber weniger eingriffsintensiv wären, als die Versammlung nicht durchzuführen, beruhte nach den im angefochtenen Urteil getroffenen, für das Revisionsverfahren verbindlichen (§ 137 Abs. 2 VwGO) Tatsachenfeststellungen auf tragfähigen Annahmen und war plausibel.
Die Versammlungsuntersagung ging nicht deshalb über das erforderliche Maß hinaus, weil sie keine ausdrücklichen Ausnahmen für bestimmte Versammlungsformen – etwa Fahrraddemos oder Autokorsos – vorsah, bei denen möglicherweise geringere Infektionsrisiken bestanden als bei herkömmlichen Versammlungen. Im Rahmen der ihm zustehenden Typisierungsbefugnis darf ein Normgeber sich am Regelfall orientieren und dabei von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen28. Dementsprechend konnte der Verordnungsgeber darauf abstellen, dass Versammlungen in aller Regel zu physischen, mit einem Infektionsrisiko verbundenen Kontakten führten und musste Sonderformen nicht ausdrücklich von der Geltung ausnehmen. Außerdem enthielt § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO mit dem Genehmigungsvorbehalt für infektiologisch vertretbare Versammlungen einen Tatbestand, der diese Sonderformen von Versammlungen erfassen konnte.
Der Verordnungsgeber durfte auch davon ausgehen, dass Schutzauflagen – z. B. Abstandsgebote, Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung, Teilnehmerbeschränkung – das Ziel, die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 und der Krankheit COVID-19 zu verlangsamen, nicht ebenso wirksam erreicht hätten wie das generelle Versammlungsverbot des § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts wurde seinerzeit die Tröpfcheninfektion als Hauptübertragungsweg für das SARS-CoV-2-Virus angesehen. Das Risiko einer Infektion bestand nach der maßgeblichen ex-ante-Sicht auch bei Versammlungen unter freiem Himmel und bei einer begrenzten Teilnehmerzahl. Ein Schutz durch Impfung, eine spezifische Medikation oder eine infektionsmedizinisch hinreichend sichere Mund-Nase-Bedeckung standen nicht zur Verfügung. Dass der Verordnungsgeber – und ihm folgend das Oberverwaltungsgericht – Verhaltens- und Hygieneregeln für Kontakte im öffentlichen Raum nicht als gleich wirksame Maßnahmen wie die Reduzierung der physischen Kontakte angesehen hat, ist danach plausibel29.
Auch die vorherige Anzeige der Versammlung wäre zwar ein milderes, aber kein gleich wirksames Mittel gewesen. Die unter einem Genehmigungsvorbehalt stehende Versammlungsuntersagung stellte sicher, dass eine Versammlung nicht stattfinden durfte, solange sie nicht genehmigt, die infektionsschutzrechtliche Prüfung also nicht mit positivem Ergebnis abgeschlossen war. Bei einer bloßen Anzeigepflicht hätte die Versammlung dagegen stattfinden können, solange die Behörde sie nicht untersagt hätte. Hätte sie unter den erschwerten Arbeitsbedingungen der Behörden in der Situation der Pandemie nicht rechtzeitig ein Verbot erlassen oder Auflagen verfügt, wäre dies zulasten des Infektionsschutzes gegangen. Insoweit ist die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Verordnungsgeber habe eine infektionsschutzrechtliche Vorprüfung von Versammlungen als erforderlich ansehen dürfen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Dagegen steht die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Untersagung von Versammlungen in § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO unter dem Vorbehalt einer Ausnahmegenehmigung in § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO sei auch verhältnismäßig im engeren Sinne gewesen, nicht mit Bundesrecht in Einklang. Der mit der Regelung verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung standen außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit.
Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordern, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen30. In einer Abwägung sind Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits und die Bedeutung der Maßnahme für die Zweckerreichung andererseits gegenüberzustellen. Angemessen ist eine Maßnahme dann, wenn bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt wird. Dabei ist ein angemessener Ausgleich zwischen dem Gewicht des Eingriffs und dem verfolgten Ziel sowie der zu erwartenden Zielerreichung herzustellen31.
Die Untersagung aller Versammlungen durch § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO war ein schwerer Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Art. 8 Abs. 1 GG schützt – wie gezeigt – die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen. Als Abwehrrecht, das auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, gewährleistet Art. 8 GG den Grundrechtsträgern das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung. Schon in diesem Sinne gebührt dem Grundrecht in einem freiheitlichen Staatswesen ein besonderer Rang; das Recht, sich ungehindert und ohne besondere Erlaubnis mit anderen zu versammeln, galt seit jeher als Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit des selbstbewussten Bürgers32. Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend33. Das gilt auch in der Situation einer Pandemie. Die Beschränkungen der Versammlungsfreiheit durch § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO waren zwar nicht darauf gerichtet, die kollektive Meinungskundgabe einer inhaltlichen Beschränkung zu unterwerfen. Physische Kontakte wurden in anderen Lebensbereichen durch die Verordnung ebenfalls beschränkt. Gleichwohl wurde die kollektive Meinungskundgabe behindert, was bei Versammlungen unter freiem Himmel besonders schwer wog. Die Sichtbarkeit von Versammlungen unter freiem Himmel – und damit ihre Wirksamkeit für die Meinungsbildung – konnte durch andere Formen der Kommunikation nur zum Teil ersetzt werden.
Das Gewicht des Grundrechtseingriffs wurde dadurch erhöht, dass Versammlungen in Sachsen bereits seit dem 23.03.2020 untersagt worden waren, zunächst aufgrund der Ausgangsbeschränkung in Nr. 1 der Allgemeinverfügung vom 22.03.202034, dann durch die Ausgangsbeschränkung in § 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO vom 31.03.202035.
Der Vorbehalt einer ausnahmsweisen Genehmigung in § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO minderte das Gewicht des Eingriffs nur unwesentlich. Er änderte nichts daran, dass sich die Grundrechtsträger nicht mehr ohne weiteres versammeln durften, sondern nur, wenn der zuständige Landkreis oder die kreisfreie Stadt ihnen das gestattet hatte. Sie mussten die Genehmigung beantragen und ihre Erteilung ggf. gerichtlich durchsetzen. Gelang ihnen dies vor der Erledigung des Versammlungszwecks nicht, so war der Zweck der Versammlung vereitelt. Das Risiko für die Durchführung der Versammlung verblieb unter diesen Umständen beim Bürger. Im Hinblick auf den Freiheitsgebrauch bedeutet es einen wesentlichen Unterschied, ob eine Genehmigung für etwas grundsätzlich Verbotenes zu beantragen und ggf. vor den Gerichten zu erstreiten ist oder ob etwas grundsätzlich Erlaubtes ggf. beschränkt oder verboten werden kann. Die Versammlungsfreiheit ist in diesem Sinne mehr und anderes als eine Summe von Genehmigungsansprüchen36.
Zudem ließ die Vorschrift nicht erkennen, unter welchen Voraussetzungen Versammlungen infektiologisch vertretbar sein könnten, und selbst für infektiologisch vertretbare Versammlungen stellte sie die Erteilung der Genehmigung in das Ermessen der Behörde. Das Oberverwaltungsgericht hat lediglich angenommen, dass das Fehlen infektionsschutzrechtlicher Bedenken „bis zu einer Ermessensreduzierung auf Null“ führen „konnte“. Insgesamt war der Vorbehalt einer Ausnahmegenehmigung in § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO damit nicht geeignet, eine reale Chance für die Durchführung von Versammlungen zu eröffnen. Eine nachträgliche Konkretisierung der Genehmigungsvoraussetzungen durch die Rechtsprechung konnte daran mit Blick auf die kurze Laufzeit der Verordnung nichts mehr ändern.
Den durch die Untersagung von Versammlungen bewirkten, gewichtigen Grundrechtseingriffen standen Gemeinwohlbelange von überragender Bedeutung gegenüber. Ziel der Verordnung war es, die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus und der dadurch verursachten bedrohlichen COVID-19-Erkrankung (vgl. § 2 Nr. 3a IfSG) zu verlangsamen und damit die Bevölkerung vor Lebens- und Gesundheitsgefahren zu schützen. Die Rechtsgüter Leben und Gesundheit haben eine überragende Bedeutung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG)37. Der Verordnungsgeber durfte bei Erlass des generellen Versammlungsverbots davon ausgehen, dass dringlicher Handlungsbedarf bestand. Das RKI schätzte die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland immer noch als hoch ein.
In die Prüfung der Angemessenheit ist über die Bedeutung des verfolgten Zwecks hinaus einzustellen, in welchem Maße er durch die in Rede stehende Maßnahme gefördert wird. Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf den Beschluss des Thüringer Oberverwaltungsgerichts Weimar vom 10.04.202038 ausgeführt, es sei zum einen nicht zwingend möglich, Versammlungen unter Beachtung der auch für andere Veranstaltungen geltenden Sicherheitsauflagen und allgemeinen Hygieneauflagen gefahrmindernd durchzuführen, zum anderen ergebe sich ein kaum kontrollierbarer Bereich von möglichen Ansammlungen bei ankommendem und abfahrendem Verkehr, also beim Betreten und Verlassen des Versammlungsbereichs. Danach durfte der Verordnungsgeber zugrunde legen, dass die Maßnahme einen qualitativ und quantitativ erheblichen Beitrag zur Erreichung des Ziels leisten konnte, physische Kontakte zu reduzieren und dadurch die Verbreitung von COVID-19 zu verhindern.
Der Verordnungsgeber bewertete die Gefahr allerdings nicht mehr als so dringlich wie noch bei Erlass der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 31.03.2020. Angesichts der Verlangsamung der Infektionsgeschwindigkeit in Sachsen sah er Spielraum für schrittweise Lockerungen gegenüber den dort verordneten Beschränkungen. So hob er die bisherige Ausgangsbeschränkung auf. Ladengeschäfte des Einzelhandels jeder Art bis zu einer Verkaufsfläche von 800 qm, soweit sie sich nicht in Einkaufszentren und großflächigem Einzelhandel befanden, durften wieder öffnen (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 SächsCoronaSchVO). Gottesdienste mit bis zu 15 Besuchern waren wieder zugelassen (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 SächsCoronaSchVO). Insoweit sah der Verordnungsgeber Abstands- und Hygieneregeln für den Infektionsschutz als ausreichend an.
In dieser Situation trug die generelle Untersagung von Versammlungen in § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO, die lediglich durch den nicht näher konkretisierten Vorbehalt einer Ausnahmegenehmigung in § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO geöffnet war, der Bedeutung der Versammlungsfreiheit für ein freiheitliches Staatswesen nicht angemessen Rechnung. Auch der Verordnungsgeber ging offenbar davon aus, dass der Versammlungsfreiheit eine besondere Bedeutung zukommt, denn für Versammlungen im Sinne des Sächsischen Versammlungsgesetzes sah er einen Genehmigungsvorbehalt vor, für sonstige Ansammlungen nicht. Um dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit hinreichend Rechnung zu tragen, hätte er jedoch jedenfalls regeln müssen, unter welchen Voraussetzungen Versammlungen infektiologisch vertretbar und damit genehmigungsfähig sein können, um zumindest Versammlungen unter freiem Himmel mit begrenzter Teilnehmerzahl unter Beachtung von Schutzauflagen wieder zu ermöglichen (vgl. z. B. die gegenständliche Beschränkung der Untersagung von Versammlungen in § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO vom 30.04.202039). Auch den Anspruch auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung bei infektiologischer Unbedenklichkeit der beabsichtigten Versammlung hätte der Verordnungsgeber selbst ausdrücklich festschreiben müssen. Nur so hätte er die erforderliche Rechtssicherheit für Bürger und Behörden schaffen können. Weitergehende Schutzauflagen hätte die zuständige Behörde dann im Einzelfall, soweit dies aus Gründen des Infektionsschutzes geboten war, auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 IfSG oder einer entsprechenden Verordnungsregelung (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 3 SächsCoronaSchVO vom 30.04.2020) anordnen können.
Da § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO danach bereits wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unwirksam war, soweit er Versammlungen untersagte, kann offenbleiben, ob diese Vorschrift auch den Wesensgehalt der Versammlungsfreiheit angetastet hat und damit gegen die Wesensgehaltsgarantie des Art.19 Abs. 2 GG verstieß40.
Ebenso kann dahinstehen, ob der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt wurde, weil § 3 Abs. 2 SächsCoronaSchVO bestimmte Lebenssachverhalte von dem Verbot der Ansammlungen von Menschen in § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO ausgenommen hat, während § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Versammlungen untersagt und unter einen Genehmigungsverhalt gestellt hat.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. Juni 2023 – 3 CN 1.22
- Sächs. OVG, Urteil vom 16.12.2021 – 3 C 20/20[↩]
- vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 06.07.2010 – 2 BvR 2661/06, BVerfGE 126, 286 <306> und Kammerbeschluss vom 26.09.2011 – 2 BvR 2216/06 u. a. – BVerfGK 19, 89 <102 f.>[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.03.2013 – 2 BvF 1/05, BVerfGE 133, 241 Rn. 84; BVerwG, Urteil vom 24.01.2019 – 3 C 7.17, BVerwGE 164, 253 Rn. 23, jeweils m. w. N[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 22.11.2022 – 3 CN 1.21, NVwZ 2023, 1000 Rn. 47 ff.[↩]
- BGBl. I S. 1045[↩]
- BGBl. I S. 587[↩]
- SächsGVBl. S. 83[↩]
- SächsGVBl. S. 82[↩]
- vgl. Sächs. OVG, Urteil vom 15.10.2021 – 3 C 15/20, Rn. 49 i. V. m. Rn. 48 [↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 22.11.2022 – 3 CN 1.21, NVwZ 2023, 1000 Rn.19 f. zur hier inmitten stehenden Verordnung[↩]
- vgl. BVerwG, a. a. O. Rn. 21 ff.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 22.11.2022 – 3 CN 2.21, NVwZ 2023, 1011 Rn. 12[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 u. a., BVerfGE 159, 223 Rn. 210[↩]
- vgl. BVerfG, Urteil vom 22.02.2011 – 1 BvR 699/06, BVerfGE 128, 226 <250>[↩]
- vgl. BT-Drs. 14/2530 S. 75[↩]
- BGBl. I S.2034[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 22.11.2022 – 3 CN 1.21, NVwZ 2023, 1000 Rn. 34 ff. zu Kontaktbeschränkungen und der Schließung von Gastronomiebetrieben und Sportstätten[↩]
- BGBl. I S. 587; Gesetzentwurf BT-Drs.19/18111 S. 9 f., 24[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 22.11.2022 – 3 CN 1.21, NVwZ 2023, 1000 Rn. 49 ff.[↩]
- vgl. zu diesem Erfordernis: BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 u. a., BVerfGE 159, 223 Rn. 177; BVerwG, Urteil vom 22.11.2022 – 3 CN 1.21, NVwZ 2023, 1000 Rn. 52[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 22.11.2022 – 3 CN 1.21, NVwZ 2023, 1000 Rn. 56 f.[↩]
- stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 u. a., BVerfGE 159, 223 Rn. 185; BVerwG, Urteil vom 22.11.2022 – 3 CN 1.21, NVwZ 2023, 1000 Rn. 59, jeweils m. w. N.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 22.11.2022 – 3 CN 1.21, NVwZ 2023, 1000 Rn. 59 m. w. N.[↩]
- stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 u. a., BVerfGE 159, 223 Rn.203 m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 22.11.2022 – 3 CN 1.21, NVwZ 2023, 1000 Rn. 63[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 u. a., BVerfGE 159, 223 Rn.204[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 22.11.2022 – 3 CN 1.21, NVwZ 2023, 1000 Rn. 64 m. w. N.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 22.11.2022 – 3 CN 2.21, NVwZ 2023, 1011 Rn. 17 ff.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21, BVerfGE 161, 299 Rn.190[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 22.11.2022 – 3 CN 1.21, NVwZ 2023, 1000 Rn. 67 m. w. N.[↩]
- stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 u. a., BVerfGE 159, 223 Rn. 216 m. w. N.[↩]
- stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 22.11.2022 – 3 CN 1.21, NVwZ 2023, 1000 Rn. 75 m. w. N.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 – 1 BvR 233/81 u. a., BVerfGE 69, 315 <343>[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 – 1 BvR 233/81 u. a., BVerfGE 69, 315 <344> Urteil vom 22.02.2011 – 1 BvR 699/06, BVerfGE 128, 226 <250>[↩]
- Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, Az. 15-5422/10[↩]
- SächsGVBl. S. 86[↩]
- Gusy in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl.2018, Art. 8 Rn. 35[↩]
- stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 u. a., BVerfGE 159, 223 Rn. 231 m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 22.11.2022 – 3 CN 2.21, NVwZ 2023, 1011 Rn. 32[↩]
- ThürOVG, Beschluss vom 10.04.2020 – 3 EN 248/20, BeckRS 2020, 6395 Rn. 40[↩]
- SächsGVBl. S. 186[↩]
- vgl. BVerfG, Urteile vom 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133 <156> und vom 04.05.2011 – 2 BvR 2333/08 u. a., BVerfGE 128, 326 <372 f.>[↩]
Bildnachweis:
- Corona: Gerd Altmann