Eine über das besondere elektronische Anwaltspostfach im docx-Format eingelegte Beschwerde verstößt gegen § 55a Abs. 2 VwGO i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV in den seit dem 1.01.2022 geltenden Fassungen und ist vorbehaltlich einer Heilung nach § 55a Abs. 6 VwGO unwirksam.

So auch in dem hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall: Die nach § 99 Abs. 2 Satz 12 VwGO statthafte Beschwerde ist unzulässig, weil sie innerhalb der Beschwerdefrist nicht formgerecht beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht eingereicht worden ist:
Die Beschwerdefrist beträgt gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO zwei Wochen ab Bekanntgabe der angefochtenen Entscheidung. Da der angefochtene Beschluss dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 30.06.2022 bekannt gegeben worden ist, endete die Beschwerdefrist gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 14.07.2022.
Bis dahin ist die Beschwerde entgegen § 147 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO weder beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht, dessen Entscheidung angefochten wird, noch beim Bundesverwaltungsgericht als zuständigem Beschwerdegericht (§ 99 Abs. 2 Satz 13 VwGO) formgerecht eingereicht worden.
Die postalische Einlegung der Beschwerde durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 4.07.2022 ist unwirksam. Denn nach dem am 1.01.2022 in Kraft getretenen § 55d Satz 1 VwGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Diese Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für Rechtsanwälte betrifft grundsätzlich alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der betreffenden Prozessordnung1. Bei Nichteinhaltung ist die Prozesserklärung nicht wirksam2. Nur wenn – was vorliegend nicht i. S. d. § 55d Abs. 1 Satz 4 VwGO glaubhaft gemacht worden ist – eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, bleibt gemäß § 55d Abs. 1 Satz 3 VwGO die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig.
Auch die elektronische Einreichung der Beschwerdeschrift beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 1.07.2022 entspricht nicht den Formvorgaben. Zwar wurden die Vorgaben des § 55a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 VwGO gewahrt. Denn die Beschwerdeschrift war mit dem maschinenschriftlichen Namenszug (einfach) signiert3 und wurde vom besonderen elektronischen Anwaltspostfach (§ 31a BRAO) und damit auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 55a Abs. 4 Nr. 2 VwGO an die elektronische Poststelle des Gerichts gesandt. Jedoch ist der elektronisch übermittelte Beschwerdeschriftsatz nicht zur Bearbeitung durch das Gericht geeignet, weil er im falschen Dateiformat eingereicht wurde.
Nach § 55a Abs. 2 Satz 1 VwGO muss das elektronische Dokument zur Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt gemäß § 55a Abs. 2 Satz 2 VwGO durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates technische Rahmenbedingungen für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach – Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV – in der seit dem 1.01.2022 geltenden Fassung vom 05.10.20214 ist das elektronische Dokument im Dateiformat PDF zu übermitteln. Grund hierfür ist, dass sich dieses Dateiformat im Rahmen des elektronischen Rechts- und Geschäftsverkehrs zum Standardformat entwickelt hat und für die Kommunikation im elektronischen Rechtsverkehr besonders geeignet ist. Die Festlegung eines einheitlichen Dateiformates ermöglicht die reibungslose Weiterverarbeitung und elektronische Aktenführung durch die Gerichte, Behörden und anderen Teilnehmer am elektronischen Rechtsverkehr5. Wenn bildliche Darstellungen im Dateiformat PDF nicht verlustfrei wiedergegeben werden können, darf das elektronische Dokument zusätzlich im Dateiformat TIFF übermittelt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 ERVV). § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 ERVV benennen die zulässigen Dateiformate abschließend5. Die Dateiformate PDF und TIFF müssen den von der Bundesregierung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 ERVV bekannt gemachten Versionen dieser Dateiformate entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 ERVV).
Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV ist die Übermittlung des elektronischen Dokuments im Dateiformat PDF zwingend. Dies folgt auch aus einem Vergleich der „Muss“-Vorschriften des § 2 Abs. 1 ERVV mit den weiteren „Soll“-Bestimmungen für elektronische Dokumente in § 2 Abs. 2 und 3 ERVV. Die Gesetzes- und Verordnungshistorie bestätigt dies. Durch die Neufassung des § 55a Abs. 2 Satz 2 VwGO und des § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV zum 1.01.2022 sollte die Maßgeblichkeit der Eignung zur gerichtlichen Bearbeitung klargestellt werden. Formunwirksamkeit soll im Grundsatz nur eintreten, wenn der Verstoß dazu führt, dass im konkreten Fall eine Bearbeitung durch das Gericht nicht möglich ist. Demgegenüber sollen rein formale Verstöße gegen die ERVV dann nicht zur Formunwirksamkeit des Eingangs führen, wenn das Gericht das elektronische Dokument gleichwohl bearbeiten kann. Die technischen Rahmenbedingungen sollen „nur noch“ insoweit verbindlich vorgegeben werden, als dies für die Bearbeitung durch das Gericht notwendig ist. Zwingend ist danach „nur noch“ die Übermittlung im Format PDF6.
Der Formmangel ist auch nicht nach § 55a Abs. 6 VwGO geheilt worden. Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen (§ 55a Abs. 6 Satz 1 VwGO). Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt (§ 55a Abs. 6 Satz 2 VwGO). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers ist mit Schreiben vom 28.07.2022 darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerde unwirksam eingegangen ist, weil sie im docx-Format und damit nicht in dem nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 ERVV vorgesehenen Format übermittelt wurde, dass aber das Dokument als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen gilt, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt. Dies ist indes nicht geschehen.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 4. Oktober 2022 – 20 F 15.22
- vgl. BT-Drs. 17/12634 S. 28 zu § 130d ZPO[↩]
- vgl. BT-Drs. 17/12634 S. 27 § 130d ZPO[↩]
- vgl. BAG, Beschluss vom 14.09.2020 – 5 AZB 23/20 15 m. w. N.[↩]
- BGBl. I S. 4607[↩]
- vgl. BR-Drs. 645/17 S. 12[↩][↩]
- vgl. BT-Drs.19/28399 S. 40 und 48; vgl. auch BAG, Beschluss vom 25.04.2022 – 3 AZB 2.22 23; BGH, Beschluss vom 03.05.2022 – 3 StR 89/22 12; OLG Koblenz, Beschluss vom 07.06.2022 – 4 OLG 4 Ss 67/22 14; Ulrich in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, VwGO, Stand: Februar 2022, § 55a Rn. 118[↩]