Hat das Verwaltungsgericht eine unzulässige Klage durch Sachurteil als unbegründet abgewiesen und dies zugleich auf prozessrechtliche und sachlich-rechtliche Gründe gestützt, kann im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision das vorinstanzliche Urteil durch Beschluss nach § 133 Abs. 6 VwGO in ein Prozessurteil umgewandelt werden.

Das Verwaltungsgericht hätte nur zur Zulässigkeit des Widerspruchs Stellung nehmen und die – mit dem Klageantrag verbundenen – materiellen Rechtsfragen unentschieden lassen müssen. In den Ausführungen zur Begründetheit liegt für den Kläger eine Beschwer.
Verfahrensfehlerhaft ist zunächst, dass das Verwaltungsgericht die Klage als „zulässig, aber unbegründet“ abgewiesen hat und zur Begründung unter anderem auf einen Umstand abgestellt hat, der zur Abweisung als unzulässig hätte führen müssen. Ein solches Prozessurteil war wegen der vom Verwaltungsgericht bejahten Versäumung der Frist für die Einlegung des Widerspruchs (§ 70 VwGO) geboten. Die Einhaltung der Widerspruchsfrist ist hier Sachurteilsvoraussetzung. Wird die Frist versäumt, so ist die nach Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig erhobene Klage gegen den Ausgangsbescheid unzulässig; dem Gericht ist eine Sachentscheidung verwehrt [1]. Hiergegen hat das Verwaltungsgericht – ausgehend von seiner Rechtsauffassung – mit der Abweisung der Klage durch Sachurteil objektiv verstoßen. Dass seine Feststellung, die Klage sei unbegründet, nicht in der Urteilsformel, sondern in den Entscheidungsgründen enthalten ist, ändert daran nichts. Besonders bei klageabweisenden Urteilen sind die weiteren Elemente des Urteils heranzuziehen, um den Umfang der Rechtskraft durch Auslegung zu bestimmen [2].
Verfahrensfehlerhaft ist in der Konsequenz auch die vom Kläger beanstandete sachlichrechtliche Überprüfung des Klagebegehrens. Wegen der Verschiedenheit der Rechtskraftwirkung einer Prozess- und einer Sachabweisung darf eine Klage grundsätzlich nicht zugleich aus prozessrechtlichen und aus sachlichrechtlichen Gründen abgewiesen werden [3]. Jedoch können auch in einem solchen Fall die sachlichrechtlichen Ausführungen zur Begründetheit eine Bindungswirkung entfalten, die in nachfolgenden Verfahren zu beachten ist, was die Beschwerde zu Recht als potenzielle Beschwer betrachtet. Die Bindungswirkung greift auch, wenn das Gericht – wie hier – eine Doppelbegründung offensichtlich in rechtsirriger Zuordnung der prozessrechtlichen Gründe zum materiellen Recht vornimmt; denn unzweifelhaft erwächst eine Sachabweisung in Rechtskraft, wenn das Gericht Zulässigkeitsvoraussetzungen übersehen hat, die Zulässigkeit offen lässt oder sie grob fehlerhaft bejaht [4]. Eine Auslegung des Urteils dahin, die Ausführungen zur Sache seien lediglich nicht entscheidungstragende ergänzende Hinweise an die Beteiligten, die nicht geeignet sind, an der Rechtskraft des Urteils teilzunehmen und bei der Bestimmung des maßgeblichen Urteilsinhalts als nicht geschrieben zu behandeln sind [5], kommt hier nicht in Betracht. Die Abweisung als unbegründet und die Art der Aneinanderreihung der Gründe zeigen klar, dass sie als selbstständig tragend gemeint sind.
Das Bundesverwaltungsgericht nimmt den Verfahrensfehler zum Anlass, das Urteil in entsprechender Anwendung des § 133 Abs. 6 VwGO in ein Prozessurteil umzuwandeln. Da die Begründung des Urteils einer rechtlichen Prüfung nicht standhält, die Klage im Ergebnis aber zu Recht abgewiesen worden ist, käme nach § 144 Abs. 4 VwGO in einem Revisionsverfahren die Aufhebung des angegriffenen Urteils nicht in Betracht. Das schließt es auch im Beschwerdeverfahren aus, eine solche Aufhebung anzuordnen. Vielmehr ist § 133 Abs. 6 VwGO zur gebotenen Korrektur des Urteils heranzuziehen; denn es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass das Bundesverwaltungsgericht in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 133 Abs. 6 VwGO ermächtigt ist, ein prozessrechtlich zwingendes Verfahrensergebnis im Interesse der Verfahrensökonomie im Beschwerdeverfahren selbst herzustellen [6].
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 2. November 2011 – 3 B 54.11
- vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl., § 70 Rn. 7 m.w.N.[↩]
- vgl. Rennert, a.a.O. § 121 Rn. 22 m.w.N.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 12.07.2000 – 7 C 3.00, BVerwGE 111, 306, 312 = Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 133; ebenso BGH, Urteile vom 10.12.1953 – IV ZR 48/53 – BGHZ 11, 222, 223 f. und vom 27.11.1957 – IV ZR 121/57 – NJW 1958, 384[↩]
- BGH, Urteil vom 16.01.2008 – XII ZR 216/05 – NJW 2008, 1227 Rn. 9, 17[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 12.07.2000 a.a.O. m.w.N.[↩]
- vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 02.04.1996 – 7 B 48.96, Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 22, vom 19.11.1997 – 7 B 265.97 – a.a.O. Nr. 28, vom 07.10.1998 – 3 B 68.97 – a.a.O. Nr. 33, vom 13.03.2002 – 3 B 19.02 – a.a.O. Nr. 65 und vom 26.03.2004 – 1 B 79.03 – a.a.O. Nr. 71[↩]