Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, kann sich die Beschwer in aller Regel nur aus deren Tenor ergeben; er allein bestimmt verbindlich, welche Rechtsfolgen aufgrund des festgestellten Sachverhalts eintreten.

Rechtsausführungen sowie nachteilige oder als nachteilig empfundene Ausführungen in den Gründen einer Entscheidung allein begründen keine Beschwer.
Eine Verfassungsbeschwerde kann daher nicht lediglich darauf gestützt werden, dass ein Gericht in den Gründen seiner Entscheidung eine Rechtsauffassung vertreten hat, die der Beschwerdeführer für grundrechtswidrig erachtet1.
So auch in dem vorliegenden Fall einer vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommenen Verfassungsbeschwerde: Das Oberlandesgericht Celle hat die vorangegangene, die Beschwerdeführerin belastende Entscheidung des Familiengerichts2 über den Ausschluss der elterlichen Sorge aufgehoben3. Damit ist die Beschwerdeführerin nicht beschwert. Dass das Oberlandesgericht in den Gründen die Entscheidung des Familiengerichts materiell-rechtlich als zutreffend betrachtet, ist für die Beurteilung der Beschwer unerheblich, weil es insoweit nur auf die Beschlussformel der angegriffenen Entscheidung ankommt.
Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die Beschlüsse des Familiengerichts wendet, ist das Rechtsschutzbedürfnis ebenfalls weder dargelegt noch ersichtlich. Beide sind durch die Sachentscheidungen des Oberlandesgerichts prozessual überholt4. Ein dennoch fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis, sich gegen den aufgehobenen Beschluss vom 01.04.2022 wenden zu können, ist weder dargelegt noch erkennbar.
Das gilt auch für den familiengerichtlichen Beschluss vom 06.07.2022. Dieser dürfte zwar teilweise verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sein, weil das Familiengericht letztlich darauf verzichtet hat zu begründen, warum dem Vater ebenfalls das Sorgerecht für die beiden Töchter entzogen worden ist. Sollte sich das Familiengericht mit seinem Hinweis, der Vater habe ausdrücklich sein Einverständnis erklärt, auf § 38 Abs. 4 Nr. 2 FamFG gestützt haben, bestehen erhebliche Zweifel, ob die Vorschrift das Absehen von einer Begründung gestattete5. Daraus kann sich allerdings kein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin ergeben. Denn durch den möglichen Verfahrensfehler würden lediglich Rechte des Vaters betroffen, nicht aber solche der Beschwerdeführerin.
Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, bedarf es außer der Vorlage der angegriffenen Entscheidungen auch der jener Schriftstücke, ohne deren Kenntnis sich die Berechtigung der geltend gemachten Rügen nicht beurteilen lässt; zumindest muss der wesentliche Inhalt wiedergegeben werden, weil das Bundesverfassungsgericht nur so in die Lage versetzt wird, zu beurteilen, ob die Entscheidungen mit dem Grundgesetz in Einklang stehen6.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 15. Februar 2023 – 1 BvR 1773/22
- vgl. BVerfGE 140, 42 <54 f. Rn. 47 f.> m.w.N.[↩]
- AG Bückeburg, Beschluss vom 01.04.2022 – 51 F 36/22 EASO[↩]
- OLG Celle, Beschlüsse vom 08.06.2022 – 12 UF 70/22; und vom 10.08.2022 – 12 UF 125/22[↩]
- vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16.09.2022 – 1 BvR 1807/20, Rn. 35; und vom 15.11.2022 – 1 BvR 1667/22, Rn. 12; stRspr[↩]
- vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 31.05.2019 – 13 UF 13/19, Rn. 73 m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 112, 304 <314 f.> 129, 269 <278> stRspr[↩]
Bildnachweis:
- Oberlandesgericht Celle: Bernd Schwabe | CC BY-SA 3.0 Unported