Für den Erlass einer Veränderungssperre zur Sicherung einer Bebauungsplanung nach § 9 Abs. 2a BauGB bestehen keine erhöhten Anforderungen an die Konkretisierung der Planungsabsicht. Die positiven Planungsvorstellungen der Gemeinde müssen sich beim Erlass einer Veränderungssperre auf die durch den zukünftigen Bebauungsplan über Festsetzungen nach § 9 Abs. 2a BauGB ausgeschlossenen oder nur ausnahmsweise zulässigen Nutzungen beziehen und nicht auf die im Übrigen nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB zulässige Art der baulichen Nutzung.

Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB kann die Gemeinde, wenn ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem Inhalt beschließen, dass Vorhaben i. S. d. § 29 BauGB nicht durchgeführt werden dürfen. Eine Veränderungssperre darf erst erlassen werden, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll1. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob der praktisch wichtigste öffentliche Belang, nämlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung, beeinträchtigt ist, kann aber nur beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht noch völlig offen sind2. Das Mindestmaß an Vorstellungen, die vorliegen müssen, um eine Veränderungssperre zu rechtfertigen, muss zugleich geeignet sein, die Entscheidung der Genehmigungsbehörde zu steuern, wenn sie über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung zu befinden hat3. Diese Vorstellungen können sich nicht nur aus Niederschriften über die Gemeinderatssitzung, sondern auch aus allen anderen erkennbaren Unterlagen und Umständen ergeben4.
Wesentlich ist folglich, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des zukünftigen Bebauungsplans entwickelt hat5. Ein detailliertes und abgewogenes Planungskonzept ist nicht erforderlich6. Auch muss die Planung noch keinen Stand erreicht haben, der nahezu den Abschluss des Verfahrens ermöglicht7. Daher darf der Erlass einer Veränderungssperre nicht von endgültigen Aussagen zur Lösung von Nutzungskonflikten abhängig gemacht werden, die erst im weiteren Verlauf des Planungsverfahrens im Rahmen einer umfassenden Abwägung aller betroffenen privaten und öffentlichen Belange und unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung möglich sind. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, genügt indes nicht. Denn die nachteiligen Wirkungen der Veränderungssperre wären – auch vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG – nicht erträglich, wenn sie zur Sicherung einer Planung dienen sollte, die sich in ihrem Inhalt noch in keiner Weise absehen lässt8. Eine unzulässige Negativplanung liegt aber nicht schon deswegen vor, weil die Gemeinde die Planung aus Anlass eines konkreten, bisher zulässigen Vorhabens betreibt, das sie verhindern will, oder weil sie das Ziel verfolgt, eine Ausweitung bestimmter bisher zulässiger Nutzungen zu verhindern, selbst wenn dies jeweils den Hauptzweck einer konkreten Planung darstellt9.
Dem entsprechend ist es grundsätzlich erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung besitzt, sei es, dass sie einen bestimmten Baugebietstyp (§ 1 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. §§ 2 ff. BauNVO), sei es, dass sie nach den Vorschriften des § 9 Abs. 1 bis 2d BauGB festsetzbare Nutzungen ins Auge gefasst hat10.
Diese Grundsätze gelten auch für eine Veränderungssperre, die einen in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan sichern soll, der Festsetzungen gemäß § 9 Abs. 2a BauGB enthält.
Nach § 9 Abs. 2a Satz 1 BauGB kann für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34 BauGB) zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Der Wortlaut des § 9 Abs. 2a Satz 1 BauGB erhellt, dass es sich bei entsprechenden Festsetzungen um solche zur Art der baulichen Nutzung handelt.
Die durch das Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21.12.200611 eingefügte Vorschrift ist im Regelungsgehalt an § 1 Abs. 5, Abs. 8 und Abs. 9 BauNVO angelehnt, erfordert aber nicht die Festsetzung eines Baugebiets12, um die von der Norm eröffneten Ausschlussmöglichkeiten zu aktivieren13, sondern lässt das Vorliegen eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i. S. v. § 34 Abs. 1 BauGB genügen. Aus der Eigenart der näheren Umgebung ergibt sich damit der bauplanungsrechtliche Zulässigkeitsmaßstab u. a. in Bezug auf die Art der baulichen Nutzung, der mittels auf § 9 Abs. 2a BauGB gestützten Festsetzungen modifiziert werden kann. Dabei gibt § 9 Abs. 2a BauGB den Gemeinden das Planungsinstrument nicht nur an die Hand, um zentrale Versorgungsbereiche davor zu schützen, dass sie ihren Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr in substantieller Weise wahrnehmen können, sondern – wie namentlich in der Betonung der Innenentwicklung in Satz 1 zum Ausdruck kommt – auch als Mittel, um im Rahmen ihres planerischen Gestaltungsspielraums die Attraktivität der Zentren zu steigern oder im Status quo zu erhalten14.
Vergleichbar den Regelungen in § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO für Baugebiete lässt sich im unbeplanten Innenbereich über Festsetzungen nach § 9 Abs. 2a BauGB die Einzelhandelsnutzung steuern; die zu vorgenannten Normen ergangene Rechtsprechung kann auf Festsetzungen nach § 9 Abs. 2a BauGB übertragen werden15. Danach ist es möglich, für den Einzelhandel Sortimentsbeschränkungen festzusetzen, wenn sie marktüblichen Gegebenheiten entsprechen16. Mit Blick auf den Zweck von Festsetzungen nach § 9 Abs. 2a BauGB, zentrale Versorgungsbereiche zu erhalten oder zu entwickeln, handelt es sich bei einer solchen Sortimentsbeschränkung um keine (unzulässige) Negativplanung17. Soll sie durch eine Veränderungssperre gesichert werden, ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn die Gemeinde bereits positive Vorstellungen darüber hat, welche Sortimente künftig im Plangebiet zulässig oder unzulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sein sollen. Das erfordert regelmäßig eine entsprechende Sortimentsliste, die im Laufe des Planverfahrens weiter konkretisiert oder modifiziert werden kann, sowie den Bezug zu einem zu schützenden zentralen Versorgungsbereich. Dazu kann auch auf ein bereits vorliegendes Einzelhandelskonzept zurückgegriffen werden (vgl. § 9 Abs. 2a Satz 2 i. V. m. § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB). Ob die planerischen Vorstellungen diesen Anforderungen genügen, ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung des Einzelfalls18.
Hierüber hinausgehende Anforderungen an die Konkretisierung der Planungsabsicht bestehen nicht19. Anders als die Beschwerde meint, müssen sich die positiven Planungsvorstellungen der Gemeinde nicht auf die nach § 34 Abs. 1 oder 2 BauGB zulässige Art der baulichen Nutzung beziehen. Diese ergibt sich aus der Eigenart der näheren Umgebung und wird als solches von Festsetzungen nach § 9 Abs. 2a BauGB nicht berührt. Dieser begrenzte Regelungsanspruch eines Bebauungsplans nach § 9 Abs. 2a BauGB ist im Übrigen auch bei der Auslegung einer hierauf bezogenen Veränderungssperre und der Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB zu beachten.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Oktober 2022 – 4 BN 12.22
- stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 09.08.2016 – 4 C 5.15, BVerwGE 156, 1 Rn.19 m. w. N. und Beschluss vom 06.07.2022 – 4 BN 53.21 5[↩]
- BVerwG, Urteil vom 19.02.2004 – 4 CN 16.03, BVerwGE 120, 138 <147>[↩]
- BVerwG, Urteil vom 30.08.2012 – 4 C 1.11, BVerwGE 144, 82 Rn. 11; Beschlüsse vom 19.05.2020 – 4 BN 45.19 5; und vom 05.03.2021 – 4 BN 66.20 – ZfBR 2021, 561 Rn. 6[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 01.10.2009 – 4 BN 34.09, Buchholz 406.11 § 14 BauGB Nr. 29 Rn. 9[↩]
- BVerwG, Urteil vom 09.08.2016 – 4 C 5.15, BVerwGE 156, 1 Rn.19 m. w. N.[↩]
- vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10.10.2007 – 4 BN 36.07 – ZfBR 2008, 70 <70> und vom 05.03.2021 – 4 BN 66.20 – ZfBR 2021, 561 Rn. 6[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 10.09.1976 – 4 C 39.74, BVerwGE 51, 121 und Beschluss vom 15.08.2000 – 4 BN 35.00 3[↩]
- BVerwG, Urteil vom 09.08.2016 – 4 C 5.15, BVerwGE 156, 1 Rn.19[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 05.03.2021 – 4 BN 66.20 – ZfBR 2021, 561 Rn. 6[↩]
- vgl. BVerwG, Urteile vom 30.08.2012 – 4 C 1.11, BVerwGE 144, 82 Rn. 12; und vom 09.08.2016 – 4 C 5.15, BVerwGE 156, 1 Rn.19 m. w. N.[↩]
- BGBl. I S. 3316[↩]
- Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 16/2496 S. 11[↩]
- vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.03.2012 – 2 B 202/12 – ZfBR 2012, 459 <460>[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 15.05.2013 – 4 BN 1.13 – ZfBR 2013, 573 Rn. 11[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 06.08.2013 – 4 BN 8.13 – ZfBR 2013, 781 Rn. 6 m. w. N.[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 04.10.2001 – 4 BN 45.01 22[↩]
- Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand April 2022, § 9 Rn. 242[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 19.05.2020 – 4 BN 45.19 5[↩]
- OVG NRW, Beschluss vom 16.03.2012 – 2 B 202/12 – ZfBR 2012, 459 <460> Hornmann, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, Stand 1.05.2022, § 14 Rn. 41[↩]
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