Die bundesweite Polizei-Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ hat keine ausreichende Rechtsgrundlage. Alle Betroffenen haben daher Anspruch auf Löschung ihrer Daten. Mit dieser Begründung hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe jetzt drei Klagen stattgegeben, mit denen sich Betroffene gegen die Speicherung ihrer Daten in der Datei „Gewalttäter Sport“ gewehrt hatten.

Die Kläger waren der Polizei im Zusammenhang mit Ausschreitungen bei Spielen des KSC in den Jahren 2007 bzw. 2008 aufgefallen. Deshalb waren ihre Daten von den ermittelnden Karlsruher Polizeidienststellen bzw. vom Landeskriminalamt in der vom Bundeskriminalamt eingerichteten Datei „Gewalttäter Sport“ gespeichert worden. Dies hat zur Folge, dass die Daten bundesweit von allen Polizeidienststellen ohne Weiteres abgefragt werden können, etwa anlässlich der Prüfung, ob im Hinblick auf gefährdete Sportveranstaltungen im Ausland gegen Fußballfans Ausreiseverbote verhängt werden sollen. Die gegen die Kläger wegen Teilnahme an den erwähnten Ausschreitungen eingeleiteten Strafverfahren wurden später eingestellt, teils wegen fehlenden Tatverdachts, teils weil sie Auflagen erfüllt hatten.
Die drei Kläger beantragten bei den Stellen der Landespolizei, welche die Eintragung jeweils vorgenommen hatten, erfolglos die Löschung ihrer Daten unter anderem mit der Begründung, es fehle an einer ausreichenden Rechtsgrundlage für die Speicherung ihrer Daten in dieser bundesweiten Datei.
Dieser Ansicht ist das Verwaltungsgericht Karlsruhe – wie zuvor schon niedersächsische Verwaltungsgerichte in anderen Verfahren – gefolgt: Das Bundeskriminalamtgesetz lasse eine Speicherung personenbezogener Daten durch die Polizeien der Länder in vom Bundeskriminalamt errichteten „Verbunddateien“ nur zu, wenn die näheren Einzelheiten in einer Rechtsverordnung des Bundes festgelegt seien. Das ergebe sich schon aus dem Wortlaut und der Systematik des Bundeskriminalamtgesetzes. Es sei aber auch wegen der mit der Speicherung der Daten verbundenen Eingriffe in das vom Bundesverfassungsgericht anerkannte Grundrecht der Kläger auf informationelle Selbstbestimmung unerlässlich. Eine solche Rechtsverordnung habe der Bund aber bisher nicht erlassen.
Rechtlicher Maßstab für die Beurteilung der Datenspeicherung in der Datei Gewalttäter Sport ist das BKAG. Landesrecht ist für den elektronischen Datenverbund im Sinne von § 2 Abs. 3 BKAG nicht einschlägig1. Aufgrund des spezialgesetzlichen Vorrangs des BKAG kommt es für die vorliegende Entscheidung daher auch nicht auf die Rechtmäßigkeit der Datenspeicherung und der Datenübermittlung nach dem Polizeigesetz des jeweiligen Bundeslandes (in Baden-Württemberg etwa § 38 PolG und § 42 PolG) an.
Bei den streitgegenständlichen personenbezogenen Daten des Klägers handelt es sich um in Dateien des polizeilichen Informationssystems gespeicherte Daten. Das polizeiliche Informationssystem INPOL (vgl. § 11 BKAG) wird im Rahmen der Bundesaufgabe des BKA nach § 2 Abs. 3 BKAG geführt. Gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 BKAG bestimmt das Bundesministerium des Innern im Einvernehmen mit den Innenministerien/Innensenatoren der Länder die Dateien, die in das polizeiliche Informationssystem einzubeziehen sind. Nach der Ständigen Konferenz der Innenminister gehören dazu neben der Datei Gewalttäter Sport z.B. die Haftdatei, die Erkennungsdienstdatei, Arbeitsdateien für besondere Kriminalitätsbereiche (PIOS), die Personen- und die Sachfahndungsdatei, die polizeiliche Kriminalstatistik und andere2. Die in das polizeiliche Informationssystem einbezogene Datei Gewalttäter Sport ist eine sog. Verbunddatei. Verbunddateien sind vom BKA als Zentralstelle für den elektronischen Datenverbund zwischen Bund und Ländern geführte Dateien des polizeilichen Informationssystems INPOL, wobei die jeweils von den Ländern in eigener Zuständigkeit gewonnenen Daten dezentral und unmittelbar in das Verbundsystem eingegeben und diese Daten im System für alle Verbundteilnehmer zum Abruf bereitgehalten werden, wie es der Beklagten-Vertreter auch in der mündlichen Verhandlung geschildert hat3.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe kann kein Zweifel daran bestehen, dass für die Datenerhebung und -speicherung in der Verbunddatei Gewalttäter Sport die nach den §§ 11 Abs. 2 S. 3, 13 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 6 BKAG erforderliche Rechtsverordnung im Hinblick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und den Vorbehalt des Gesetzes unerlässlich ist.
Die Speicherung der personenbezogenen Daten des Klägers in der vom Bundeskriminalamt geführten Verbunddatei Gewalttäter Sport stellt – wie bereits deren Erhebung und Übermittlung an das BKA – einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung trägt Gefährdungen und Verletzungen der Persönlichkeit Rechnung, die sich für den Einzelnen, insbesondere unter den Bedingungen moderner Datenverarbeitung, aus informationsbezogenen Maßnahmen ergeben. Dieses Recht flankiert und erweitert den grundrechtlichen Schutz von Verhaltensfreiheit und Privatheit; es lässt ihn schon auf der Stufe der Persönlichkeitsgefährdung beginnen. Eine derartige Gefährdungslage kann bereits im Vorfeld konkreter Bedrohungen von Rechtsgütern entstehen. Mittels elektronischer Datenverarbeitung sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer Person unbegrenzt speicherbar und jederzeit und ohne Rücksicht auf Entfernungen in Sekundenschnelle abrufbar. Sie können darüber hinaus mit anderen Datensammlungen zusammengefügt werden, wodurch vielfältige Nutzungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten entstehen. Dadurch können weitere Informationen erzeugt und so Schlüsse gezogen werden, die sowohl die grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen beeinträchtigen als auch anschließende Eingriffe in seine Verhaltensfreiheit nach sich ziehen können Eine weitere Besonderheit des Eingriffspotentials von Maßnahmen der elektronischen Datenverarbeitung liegt in der Menge der verarbeitbaren Daten, die auf konventionellem Wege gar nicht bewältigt werden könnte. Der mit solchen technischen Möglichkeiten einhergehenden gesteigerten Gefährdungslage entspricht der hierauf bezogene Grundrechtsschutz4.
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist der Einschränkung im überwiegenden Allgemeininteresse zugänglich. Diese bedarf jedoch einer gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht und verhältnismäßig ist5. Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden6.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe Kammer kann kein Zweifel daran bestehen, dass die für eine Vielzahl von Dateien ganz unterschiedlicher Art geltenden und deshalb sehr allgemein gehaltenen Vorschriften der §§ 7 ff. BKAG keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Verbunddatei Gewalttäter Sport darstellen und hiervon auch das BKAG mit der in § 7 Abs. 6 BKAG getroffenen Regelung ausgeht.
Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 6 BKAG. Während nämlich in § 7 Abs. 1 bis 3 und 5 BKAG ausdrücklich jeweils ein Ermessen eingeräumt wird (Das Bundeskriminalamt kann …), enthält § 7 Abs. 6 BKAG eine klare Anweisung (Das Bundesministerium des Innern bestimmt mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung …). § 13 Abs. 1 S. 1 BKAG setzt mit der gewählten Formulierung „… nach Maßgabe der Rechtsverordnung zu § 7 Abs. 6 …“ den Erlass einer Rechtsverordnung ebenfalls voraus. Auch § 11 Abs. 2 S. 3 BKAG bestimmt, dass für die Eingabe von Daten in das polizeiliche Informationssystem die §§ 7 bis 9 BKAG entsprechend gelten sollen, so dass auch hier eine das Nähere regelnde Rechtsverordnung für erforderlich angesehen wird.
Der Gesetzgeber hat die noch zu erlassende Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 6 BKAG auch nicht lediglich in das Ermessen des Verordnungsgebers stellen wollen.
Zwar hat der Verordnungsgeber bei Verordnungsermächtigungen gemäß Art. 80 Abs. 1 GG ein Entschließungsermessen; dieses wird jedoch dort gebunden, wo der ermächtigende Gesetzgeber den Erlass einer Verordnung ausdrücklich anordnet7.
Das ist vorliegend der Fall, da in § 7 Abs. 6 BKAG eindeutig der gesetzgeberische Wille zum Ausdruck kommt, die Art der zu speichernden Daten unbedingt durch eine Rechtsverordnung näher zu regeln, wie sich auch aus der Gesetzesbegründung ergibt. So heißt es schon im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.02.19958 bzw. vom 31.05.19959 zu § 7 BKAG: „Abs. 6 bestimmt, dass der Bundesminister des Innern mit Zustimmung des Bundesrates nähere Einzelheiten der Datenspeicherung aufgrund der §§ 8, 9 durch Rechtsverordnung festlegt. Dabei kann es sich allerdings nur um Rahmenvorgaben, wie z.B. die Festlegung von Personenkategorien oder die Art der Daten handeln. Auf die jeweilige Datei bezogen muss dieser Rahmen durch die konkrete Errichtungsanordnung ausgefüllt werden.“
Den Materialien zu § 13 Abs. 1 BKAG ist ebenfalls zu entnehmen, dass der Gesetzgeber von einer zwingend zu erlassenden Rechtsverordnung ausgegangen ist, weil es dort heißt10: „S. 1 verweist hinsichtlich der Übermittlungsvoraussetzungen auf die zu § 7 Abs. 6 zu erlassende Rechtsverordnung, die die Voraussetzungen für die Speicherung personenbezogener Daten in … Verbunddateien regelt.“
Für die zwingende Notwendigkeit einer Rechtsverordnung spricht auch die Systematik des BKAG. Dieses sieht eine abgestufte Regelung für die Art der zu speichernden Daten vor. Das BKAG selbst regelt in §§ 8, 9, 11 Abs. 1 S. 2 lediglich die grundlegenden Anforderungen an die Speicherung in Dateien und überantwortet in § 7 Abs. 6 BKAG das Nähere über die Art der Daten, die gespeichert werden dürfen, der Normierung in einer Rechtsverordnung. Die konkreten Einzelheiten des jeweiligen Dateninhalts schließlich bleiben nach § 34 BKAG der jeweiligen Errichtungsanordnung vorbehalten11. In § 11 Abs. 1 S. 2 BKAG wird lediglich generalisierend vorgegeben, welche Daten dem polizeilichen Informationssystem angehören sollen. Nicht beantwortet ist damit, welche konkreten Daten in die jeweiligen Dateien aufgenommen werden. In §§ 8, 9 BKAG wird lediglich festgehalten, welche Daten das BKA in die von ihm als Zentralstelle geführten Dateien aufnehmen kann . Da der Aufgabenbereich des BKA in § 2 BKAG sehr weit gefasst ist, ist der Umfang der Daten, deren Kenntnis für die Erfüllung der Zentralstellenfunktion notwendig ist, unspezifizierbar weit. Diese Unbestimmtheit der Befugnisnormen ist nur unter der Prämisse verfassungsrechtlich hinnehmbar, dass § 7 Abs. 6 BKAG eine Ermächtigung vorsieht, die näheren Voraussetzungen der Datenspeicherung in einer Rechtsverordnung zu regeln12. Verbindlich kann mithin erst im Rahmen der nach § 7 Abs. 6 BKAG zu erlassenden Rechtsverordnung näher bestimmt werden, welche Daten in welcher (Verbund-)Datei zu speichern sind. Diese Rechtsverordnung ist dann auch maßgeblich für die nach § 11 Abs. 2 BKAG einzugebenden und die nach § 13 Abs. 1 S. 1 BKAG von den Landeskriminalämtern oder den Landespolizeibehörden dem BKA zur Erfüllung seiner Aufgabe als Zentralstelle im Rahmen des polizeilichen Informationssystems zu übermittelnden Daten.
Sähe man allein die Vorgaben in §§ 8, 9 BKAG und § 11 Abs. 1 S. 2 BKAG als ausreichend an, stünde es letztlich im Belieben der Verwaltung, aus welchen Anlässen Verbunddateien welchen Inhalts und Umfangs errichtet werden.
Hinzu kommt, dass es für die Aufnahme in die Datei Gewalttäter Sport genügt, dass ein Polizeivollzugsbeamter der Polizeidienststelle, in deren Zuständigkeitsbereich der Betroffene aufgegriffen und erfasst wurde, einen Vorkommnisbericht fertigt, weil der Betroffene in den Verdacht geraten ist, an Gewalttaten im Zusammenhang mit Sportereignissen, insbesondere Fußballspielen, beteiligt gewesen zu sein, und der Polizeivollzugsbeamte durch einen entsprechenden Vermerk im Vorkommnisbericht bewirkt, dass nach Eingabe durch die jeweilige Datenstation ein Zugriff der Polizeibehörden des Bundes und der übrigen Länder auf den Datensatz möglich wird. Angesichts des mit der Dateneingabe, -übermittlung und -speicherung zweifellos vorhandenen Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und unter Berücksichtigung der weitreichenden Folgen der Speicherung personenbezogener Daten in der Datei Gewalttäter Sport, wie Einreise-/Ausreisesperren, Stadionverboten etc., gegen die ein mit Art. 19 Abs. 4 GG in Einklang stehender vorläufiger Rechtsschutz jedenfalls dann nicht möglich ist, wenn eine Kenntnis von der Speicherung erst dadurch erlangt wird, dass solche polizeilichen Gefahrenabwehrmaßnahmen ergriffen werden, ist die durch das Gesetz vorgeschriebene Rechtsverordnung unverzichtbar.
Diese Rechtsverordnung muss zudem klären, in welchem Verhältnis die Tätigkeit von Polizeien des Bundes und der Länder stehen. Mit der Datei Gewalttäter Sport wird nicht Amtshilfe im Sinne von Art. 35 GG geleistet, sondern es werden Daten zur Verfügung gestellt, auf die von der vollziehenden Polizei ohne Weiteres zugegriffen werden kann, ohne dass die Polizei, von der die Daten herrühren, hierauf Einfluss hat.
Nach alledem kann auch die für die Datei Gewalttäter Sport bestehende Errichtungsanordnung nach § 34 BKAG, die gemäß § 34 Abs. 2 BKAG mit Zustimmung der zuständigen Innenministerien und Senatsinnenverwaltungen der Länder ergangen ist, das Fehlen der Rechtsverordnung nicht ersetzen, der gegenüber der Errichtungsanordnung nicht nur eine lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt13.
Die Auffassung, die Rechtsverordnung habe nur deklaratorische Bedeutung, vermag nicht zu überzeugen, so das Verwaltungsgericht Karlsruhe. So hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof zur Begründung seiner Auffassung lediglich auf die von Ahlf14 vertretene Meinung verwiesen, dass § 7 Abs. 6 BKAG keine konstitutive Bedeutung habe, „auch wenn in der Begründung zu § 13 von den ‚Voraussetzungen für die Speicherung personenbezogener Daten in Zentral- und Verbunddateien‘ die Rede ist15“. Auch Ahlf begründet seine Meinung nicht, sondern stellt lediglich fest, der aus materieller Sicht wenig überzeugenden Regelung komme nur deklaratorische Bedeutung mit der Folge zu, dass es bei dem bisherigen Rechtszustand solange verbleibe, bis die Rechtsverordnung gemäß § 7 Abs. 6 BKAG erlassen worden sei. Auf das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs verweist wiederum Papsthart16, durch das das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 29.04.200217 aufgehoben worden und weshalb der vom Verwaltungsgericht Gießen vertretenen gegenteiligen Auffassung nicht zu folgen sei. Er führt weiter aus, dass durch die detaillierten Vorgaben der §§ 8 und 9 i. V. m. § 34 BKAG ein hinreichend detailliertes Normprogramm vom parlamentarischen Gesetzgeber vorgegeben worden sei und es zur Exekutierbarkeit dieses Regelungsprogramms nicht des Einziehens einer Zwischenebene zwischen den gesetzlichen Vorgaben einerseits und ihres Herunterbrechens auf die Ebene der Errichtungsanordnung andererseits bedürfe, was im Ergebnis auch das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 23.04.200417 vertrete. Bemängelt wird, dass die Regelungsvorgabe in § 7 Abs. 6 BKAG, die Art der Daten näher zu regeln, angesichts der Vielfalt von Daten mit potentieller Relevanz für Dateien der Zentralstelle (man denke etwa an Entwicklungen im Bereich des Erkennungsdienstes vom Fingerabdruck über das DNA-Identifizierungsmuster) geradezu kryptisch wirke und ohnehin nur auf sehr abstrakt-genereller Ebene mit geringem Mehrwert für die zu treffenden datenschutzrechtlichen Abwägungen umsetzbar sein dürfte. Die in der Verordnungsermächtigung durch das Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates intendierte Mitwirkung der Länder finde ihre Entsprechung auf der Ebene der Errichtungsanordnung in § 34 Abs. 2 BKAG.
Soweit § 7 Abs. 6 BKAG eine konstitutive Wirkung abgesprochen wird, findet eine Erörterung der Frage nicht statt, ob es einer nach § 7 Abs. 6 BKAG zu erlassenden Rechtsverordnung auch in den Fällen nicht bedarf, in denen mit der Speicherung personenbezogener Daten, wie hier, in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen wird.
Dass die Errichtungsanordnung die Rechtsverordnung nicht ersetzen kann, ergibt sich nämlich auch daraus, dass erstere nach § 34 BKAG erst dann zum Tragen kommt, wenn über eine Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 6 BKAG verbindlich festgelegt ist, welche Daten zu welchem Sachthema als (Verbund-)Datei beim BKA als Zentralstelle geführt werden dürfen. Erst wenn hierüber Klarheit durch eine Verordnung erzielt ist, ist im Rahmen einer Errichtungsanordnung bezogen auf jede Datei unter anderem konkreter festzulegen, wie im Einzelnen die Speicherung zu erfolgen hat, wer Daten liefern und abrufen darf, wie die Datei erschlossen werden kann, an wen die Daten übermittelt werden können sowie welche Prüffristen und Speicherungszeiten einzuhalten sind. Die Errichtungsanordnung legt mithin im Wesentlichen fest, nach welchen Regeln eine Datei zu führen ist und stellt eine (bloße) Organisationsmaßnahme dar. Sie soll der Selbstkontrolle der speichernden Stelle als auch der Erleichterung der Tätigkeit der Aufsichtsbehörde einschließlich des Datenschutzbeauftragten dienen18. Sie setzt also die Entscheidung, zu welchem Themenkomplex die Datei erstellt wird und welche Daten in die Datei aufzunehmen sind, voraus, wenn sich auch im einzelnen Überschneidungen ergeben können, da z. B. auch nach § 34 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BKAG in der Errichtungsanordnung der Personenkreis, über den Daten gespeichert werden sollen, ebenso wie die Art der zu speichernden personenbezogenen Daten zu bestimmen ist. Derartige Überschneidungen der Errichtungsanordnung mit Inhalten der Rechtsverordnung stellen indes nachrichtliche Übernahmen dar, die neben Aspekten der Verwaltungspraktikabilität insbesondere die Tätigkeit der Aufsichtsbehörde und des Datenschutzbeauftragten erleichtern19.
Der Errichtungsanordnung fehlt es auch an der hinreichenden Normqualität zur Regelung der Art der zu speichernden Daten. Anders als bei der Verordnung nach § 7 Abs. 6 BKAG handelt es sich bei der Errichtungsanordnung nach § 34 BKAG nicht um ein Gesetz im materiellen Sinne, sondern um eine Einzelfallregelung einer Bundesbehörde, die auch nicht dadurch Rechtsnormqualität erlangt, dass ihr gemäß § 34 Abs. 2 BKAG neben dem Bundesministerium des Innern die jeweiligen Innenminister/Innensenatoren der Länder zustimmen müssen. Die Mitwirkung der Innenverwaltungen der Länder entspricht nicht den formalen Anforderungen an eine Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates und damit eines Verfassungsorgans des Bundes bedarf. Rechtsverordnungen als Gesetze im materiellen Sinn haben daher ein gravierenderes Gewicht als bloße Verwaltungsvorschriften wie Errichtungsanordnungen, da sie im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden und damit von allen potenziell Betroffenen einsehbar sind. Auch der Gesetzgeber ist nicht davon ausgegangen, dass die Errichtungsanordnung die Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 6 BKAG zu ersetzen vermag. Gegen einen solchen Willen des Gesetzgebers spricht schon der Umstand, dass er in Kenntnis und trotz der Regelung der Errichtungsanordnungen das Erfordernis einer Rechtsverordnung ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen hat.
Und für zukünftige Löschungsansprüche:
Der Löschungsanspruch ergibt sich aus § 32 Abs. 2 i. V. m. Abs. 9 BKAG. Nach § 32 Abs. 2 S. 1 hat das BKA die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Bei in Dateien des polizeilichen Informationssystems gespeicherten personenbezogenen Daten obliegt die Löschungspflicht nach § 32 Abs. 9 BKAG der Stelle, die die datenschutzrechtliche Verantwortung nach § 12 Abs. 2 BKAG trägt, und damit der Stelle, die die Daten unmittelbar eingibt. Entsprechend der sich aus § 32 Abs. 2 i. V. m. Abs. 9 BKAG ergebenden Löschungspflicht hat nach § 11 Abs. 3 S. 1 BKAG auch nur die Behörde, die die Daten zu einer Person eingegeben hat, die Befugnis, diese zu ändern, zu berichtigen oder zu löschen.
Damit ist bei einer Klage auch die Passivlegitimation des betreffenden Bundeslandes Landes gegeben20.
Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteile vom 14. April 2010 -3 K 1988/09, 3 K 2309/09 und 3 K 2956/09 (nicht rechtskräftig)
- vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 16.12.2008, a.a.O.; VG Mainz, Urteil vom 04.09.2008, a.a.O.[↩]
- vgl. hierzu BR-Drs. 94/95 S. 63 f. u. BT-Drs. 13/1550 S. 28[↩]
- vgl. Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, S. 855, Rdnr. 79; Ahlf/Daub/Lersch/Störzer, BKAG, § 8 Rdnr. 2a[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.03.2008 – 1 BvR 2074/05 – u.a.; BVerfGE 120, 378, jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 65, 1, 43 f.; 120, 378, 401 ff.; BVerfGK 10, 330, 337[↩]
- vgl. BVerfGE 65, 1, 44 ff.; 100, 313, 359 f.; BVerfGK 10, 330, 337 f.[↩]
- Bonner Kommentar, Art. 80 Abs. 1 GG Rdnr. 175; Jarass/Pieroth, GG, Art. 80 Rdnr. 22; OVG Lüneburg, Urteil vom 16.12.2008, a.a.O.; VG Hannover, Urteil vom 22.05.2008 – 10 A 2412/07, BauR 2009, 268[↩]
- BT-Drs. 94/95 S. 55[↩]
- BT-Drs. 13/1550 S. 25[↩]
- vgl. BR-Drs. 94/95 S. 68, ebenso BT-Drs. 13/1550 S. 30[↩]
- so auch VG Hannover, Urteil vom 22.05.2008, a.a.O.; vgl. auch VG Gießen, Urteil vom 29.04.2002 – 10 E 141/01, NVwZ 2002, 1531[↩]
- OVG Lüneburg, Urteil vom 16.12.2008, a.a.O.; Lisken/Denninger, a.a.O., S. 975 Rdnr. 479 ff.[↩]
- so aber Hess. VGH, Urteil vom 16.12.2004, a.a.O. zur KAN – Kriminalakten-Nachweis-Datei; VG Mainz, Urteil vom 04.09.2008, a.a.O.; VG Schleswig, Urteil vom 23.04.2004 – 1 A 219/02; Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 7 BKAG, Rdnr. 4; Ahlf/Daub/Lersch/Störzer, a. a. O., § 7 Rdnr. 24[↩]
- in: Ahlf/Daub/Lersch/Störzer, a.a.O., § 7 Rdnr. 24[↩]
- BT-Drs. 13/1550 zu § 13 Abs. 1, S. 30[↩]
- in: Erbs/Kohlhaas, a.a.O., § 7 BKAG, Rdnr. 4[↩]
- a.a.O.[↩][↩]
- OVG Lüneburg, Urteil vom 16.12.2008, a.a.O.; Lisken/Denninger, a.a.O., S. 944, Rdnr. 372 ff.[↩]
- so OVG Lüneburg, Urteil vom 16.12.2008, a.a.O.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 22.10.2003 – 6 C 3.03, Buchholz 402.46 BKAG Nr. 2; OVG Lüneburg, Urteil vom 16.12.2008 – 11 LC 229/08, NdsVBl. 2009, 135; Hess. VGH, Urteil vom 16.12.2004 – 11 UE 2982/02, DÖV 2005, 523[↩]