Vereinsrechtliche Beschlagnahme eines Grundstücks eines Dritten

Das Vereinsvermögen ist grundsätzlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bestimmen. Ausgenommen vom Vereinsvermögen sind jedoch – abgesehen von Treuhandkonstellationen – Sachen, die erkennbar im Eigentum Dritter stehen. Der vereinsrechtliche Zugriff auf Sachen Dritter, die dem Verein zur Förderung dessen verfassungswidriger Bestrebungen überlassen worden sind, erfordert den Gewahrsam des Vereins an diesen Sachen noch im Verbotszeitpunkt. Für den Förderungsvorsatz des Dritten reicht Eventualvorsatz aus. Er muss sich auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen einschließlich der Überlassung der Sache an einen Verein.

Vereinsrechtliche Beschlagnahme eines Grundstücks eines Dritten

Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung. Dabei können – wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht – zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind1.

Anzuwenden war deshalb im hier vom Bundesverwaltungsgericht das Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 05.08.19642 in der durch Art. 5 des Sechzigsten Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 30.11.20203 geänderten Fassung.

Die Befugnis für den Erlass einer Beschlagnahmeanordnung folgt aus § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Satz 2 VereinsG. Ermächtigungsgrundlage für die Einziehungsanordnung ist § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Satz 2 VereinsG. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 VereinsG ist das gegenüber einem Verein ergehende Verbot in der Regel mit der Beschlagnahme und der Einziehung von Sachen Dritter zu verbinden, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat. Nach dem im Kern wortgleichen § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG werden Sachen Dritter eingezogen, wenn der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 VereinsG gelten die §§ 3 bis 7 sowie §§ 10 bis 13 VereinsG für Ersatzorganisationen entsprechend.

Trotz des missverständlichen Wortlauts in § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG („Beschlagnahme“ und „Einziehung“) sind die Beschlagnahme sowie die Einziehung als solche nicht Prüfgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Vielmehr geht es allein um die akzessorische Anordnung dieser Vollzugsmaßnahmen in der Verbotsverfügung4. Akzessorisch bedeutet, dass es sich um Anordnungen handelt, die nur im Zusammenhang mit einem Vereinsverbot als Nebenentscheidungen ausgesprochen werden können und von dessen Bestand abhängig sind5. Insofern ist die vereinsrechtliche Feststellung, dass eine bestimmte Vereinigung als Verein verboten ist, ein nach materiellem Recht vorgreifliches Rechtsverhältnis im Sinne des § 94 VwGO6. Im vorliegenden Fall sind die Ziffern 1 und 2 der Verbotsverfügung des Freistaats Bayern vom 02.07.2014, zu denen die im Streit stehende Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung akzessorisch ist, nach Abweisung der hiergegen gerichteten Klagen bestandskräftig. Damit steht fest, dass das FNS als Ersatzorganisation der F.A.F. verboten und aufgelöst ist.

Zu recht geht das Bayer. Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die materiellen Voraussetzungen der Befugnisnormen für den Erlass einer Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung im maßgeblichen Zeitpunkt nicht vorgelegen haben. Die § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Satz 2 VereinsG sehen sowohl objektive als auch subjektive Anforderungen für den Erlass einer Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung vor. In objektiver Hinsicht ist erforderlich, dass es sich um Sachen Dritter handelt, die von den – einer Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung gleichermaßen unterliegenden – Forderungen Dritter (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VereinsG) sowie dem Vereinsvermögen in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG abgegrenzt werden müssen. Der Berechtigte muss durch die Überlassung an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen gefördert haben. In subjektiver Hinsicht verlangen die Vorschriften vorsätzliches Handeln im Sinne eines Förderungsvorsatzes, dessen Reichweite sich nur anhand des objektiven Tatbestands ermitteln lässt. Ausgehend vom objektiven Tatbestand der § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG ist der vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof aufgestellte rechtliche Maßstab für die Anforderungen an den Förderungsvorsatz mit Bundesrecht vereinbar. Auch gegen die Anwendung dieser Rechtssätze im Fall der Grundstückseigentümerin bestehen keine revisionsgerichtlichen Bedenken. Mangels durchgreifender Verfahrensrügen des Freistaats Bayern ist das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht an die Tatsachenfeststellung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs gebunden, § 137 Abs. 2 VwGO. Die tatrichterliche Würdigung im angefochtenen Urteil, der Grundstückseigentümerin lasse sich kein Vorsatz nachweisen, hat das Bundesverwaltungsgericht deshalb seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 12 Abs. 2 VereinsG ermöglichen den staatlichen Zugriff auf Sachen Dritter. Hiervon zu unterscheiden sind nicht nur die in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VereinsG genannten Forderungen Dritter, sondern auch das Vereinsvermögen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG).

Das Vereinsvermögen ist nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Interesse der Effektivität der Gefahrenabwehr und insbesondere der Bekämpfung der Vermögenstarnung nicht im eigentumsrechtlichen, sondern im wirtschaftlichen Sinne und damit weit zu verstehen. Zum Vereinsvermögen gehören danach die Forderungen und Rechte, deren Inhaber der Verein ist, sowie die beweglichen und unbeweglichen Sachen, die im Eigentum des Vereins stehen oder die der Verein einem Dritten zu treuen Händen übertragen bzw. die ein Dritter als Treuhänder für den Verein erworben hat (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 3 und § 11 Abs. 1 Satz 2 VereinsG). Darüber hinaus zählt die Gesamtheit der Vermögenswerte dazu, derer sich der Verein im wirtschaftlichen Sinne während seines Bestehens zur Erreichung seiner Zwecke tatsächlich bedient hat oder bedienen wollte und deren Einsatz im Wesentlichen von seinem Willen oder dem Willen der Vereinsführung abhing; insoweit sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Bei Sachen kommt es in der Regel nicht auf das rechtliche Verhältnis, sondern auf das tatsächliche Herrschaftsverhältnis im Sinne eines Vereinsgewahrsams an7.

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An diesem wirtschaftlichen Vereinsvermögensbegriff ist ungeachtet der Differenzierung der Beschlagnahme- und Einziehungsobjekte in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 VereinsG seit den Änderungen durch das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung und anderer Gesetze vom 28.10.19948 im Grundsatz festzuhalten. Die neue Systematik des Vereinsgesetzes gibt insbesondere keinen Anlass, die Abgrenzung, ob es sich um Sachen des Vereins oder eines Dritten handelt, nunmehr nur noch anhand der zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse vorzunehmen9. Hiergegen spricht, dass das öffentliche Vereinsrecht zum Zwecke der Gefahrenabwehr in § 2 Abs. 1 VereinsG von einem eigenständigen, insbesondere von den zivilrechtlichen Rechtsformen unabhängigen Begriff eines Vereins ausgeht, der deutlich über den zivilrechtlichen Vereinsbegriff hinausgeht. Dahinter steht der Gedanke, dass es auf die tatsächlichen Verhältnisse einer Personengruppe ankommt10. Tatsachenfeststellungen zu einer im Einzelfall schwierigen Klärung der Rechtsform oder Rechtsfähigkeit der Vereinigung sind deswegen entbehrlich. Dies dient der effektiven Abwehr der von der Vereinigung ausgehenden Gefahren. Demgegenüber drohen bei einer ausschließlich anhand zivilrechtlicher Kriterien vorgenommenen Bestimmung des Vereinsvermögens Schutzlücken, etwa dann, wenn sich der Personenzusammenschluss wegen §§ 134, 138 BGB nicht wirksam konstituiert hat und Gesamthandsvermögen deshalb möglicherweise nicht entstanden ist11.

Mit Blick auf die nunmehr in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG eigenständig geregelte Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter hat der Gesetzgeber allerdings zum Ausdruck gebracht, dass auf diese – von den gesondert geregelten Treuhandfällen nach § 10 Abs. 1 Satz 3 VereinsG abgesehen – nur unter gegenüber dem Zugriff auf Sachen im Vereinsvermögen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG erschwerten Voraussetzungen zugegriffen werden kann. Bis zur Änderung durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz bestimmte § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG a. F. lediglich, dass in der Verbotsverfügung in der Regel die Beschlagnahme und Einziehung „des Vereinsvermögens“ anzuordnen war. Zwar sah schon § 12 Abs. 2 VereinsG a. F. vor, dass auch Sachen Dritter eingezogen werden konnten, wenn der Berechtigte durch die Überlassung die verfassungswidrigen Bestrebungen des Vereins vorsätzlich gefördert hat. Allerdings galt das nach dem klaren Wortlaut der Norm nur dann, wenn die Sachen Dritter „im Gewahrsam des Vereins“ standen. Aufgrund der Beschlagnahme konnten Sachen im Gewahrsam des Vereins und auf der Grundlage einer besonderen Anordnung Sachen „des Vereinsvermögens“ im Gewahrsam Dritter sichergestellt werden (§ 10 Abs. 2 VereinsG a. F.). Mit der Zielsetzung, künftig auch auf Sachen Dritter im Gewahrsam Dritter zugreifen zu können, hat der Gesetzgeber sodann die Änderungen in § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG sowie redaktionelle Anpassungen in § 10 Abs. 2 und § 12 Abs. 2 VereinsG vorgenommen12. Seitdem gibt es für die Anordnung der Beschlagnahme und der Einziehung von Sachen Dritter – ebenso wie schon zuvor (nur) für die Einziehung von Sachen Dritter in § 12 Abs. 2 VereinsG a. F. – in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Diese nimmt einerseits die zuvor in § 12 Abs. 2 VereinsG a. F. normierten Fallgestaltungen auf (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 VereinsG) und ermöglicht andererseits erstmalig den Zugriff auf Sachen Dritter, die zur Förderung verfassungswidriger Bestrebungen der Vereinigung bestimmt sind (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 VereinsG). Bei § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG handelt es sich somit ersichtlich um eine lex specialis gegenüber der das Vereinsvermögen betreffenden Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG.

Infolgedessen ist die Zuordnung von Sachen zum Vereinsvermögen zwar unverändert nicht zivilrechtlich, sondern grundsätzlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmen. Das Vereinsvermögen erfasst deswegen nicht nur Sachen, die im Eigentum der Vereinigung stehen oder die der Verein einem Dritten zu treuen Händen übertragen bzw. die ein Dritter als Treuhänder für den Verein erworben hat (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 3 und § 11 Abs. 1 Satz 2 VereinsG). Es schließt darüber hinaus auch Sachen ein, hinsichtlich derer die Eigentumsverhältnisse nicht ohne Weiteres erkennbar sind, an denen aber nach den konkreten Umständen des Einzelfalls ein Vereinsgewahrsam festgestellt werden kann. Gerade in der Einbeziehung dieses „Graubereichs“ in das Vereinsvermögen liegt der gefahrenabwehrrechtliche Mehrwert gegenüber einer rein zivilrechtlich orientierten Betrachtungsweise. Hingegen sind Sachen, die – von den Konstellationen des § 10 Abs. 1 Satz 3 VereinsG abgesehen – ersichtlich im Eigentum Dritter stehen, aufgrund der Spezialregelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG vom Begriff des Vereinsvermögens ausgenommen.

Welcher Art die „Sachen“ Dritter nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG sind, ist unerheblich. Es kann sich um solche Sachen handeln, durch die der Verein erst in die Lage versetzt wird, seine verbotswürdigen Bestrebungen zu verfolgen (etwa Waffen, Fahrzeuge oder Propagandamaterial)13 oder auch um scheinbar „neutrale“ Sachen ohne objektiven Bezug zum Vereinszweck und Verbotsgrund wie beispielsweise Räumlichkeiten oder Grundstücke.

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Der Begriff des „Dritten“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 12 Abs. 2 VereinsG ist vom Verein abzugrenzen und umfasst sowohl Mitglieder als auch Nichtmitglieder der Vereinigung14. Dieses Begriffsverständnis lag bereits § 12 Abs. 2 VereinsG a. F. zugrunde15. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber im Zuge des Verbrechensbekämpfungsgesetzes hieran etwas ändern wollte, lassen sich der Begründung zum Gesetzentwurf nicht entnehmen16. Aus ihr wird im Gegenteil deutlich, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der zweiten Alternative des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG vor allem an den Zugriff auf Sachen von Vereinsmitgliedern gedacht hat und die „Dritten“ gerade nicht auf außenstehende Personen begrenzen wollte17.

Die Normen fordern eine „Überlassung“ der Sache des Dritten „an den Verein“. Dies setzt ein bewusstes und rechtserhebliches Übertragen des Gewahrsams an der Sache voraus18. Der Empfänger der tatsächlichen Sachherrschaft an der Sache muss die Vereinigung sein, womit inhaltlich auf § 2 Abs. 1 VereinsG Bezug genommen und verdeutlicht wird, dass es sich um vereinsrechtliche Nebenentscheidungen handelt, die akzessorisch an ein Vereinsverbot anknüpfen. Die Art der Überlassung ist ohne Bedeutung. Erfasst werden sowohl rechtsgeschäftliche als auch rein tatsächliche Gebrauchsüberlassungen19. Die Gewahrsamsübertragung an die Vereinigung kann unmittelbar durch den Berechtigten selbst oder mittelbar durch einen dazwischengeschalteten Dritten erfolgen, solange diese Weitergabe dem Berechtigten noch objektiv zurechenbar ist. Die Überlassung muss „dessen“ verfassungswidrige Bestrebungen gefördert haben, also nicht irgendwelche verfassungsfeindlichen Aktivitäten, sondern diejenigen des Vereins, an den die Sache überlassen worden ist.

In der Verwendung des Tatbestandsmerkmals der „verfassungswidrigen Bestrebungen“ liegt im Übrigen keine Beschränkung des Gesetzgebers auf den Verbotsgrund der Unvereinbarkeit mit der verfassungsmäßigen Ordnung20. Denn die „verfassungswidrigen Bestrebungen“ im Sinne des Vereinsgesetzes werden seit seinem Inkrafttreten durch einen Klammerzusatz in § 8 Abs. 1 VereinsG definiert, in welchem auf Art. 9 Abs. 2 GG Bezug genommen wird. In der Begründung zu dem Entwurf des Vereinsgesetzes ist hervorgehoben worden, dass unter „verfassungswidrigen“ Bestrebungen alle nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Bestrebungen gemeint seien; dies ergebe sich – da in dem Entwurf der Klammerzusatz noch nicht enthalten war – „aus dem Zusammenhang“21. In Art. 9 Abs. 2 GG werden die drei Verbotsgründe genannt, eine Beschränkung auf nur einen Verbotsgrund beabsichtigt die Formulierung „verfassungswidrige Bestrebungen“ somit ganz offenkundig nicht22. Die Überlassung der Sache des Dritten „fördert“ jene Bestrebungen, wenn sie objektiv geeignet ist, die verfassungswidrigen Aktivitäten des Vereins zu ermöglichen, zu verstärken oder ihre Durchführung zu erleichtern23. Auf einen feststellbaren Förderungserfolg kann es hierbei mit Blick auf den gefahrenabwehrrechtlichen Sinn und Zweck der Normen nicht ankommen, obschon der von der zweiten Alternative des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG abweichende Wortlaut der ersten Alternative („gefördert hat“) zunächst darauf hinzudeuten scheint24 2020, 271 <315>)).

Die Vereinigung muss ferner im Verbotszeitpunkt noch Gewahrsam an der überlassenen Sache innehaben. Der Wortlaut der § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG ist zwar offen und ließe auch ein abweichendes Verständnis zu. Allerdings führen die historische Auslegung sowie der Sinn und Zweck der Vorschriften zu diesem Ergebnis. Vor allem fordert Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ein solches Normverständnis.

Wie ausgeführt, nimmt § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 VereinsG seit 1994 die frühere Regelung in § 12 Abs. 2 VereinsG a. F. auf, die sich ausdrücklich auf „Sachen Dritter im Gewahrsam des Vereins“ bezog. Im Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 VereinsG a. F. bestand kein Zweifel, dass die Sache des Dritten im Verbotszeitpunkt im Gewahrsam des Vereins stehen, die Überlassung mithin noch andauern musste25. Anhaltspunkte dafür, dass hieran im Zuge der gesetzgeberischen Änderungen des Verbrechensbekämpfungsgesetzes etwas inhaltlich geändert werden sollte, lassen sich den Gesetzgebungsmaterialien nicht entnehmen. Vielmehr hat der Gesetzgeber im Vereinsrecht vordringlich das Ziel verfolgt, den staatlichen Zugriff künftig auch auf die Sachen Dritter im Gewahrsam Dritter zu erweitern26. Hierfür hat er die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2, § 12 Abs. 2 Alt. 2 VereinsG geschaffen. Um ihren Anwendungsbereich nicht zu konterkarieren, ist das bisher in § 12 Abs. 2 VereinsG a. F. enthaltene Gewahrsamserfordernis des Vereins für § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG gestrichen worden. Die Streichung ist ausdrücklich als bloße notwendige „Folgeänderung“ bezeichnet worden27, ebenso wie die sprachliche Anpassung des § 10 Abs. 2 Satz 1 an den neuen § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG durch die Streichung der Wörter „des Vereinsvermögens“. Es ginge am Willen des Gesetzgebers vorbei, diesen redaktionellen Anpassungen eine inhaltliche Bedeutung beizumessen. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass in dem Anwendungsbereich der § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG künftig auch längst beendete Überlassungen in der Vergangenheit einbezogen werden sollten.

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Hinzu kommen teleologische Gründe, die den Gewahrsam des Vereins an den ihm überlassenen Sachen auch noch im Verbotszeitpunkt erfordern. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 12 Abs. 2 VereinsG erlauben den staatlichen Zugriff auf vereinsfremdes Vermögen zum Zwecke der Gefahrenabwehr. Die Normen erfassen in den beiden Alternativen auf unterschiedliche Weise „bemakelte“ Sachen Dritter, weil der Dritte mit ihrer Überlassung die verfassungswidrigen Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat (Alt. 1) oder seine Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt waren (Alt. 2). In beiden Konstellationen geht es um die Abwehr künftiger Gefahren, die mit diesen Sachen verbunden sind. Denn nach dem Verbot eines Vereins ist damit zu rechnen, dass die in ihm organisierten verfassungsfeindlichen Kräfte versuchen, entweder den Verein illegal fortzusetzen oder sich neu zu gruppieren, um ihre Ziele in anderen Organisationsformen und auf anderem Wege zu erreichen. Deswegen kommt dem Entzug der materiellen Mittel des Vereins als Sicherungsmaßnahme eine große Bedeutung zu28. Dies bestätigt auch § 11 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 VereinsG, wonach von der Einziehung im Ermessenswege nur abgesehen werden kann, wenn im Einzelfall keine Gefahr besteht, dass Vermögenswerte des Vereins erneut zur Förderung von Handlungen oder Bestrebungen der in Art. 9 Abs. 2 GG genannten Art verwendet werden.

Resultiert aber die abzuwendende Gefahr bei den Sachen Dritter im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG aus der vorsätzlichen Überlassung an den Verein zur Förderung dessen verfassungswidriger Bestrebungen, muss diese Gefahr im Verbotszeitpunkt auch tatsächlich noch bestehen. Der vereinsrechtliche Zugriff auf die Sache ist nur gerechtfertigt, wenn sie von dem Verein weiter zur Verwirklichung der Verbotstatbestände benutzt wird oder benutzt werden könnte. Dies ist lediglich dann der Fall, wenn der Verein weiterhin Gewahrsam an der Sache hat, weil er dann jederzeit über sie verfügen und mit ihr die verfassungswidrigen Bestrebungen fortführen kann. Hat der Verein die tatsächliche Sachherrschaft an der Sache – aus welchen Gründen auch immer – zwischenzeitlich verloren, besteht die den Zugriff auf die Sache des Dritten rechtfertigende Gefahr hingegen nicht mehr fort.

Überdies gebieten verfassungsrechtliche Erwägungen ein solches Normverständnis. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG stellen Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar29. Diese bedürfen einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung und dürfen weder weiter gehen, als es ihr Grund, der Schutz des Gemeinwohls, erfordert, noch – gemessen am sozialen Bezug und an der sozialen Bedeutung des Eigentumsobjekts sowie im Hinblick auf den Regelungszweck – zu einer übermäßigen Belastung führen und den Eigentümer im vermögensrechtlichen Bereich unzumutbar treffen30.

Das Vereinsverbot bezweckt die Abwehr von Gefahren, die von der Vereinigung als solcher ausgehen; die besondere Gefährdung folgt somit gerade aus dem Zusammenschluss in kollektiver Form31. Auch die hier in Rede stehenden vereinsrechtlichen Nebenentscheidungen sind diesem Zweck verpflichtet. Mit ihnen werden Gefahren für Rechtsgüter der Gemeinschaft abgewendet, die mit den verbotswürdigen Aktivitäten des kollektiven Personenzusammenschlusses in einem Zusammenhang stehen und von der Sache des Dritten ausgehen32. Die Maßnahmen dienen der Verhütung weiteren Rechtsmissbrauchs33. Fehlt es an dem Zusammenhang der Sache mit der spezifischen Gefahrenlage, ließe sich der entschädigungslose Rechtsverlust für den Dritten nicht legitimieren, sondern überstiege die Beschränkung des Eigentums die Zumutbarkeitsgrenze im vermögensrechtlichen Bereich. Kann aber eine Vereinigung nur dann verboten werden, sofern ihre Aktivitäten im Verbotszeitpunkt einen Verbotsgrund verwirklichen, erfordert auch der Zugriff auf die Sache des Dritten, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch im Gewahrsam der Vereinigung steht. Lediglich dann birgt sie das gesteigerte Gefahrenpotential, das zum Schutze des Gemeinwohls abzuwenden ist. Für die Zeit vor Erlass der Verbotsverfügung kann das Agieren der Vereinigung noch nicht als rechtswidrig oder illegal angesehen werden. Erst das Verbot durch die Verbotsbehörde wirkt konstitutiv, vorher dürfen die Vereinigung nicht als verboten behandelt und die allgemein erlaubte Betätigung für die Vereinigung nicht als Unrecht bewertet werden34. Auf die Sache eines Dritten, die der Vereinigung im Zeitpunkt des Verbots nicht mehr zur freien Verfügung steht, darf deshalb mit vereinsrechtlichen Mitteln nicht zugegriffen werden.

Ausgehend von diesem Verständnis des objektiven Tatbestands ist der im hier angefochtenen Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs35 aufgestellte rechtliche Maßstab zum Förderungsvorsatz mit revisiblem Recht vereinbar. Das Bayer. Verwaltungsgerichtshof geht zu recht davon aus, dass für § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG bedingter Vorsatz ausreicht. Es nimmt weiter an – ohne dies ausdrücklich auszusprechen, dass sich der Vorsatz auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen muss. Auch hiergegen ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden.

§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG verlangen ein vorsätzliches Fördern. Hierfür genügt Eventualvorsatz36. Denn nach dem Wortlaut ist „Absicht“ oder ein „absichtliches“ Fördern nicht erforderlich, sodass alle Arten von Vorsatz und damit auch dessen schwächste Form, dolus eventualis, erfasst werden. Zudem sprechen der Sinn und Zweck von § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG dafür, bedingten Vorsatz ausreichen zu lassen. Ihrem gefahrenabwehrrechtlichen Zweck ist es dienlich, schon bei bedingtem Vorsatz des Überlassenden auszuschließen, dass er weiter Gelegenheit erhält, die Sache anderen Vereinigungen zur Förderung verfassungswidriger Bestrebungen zu überlassen. Dies unterbindet im Sinne einer effektiven Verbotsdurchsetzung zuverlässig weiteren Rechtsmissbrauch.

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Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den tatbestandlichen Erfolg als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles Willen zumindest mit dem Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und er ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten. Beide Elemente müssen tatsachenfundiert getrennt voneinander geprüft werden37.

Das Bayer. Verwaltungsgerichtshof geht ferner ersichtlich davon aus, dass sich der Vorsatz auf alle Merkmale des objektiven Tatbestands beziehen muss. Denn es verhält sich näher zu den Anforderungen an den Vorsatz hinsichtlich der „Förderung“ der „verfassungswidrigen Bestrebungen“ durch die „Überlassung“ der Sache des Dritten. Darüber hinaus bezieht es das Vorsatzerfordernis der Sache nach auch auf die Überlassung „an den Verein“ sowie auf „dessen“ verfassungswidrige Bestrebungen. Auch dies ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Dass Bezugspunkt des Vorsatzes sämtliche Merkmale des objektiven Tatbestands sind, entspricht nicht nur im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht allgemeiner Auffassung38. Auch im Bereich des Zivilrechts gilt, dass sich der Vorsatz auf den gesamten Haftungstatbestand erstrecken muss39. Anhaltspunkte dafür, dass für § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG Abweichendes gelten soll, sind nicht ersichtlich.

Somit muss der Vorsatz zum einen darauf bezogen sein, dass die Überlassung der Sache verfassungswidrige Bestrebungen fördert. Da es sich bei den verfassungswidrigen Bestrebungen um ein normatives Tatbestandsmerkmal handelt, ist es sachgerecht, mit dem Verwaltungsgerichtshof auf das Wissen des Eigentümers über die tatsächlichen Aktivitäten des Vereins und eine Parallelwertung in der Laiensphäre abzustellen. Denn bei Tatbestandsmerkmalen, die Wertungen und juristische Subsumtionen erfordern, gehört die rechtlich richtige Beurteilung nicht zum Tatvorsatz, sondern genügt eine laienhafte Vorstellung, die eine ausreichende Bedeutungskenntnis beinhaltet40.

Zum anderen muss sich der Vorsatz auch darauf beziehen, dass die Sache „an den Verein“ überlassen wird und dadurch „dessen“ verfassungswidrige Bestrebungen gefördert werden. Obwohl der Verwaltungsgerichtshof nur das Wissenselement des Vorsatzes anspricht („zumindest laienhafte Vorstellung davon entwickelt haben…“), ergibt sich aus dessen vorangegangenen Sätzen im Berufungsurteil hinreichend deutlich, dass das Gericht Vorsatz als Wissen und Wollen der objektiven Tatbestandsmerkmale versteht. Mit diesem zutreffenden Verständnis ist die Auffassung des Freistaats Bayern unvereinbar, es genüge, dass dem Dritten die Nutzung der Sache egal gewesen sei und er jede beliebige Verwendung – auch durch (irgend-)eine Vereinigung – billigend in Kauf genommen habe.

Bereits der Wortlaut von § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG lässt erkennen, dass sich das vorsätzliche Fördern auf „dessen“ verfassungswidrige Bestrebungen bezieht, womit nur der konkret verbotene Verein gemeint sein kann, „an den“ die Sachen überlassen worden sind. Auch die Entstehungsgeschichte der Normen stützt dieses Verständnis. Denn die sprachlichen Änderungen bei der Übernahme des § 12 Abs. 2 VereinsG a. F. in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 VereinsG (von „die verfassungswidrigen Bestrebungen des Vereins“ zu „dessen verfassungswidrige Bestrebungen“) waren – wie angeführt – lediglich redaktioneller Natur. Insofern bezieht sich „dessen“ weiterhin auf den Verein und nicht, wie der Freistaat Bayern meint, auf die verfassungswidrigen Bestrebungen und muss der Vorsatz – was in § 12 Abs. 2 VereinsG a. F. deutlicher wurde – auf die verfassungswidrigen Bestrebungen des Vereins bezogen sein.

Hinzu kommt, dass ein Vereinsverbot der Abwehr der von der konkreten Vereinigung als solcher ausgehenden Gefahren dient, weil gerade aus dem Zusammenschluss in kollektiver Form eine besondere Gefährdung folgt. Deswegen muss der Dritte dieses gesteigerte Gefahrenpotential bewusst und gewollt fördern. Das auf die Vereinigung bezogene Vorsatzerfordernis hat darüber hinaus eine den staatlichen Zugriff begrenzende Funktion, auf die mit Blick auf den grundrechtlichen Eigentumsschutz durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht verzichtet werden kann. Die Inhalts- und Schrankenbestimmung durch § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG rechtfertigt sich nicht nur aus dem gefahrenabwehrrechtlichen Sicherungsgedanken, das Vereinsverbot prospektiv effektiv umzusetzen, sondern auch aus der infolge seines Vorsatzes herabgesetzten Schutzwürdigkeit des Dritten41.

Aus dem vom Freistaat Bayern angeführten § 74a StGB lässt sich im vorliegenden Zusammenhang nichts herleiten, weil diese Norm an eine Tat als Strafsanktion anknüpft. Anders als der vereinsrechtliche Zugriff auf Sachen Dritter verfolgt die Norm eine repressive Zielsetzung.

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Auch die Frage, ob eine Vereinigung im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG vorliegt, ist mit Wertungen und Subsumtionen verbunden, sodass eine Parallelwertung in der Laiensphäre genügt. Ausreichend, aber auch notwendig für das Wissenselement ist die laienhafte Erkenntnis, dass es sich um einen freiwilligen Zusammenschluss einer Mehrheit von Personen zu einem gemeinsamen Zweck handelt, die sich einer organisierten Willensbildung unterworfen haben. Dies muss sich im konkreten Fall aufgrund von Tatsachen ebenso wie das Wollenselement feststellen lassen, um Vorsatz bejahen zu können. Praktische Schwierigkeiten bei der Ermittlung der tatsächlichen Anhaltspunkte für beide Elemente des Vorsatzes dürfen nicht dazu führen, Abstriche bei den gesetzlichen Anforderungen an den Förderungsvorsatz vorzunehmen. Die Kenntnis konkreter Vereinsstrukturen, einzelner Abläufe oder von Details der internen Willensbildung ist allerdings nicht vonnöten. Ein solches Erfordernis ist im objektiven Tatbestand nicht angelegt und würde Schutzlücken bei Vereinigungen nach sich ziehen, die ihre Strukturen bewusst verheimlichen.

Die Anwendung des bundesrechtlichen Maßstabs lässt gleichfalls keinen Verstoß gegen revisibles Recht erkennen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in rechtlicher Hinsicht keine abweichenden Anforderungen an den Vorsatz der Grundstückseigentümerin gestellt. Entgegen der Einschätzung des Freistaats Bayern bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er seinen Maßstab zum kognitiven Element des Vorsatzes überzogen hat. Soweit in dem Berufungsurteil etwa von einer Personenvereinigung mit „festen Strukturen und einer organisierten Willensbildung“ die Rede ist, werden lediglich die tatbestandlichen Voraussetzungen des Vereins im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG umschrieben. Ebenso liegt es bei dem „Einblick in die internen Strukturen“, die das angefochtene Urteil nicht fordert, um Vorsatz bejahen zu können. Vielmehr sieht es den fehlenden Einblick als ein Indiz an, dass die Grundstückseigentümerin um die Überlassung an das FNS nicht wusste. So verhält es sich auch, wenn bezüglich der Grundstückseigentümerin „nähere Kenntnis von den Organisationsstrukturen“ verneint wird.

Auch sonst rückt der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf das Wissenselement des Vorsatzes nicht davon ab, dass eine Parallelwertung in der Laienspähre über das Bestehen einer vereinsmäßigen Organisation ausreichend, aber auch erforderlich ist. Es genügt hierfür in der Tat nicht, dass die Grundstückseigentümerin die Nutzung des Anwesens für die Zusammenkünfte von Gesinnungsgenossen ihres Sohns kannte. Daraus allein lässt sich noch nicht auf das Vorliegen einer Vereinigung gemäß § 2 Abs. 1 VereinsG schließen. Es hätte ihr zumindest auch bekannt sein müssen, dass es sich – jedenfalls im Kern – immer wieder um denselben Personenkreis handelt, was auf einen Zusammenschluss dieser Personen im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG hingedeutet hätte. Darüber hinaus lässt das Nutzen des Anwesens durch Gesinnungsgenossen des Sohns auch nicht unmittelbar auf eine organisierte Willensbildung schließen, die § 2 Abs. 1 VereinsG ebenfalls fordert. Auch hierfür hätte es weiterer Anhaltspunkte bedurft.

An die Annahme des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs, dass der Grundstückseigentümerin das Wissenselement des Vorsatzes nicht nachgewiesen werden könne, ist das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht gebunden und hat sie seiner Entscheidung zugrunde zu legen (§ 137 Abs. 2 VwGO).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es in der prozessrechtlich zwischen Tatsachengericht und Revisionsinstanz vorgesehenen Kompetenzverteilung Sache des Tatsachengerichts, sich im Wege der freien Beweiswürdigung die Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Der in § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO niedergelegte Grundsatz der freien Beweiswürdigung eröffnet dem Tatrichter dafür einen Wertungsrahmen. Die tatrichterliche Beweiswürdigung ist von dem Bundesverwaltungsgericht nicht daraufhin nachzuprüfen, ob die Gewichtung einzelner Umstände und deren Gesamtwürdigung überzeugend erscheinen. Sie wird dementsprechend nicht schon dadurch in Frage gestellt, dass ein Beteiligter aus dem vorliegenden Tatsachenmaterial andere Schlüsse ziehen will als das Tatsachengericht. Der Überzeugungsgrundsatz setzt geradezu voraus, dass auch eine andere Überzeugung hätte gewonnen werden können. Ein nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO beachtlicher Mangel bei der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn der gerügte Fehler sich hinreichend deutlich von der materiell-rechtlichen Subsumtion, das heißt der korrekten Anwendung des sachlichen Rechts abgrenzen lässt und der Tatrichter den ihm bei der Tatsachenfeststellung durch den Grundsatz freier Beweiswürdigung eröffneten Wertungsrahmen verlassen hat. Eine Überschreitung dieses Wertungsrahmens kann etwa in einer Nichtbeachtung der Denkgesetze, gesetzlicher Beweisregeln oder allgemeiner Erfahrungssätze oder auch in einer objektiv willkürlichen oder aktenwidrigen Sachverhaltswürdigung bestehen42.

Bei einer solchen Überschreitung des durch § 108 Abs. 1 VwGO gesetzten Rahmens handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts um einen Verfahrensmangel, der nur auf Rüge des Revisionsklägers zu prüfen ist43. Eine Verfahrensrüge hat der Freistaat Bayern jedoch nicht erhoben.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Mai 2023 – 6 C 5.21

  1. stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 07.01.2016 – 1 A 3.15, BVerwGE 154, 22 Rn. 17 m. w. N.[]
  2. BGBl. I S. 593[]
  3. BGBl. I S. 2600[]
  4. vgl. Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 3 Rn. 2[]
  5. vgl. BT-Drs. IV/430 S. 12, 20[]
  6. vgl. BayVGH, Beschluss vom 14.07.2015 – 4 C 15.10 90 8 ff.[]
  7. vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2018 – 1 A 14.16, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 75 Rn. 26 m. w. N.[]
  8. BGBl. I 3186 – Verbrechensbekämpfungsgesetz[]
  9. so aber Sächs. OVG, Beschluss vom 19.02.2018 – 3 A 580/16 10; Albrecht, JöR (Bd. 68) 2020, 271 <288 f.> kritisch zum weiten Vereinsvermögensbegriff auch Peter, ThürVBl.2018, 156 <157 f.>[]
  10. vgl. BT-Drs. IV/430 S. 10[]
  11. zu den Grenzen der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft BGH, Urteil vom 21.03.2005 – II ZR 310/03 – NJW 2005, 1784 <1785> m. w. N.; kritisch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl.2002, § 6 III 3; Schäfer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl.2020, § 705 Rn. 345 m. w. N.[]
  12. BT-Drs. 12/6853 S. 45 f.[]
  13. vgl. BT-Drs. IV/430 S. 21[]
  14. ebenso Seidl, in: Albrecht/Roggenkamp, Vereinsgesetz, 1. Aufl.2014, § 12 Rn. 22; Groh, VereinsG, 1. Aufl.2012, § 12 Rn. 7; Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand April 2023, VereinsG § 12 Rn. 9[]
  15. Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 12 Rn. 11[]
  16. vgl. BT-Drs. 12/6853 S. 45 f.[]
  17. BT-Drs. 12/6853 S. 46 zu § 12 Abs. 2 VereinsG[]
  18. Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 12 Rn. 12; Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl.2019, VereinsG § 12 Rn. 25; Groh, VereinsG, 1. Aufl.2012, § 12 Rn. 7; Seidl, in: Albrecht/Roggenkamp, Vereinsgesetz, 1. Aufl.2014, § 12 Rn. 22[]
  19. ebenso Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 12 Rn. 12; enger offenbar Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl.2019, VereinsG § 12 Rn. 25 sowie Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand April 2023, VereinsG § 12 Rn. 9: „Vertragsverhältnis“[]
  20. vgl. Sächs. OVG, Urteil vom 29.03.2018 – 3 A 214/17 – DVBl 2018, 1024 25; Albrecht, JöR (Bd. 68) 2020, 271 <314> Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 12 Rn. 2 a. E.[]
  21. BT-Drs. IV/430 S. 18[]
  22. vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 07.01.2016 – 1 A 3.15, BVerwGE 154, 22 Rn. 3 und 18; dazu auch BVerfG, Beschluss vom 02.07.2019 – 1 BvR 1099/16 9 ff.[]
  23. vgl. Groh, VereinsG, 1. Aufl.2012, § 12 Rn. 7; Albrecht, JöR (Bd. 68) 2020, 271 <311, 315>[]
  24. so aber wohl Albrecht, JöR ((Bd. 68[]
  25. vgl. Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 12 Rn. 11[]
  26. siehe BT-Drs. 12/6853 S. 45 f.[]
  27. BT-Drs. 12/6853 S. 46[]
  28. BT-Drs. IV/430 S. 18 f.[]
  29. OVG NRW, Beschluss vom 31.05.2006 – 5 A 4410/04 13 ff.; BayVGH, Urteil vom 26.11.2007 – 4 B 07.10 4 19 ff.; zu § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG: BVerwG, Urteil vom 03.12.2004 – 6 A 10.02, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 87 sowie Beschluss vom 29.01.2013 – 6 B 40.12, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 60 Rn. 28[]
  30. BVerfG, Beschlüsse vom 12.12.1967 – 2 BvL 14/62 u. a., BVerfGE 22, 387 <422 f.> und vom 14.01.2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1 <28> m. w. N.[]
  31. stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 19.12.2012 – 6 A 6.11, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 59 Rn. 51; und vom 07.01.2016 – 1 A 3.15, BVerwGE 154, 22 Rn. 38[]
  32. vgl. in diesem Zusammenhang BVerfG, Beschluss vom 17.11.1966 – 1 BvL 10/61, BVerfGE 20, 351 <359>[]
  33. BT-Drs. IV/430 S.19[]
  34. BVerwG, Urteile vom 06.02.1975 – 2 C 68.73, BVerwGE 47, 330 <351> und vom 21.10.1986 – 1 C 44.84, BVerwGE 75, 86 <97 f.>[]
  35. BayVGH, Urteil vom 30.06.2020 – 4 B 20.124[]
  36. ebenso Seidl, in: Albrecht/Roggenkamp, VereinsG, 1. Aufl.2014, § 12 Rn. 22; Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl.2019, VereinsG § 12 Rn. 26[]
  37. vgl. BVerwG, Urteile vom 10.01.1980 – 1 D 56.79 13; vom 20.10.1981 – 5 C 16.80, Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr. 3 S. 4 sowie vom 18.09.2003 – 2 WD 3.03 6; BGH, Urteile vom 29.12.2017 – VI ZR 128/16 – NJW 2018, 1751 <1752> sowie vom 24.06.2021 – 4 StR 79/20 – SVR 2021, 471 <473 f.>[]
  38. vgl. Kudlich, in: BeckOK StGB, Stand 1.05.2023, § 15 Rn. 4 f.; Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl.2023, § 15 Rn. 4; Rengier, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl.2018, § 10 Rn. 3[]
  39. vgl. Stadler, in: Jauernig, BGB, 18. Aufl.2021, § 276 Rn.19 m. w. N.[]
  40. vgl. für das Zivilrecht BGH, Urteil vom 16.05.2017 – VI ZR 266/16 – WM 2017, 1400 <1402> und für das Strafrecht BGH, Beschluss vom 26.03.2018 – 4 StR 408/17 – WM 2018, 787 <791> jeweils m. w. N.[]
  41. vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl.2019, VereinsG § 3 Rn. 144[]
  42. BVerwG, Urteile vom 21.07.2010 – 6 C 22.09 – 137, 275 Rn. 36; vom 14.12.2020 – 6 C 11.18, BVerwGE 171, 59 Rn. 40; und vom 02.03.2022 – 6 C 7.20, BVerwGE 175, 76 Rn. 40 sowie Beschlüsse vom 05.10.2018 – 6 B 148.18 9 f.; vom 09.07.2019 – 6 B 2.18, Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 31 Rn. 22; und vom 31.03.2021 – 6 B 55.20 4 f.[]
  43. stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 02.03.2022 – 6 C 7.20, BVerwGE 175, 76 Rn. 41 m. w. N.[]
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Der eingezogene Geschäftsanteil - und die Unterbilanz der GmbH

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  • Bundesverwaltungsgericht: Robert Windisch