Verfassungsbeschwerde gegen eine Gesetzesänderung – und der Grundsatz der Subsidiarität

Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verpflichtet den Beschwerdeführer, vor einer Anrufung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich die Fachgerichte mit seinem Anliegen zu befassen.

Verfassungsbeschwerde gegen eine Gesetzesänderung – und der Grundsatz der Subsidiarität

Das gilt unabhängig davon, ob das Gesetz einen Auslegungs- oder Entscheidungsspielraum offenlässt oder ob ein solcher Spielraum fehlt1.

Die Pflicht zur Anrufung der Fachgerichte besteht ausnahmsweise dann nicht, wenn die angegriffene Regelung den Beschwerdeführer zu Dispositionen zwingt, die später nicht mehr korrigiert werden können2, oder wenn die Anrufung der Fachgerichte dem Beschwerdeführer nicht zuzumuten ist, etwa weil das offensichtlich sinn- und aussichtslos wäre3.

Die Voraussetzungen, von einer Anrufung der Fachgerichte zur Durchsetzung eines konkreten Auskunftsbegehrens abzusehen, lagen im hier entschiedenen Fall einer Verfassungsbeschwerde gegen eine Änderung des Sächsischen Umweltinformationsgesetzes nicht vor. Im fachgerichtlichen Verfahren wäre neben den weiteren Voraussetzungen der konkreten Informationsfreigabe zu beantworten, ob die Tätigkeit des Landesrechnungshofs nach seiner im Landesrecht verankerten Stellung und seinen Aufgaben als gerichtliche Tätigkeit einzustufen ist. Nur hierfür sieht die maßgebliche Richtlinie 2003/4/EG in Art. 2 Nr. 2 Satz 2 1. Alternative nationale Ausnahmen bei der Bestimmung auskunftspflichtiger Stellen vor4.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. August 2019 – 1 BvR 1232/19

  1. BVerfG, Beschluss vom 24.11.2009 – 1 BvR 213/08, Rn. 54[]
  2. vgl. BVerfGE 43, 291, 387; 60, 360, 372[]
  3. vgl. BVerfGE 55, 154, 157; 65, 1, 38; 102, 197, 208[]
  4. vgl. zur entsprechenden Anpassung des Landesrechts Nordrhein-Westfalen mit der Begründung der Landesrechnungshof nehme keine Rechtsprechungsaufgaben wahr, LT-Drs. 16/11843, S. 14[]
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