Voraussetzungen für die Wiedergestattung einer Tierhaltung

Nach § 16a Satz 2 Nr. 3 Hs. 2 TierSchG ist demjenigen, dem früher ein Tierhaltungsverbot auferlegt worden ist, das Halten oder Betreuen von Tieren wieder zu gestatten, wenn der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen entfallen ist. Liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift vor, so hat der Betroffene einen Anspruch auf die Wiedergestattung; der Behörde ist kein Ermessen eingeräumt.

Voraussetzungen für die Wiedergestattung einer Tierhaltung

Die Prüfung, ob der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen entfallen ist, muss sich auf die Frage richten, ob sich die Basis für die im Rahmen der Verhängung des Haltungs- und Betreuungsverbots getroffene Prognose zwischenzeitlich zugunsten des Klägers verändert hat. Die hierfür erforderliche Betrachtung muss daher die Verhältnisse in den Blick nehmen, die zur Verhängung des Tierhaltungsverbots geführt haben.

Die Wiedergestattung einer Tierhaltung oder -betreuung, die wegen zahlreicher über einen langen Zeitraum begangener tierschutzrechtlicher Verstöße untersagt worden war, setzt die Feststellung eines individuellen Lernprozesses des Betroffenen voraus, der zu einem Umdenken hinsichtlich seines Verhaltens gegenüber potenziell zu haltenden bzw. zu betreuenden Tieren geführt hat.

Angesichts der in der Vergangenheit begangenen Verstöße wäre es erforderlich gewesen, im Rahmen des Antrags auf Wiedergestattung des Haltens und Betreuens von Schafen bzw. im vorliegenden gerichtlichen Verfahren die Umstände darzulegen, aus denen ein individueller Lernprozess vonstatten gegangen sein kann und eine „Läuterung“ im Verhalten des Klägers gegenüber potenziell zu haltenden Tieren ersichtlich wird. Hinsichtlich der Maßstäbe für die Glaubhaftmachung kann dabei auf vergleichbare Regelungsinhalte in anderen Rechtsmaterien abgestellt werden, etwa in § 35 Abs. 6 der Gewerbeordnung bzw. im Einbürgerungsrecht1. Dementsprechend genügt ein bloßes äußeres – zeitweiliges oder situationsbedingtes – Unterlassen der früheren Handlungsweise nicht. Vielmehr muss zusätzlich ein innerer Vorgang im Sinne eines individuellen Lernprozesses stattgefunden haben, der sich auf die inneren Gründe für die Handlung bezieht und nachvollziehbar werden lässt, dass diese so nachhaltig entfallen sind, dass mit hinreichender Gewissheit zukünftig auszuschließen ist, dass sich der Kläger wiederum tierschutzwidrig verhält2.

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Im entschiedenen Fall war das Verwaltungsgericht auch nicht der Auffassung, dass es gegenüber der Aufrechterhaltung des Tierhaltungs- und Betreuungsverbots derzeit eine mildere Alternative gäbe, beispielsweise durch Beschränkung der Anzahl der Tiere oder durch Gestattung der unselbständigen Betreuung von Schafen. Der Kläger strebt an, wieder Wanderschafhaltung und Schafzucht im Bereich der Stadt D. zu betreiben. Hierzu müsste er, um wirtschaftlich handeln zu können, wieder eine Herde von 350 Mutterschafen und 350 Jährlingen aufbauen; hinzu käme zeitweise eine Anzahl von wohl etwa 350 Lämmern. Mit einer solchen Herde wäre der Kläger bereits überfordert, denn er hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er organisatorisch nicht in der Lage ist, eine so große Anzahl von Schafen tierschutzrechtlich beanstandungsfrei zu halten. Abgesehen davon führt die mangelnde Auseinandersetzung mit den früheren Verstößen dazu, dass ihm derzeit der Umgang mit einer größeren Anzahl von Schafen – auch im Rahmen einer Angestelltentätigkeit – nicht erlaubt werden kann. Die Aufrechterhaltung des Tierhaltungs- und Betreuungsverbots ist daher erforderlich. Sie ist darüber hinaus auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Abwägung des gesetzlichen Interesses an einem Schutz der Tiere vor körperlichen Leiden und tierschutzwidrigen Bedingungen, das in Art. 20a GG als besonderes staatliches Schutzziel aufgenommen worden ist, gegenüber dem Interesse des Klägers geht zu dessen Lasten aus. Der in der Aufrechterhaltung der Maßnahme liegende Eingriff in die Berufsfreiheit des Klägers (Art. 12 Abs. 1 GG) ist verhältnismäßig, weil demgegenüber die tierschutzrechtlichen Belange Vorrang haben. Denn auch bei der Ausübung seines Berufs als Tierwirt ist der Kläger an die gesetzlichen Bestimmungen gebunden, die sein Grundrecht auf Berufsfreiheit in verfassungsrechtlich zulässiger Weise beschränken3.

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Verwaltungsgericht Göttingen, Urteil vom 9. Februar 2011 – 1 A 184/09

  1. vgl. VG Gießen, Urteil vom 25.09.2006 – 10 E 643/06, m. w. N.[]
  2. vgl. VG Gießen, Urteil vom 10.10.2003 – 10 E 5130/02[]
  3. vgl. zur Möglichkeit, den Tierschutz zum Gegenstand von Regelungen zu machen, die bestimmte grundrechtlich garantierte Freiheiten – und insbesondere auch die Berufsfreiheit – einzuschränken vermögen: Maunz/Dürig, GG, Stand: Oktober 2010, Art. 20a Rn. 62 und 66[]