Wahlprüfungsverfahren – Mandatsrelevanz oder subjektive Rechtsverletzung

Beschränkt sich der Beschwerdeführer im Wahlprüfungsverfahren auf die Geltendmachung einer subjektiven Rechtsverletzung, bedarf es der Darlegung der Mandatsrelevanz des Wahlfehlers nicht.

Wahlprüfungsverfahren – Mandatsrelevanz oder subjektive Rechtsverletzung

Die Beschwerdeführer sind beschwerdebefugt, wenn sie eine Verletzung eigener Rechte in einer Weise dargetan haben, die eine solche nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen lässt. Dabei ist es unschädlich, dass sie in ihrer Wahlprüfungsbeschwerde nicht ausgeführt haben, ob der gerügte Wahlfehler Einfluss auf die Mandatsverteilung haben kann und die angegriffene Bundestagswahl daher für ungültig zu erklären ist.

Das Verfahren der Wahlprüfungsbeschwerde nach § 48 BVerfGG war ursprünglich als ein rein objektives Beanstandungsverfahren ausgestaltet, bei dem die Darlegung einer Beschwerdebefugnis nicht erforderlich war1. Vielmehr erforderte eine zulässige Wahlprüfungsbeschwerde einen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG hinreichend substantiierten und aus sich heraus verständlichen Sachvortrag, aus dem erkennbar war, worin ein Wahlfehler liegen sollte, der Einfluss auf die Mandatsverteilung haben konnte2.

Nach der Neufassung des § 48 BVerfGG durch Art. 3 des Gesetzes zur Verbesserung des Rechtsschutzes in Wahlsachen vom 12.07.20123, durch die erstmals explizit die Möglichkeit der Feststellung der Verletzung eigener Rechte im Wahlprüfungsverfahren eröffnet worden ist, bedarf es bei einer ausschließlichen Rüge der Verletzung subjektiver Wahlrechte einer substantiierten Darlegung der Mandatsrelevanz des geltend gemachten Wahlfehlers nicht mehr. Mit der Neuregelung zielt der Gesetzgeber darauf ab, dem Bundesverfassungsgericht in den Wahlprüfungsbeschwerdeverfahren, in denen die Wahl zum Deutschen Bundestag nicht für ungültig zu erklären ist, die Möglichkeit zu eröffnen, auf entsprechende Beschwerden hin die geltend gemachten Rechtsverletzungen zu klären und gegebenenfalls im Tenor seiner Entscheidung festzustellen4. Der Verzicht auf das Erfordernis der Darlegung der Mandatsrelevanz in Fällen der Geltendmachung subjektiver Wahlrechtsverletzungen entspricht dem Gebot effektiven Rechtsschutzes. Denn aufgrund der Exklusivität der Wahlprüfungsbeschwerde, wie sie in § 49 BWahlG kodifiziert ist und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als verfassungskonform bestätigt wurde5, sind Verfassungsbeschwerden, die Maßnahmen in Bezug auf eine konkrete Bundestagswahl zum Gegenstand haben, unzulässig. Da nicht jeder Wahlfehler, der subjektive Rechte verletzt, zugleich eine Auswirkung auf die Mandatsverteilung hat, entstünde eine erhebliche Rechtsschutzlücke, sofern man auch insoweit die Darlegung einer Mandatsrelevanz des gerügten Wahlfehlers für die Zulässigkeit einer Wahlprüfungsbeschwerde erforderlich erachtete.

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Ergänzung eines Urteils

Der Verzicht auf die Darlegung einer möglichen Auswirkung des geltend gemachten Wahlfehlers auf die Mandatsverteilung entbindet den ausschließlich eine subjektive Rechtsverletzung rügenden Beschwerdeführer allerdings nicht von den Begründungspflichten aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 48 Abs. 1 Halbsatz 2 BVerfGG. Beschränkt der Beschwerdeführer die Wahlprüfungsbeschwerde auf die Geltendmachung einer subjektiven Rechtsverletzung, hat er die Möglichkeit einer Verletzung seines Wahlrechts substantiiert darzulegen.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29. Januar 2019 – 2 BvC 62/14

  1. vgl. Bechler, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2015, § 48 Rn.19[]
  2. vgl. BVerfGE 40, 11, 30; 48, 271, 276; 58, 175, 175 f.; 122, 304, 308 f.[]
  3. BGBl I S. 1501[]
  4. vgl. BT-Drs. 17/9391, S. 11[]
  5. vgl. BVerfGE 11, 329, 329; 14, 154, 155; 16, 128, 130; 74, 96, 101[]