Die Rechtsgrundlage (in einer kommunalen Wasserversorgungssatzung) über die Einstellung der Wasserversorgung wegen eines Gebührenrückstands begründet keine Verpflichtung des Wasserversorgers, sondern stellt die Versorgungseinstellung in dessen Ermessen. Die Einstellung der Wasserversorgung aufgrund rückständiger Forderungen des Versorgers ist nur dann gerechtfertigt, wenn es um Forderungen gerade aus dem Wasserversorgungsverhältnis geht. Eine Versorgungseinstellung darf nicht (auch) darauf gestützt werden, dass ein Bezieher von Wasser seinen finanziellen Verpflichtungen wegen anderer öffentlicher Forderungen, insbesondere

Die angedrohte Wassersperre hat im vorliegenden Fall seine Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 2 der Satzung (der Stadt) über den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und die Versorgung der Grundstücke mit Wasser – WVS, die ihrerseits ihre Rechtsgrundlage in den §§ 4, 11 GemO und §§ 2, 8 Abs. 2, 11, 13, 20 und 42 KAG hat. Nach dieser Vorschrift ist die Stadt bei anderen Zuwiderhandlungen (als den in § 10 Abs. 1 WVS genannten, um die es hier nicht geht), insbesondere bei Nichtzahlung einer fälligen Abgabenschuld trotz Mahnung, berechtigt, die Versorgung zwei Wochen nach Androhung einzustellen. Dies gilt nicht, wenn der Wasserabnehmer darlegt, dass die Folgen der Einstellung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen und hinreichende Aussicht besteht, dass der Wasserabnehmer seinen Verpflichtungen nachkommt. Die Stadt kann mit der Mahnung zugleich die Einstellung der Versorgung androhen. Diese Regelung entspricht (beinahe wörtlich) der Regelung in § 33 Abs. 2 der (bundesrechtlichen) Verordnung über die Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Wasser1 – AVBWasserV -.
Die zuvor genannten Vorschriften begründen jedoch (auch bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen), wie sich schon aus ihrem Wortlaut („berechtigt“) ergibt, keine Verpflichtung des Wasserversorgers zur Einstellung der Wasserversorgung, sondern stellen dieses in dessen Ermessen2. Ungeachtet einer möglichen Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen von § 10 Abs. 2 WVS hat die Antragsgegnerin dieses Ermessen offenkundig fehlerhaft ausgeübt. Denn eine Einstellung der Wasserversorgung aufgrund rückständiger Forderungen des Versorgers ist nur dann gerechtfertigt, wenn es um Forderungen gerade aus dem Wasserversorgungsverhältnis geht. Eine Versorgungseinstellung darf nicht (auch) darauf gestützt werden, dass ein Bezieher von Wasser seinen finanziellen Verpflichtungen wegen anderer öffentlicher Forderungen, insbesondere wegen offener Gebühren für die Abwasserentsorgung, nicht nachgekommen ist oder nachkommen wird3.
Die Stadt hat ihre Entscheidung, der Antragstellerin künftig kein Wasser mehr zu liefern, ersichtlich allein auf der Grundlage getroffen, dass die Antragstellerin (und ihr Ehemann) mit einer Gebührenzahlung in Höhe von 1.588,52 € im Rückstand ist. Ausweislich des Gebührenbescheids vom 31.12.2013 setzt sich dieser Betrag jedoch annähernd zur Hälfte aus Abwassergebühren zusammen. Das stellt eine wesentliche Änderung der Entscheidungsgrundlagen dar. Es erfordert eine neue, auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit andere Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin, ob eine solche Versorgungssperre auch allein angesichts der (erheblich geringeren) Rückstände der Antragstellerin bei der Zahlung von Wasserversorgungsgebühren erfolgen soll.
Schon wegen dieses Ermessensfehlers erweist sich das beabsichtigte Vorgehen der Antragsgegnerin als rechtswidrig. Darauf, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 WVS für eine Einstellung der Wasserversorgung vorliegen und ob die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin auch aus anderen Gründen rechtlichen Bedenken begegnet, kommt es hiernach nicht an. Immerhin wäre daran zu denken, dass die Antragsgegnerin auch in ihre Überlegungen hätte einstellen müssen, ob es nicht angezeigt sein könnte, vor einer Einstellung der Wasserversorgung das Ergebnis der Prüfung des Jobcenters für den Landkreis L. abzuwarten, ob die Zahlungsrückstände der Antragstellerin durch eine Darlehensbewilligung dieses Amts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch abgelöst werden können, zumal aktuell keine weitere Erhöhung dieser Zahlungsrückstände droht; des Weiteren könnte es geboten sein, dass die Antragsgegnerin darlegt, wie sie sich im konkreten Fall ein (menschenwürdiges) Leben der Antragstellerin ohne jegliche Wasserversorgung auf Dauer vorstellt4 und wie die Stadt in der Vergangenheit mit anderen Abgabenschuldnern umgegangen ist und umzugehen gedenkt.
Verwaltungsgericht Freiburg, Beschluss vom 4. September 2014 – 4 K 1748/14
- in der Fassung von Art. 3 des Gesetzes vom 21.01.2013, BGBl I, 91[↩]
- vgl. auch VG Dresden, Urteil vom 17.04.2012 – 2 K 816/10[↩]
- OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01.11.2011, NVwZ-RR 2012, 140, m.w.N.; VG Magdeburg, Urteil vom 22.06.2012 – 9 A 166/11; VG Freiburg, Beschluss vom 20.07.2012 – 2 K 990/12[↩]
- vgl. hierzu auch VG Dresden, Urteil vom 17.04.2012, a.a.O., m.w.N.; siehe auch VG Freiburg, Beschluss vom 20.07.2012, a.a.O.[↩]