Wiedereinsetzung bei fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung

Unterbleibt die Einlegung einer Beschwerde, weil die Rechtsmittelbelehrung eine kürzere als die gesetzliche Beschwerdefrist ausweist, beginnt die Frist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und für die Nachholung der versäumten Rechtshandlung, sobald der Betroffene die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung erkennt oder diese hätte erkennen müssen.

Wiedereinsetzung bei fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung

Die falsche Rechtsmittelbelehrung hat keinen Einfluss auf den Lauf der Beschwerdefrist1.

Grundsätzlich kommt Wiedereinsetzung in Betracht, wenn die einem Beschluss nach § 39 FamFG beizufügende Rechtsmittelbelehrung eine kürzere als die gesetzliche Frist für die Einlegung des Rechtsmittels nennt. Denn dies kann den Betroffenen daran hindern, das Rechtsmittel einzulegen, etwa weil es ihm innerhalb der kürzeren Frist nicht gelingt, sich über die Anfechtung des Beschlusses schlüssig zu werden und die hierfür erforderlichen Schritte einzuleiten, und er anschließend – in der Annahme, die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels sei abgelaufen – keine weiteren Bemühungen in diese Richtung unternimmt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts legt deshalb der Umstand, dass die Betroffene innerhalb der in der Rechtsmittelbelehrung genannten Frist von zwei Wochen keine Beschwerde eingelegt hat, nicht den Schluss nahe, dass sie ohnehin von der Einlegung der Beschwerde Abstand genommen hätte.

Ein Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden (§ 18 Abs. 1 FamFG); innerhalb dieser Frist ist auch die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 18 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Die Einhaltung der Antragsfrist muss sich, sofern sie nicht offenkundig ist, aus einer geschlossenen Darstellung der tatsächlichen Abläufe seitens des Betroffenen ersehen lassen. Erforderlich sind Angaben zu dem Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, und zu dem Zeitpunkt des Wegfalls dieses Hindernisses2.

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Im Regelfall ist das Hindernis für die Fristwahrung entfallen, sobald die Partei oder ihr Verfahrensbevollmächtigter die Fristversäumung erkannt hat oder dies bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen müssen3. Darauf kann es allerdings nicht ankommen, wenn die Fristversäumung – wie hier – auf eine Rechtsmittelbelehrung zurückzuführen ist, welche eine kürzere als die im Gesetz vorgesehene Beschwerdefrist ausweist. Denn der Betroffene, der innerhalb der in der Belehrung genannten Frist kein Rechtsmittel eingelegt hat, geht davon aus, die Frist versäumt zu haben. In einem solchen Fall beginnt die Antragsfrist des § 18 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 FamFG, sobald der Betroffene die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung erkennt oder diese hätte erkennen müssen. Damit ist ihm nicht länger ohne sein Verschulden unbekannt, dass er infolge des durch die Rechtsmittelbelehrung hervorgerufenen Irrtums gehindert war, die (eigentliche) Rechtsmittelfrist auszunutzen und diese deshalb versäumt hat.

Der Umstand, dass die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung zu einer um 16 Tage verkürzten Überlegungsfrist geführt hat, hat nicht zur Folge, dass die Frist des § 18 Abs. 1 FamFG erst beginnt, nachdem der Betroffenen die fehlende Überlegungsfrist nachträglich eingeräumt worden ist. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss unabhängig davon, welche Frist versäumt worden ist und auf welchen Gründen dies beruht, binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden4. Dass sich hierdurch die gesetzlich eingeräumte Überlegungsfrist für die Einlegung eines Rechtsmittels verkürzen kann, ist im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Wiedereinsetzung und im Interesse der Rechtssicherheit hinzunehmen.

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Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass sich die Frist des § 18 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 FamFG für die Nachholung einer Rechtsbeschwerdebegründung auf vier Wochen verlängert, wenn dem Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist5. Denn hierbei steht nicht der Gleichlauf der Fristen für die Nachholung der versäumten Rechtshandlung und für die Rechtsmittelbegründung, sondern die Gleichbehandlung von bemittelten und unbemittelten Beteiligten im Vordergrund.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 3. Mai 2012 – V ZB 54/11

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 13.01.2010 XII ZB 248/09, NJW-RR 2010, 291 Rn. 8[]
  2. vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., § 18 Rn. 14; Prütting/Helms/AhnRoth, FamFG, 2. Aufl., § 18 Rn. 16[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 13.07.2004 XI ZB 33/03, NJW-RR 2005, 76, 77[]
  4. vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., § 18 Rn. 10[]
  5. BGH, Beschluss vom 04.03.2010 V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 327 f. Rn. 9[]