Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung betont, dass es nicht dazu berufen ist, Entscheidungen anderer Gerichte einer allgemeinen inhaltlichen Nachprüfung zu unterziehen. Auch unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots kommt ein verfassungsgerichtliches Eingreifen nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht und nicht schon dann, wenn die Rechtsanwendung Fehler enthält1.

Allerdings werden auch der Rechtsprechung bei der Ausfüllung der ihr eingeräumten Ermessens- und Beurteilungsspielräume durch das Willkürverbot gewisse äußerste Grenzen gezogen. Diese sind unter anderem dann überschritten, wenn sich für die Auslegung und Anwendung einer einfachrechtlichen Norm sachlich zureichende, plausible Gründe nicht mehr finden lassen2.
Hinzukommen zu dem Rechtsanwendungsfehler muss also, dass die fehlerhafte Rechtsanwendung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht3.
Dabei enthält die verfassungsgerichtliche Feststellung von Willkür keinen subjektiven Schuldvorwurf, sondern will in einem objektiven Sinne verstanden sein; nicht subjektive Willkür führt zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit, sondern objektive, das heißt die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit einer Maßnahme im Verhältnis zu der tatsächlichen Situation, deren sie Herr werden soll4.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 31. Juli 2023 – 2 BvR 1014/21
- vgl. BVerfGE 4, 1 <7> 62, 189 <192>[↩]
- vgl. BVerfGE 42, 64 <73>[↩]
- vgl. BVerfGE 42, 64 <72 ff.> 54, 117 <124 f.> 55, 72 <89 f.> 58, 163 <167 f.> 59, 128 <160 f.> 62, 189 <192> 80, 48 <51> 81, 132 <137> stRspr[↩]
- BVerfGE 2, 266 <281> 4, 144 <155> 42, 64 <73> 58, 163 <167 f.> 62, 189 <192> 71, 122 <135 f.>[↩]
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